Verwaltungsrecht

Nichtzulassung der Berufung – Anforderungen an die Zulassungsbegründung

Aktenzeichen  24 ZB 20.672

Datum:
14.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 20573
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 60, § 124a Abs. 4
WaffG § 4 Abs. 1

 

Leitsatz

„Darlegen“ iSd § 124a Abs. 4 S. 4 VwGO bedeutet „erläutern“, „erklären“ oder „näher auf etwas eingehen“. Erforderlich ist deshalb unter ausdrücklicher oder jedenfalls konkludenter Bezugnahme auf einen Zulassungsgrund eine substanziierte Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung, durch die der Streitstoff durchdrungen und aufbereitet wird. Die bloße Wiederholung erstinstanzlichen Vorbringens ist nicht ausreichend. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 9 K 19.1084 2020-01-31 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 13.250,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger begeht die Erteilung waffenrechtlicher Erlaubnisse. Mit Bescheid vom 8. Juli 2019 lehnte das zuständige Landratsamt die entsprechenden Anträge des Klägers ab. Seine Verpflichtungsklage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 31. Januar 2020 abgewiesen.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzziel weiter. Er ist der Auffassung, an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils bestünden ernstliche Zweifel. Zur Frage der Sachkunde im Rahmen einer bei der Bundeswehr genossenen Ausbildung wolle er zudem eine Entscheidung im Rahmen eines Berufungsverfahrens durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof herbeiführen.
Der Beklagte – Landesanwaltschaft Bayern – ist dem Antrag entgegengetreten und verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und auf die vorgelegten Akten des Beklagten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
1. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das seiner Bevollmächtigten am 20. Februar 2020 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 31. Januar 2020 ist zulässig, obwohl der Antrag entgegen den Vorschriften des § 124a Abs. 4 Satz 4 und 5 VwGO, auf die in der Rechtsmittelbelehrung ordnungsgemäß hingewiesen wurde, nicht fristgerecht begründet wurde. Dem Antrag der Bevollmächtigten des Klägers vom 20. April 2020 auf Verlängerung der Begründungsfrist wurde versehentlich stattgegeben, da bei einer gesetzlichen Frist eine Fristverlängerung nicht möglich ist (§ 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 224 Abs. 2 ZPO). Es ist von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 60 Abs. 2 Satz 4 VwGO). Zwar oblag es der Prozessbevollmächtigten des Klägers, selbständig zu prüfen, innerhalb welcher Frist der Antrag auf Zulassung der Berufung zu begründen ist und ob eine (hier nicht gegebene) Möglichkeit der Verlängerung der gesetzlichen Frist zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung existiert. Somit war der Antrag der Prozessbevollmächtigten vom 20. April 2020 auf Verlängerung dieser Frist um einen Monat von vornherein als nicht erfolgversprechend anzusehen. Aufgrund der prozessualen Fürsorgepflicht des Gerichts gegenüber den Prozessbeteiligten, die aus dem Gebot eines fairen Verfahrens (Art. 6 EMRK, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG) abgeleitet werden kann (BayVGH, B.v. 7.3.2016 – 22 ZB 15.2651 – juris Rn. 8), ist hier jedoch aufgrund des durch die gewährte Verlängerung der Frist gesetzten Rechtsscheins von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 60 Abs. 1, Abs. 2 VwGO).
2. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO dargelegt ist und vorliegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
a) Der vom Kläger genannte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ist nicht hinreichend dargelegt bzw. liegt nicht vor (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, § 124a Abs. 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO). Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils liegen vor, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt worden sind und dadurch Anlass besteht, an der (Ergebnis-)Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zu zweifeln. Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn der Rechtsmittelführer substanziiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (Kuhlmann in Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 124 Rn. 15 m.w.N.).
Die im Stil einer Berufungsbegründung abgefasste Zulassungsbegründung verfehlt weitgehend die Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, der eine Auseinandersetzung mit den entscheidungstragenden Gründen des angefochtenen Urteils verlangt. „Darlegen“ im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO bedeutet „erläutern“, „erklären“ oder „näher auf etwas eingehen“. Erforderlich ist deshalb unter ausdrücklicher oder jedenfalls konkludenter Bezugnahme auf einen Zulassungsgrund eine substanziierte Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung, durch die der Streitstoff durchdrungen und aufbereitet wird (BayVGH, B.v. 6.8.2019 – 20 ZB 18.2418 – juris Rn. 3; Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 59 und 63). Die bloße Wiederholung erstinstanzlichen Vorbringens ist nicht ausreichend (Kuhlmann in Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 124a Rn. 46).
Das Verwaltungsgericht hat im angegriffenen Urteil dargelegt, aus welchen Gründen der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten waffenrechtlichen Erlaubnisse hat. Der Kläger habe weder die erforderliche Sachkunde im Sinne der § 4 Abs. 1 Nr. 3, § 7 WaffG noch ein waffenrechtliches Bedürfnis im Sinne der § 4 Abs. 1 Nr. 4, §§ 8, 19 WaffG (UA S. 8 ff.). Der Senat folgt insoweit den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils und nimmt gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO darauf Bezug. Insbesondere hat das Verwaltungsgericht überzeugend ausgeführt (UA S. 9), dass – was die Regel ist – die Ableistung des Wehrdienstes durch den Kläger nicht zur Aneignung der erforderlichen Sachkunde ausreicht. Dem ist die Zulassungsbegründung nicht substantiiert entgegengetreten.
b) Soweit der Kläger ausführt, zur Frage der Sachkunde im Rahmen einer bei der Bundeswehr genossenen Ausbildung werde ausschließlich auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 12. Dezember 2018 (Az. 2 K 10256/17) verwiesen und er habe insoweit ein grundsätzliches Interesse an einer Entscheidung im Berufungsverfahren, macht er sinngemäß den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) geltend. Insoweit erfüllt das Vorbringen nicht die Darlegungsvoraussetzungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO. Um den auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich (klärungsbedürftig) ist, erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist und darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 72). Vorliegend hat der Kläger schon keine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 GKG, § 47 Abs. 1 u. 3 GKG und Nrn. 50.1 und 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung von 2013 (abgedruckt bei Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, im Anhang) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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