Verwaltungsrecht

Nachträgliche Befristung der Rechtswirkung einer Abschiebung eines Kosovaren

Aktenzeichen  B 4 K 15.1000

Datum:
10.5.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 161660
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 11 Abs. 3
AufenthG § 36 Abs. 2 S. 1, § 36 Abs. 2 S. 2
AufenthG § 104 Abs. 12

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
1. Die (nur) auf Verpflichtung zur Neubescheidung über die Befristung gerichtete Klage ist als Bescheidungsklage gemäß § 113 Abs. 5 Sätze 1 und 2 VwGO zulässig.
2. Die Klage ist aber unbegründet.
Gemäß § 113 Abs. 5 VwGO spricht das Gericht dann, wenn die Ablehnung eines Verwaltungsaktes rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt, die Sache aber nicht spruchreif ist, die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden. Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind (§ 114 Satz 1 VwGO).
Der Bescheid des Beklagten vom 11.11.2015 ist rechtmäßig, so dass der Kläger keinen Anspruch auf Aufhebung und Neubescheidung hat.
Gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG darf ein Ausländer, der abgeschoben worden ist, weder erneut ins Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten, noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden (Einreise- und Aufenthaltsverbot). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist von Amts wegen zu befristen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Über die Länge der Frist wird nach Ermessen entschieden (§ 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Zuständig für die Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 2 sind im Falle einer Abschiebungsandrohung nach den §§ 34 und 35 AsylG, die bereits vor dem 01.08.2015 erlassen worden ist, die Ausländerbehörden (§ 104 Abs. 12 AufenthG).
a) Da die Abschiebungsandrohung gegenüber dem Kläger am 10.03.2015 erlassen wurde, ist nicht das Bundesamt, sondern die Ausländerbehörde für die Befristung zuständig (§ 104 Abs. 12 AufenthG). Zuständige Ausländerbehörde für den Kläger war die Regierung von … – Zentrale Ausländerbehörde, weil ihm ab 24.09.2015 die Aufnahmeeinrichtung in … als Wohnsitz zugewiesen war (§ 1 Satz 1 Nr. 2, § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 ZustVAuslR).
b) Mit der Festsetzung einer Frist von drei Jahren ab der Abschiebung des Klägers hat die Ausländerbehörde nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keine zu lange Frist festgesetzt und damit die Grenzen des ihr eingeräumten Ermessens nicht überschritten.
Über die Dauer der Sperrfrist hat die Ausländerbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden und dazu nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls die betroffenen Belange umfassend abzuwägen (BVerwG, U. v. 22.02.2017 – 1 C 27/16 – juris Rn. 19, 23). Im Rahmen der Abwägung sind die persönlichen Gründe, unabhängig davon, ob eine Ausweisung oder eine Abschiebung zu dem Einreise- und Aufenthaltsverbot geführt hat, zu berücksichtigen und mit den öffentlichen Interessen an der Fernhaltung des Ausländers vom Bundesgebiet abzuwägen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot dient u.a. dazu, einen Ausländer, der nicht fristgerecht ausgereist ist und deshalb abgeschoben wurde, wegen dieses Gesetzesverstoßes eine angemessene Zeit vom Bundesgebiet fernzuhalten. Dabei sind nach dem Zweck der Vorschrift alle persönlichen Belange des Ausländers zu berücksichtigen, die nach der Abschiebung eine baldige Wiedereinreise erforderlich machen. Dazu gehören z.B. verwandtschaftliche Bindungen an Personen im Bundesgebiet, eine durch einen langen rechtmäßigen Voraufenthalt anderweitig verfestigte Bindung an das Bundesgebiet und Umstände in der Person des Ausländers, z.B. hohes Alter oder Krankheit, die ggf. eine spätere Wiedereinreise unmöglich machen (BayVGH, B .v. 06.04.2017 – 11 ZB 17.30317 – juris Rn. 12f.). Eine kürzere Sperrfrist wird dabei umso eher in Betracht kommen, wenn absehbar ist, dass der abgeschobene Ausländer die Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel erfüllt, so dass er ohne das sich aus der vollzogenen Abschiebung ergebende Titelerteilungsverbot die begründete Aussicht auf Erteilung der für einen (Dauer-) Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 4 Abs. 1 AufenthG erforderlichen Aufenthaltserlaubnis hat.
Bei der Abwägung der persönlichen Belange des Klägers mit dem öffentlichen Interesse daran, ihn vom Bundesgebiet fernzuhalten, ist der Beklagte in nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass eine Sperrfrist von drei Jahren ab seiner Abschiebung angemessen ist.
Der Kläger macht hauptsächlich geltend, seine in Aschaffenburg lebende Mutter sei auf seine Unterstützung und Versorgung dringend angewiesen und legt zum Nachweis aktuelle ärztliche Unterlagen dazu vor. Demgegenüber verweist der Beklagte jedoch zu Recht darauf, dass die Betreuung der psychisch kranken, aber nicht pflegebedürftigen 50jährigen Frau, die in ambulanter psychiatrischer Behandlung und in hausärztlicher Behandlung ist, auch ohne seine dauernde Anwesenheit im Bundesgebiet durch Dritte in ausreichender Qualität gesichert erscheint. Daran ändern auch die in der mündlichen Verhandlung vorgelegten aktuellen medizinischen Bescheinigungen nichts. Der ärztliche Befundbericht des Bezirksklinikums in … schildert zwar den Krankheitszustand der Frau, geht jedoch gar nicht darauf ein, ob aufgrund dessen die dauernde Lebenshilfe durch den Kläger erforderlich ist. Außerdem führt der Bericht aus, für den schlechten Zustand der Frau sei insbesondere die Sorge um ihre Söhne im Kosovo verantwortlich. Dieser Sorge kann mit einer durch die modernen Kommunikationsmedien heutzutage problemlos möglichen Aufrechterhaltung der persönlichen Kontakte begegnet werden. Das Attest des behandelnden Hausarztes bestätigt zwar, dass die Mutter des Klägers der Hilfe und Versorgung durch ihren Sohn dringend bedürfe, so dass seine Rückkehr unbedingt erforderlich sei. Es liefert jedoch weder eine Begründung dafür, noch erläutert es, worin sie konkret bestehen könnte.
Zu Recht verweist der Beklagte außerdem darauf, dass der Kläger, wenn die in § 11 Abs. 8 Satz 1 AufenthG geregelten Voraussetzungen dafür vorliegen, auch während der Sperrfrist kurzfristig mit einer entsprechenden Erlaubnis das Bundesgebiet betreten darf. Sofern er der Auffassung ist, die Erlaubnis werde ihm auch in einem dringenden Fall zu Unrecht verweigert, hat er die Möglichkeit, ihre Erteilung gerichtlich zu erstreiten.
Mit der Anordnung der dreijährigen Sperrfrist hat der Beklagte sein Ermessen auch nicht deshalb überschritten, weil nur die Titelerteilungssperre einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug entgegenstehen würde.
Gemäß § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG kann sonstigen Familienangehörigen zum Familiennachzug eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn es zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte erforderlich ist. Eine außergewöhnliche Härte liegt nur dann vor, wenn die die mit der Versagung der Aufenthaltserlaubnis eintretenden Schwierigkeiten für den Erhalt der Familiengemeinschaft nach ihrer Art und Schwere so ungewöhnlich und groß sind, dass die Versagung als schlechthin unvertretbar anzusehen ist. Dies setzt grundsätzlich voraus, dass der im Bundesgebiet lebende Familienangehörige ein eigenständiges Leben nicht führen kann, sondern auf die Gewährung familiärer Lebenshilfe angewiesen ist und die Lebenshilfe nur im Bundesgebiet erbracht werden kann (Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 36 AufenthG Rn. 24).
Diese hohen Voraussetzungen für das Vorliegen einer außergewöhnlichen Härte sind nicht erfüllt. Die Mutter des Klägers kann im Bundesgebiet trotz ihrer Erkrankung ein eigenständiges Leben führen. Der familiäre Kontakt zwischen dem Kläger und seiner Mutter kann über die modernen Kommunikationsmittel aufrechterhalten werden. Darüber hinaus hat der Kläger nichts konkret dazu vorgetragen, wie er im Bundesgebiet seinen Lebensunterhalt zu sichern beabsichtigt.
Die Befristung war außerdem auch im Hinblick auf eine vom Kläger bisher lediglich ins Auge gefasste Erwerbstätigkeit des Klägers im Bundesgebiet ermessensgerecht. Zwar hat der Kläger erstmals am 09.05.2017 geltend gemacht, er überlege, einen Antrag auf Erteilung eines Visums zum Zweck der Erwerbstätigkeit gemäß § 18 Abs. 2 AufenthG zu stellen. Die dafür erforderliche Zustimmung zur Ausübung einer Beschäftigung könne für ihn als Kosovaren gemäß § 26 Abs. 2 Satz 3 BeschV bereits zwei Jahre nach dem Ende des Bezuges von Leistungen nach dem AsylbLG, also nach einer Antragstellung Mitte Oktober 2017, erteilt werden.
Auch unter diesem Aspekt erweist sich die Entscheidung des Beklagten nicht als ermessensfehlerhaft. Denn der Kläger hat bisher nicht deutlich gemacht, welcher Beschäftigung im Bundesgebiet er nachgehen will, noch hat er einen prüffähigen Arbeitsvertrag oder zumindest eine entsprechende aussagekräftige verbindliche Zusage einer Beschäftigung vorgelegt. Deshalb war eine Befristung über den 15.10.2017 hinaus nicht ermessensfehlerhaft. Der Kläger ist vielmehr darauf zu verweisen, gemäß § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG einen Verkürzungsantrag zu stellen, wenn sich seine Pläne konkretisiert haben.
Schließlich hat der Beklagte auch nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoßen, weil er eine Frist von drei Jahren und nicht von 2 ½ Jahren festgesetzt hat. Zwar legt das Bundesamt nach Angaben der Prozessbevollmächtigten des Klägers bei abgelehnten Asylbewerbern aus dem Kosovo regelmäßig eine Frist von nur 30 Monaten fest, indem es die in § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG genannte Höchstfrist zur Hälfte ausschöpft (vgl. BayVGH, B. v. 06.04.2017 – 11 ZB 17.30317 – juris Rn.16). Daraus kann der Kläger aber keinen Anspruch auf Gleichbehandlung ableiten. Denn der in Art. 3 Abs. 1 GG wurzelnde Gleichheitsanspruch richtet sich nur gegen den nach der Kompetenzverteilung zuständigen Träger öffentlicher Gewalt, hier also den Freistaat Bayern. Entscheiden verschiedene Hoheitsträger über vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich, wie hier Bundesamt und Ausländerbehörde, liegt darin keine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung (vgl. BVerwG, U. v. 29.05.2013 – 6 C 18/12 – NVwZ 2014, 86/87 Rn.16).
II.
Als unterliegender Teil trägt der Kläger gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 167 VwGO, § 708 Nr. 11 ZPO.


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