Verwaltungsrecht

Konkurrenteneilverfahren um das Amt des Präsidenten des Bundesfinanzhofs

Aktenzeichen  6 CE 21.2082

Datum:
27.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 30978
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 67, § 100, § 123

 

Leitsatz

1. Ein Honorarprofessor darf sich als Rechtslehrer an einer staatlichen Hochschule vor dem VGH selbst vertreten (§ 67 Abs. 4 S. 1, Abs. 2 S. 1 VwGO). (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Ablehnungsgesuch ist grds. kein geeignetes Mittel, sich gegen für unrichtig gehaltene Rechtsauffassungen eines Richters zu wehren. Besondere Umstände, aus denen geschlossen werden könnte, die angeführten Entscheidungen und Verfahrenshandlungen beruhten auf einer unsachlichen Einstellung der abgelehnten Richter oder auf Willkür, hat die Antragstellerin nicht in nachvollziehbarer Weise aufgezeigt. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3. Konkurriert der Antragsteller mit dem Beigeladenen nicht um dasselbe Statusamt, fehlt ihm für einen vorläufigen Rechtsschutz mit dem Ziel der einstweiligen Nichternennung des ausgewählten Beigeladenen das Rechtsschutzbedürfnis (hier: Auswahlentscheidung allein zum Präsidenten des BFH und keine Konkurrenz um das Statusamt des Vorsitzenden Richters am BFH). (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 5 E 21.1681 2021-07-22 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Anträge der Antragstellerin, den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof S. und die Richterin am Verwaltungsgerichtshof R. wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, werden als unzulässig verworfen.
II. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 23. Juli 2021 – M 5 E 21.1681 – wird zurückgewiesen.
III. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
IV. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 34.121,01 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin ist seit Januar 2005 Richterin am Bundesfinanzhof (Besoldungsgruppe R 6). Sie bewarb sich auf zwei frei werdende Stellen von Vorsitzenden Richter/ innen am Bundesfinanzhof (Besoldungsgruppe R 8) und – mit Schreiben vom 19. Juni 2020 – auf die ebenfalls nachzubesetzenden Stellen der Vizepräsidentin/des Vizepräsidenten des Bundesfinanzhofs (Besoldungsgruppe R 8 mit Amtszulage) sowie der Präsidentin/des Präsidenten des Bundesfinanzhofs (Besoldungsgruppe R 10).
Im Auswahlverfahren um eine Vorsitzendenstelle erstellte der damalige Gerichtspräsident für die Antragstellerin unter dem 20. Juli 2020 eine Anlassbeurteilung bezogen auf den Beurteilungszeitraum 1. Januar 2015 bis 31. März 2020, die mit dem Gesamturteil „ungeeignet“ schließt. Auf dieser Grundlage blieben alle vier Bewerbungen ohne Erfolg. Mit Blick auf das Amt der Präsidentin/des Präsidenten des Bundesfinanzhofs entschied die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz am 25. Februar 2021, dass die Stelle mit dem am 8. Oktober 2020 zum Richter am Bundesfinanzhof gewählten Beigeladenen besetzt werden soll.
Nachdem ihr diese und die weiteren negativen Auswahlentscheidungen mitgeteilt worden waren, hat die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht am 29. März 2021 um Eilrechtsschutz nachgesucht und beantragt,
„die Antragsgegnerin im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, „die beim Bundesfinanzhof (BFH) freien Posten von Vorsitzenden Richter/Innen betreffend den I., den II., den V. und den IX. Senat einstweilen nicht mit anderen Personen (namentlich ) zu besetzen, bevor nicht über jeweils rechtskräftig entschieden und über die Stellenbewerbung der Antragstellerin erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts entschieden worden ist“.
Zur Begründung hat sie im Wesentlichen geltend gemacht, die für sie erstellte Anlassbeurteilung sei aus einer Vielzahl von Gründen rechtswidrig und könne keine tragfähige Grundlage für die Auswahlentscheidungen darstellen. Nach Behebung der Mängel durch eine faire und korrekte Beurteilung dürfe sie mit einer hervorragenden Beurteilung rechnen.
Im Verlauf der – für jedes (Beförderungs-) Amt getrennt geführten – erstinstanzlichen Verfahren, zu denen vom Verwaltungsgericht die jeweils ausgewählten Bewerber beigeladen worden sind, hat die Antragstellerin ohne Erfolg mehrere Befangenheitsanträge gegen die zur Entscheidung berufenen Richterinnen und Richter gestellt, ferner ebenfalls erfolglos die Aussetzung des Verfahrens nach § 94 VwGO beantragt (dazu Senatsbeschluss vom 7.9.2021 – 6 C 21. 2079).
Mit dem hier angegriffenen Beschluss vom 23. Juli 2021 – M 5 E 21.1681 – hat das Verwaltungsgericht bezogen auf das Amt der Präsidentin/des Präsidenten des Bundesfinanzhofs den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Es hat das Rechtsschutzziel der Antragstellerin so verstanden, dass diese ihren Bewerbungsverfahrensanspruch um das Präsidentenamt sichern will und vor diesem Hintergrund das Statusamt des Präsidenten des Bundesfinanzhofs einstweilen nicht mit dem Beigeladenen besetzt werden soll. Davon ausgehend hat es den Antrag als unstatthaft angesehen, soweit die Stellenbesetzung solange unterbleiben soll, bis über die von der Antragstellerin im Einzelnen bezeichneten Gerichts- und Verwaltungsverfahren jeweils rechtskräftig entschieden ist. Soweit mit dem Eilantrag die Stellenbesetzung solange verhindert werden soll, bis über die Bewerbung der Antragstellerin für das Amt der Präsidentin erneut entschieden ist, sei er zwar zulässig, aber mangels Anordnungsanspruchs unbegründet. Die Auswahlentscheidung zugunsten des Beigeladenen sei rechtlich nicht zu beanstanden. Selbst wenn sie aber an einem Rechtsfehler leiden sollte, erscheine eine Auswahl der Antragstellerin in einem erneuten Auswahlverfahren wegen des ganz erheblichen Leistungsunterschieds ausgeschlossen.
Die Antragstellerin hat hiergegen fristgerecht Beschwerde eingelegt, mit der sie ihren erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt, hilfsweise die Zurückverweisung an das Verwaltungsgericht beantragt und höchsthilfsweise die Aussetzung des Verfahrens begehrt, um dem Gerichtshof der Europäischen Union im Wege des Vorabentscheidungsersuchens eine näher bezeichnete Rechtsfrage vorzulegen. Sie macht geltend, der erstinstanzliche Beschluss leide an schwerwiegenden Verfahrensmängeln und verletze materielles Recht. Unter anderem wird gerügt, das Verwaltungsgericht sei über ihren klar formulierten Antrag hinausgegangen und habe deshalb über einen unzutreffenden Streitgegenstand entschieden. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beziehe sich allein „auf das Statusamt eines(r) Vorsitzenden Richter*in am Bundesfinanzhof“; es sei „gerade keine ‚Konkurrentenklage‘ bezogen auf die Vergabe einer Präsidentenstelle am Bundesfinanzhof erhoben“ worden. Auch die Antragsbegründung beschränke sich bezogen auf den Beigeladenen ersichtlich auf den Umstand, dass dieser im Gegensatz zur Antragstellerin von vornherein nicht das allgemein im Rahmen der Bestenauslese festgelegte Auswahlkriterium für Vorsitzende Richter*innen erfülle, mindestens fünf Jahre am Bundesfinanzhof tätig gewesen zu sein (im Einzelnen S. 25 bis 27, 45 bis 50 der Beschwerdebegründung).
Mit Vorsitzendenschreiben vom 1. September 2021 wurde die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass es mit Blick auf die ausdrückliche Klarstellung des Rechtsschutzziels in der Beschwerdebegründung bereits an dem Rechtsschutzbedürfnis fehlen dürfte und Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Die Antragstellerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 17. September 2021 beantragt, den Vorsitzenden Richter S. und die Richterin R. „wegen individueller und institutioneller Befangenheit“ von der Mitwirkung an diesem und den weiteren sie betreffenden Beschwerdeverfahren auszuschließen.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die von der Antragsgegnerin vorgelegten Verwaltungsvorgänge verwiesen.
II.
1. Die Antragstellerin darf sich im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof selbst vertreten, weil sie als Honorarprofessorin Rechtslehrerin an einer staatlichen Hochschule ist (§ 67 Abs. 4 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 VwGO).
2. Ihre Ablehnungsgesuche vom 17. September 2021 sind als unzulässig zu verwerfen. Darüber entscheidet der Senat in der für die anstehende Sachentscheidung maßgeblichen Besetzung unter Mitwirkung und ohne dienstliche Äußerung der abgelehnten Richter (vgl. BayVGH, B.v. 15.5.2015 – 6 ZB 15.662; BayVerfGH, E.v. 1.2.2021 – Vf. 98-VII-20 – juris Rn. 8 m.w.N.).
Die Ablehnungsgesuche betreffen den Vorsitzenden Richter S. und die Richterin R., die von der Antragstellerin vor allem wegen des Hinweisschreibens vom 1. September 2021, wegen der Behandlung der Anträge auf Akteneinsicht und Gewährung weiterer Schriftsatzfristen, wegen der Vorbefassung mit den von der Antragstellerin früher geführten Beschwerdeverfahren 6 CE 15.2800 und 6 CE 16.246 und wegen ihrer Mitwirkung an dem Beschluss vom 7. September 2021 – 6 C 21.2079 – für befangen gehalten werden, wobei die Vorbefassung „nicht nur eine zutiefst sachfremde Haltung“ belegen, sondern auch „den Verdacht auf eine entsprechende begangene Rechtsbeugung“ nahelegen soll.
Die von der Antragstellerin vorgebrachten Gründe sind sowohl einzeln als auch bei einer Gesamtschau zur Rechtfertigung der Ablehnungsgesuche völlig ungeeignet. Weder die Mitwirkung an einer für die Beteiligte früher ergangenen ungünstigen Entscheidung, noch der – rechtliches Gehör gebende – Hinweis auf die derzeitige Rechtsauffassung, noch die durch die Prozessordnung gedeckte Verfahrensgestaltung insbesondere zur Akteneinsicht (§ 100 VwGO) und zu Äußerungsfristen vermögen in der Regel die Besorgnis der Befangenheit zu begründen (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 54 Rn. 9 f. m.w.N.). Denn ein Ablehnungsgesuch ist grundsätzlich kein geeignetes Mittel, sich gegen für unrichtig gehaltene Rechtsauffassungen eines Richters zu wehren. Besondere Umstände, aus denen geschlossen werden könnte, die angeführten Entscheidungen und Verfahrenshandlungen beruhten auf einer unsachlichen Einstellung der abgelehnten Richter oder auf Willkür, hat die Antragstellerin nicht in nachvollziehbarer Weise aufgezeigt. Die Versuche, eine Instanz übergreifende institutionelle Voreingenommenheit sämtlicher mit den Verfahren der Antragstellerin befassten Richterinnen und Richter der Verwaltungsgerichtsbarkeit unter Mitwirkung der jeweiligen Gerichtspräsidenten zum Nachteil der Antragstellerin und zum Schutz des früheren Präsidenten des Bundesfinanzhofs zu konstruieren, liegen neben der Sache und belegen, wie auch die wiederholten ähnlichen Ablehnungsgesuche im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens (oder auch im richterdienstrechtlichen Prüfungsverfahren, vgl. etwa BGH – Dienstgericht des Bundes, B.v. 13.4.2021 – RiZ 2/16 – juris), die rechtsmissbräuchliche Instrumentalisierung der Richterablehnung.
3. Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
Die Gründe, die mit der Beschwerde fristgerecht dargelegt worden sind und auf deren Prüfung das Gericht beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 i.V.m. Satz 1 und 3 VwGO), rechtfertigen es nicht, dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu entsprechen.
Die Rügen, der Beschluss des Verwaltungsgerichts leide an schwerwiegenden Verfahrensmängeln und verletze insbesondere das Recht auf den gesetzlichen Richter sowie auf Gewährung von rechtlichem Gehör, gehen von vornherein fehl. Denn das Gesetz sieht für das Rechtsmittel der Beschwerde anders als die Vorschriften über Berufung und Revision kein vorgeschaltetes, etwa von der erfolgreichen Rüge eines Verfahrensfehlers abhängiges Zulassungsverfahren vor. Der Verwaltungsgerichtshof prüft vielmehr als Beschwerdegericht – innerhalb des durch § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO gezogenen Rahmens – den Rechtsfall eigenständig sowohl tatsächlich als auch rechtlich im gleichen Umfang wie das Verwaltungsgericht (vgl. BayVGH, B.v. 26.1.2016 – 6 CE 15.2800 – juris Rn. 15 m.w.N.).
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist abzulehnen, wie das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht entschieden hat. Er ist mit dem von der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren ausdrücklich klargestellten Rechtsschutzziel insgesamt unzulässig. Die Sachargumente, die von der Antragstellerin dem entsprechenden richterlichen Hinweis mit Schreiben vom 17. September 2021 entgegengehalten worden sind, führen zu keiner anderen Beurteilung.
Beim Bundesfinanzhof sind vier richterliche Beförderungsämter zu vergeben, um die sich die Antragstellerin jeweils erfolglos beworben hat: zwei Ämter der Vorsitzenden Richterin/des Vorsitzenden Richters, das Amt der Vizepräsidentin/des Vizepräsidenten und das – hier in Rede stehende – Amt der Präsidentin/des Präsidenten, das die Antragsgegnerin mit dem Beigeladenen besetzen will. Bei einer Vorsitzendenstelle, der Vizepräsidenten- und der Präsidentenstelle handelt es sich jeweils um verschiedene Ämter im statusrechtlichen Sinn mit unterschiedlicher besoldungsrechtlicher Einstufung und unterschiedlicher Amtsbezeichnung (vgl. § 19a Abs. 1 DRiG). Diese – auch in ihrer „Wertigkeit“ – verschiedenen Ämter dürfen nur durch förmliche Ernennung vergeben werden (§ 17 Abs. 2 Nr. 3 DRiG), die grundsätzlich nur in den Fällen des § 19 DRiG zurückzunehmen ist, also nicht bei einem etwaigen Rechtsfehler im Auswahlverfahren zum Nachteil eines unterlegenen Mitbewerbers.
Das Verwaltungsgericht hat den Eilantrag der Antragstellerin – entsprechend dem „klassischen“ Rechtsschutzziel im Konkurrentenstreitverfahren um ein richterliches Beförderungsamt – so verstanden, dass die Antragstellerin ihren Bewerbungsverfahrensanspruch um das Präsidentenamt sichern will und deshalb der Antragsgegnerin die beabsichtigte Ernennung des Beigeladenen zum Präsidenten des Bundesfinanzhofs durch einstweilige Anordnung vorläufig untersagt werden soll. Die Antragstellerin hat indes mit ihrer Beschwerde ausdrücklich klargestellt, dass ihre „Konkurrentenklage“ nicht das Statusamt Präsident des Bundesfinanzhofs betrifft, „sondern lediglich das Statusamt einer Stelle als Senatsvorsitzende/r im BFH i.S. von § 19a DRiG angeht“. Um dieses Ziel zu erreichen, soll nach dem in beiden Instanzen formulierten Antrag die Antragsgegnerin verpflichtet werden, „die beim Bundesfinanzhof freien Posten von Vorsitzenden Richter/Innen betreffend den I., den II., den V. und den IX. Senat einstweilen nicht mit zu besetzen …“. Damit geht es der Antragstellerin, wie auch ihre Begründung der Streitwertbeschwerde vom 20. August 2021 (6 C 21.2192) zeigt, eindeutig nicht um die Sicherung des Bewerbungsverfahrensanspruchs um das Präsidentenamt. Ihr Rechtsschutzantrag kann vielmehr nur so verstanden werden, dass sie allein ihren Bewerbungsverfahrensanspruch um ein Amt der Vorsitzenden Richterin sichern will, und zwar dadurch, dass der Antragsgegnerin vorläufig untersagt werden soll, dem Beigeladenen durch die Ernennung zum Präsidenten einen „Vorsitzendenposten“ in einem der näher bezeichneten Senate zu übertragen.
Mit dieser Zielrichtung ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unzulässig, weil es am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Denn der Beigeladene konkurriert mit der Antragstellerin nicht um dasselbe Statusamt. Er soll durch die Auswahlentscheidung allein zum Gerichtspräsidenten, nicht etwa auch oder zugleich zum Vorsitzenden Richter ernannt werden. Die Antragstellerin kann ihren durch Art. 33 Abs. 2 GG gewährleisteten Bewerbungsverfahrensanspruch um ein Amt der Vorsitzenden Richterin nur dadurch sichern, dass sie die Ernennung von Mitbewerbern um ein solches von ihr selbst angestrebtes richterliches Statusamt verhindert. Dieses Rechtsschutzziel verfolgt sie in den beiden anderen anhängigen Beschwerdeverfahren 6 CE 21.2080 und 2081. Ihr steht aber kein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite, die Ernennung des Beigeladenen zum Präsidenten zu verhindern, also zu einem anderen und höherwertigen Statusamt, das sie selbst ausdrücklich nicht (mehr) weiterverfolgt.
Nichts anderes ergibt sich entgegen der Ansicht der Beschwerde aus dem Umstand, dass der Präsident – neben seinen Verwaltungsaufgaben – kraft Gesetzes zwingend den Vorsitz in einem Senat führt (§ 4 FGO i.V.m. § 21 f Abs. 1 GVG) und dabei selbst bestimmt, welche richterlichen Aufgaben er wahrnimmt (§ 21e Abs. 1 Satz 3 GVG). Denn das betrifft nicht das Statusamt (Präsident), sondern die Ausübung konkreter richterlicher Tätigkeiten als Vorsitzender eines bestimmten Senats (das Amt im konkret-funktionellen Sinn, den Dienstposten). Insoweit kann unter keinem Blickwinkel eine subjektive Rechtsposition der Antragstellerin bestehen, zu deren Sicherung, wie beantragt, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen wäre, einen der „freien Posten von Vorsitzenden Richter/Innen“ in bestimmten Senaten nicht mit dem Beigeladenen „zu besetzen“, oder gar diesen einstweilen nicht zum Gerichtspräsidenten zu ernennen. Das gilt selbst dann, wenn zu Gunsten der Antragstellerin unterstellt wird, ihr stehe ein Anspruch auf Ernennung zur Vorsitzenden Richterin zu. Denn es gibt kein Recht eines Richters auf Erledigung bestimmter Rechtsangelegenheiten (BVerfG, B.v. 25.8.2016 – 2 BvR 877/16 – NVwZ 2017, 16 Rn. 18). Deshalb hat eine Vorsitzende Richterin keinen Anspruch auf Übertragung eines bestimmten Dienstpostens (Vorsitz in einem bestimmten Senat), weshalb für eine entsprechende Klage im Rahmen einer „Umsetzungskonkurrenz“ regelmäßig bereits die Klagebefugnis fehlt (BVerwG, U.v. 19.11.2015 – 2 A 6.13 – BVerwGE 153, 246 ff.).
Die Sache ist entscheidungsreif. Das Abwarten der Entscheidung in einem anderen richterdienst- und verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren der Antragstellerin ist ebenso wenig angezeigt, wie die von der Beschwerde beantragte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union. Auf den Senatsbeschluss vom 7. September 2021 – 6 C 21.2079 – wird verwiesen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, etwaige außergerichtliche Kosten des Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, weil dieser keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 40‚ 47 Abs. 1 Satz 1‚ § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG sowie § 52 Abs. 1 i.V.m. Abs. 6 Satz 1 Nr. 1‚ Satz 2 bis 4 GKG. Anzusetzen ist danach im Ergebnis ein Viertel der für ein Kalenderjahr in dem angestrebten Amt (Vorsitzende Richterin am Bundesfinanzhof) zu zahlenden Bezüge (BayVGH, B.v. 24.10.2017 – 6 C 17.1429 – BayVBl 2018, 390; hier: 136.484,04 € : 4).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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