Verwaltungsrecht

keine “vorbeugende Feststellungsklage”

Aktenzeichen  M 23 K 19.2734

Datum:
29.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 28233
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 43 Abs. 2 S. 1
FZV § 25 Abs. 5, § 30 Abs. 9 S. 1 lit. b, S. 2

 

Leitsatz

Da Verwaltungsrechtsschutz grundsätzlich nachträglicher Rechtsschutz ist, muss ein Fahrzeughalter zunächst das Ergehen einer Anordnung der Verkehrsbehörde abwarten und kann keine “vorbeugende Feststellungsklage” erheben. (Rn. 17 – 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Das Gericht konnte trotz Ausbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung über die Sache verhandeln und entscheiden, da der Kläger ordnungsgemäß geladen war und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Der ursprünglich gestellte Klageantrag – aber auch die in Laufe des Verfahrens gestellten Anträge – stellen keine Klageerweiterung zu dem Verfahren unter dem Aktenzeichen M 23 K 19.2609 dar, wovon der Kläger – jedenfalls ursprünglich – ausging. Vielmehr handelt es sich jeweils um gänzlich andere Streitgegenstände, wenn auch dasselbe Fahrzeug betroffen ist.
Es braucht entschieden zu werden, ob in der im klägerischen Schriftsatz vom … Juli 2019 erfolgten „Berichtigung“ eine Klageänderung (§ 263 VwGO), teilweise Klagerücknahme oder nur eine Beschränkung des Klageantrags in der Hauptsache (§ 264 Nr. 1 VwGO) zu sehen ist. Denn der Beklagte hat in den neuerlichen Antrag in der mündlichen Verhandlung jedenfalls eingewilligt (§ 91 Abs. 1, § 263 VwGO). Somit ist – gleich welche Variante zugrunde gelegt wird – nur noch über die neuerlichen Anträge, nicht aber über den ursprünglich gestellten Antrag auf Anerkennung des vorderen Ersatzkennzeichens zu entscheiden.
Diese Anträge sind unzulässig.
Zum einen tritt die Feststellungsklage subsidiär hinter einer möglichen Anfechtungsklage, die gegebenenfalls gegen einen (noch ausstehenden) Bescheid erhoben werden kann, zurück (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO).
Zum anderen wendet sich der Kläger mit seinen Feststellungsanträgen im Ergebnis gegen (noch) ausstehende Anordnungen der Beklagten, wenn er festgestellt wissen will, dass das Landratsamt nicht berechtigt ist, das hintere Kennzeichen zu verlangen und das Fahrzeug wegen des abhandengekommenen vorderen Nummernschildes außer Betrieb setzen zu lassen sowie eine Umkennzeichnung zu verlangen. Es handelt sich damit eine „vorbeugende Feststellungsklage“, bei der an das Vorliegen eines berechtigten Interesses hohe Anforderungen zu stellen sind. Eine Anordnung vom 8. Mai 2019, worin die Beklagte die Vorlage des hinteren Nummernschildes verlangt oder die Außerbetriebsetzung des Fahrzeugs aufgrund des fehlenden vorderen abgestempelten Kennzeichens anordnet, existiert ebenso wenig wie die Anordnung, das Fahrzeug umzukennzeichen. Diese Anordnungen sind nicht im Bescheid vom 8. Mai 2019 enthalten. Dieser stützt sich nicht auf das Fehlen des vorderen Kennzeichens, sondern auf die Versicherungsfehlanzeige seiner Versicherungsgesellschaft. Das Fehlen des vorderen Nummernschildes wird lediglich am Rande der Vollständig 12 keit halber erwähnt. Ob das Landratsamt in der Zukunft überhaupt die vom Kläger befürchteten Anordnungen erlässt, bleibt abzuwarten.
Der Kläger muss daher darlegen, warum ein Abwarten des Erlasses der befürchteten Anordnungen für ihn ausnahmsweise nicht zumutbar ist.
Dem Kläger fehlt aber gerade dieses besondere, gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtete Rechtsschutzinteresse. Verwaltungsrechtsschutz ist grundsätzlich nachgängiger Rechtsschutz. Die Verwaltungsgerichtsordnung stellt darum ein System nachgängigen – gegebenenfalls einstweiligen -Rechtsschutzes bereit und geht davon aus, dass dieses zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes grundsätzlich ausreicht (Eyermann, VwGO 14. Auflage 2014, vor § 40 Rdnr. 25). Dieser Verweis auf nachgängigen Rechtsschutz ist nicht mit unzumutbaren Nachteilen für den Kläger verbunden, zumal sich der Kläger gegen mögliche sofort vollziehbare Anordnungen auch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes (§ 80 Abs. 5 VwGO) zur Wehr setzen kann.
Es bleibt anzumerken, dass der Kläger auch mit seinem ursprünglichen Antrag nicht durchgedrungen wäre, da der Kläger zum einen keinen Antrag gegenüber der Behörde gestellt hatte, sodass es der Klage somit am Rechtsschutzbedürfnis gefehlt hat. Zum anderen hätte die Klage auch in der Sache keinen Erfolg gehabt. Denn der Weiterverwendung derselben Kennzeichenkombination eines gestohlenen Kennzeichens steht die Wertung des § 30 Abs. 9 Satz 1 lit. b und Satz 2 FZV entgegen. Danach dürfen Kennzeichenkombinationen gestohlener gestempelter Kennzeichen nicht vor Wiederauffinden, sonst nicht vor Ablauf von zehn Jahren seit Fahndungsbeginn wieder zugeteilt werden.
Aus diesen Gründen war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO und unter Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit des Kostenausspruchs (§ 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO) abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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