Verwaltungsrecht

Keine Zulassung der Berufung im asylrechtlichen Klageverfahren wegen Grundsatzbedeutung und einem behaupteten Gehörsverstoß

Aktenzeichen  21 ZB 16.30009

Datum:
12.4.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 45805
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1, 3
VwGO § 138 Nr. 3
EMRK Art. 3
AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1
GG Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Der Umstand, dass bei einer Aufenthaltsbeendigung die Lage eines Ausländers einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt wird, rechtfertigt für sich genommen die Annahme eines Verstoßes gegen Art. 3 EMRK nicht. Etwas anderes kann in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen eine Aufenthaltsbeendigung sprechen (wie BVerwG BeckRS 2013, 49252). (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Es ist nicht Aufgabe des Berufungsgerichts, eine den gesetzlichen Anforderungen nicht entsprechende Frage in eine klärungsbedürftige Grundsatzfrage im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG umzuformulieren. (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Es stellt keinen Verstoß gegen die Garantie rechtlichen Gehörs in Art. 103 Abs. 1 GG dar, wenn das Verwaltungsgericht aus einem ärztlichen Attest andere rechtliche Folgerungen zieht als der Kläger. (red. LS Clemens Kurzidem)

Verfahrensgang

M 25 K 15.30054 2015-11-11 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 11. November 2015 hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) und eines in § 138 VwGO bezeichneten Verfahrensmangel (Gehörsverstoß) sind nicht hinreichend dargelegt oder liegen nicht vor.
1. Die Rechtssache hat nicht die ihr von der Klägerin beigemessene grundsätzliche Bedeutung im Sinn des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG.
1.1 Die Klägerin hält für grundsätzlich bedeutsam „die Frage der Möglichkeiten der Sicherung des Lebensunterhalts und das Vorliegen der unmenschlichen Behandlung i. S. d. Art. 3 EMRK in Kinshasa für schwer körperbehinderte, an den Rollstuhl gefesselte Antragsteller“. Diese Frage hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung (vgl. dazu Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36). Ihre Beantwortung hängt ausschlaggebend von der Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls ab. Denn Ausländer können aus Art. 3 EMRK im Grundsatz kein Recht auf Verbleib in einem Konventionsstaat geltend machen, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht allein nicht aus, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Anderes kann allerdings in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen eine Aufenthaltsbeendigung sprechen (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – NVwZ 2013, 1167/1169). Ob diese Voraussetzungen vorliegen kann nicht allgemein, sondern lediglich unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden.
1.2 Die Klägerin meint des Weiteren, die im angegriffenen Urteil getroffene Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, wenn sich der Gesundheitszustand in Deutschland trotz Behandlung der Erkrankung im Vergleich zum Herkunftsland verschlechtert hat, sei grundsätzlich klärungsbedürftig und klärungsfähig. Damit hat die Klägerin entgegen dem Darlegungsgebot (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG) schon keine fallübergreifende Frage hinreichend konkret formuliert. Es ist nicht Aufgabe des Berufungsgerichts, eine den gesetzlichen Anforderungen nicht entsprechende Frage in eine klärungsbedürftige Grundsatzfrage im Sinn des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG umzuformulieren (vgl. OVG NW, B.v. 14.7.2015 – 11 A 2515/14.A – BeckRS 2015, 48632).
2. Die Klägerin rügt, es liege ein Verfahrensverstoß im Sinn des § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, § 138 Nr. 3 VwGO vor; das Verwaltungsgericht habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Das Verwaltungsgericht habe den Einwand nicht berücksichtigt, dass durch die Neuerkrankung an dem Post-Polio-Syndrom eine zunehmende Pflegebedürftigkeit und daher ein Leben unter menschenunwürdigen Bedingungen zu gewärtigen sei. Ebenso sei die durch Vorlage eines ärztlichen Attests nachgewiesene erhebliche Minderung der Leistungs- und Arbeitsfähigkeit der Klägerin seit ihrer Ausreise aus der Demokratischen Republik Kongo übergangen worden.
Der damit behauptete Gehörsverstoß liegt nicht vor. Das Verwaltungsgericht würdigt unter Bezugnahme auf das von der Klägerin vorgelegte ärztliche Attest des Dr. med. B. K. vom 26. August 2015 sowohl das bei der Klägerin bestehende Post-Polio-Syndrom als auch die nach dem Inhalt des Attests steigende Progredienz der Gesundheitsschäden und die zunehmende Hilfsbedürftigkeit der Klägerin (vgl. UA S. 14.). Es stellt keinen Gehörsverstoß dar, wenn das Verwaltungsgericht daraus eine andere rechtliche Folgerung zieht als die Klägerin.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 11. November 2015 rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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