Verwaltungsrecht

Keine Deckungsgleichheit des räumlichen Geltungsbereichs von Beitragssatzung und Stammsatzung

Aktenzeichen  20 ZB 19.2324

Datum:
30.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 15473
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKAG Art. 5
GG Art. 3

 

Leitsatz

Die Nichtheranziehung von Grundstückseigentümern, die einen Vorteil durch eine Entwässerungsanlage erhalten, verstößt gegen den Gleichheitssatz. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 10 K 18.2924 2019-09-26 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 74.078,68 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Kläger wenden sich gegen die Heranziehung von Herstellungsbeiträgen für ihre Grundstücke, welche an die Entwässerungsanlage des Beklagten angeschlossen sind. Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 26. September 2019 stattgegeben. Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung begehrt der Beklagte die Änderung des erstinstanzlichen Urteils unter Klageabweisung.
II.
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Die von dem Beklagten geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. Aus dem Vorbringen des Beklagten ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nur, wenn einzelne tragende Rechtssätze oder einzelne erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts durch schlüssige Gegenargumente infrage gestellt werden (vgl. BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243 = juris Rn. 16; B.v. 16.7.2013 – 1 BvR 3057/11 – BVerfGE 134, 106 = juris Rn. 36). Sie sind nicht erst dann gegeben, wenn bei der im Zulassungsverfahren allein möglichen summarischen Überprüfung der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (vgl. BVerfG, B.v. 16.1.2017 – 2 BvR 2615/14 – IÖD 2017, 52 = juris Rn. 19; B.v. 3.3.2004 – 1 BvR 461/03 – BVerfGE 110, 77/83). Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn der Antragsteller substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546 = juris Rn. 17 m.w.N.; 8 ZB 16.1806 – juris Rn. 9 m.w.N.). Dabei kommt es grundsätzlich nicht auf einzelne Elemente der Urteilsbegründung an, sondern auf das Ergebnis der Entscheidung, also auf die Richtigkeit des Urteils nach dem Sachausspruch in der Urteilsformel (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838 = juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 19.3.2013 – 20 ZB 12.1881 – juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 15.12.2017 – 8 ZB 16.1806 – DVBl 2018, 127 = juris Rn. 9 m.w.N.).
Nach diesem Maßstab bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Die Einwendungen des Beklagten greifen nicht durch. Das Verwaltungsgericht ist in seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass keine räumliche Deckungsgleichheit zwischen der gewidmeten öffentlichen Einrichtung gemäß § 1 Abs. 1 EWS vom 13. Dezember 2012 und dem Gebiet, für welches Abgaben für die öffentliche Einrichtung nach der Beitrags-, Gebühren- und Kostensatzung zur Entwässerungssatzung vom 5. Mai 2014 in der Fassung der ersten Änderungssatzung vom 11. Dezember 2015 (BGS-EWS) erhoben werden, weil die BGS-EWS nicht alle Ortsteile umfasst, für die die öffentliche Entwässerungseinrichtung des Beklagten betrieben wird. Der Beklagte greift diesen tatsächlichen Befund des Verwaltungsgerichts mit seinem Zulassungsantrag nicht an, ist aber der Meinung, dass die vom Verwaltungsgericht gezogene Rechtsfolge der Nichtigkeit der BGS-EWS rechtlich nicht zutreffend sei. Dies greift nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung zutreffend unter Verweis auf die Rechtsprechung des Senates (vgl. BayVGH, B.v. 15.5.2005 – 23 B 04.3348 – BeckRS 2005,39605) ausgeführt, dass die Nichtheranziehung von Grundstückseigentümern, welche einen Vorteil durch die Entwässerungsanlage erhalten, gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verstößt. Die Tatsache, dass nach dem Vortrag der Beklagten tatsächlich alle Grundstückseigentümer, welche die Anschlussmöglichkeit besitzen, zu Herstellungsbeiträgen herangezogen wurden, ändert an diesem Befund nichts. Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Abgabengerechtigkeit und Belastungsgleichheit können nicht von der Zufälligkeit des Einzelfalles, je nachdem, ob die nicht beitragspflichtigen Grundstückseigentümer Beiträge tatsächlich entrichten, abhängig gemacht werden.
2. Aus dem gleichen Grunde ist die Berufung auch nicht wegen tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 und 3 GKG.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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