Verwaltungsrecht

Keine tatsächliche Erledigung der Hauptsache

Aktenzeichen  M 4 K 15.31048

Datum:
14.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 161 Abs. 2, Abs. 3

 

Leitsatz

Tenor

I.
Das Verfahren wird eingestellt.
II.
Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben.

Gründe

Die Klagepartei hat mit Schreiben vom 28. Februar 2015 die Hauptsache für erledigt erklärt. Die Beklagte hat mit allgemeiner Prozesserklärung vom 25. Februar 2016 und der Ergänzung vom 24. März 2016 einer Erledigungserklärung generell zugestimmt. Das Verfahren ist daher in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO- einzustellen.
Die Kostenentscheidung ist hier aus zwei Gründen nicht nach der (der allgemeinen Regelung des § 161 Abs. 2 VwGO vorgehenden) spezielleren Regelung des § 161 Abs. 3 VwGO zu treffen, sondern nach § 161 Abs. 2 VwGO.
Zum einen findet die Vorschrift des § 161 Abs. 3 VwGO keine Anwendung, wenn der Kläger das Verfahren nach dem Erlass eines ablehnenden Bescheids mit Zustimmung der Beklagten durch Erledigungserklärung beendet, sein Klageziel jedoch mit einer neuen Klage weiterverfolgt. Der Rechtsstreit hat sich dann nur scheinbar wegen der Bescheiderteilung erledigt (vgl. VG Göttingen, Beschluss vom 06.11.2013 – 3 A 200/03 = BeckRS 2003,25139; Posser/Wolf, Beck’scher Online Kommentar VwGO, § 161 VwGO Rn. 21). Der Grund für die Vergünstigung des § 161 Abs. 3 VwGO, einen Kläger von dem Kostenrisiko zu befreien, das ihm dadurch entsteht, dass er die behördliche Beurteilung seines Antrags in angemessener Zeit nicht erfahren hat, kann die Kostenüberbürdung auf die Beklagte nicht tragen. Die Beklagte trüge ohne sachlichen Grund das Risiko, zweimal mit Prozesskosten belastet zu werden, obwohl der Kläger die ursprüngliche Untätigkeitsklage hätte weiterführen können (vgl. auch VG Bremen, Beschluss vom 05.07.2002 – 1 K 376/02 = BeckRS 2014, 47865).
Zum anderen fallen nach § 161 Abs. 3 VwGO in den Fällen des § 75 VwGO die Kosten stets dem Beklagten nur zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte. Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Zwar liegt ein Fall des § 75 VwGO vor, da der Kläger im Oktober 2014 einen Asylfolgeantrag gestellt hat und der stattgebende Bescheid vom 8. Februar 2016 ist (Klageerhebung 3. August 2015). Damit war die (Drei-Monats-)Frist des § 75 Satz 2 VwGO eingehalten und die Klage unabhängig davon zulässig, ob ein zureichender Grund dafür vorlag, dass die Behörde noch nicht entschieden hat (vgl. Dolde/Porsch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 27. Lfg. Oktober 2014, § 75 Rn. 7).
Aber die weitere Voraussetzung, dass der Kläger mit der Bescheidung seines Antrags vor Klageerhebung rechnen durfte, ist nicht erfüllt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist diese Voraussetzung nämlich dann nicht zu bejahen, wenn die Beklagte einen zureichenden Grund für die Nichtbescheidung hatte und der Klägerseite dieser Grund bekannt war oder bekannt sein musste (BVerwG, U. v. 23.7.1991 – 3 C 56.90 – NVwZ 1991, 1180, 1181 – juris Rn. 9). So verhält es sich hier.
Das Gericht geht davon aus, dass die Belastung oder richtigerweise Überlastung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge seit Sommer 2014 und insbesondere in den letzten Monaten vor Klageerhebung allgemein und auch der Klägerseite bekannt ist. Folge ist, dass die Behandlung der vorliegenden Anträge nur schleppend voranging.
Im vorliegenden Fall trifft es auch nicht zu, dass das Bundesamt den Antrag des Klägers „liegengelassen“ hätte. Vielmehr war ihm bekannt, dass das Verfahren, wenn auch sehr langsam, weiter betrieben wurde. So führte die Beklagte im Oktober 2014 eine informatorische Anhörung durch und äußerte sich zudem in einem Schreiben vom 18. August 2015 zum Stand der Bearbeitung.
Durfte der Kläger sonach mit einer Entscheidung über den Asylantrag vor Klageerhebung nicht rechnen, verbleibt es auch aus diesem Grund bei der Anwendung des § 161 Abs. 2 VwGO (vgl. VG Stuttgart, B. v. 22.5.2003 – 2 K 412/03 – juris Rn. 7 f.).
Danach ist unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es vorliegend, die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufzuheben. Nach Aktenlage spricht zudem einiges für die Rechtmäßigkeit des Bescheids der Beklagten. Eine abschließende Prüfung konnte jedoch aufgrund der Erledigungserklärungen nicht durchgeführt werden; sie bleibt dem den Bescheid betreffenden Klageverfahren vorbehalten.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.


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