Verwaltungsrecht

Normenkontrollantrag, Einstweilige Anordnung, Tests in Schulen

Aktenzeichen  25 NE 21.2525

Datum:
11.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 30069
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
14. BayIfSMV § 13 Abs. 2 S. 1, 4 und 5
VwGO § 47 Abs. 6

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der neunzehnjährige Antragsteller, der eine staatliche Fachoberschule in Bayern besucht, beantragt sinngemäß, § 13 Abs. 2 Satz 1, 4 und 5 der Vierzehnten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (14. BayIfSMV vom 1. September 2021, BayMBl. 2021 Nr. 615, zuletzt geändert durch Verordnung vom 5. Oktober 2021, BayMBl. 2021 Nr. 715), durch Erlass einer einstweiligen Anordnung vorläufig außer Vollzug zu setzen.
Die Regelung, die mit Ablauf des 29. Oktober 2021 außer Kraft tritt (§ 20 14. BayIfSMV), hat folgenden Wortlaut:
㤠13
Schulen …
(2) 1Die Teilnahme am Präsenzunterricht, an sonstigen Schulveranstaltungen oder schulischen Ferienkursen in Präsenz sowie an der Mittags- und Notbetreuung ist Schülerinnen und Schülern nur erlaubt, wenn sie drei Mal wöchentlich einen Testnachweis nach § 3 Abs. 4 Nr. 1, 2 erbringen oder in der Schule unter Aufsicht einen über die Schule zur Verfügung gestellten und dort zu verwendenden Selbsttest mit negativem Ergebnis vorgenommen haben. 2Für Schülerinnen und Schüler der Grundschulstufe sowie an Förderschulen mit den Schwerpunkten geistige Entwicklung, körperliche und motorische Entwicklung sowie Sehen gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass an die Stelle dreier wöchentlicher Selbsttests nach Entscheidung des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus zwei wöchentliche PCR-Pooltestungen treten können. 3Die Schulpflicht bleibt unberührt. 4Bei einem Infektionsfall in einer Klasse kann die Kreisverwaltungsbehörde für die Teilnehmer dieser Klasse tägliche Testnachweise anordnen. 5Die Schule verarbeitet das Testergebnis für die Zwecke nach Satz 1 und 2. 6Eine Übermittlung von Testdaten an Dritte findet im Übrigen vorbehaltlich von Meldepflichten nach dem Infektionsschutzgesetz nicht statt. 7Bei der Teilnahme an PCR-Pooltestungen gelten die mit der Testung beauftragten Labore und Transportpersonen nicht als Dritte im Sinne von Satz 5. 8Das Testergebnis wird höchstens 14 Tage aufbewahrt. 9Für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf kann das Staatsministerium für Unterricht und Kultus Ausnahmen bekanntmachen. 10Für die Lehrkräfte und sonstige an Schulen tätige Personen gelten hinsichtlich ihrer Tätigkeit in den Schulräumen sowie den Räumen der Mittagsbetreuung die Sätze 1 und 3 bis 7 mit der Maßgabe entsprechend, dass ein Selbsttest auch außerhalb der Schule und ohne Aufsicht vorgenommen werden kann, wenn die Person versichert, dass das Testergebnis negativ ausgefallen ist; soweit das Testergebnis für außerschulische Zwecke Verwendung finden soll, ist der Selbsttest unter Aufsicht in der Schule durchzuführen.“
Zur Begründung seines Antrags trägt der Antragsteller in tatsächlicher Hinsicht im Wesentlichen vor, er wolle frei über eine Testung auf das Corona-Virus entscheiden. Ihm und seinen Eltern sei jedoch mitgeteilt worden, dass jede Prüfung, bei der er aufgrund des Zutrittsverbots fehle, als unentschuldigtes Fehlen gewertet und dementsprechend mit der Note 6 bewertet werde. Dadurch sehe sich der Antragsteller einem faktischen Testzwang ausgesetzt. Zudem mangele es an einer medizinischen Indikation für Tests. Ein positiver PCR-Test sage nichts über eine Infektion aus. Teststäbchen seien mit der potentiell krebserregenden Chemikalie Ethylenoxid sterilisiert. Covid-19-Tests seien nicht geeignet, eine Erkrankung mit dem SARS-COV-2-Virus zu „erkennen“. Es bestehe eine sehr hohe Gefahr für „falsch-positive“ Tests.
In rechtlicher Hinsicht führt der Antragsteller im Wesentlichen aus, durch die angegriffenen Vorschriften drohe ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG), seine Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 GG) und sein Recht auf Bildung. Die Bestimmungen seien weder geeignet noch erforderlich, da weniger einschneidende Maßnahmen – wie etwa Prüfungen im Freien, Prüfungen von zu Hause vor einer laufenden Kamera, Homeschooling mit Prüfungen weniger Schüler in diversen Prüfungsgruppen etc. – zur Verfügung stünden. Der Senat habe erkennen lassen, dass Testanordnungen nur so lange rechtmäßig sein könnten, wie diese freiwillig seien. Diese Freiwilligkeit sei nicht mehr gegeben, da die Schüler vom Unterricht ausgeschlossen würden ohne ihnen Alternativen zur Teilnahme am Unterricht oder Prüfungen zu eröffnen. Der Antragsteller fürchte Nachteile für seine berufliche Zukunft.
II.
Der Antrag bleibt ohne Erfolg.
A. Die Voraussetzungen des § 47 Abs. 6 VwGO, wonach das Normenkontrollgericht eine einstweilige Anordnung erlassen kann, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist, liegen nicht vor. Ein Normenkontrollantrag in der Hauptsache gegen § 13 Abs. 2 Satz 1 und 10 14. BayIfSMV hat unter Anwendung des geltenden Prüfungsmaßstabs im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO (I.) bei summarischer Prüfung keine durchgreifende Aussicht auf Erfolg (II.). Auch eine hiervon unabhängige Folgenabwägung geht zulasten des Antragstellers aus (III.).
I. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache anhängigen oder noch zu erhebenden Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen (BVerwG, B.v. 25.2.2015 – 4 VR 5.14 u.a. – ZfBR 2015, 381 – juris Rn. 12; zustimmend OVG NW, B.v. 25.4.2019 – 4 B 480/19.NE – NVwZ-RR 2019, 993 – juris Rn. 9). Dabei erlangen die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Eilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann.
Ergibt die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist (BVerwG, B.v. 25.2.2015 – 4 VR 5.14 u.a. – ZfBR 2015, 381 – juris Rn. 12).
Lassen sich die Erfolgsaussichten nicht absehen, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber später Erfolg hätte, und die Folgen, die entstünden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber später erfolglos bliebe. Die für eine einstweilige Außervollzugsetzung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, also so schwer wiegen, dass sie – trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache – dringend geboten ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 – 4 VR 5.14 u.a. – juris Rn. 12; Ziekow in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 47 Rn. 395; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 106).
II. Nach diesen Maßstäben sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache bei der nur möglichen, aber ausreichenden summarischen Prüfung (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 – 4 VR 5.14 – ZfBR 2015, 381 – juris Rn. 14) voraussichtlich nicht gegeben.
1. Der Senat geht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren davon aus, dass die Testobliegenheit nach § 13 Abs. 2 14. BayIfSMV mit § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 1 Nr. 16 IfSG (Auflagen für die Fortführung des Schulbetriebs) eine verfassungsgemäße Rechtsgrundlage hat (BayVGH, B.v. 8.12.2020 – 20 NE 20.2461 – juris Rn. 24 ff.; B.v, 9.7.2021 – 25 NE 21.1757 – juris Rn. 57). Jedenfalls bei der gebotenen summarischen Prüfung bestehen keine durchgreifenden Bedenken dahingehend, dass die vorgenannten Bestimmungen eine ausreichende Verordnungsermächtigung für die durch sie erfolgenden Grundrechtseingriffe darstellen und sie insbesondere auch dem Wesentlichkeitsgrundsatz und dem Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG entsprechen.
2. Die angegriffene Regelung ist voraussichtlich materiell rechtmäßig, weil sie mit den Ermächtigungsgrundlagen im Einklang steht. Im Zeitpunkt des Erlasses der 14. BayIfSMV wie auch der Entscheidung des Senats liegen die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 1 Nr. 16 IfSG vor. Es handelt sich um eine notwendige Schutzmaßnahme zur Kontrolle des Infektionsgeschehens im Sinne des § 28a Abs. 3 Satz 7 IfSG in der im Zeitpunkt des Erlasses der angegriffenen Regelung und bis zum 14. September 2021 geltenden Fassung bzw. des präventiven Infektionsschutzes gemäß des zum 15. September 2021 neu gefassten § 28a Abs. 3 Satz 2 IfSG. Bei summarischer Prüfung führt die Testobliegenheit auch zu keinen unverhältnismäßigen Grundrechtseingriffen. Die vom Antragsteller geübte Kritik verfängt nicht.
a) Im Zeitpunkt des Erlasses der 14. BayIfSMV am 1. September 2021 wie auch der Entscheidung des Senats liegen die Voraussetzungen des § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 1 Nr. 16 IfSG weiterhin vor.
aa) Der Deutsche Bundestag hat die in § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG vorgesehene Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite mit Blick auf das Corona-Virus SARS-CoV-2 erstmals am 25. März 2020 getroffen (BT-PlPr 19/154, 19169C). Er hat diese Feststellung seither auch nicht – wie in § 5 Abs. 1 IfSG vorgesehen – aufgehoben und diese Aufhebung im Bundesgesetzblatt bekannt gemacht, sondern am 18. November 2020, am 4. März 2021, am 11. Juni 2021 und zuletzt am 25. August 2021 den Fortbestand einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG für weitere drei Monate festgestellt (vgl. BT-Drs. 19/24387; Annahme des Entschließungsantrags BT-Drs. 19/27196; Annahme des Entschließungsantrags BT-Drs. 19/30398; Annahme des Entschließungsantrags BT-Drs. 19/32091, BT-PlPr 19/238 S. 21076C).
bb) Die vom Verordnungsgeber getroffene Gefährdungsprognose, dass die beanstandete Testobliegenheit bei summarischer Prüfung eine geeignete, erforderliche und gemäß § 28 Abs. 1, § 28a Abs. 1 IfSG notwendige Schutzmaßnahme darstellt, ist auch gegenwärtig nicht zu beanstanden.
(1) Nach der aktuellen Risikobewertung des Robert-Koch-Instituts (RKI), dessen Expertise der Gesetzgeber im Bereich des Infektionsschutzes mit § 4 IfSG besonderes Gewicht beimisst (vgl. BVerfG, B.v. 10.4.2020 – 1 BvQ 28/20 – NJW 2020, 1427 – juris Rn. 13; VerfGH, E.v. 26.3.2020 – Vf. 6-VII-20 – juris Rn. 16), vom 24. September 2021 (abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html) wird die Gefährdung für die Gesundheit der nicht vollständig geimpften Bevölkerung in Deutschland insgesamt weiterhin als hoch, für vollständig Geimpfte als moderat eingeschätzt. Nach einem Anstieg der Fälle im ersten Quartal 2021 und deutlichem Rückgang der 7-Tage-Inzidenzen und Fallzahlen im zweiten Quartal sind die Fallzahlen im dritten Quartal wieder erheblich angestiegen, wobei vor allem die jüngeren Altersgruppen betroffen sind (vgl. für Bayern die Übersicht des LGL, abrufbar unter https://www.lgl.bayern.de/gesundheit/infektionsschutz/infektionskrankheiten_a_z/coronavirus/karte_coronavirus/index.htm). In Bayern liegt die landesweite 7-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner aktuell bei 91,7 und der 7-Tage-R-Wert bei 1,06. In den sieben vergangenen Tagen wurden bayernweit 239 an COVID-19 erkrankte Personen in ein bayerisches Krankenhaus eingewiesen; 251 Intensivbetten sind durch an COVID-19 erkrankte Personen derzeit belegt (Stand 10.10.2021, abrufbar unter https://www.lgl.bayern.de/gesundheit/infektionsschutz/infektionskrankheiten_a_z/coronavirus/karte_coronavirus/index.htm). Die Zahl schwerer Erkrankungen an COVID-19, die im Krankenhaus behandelt werden müssen, ist seit Mitte des Jahres wieder angestiegen. Die Zahl der Todesfälle befindet sich aktuell auf niedrigem Niveau. Bei der überwiegenden Zahl der Fälle verläuft die Erkrankung mild. Die Wahrscheinlichkeit für schwere und auch tödliche Krankheitsverläufe steigt mit zunehmendem Alter und bei bestehenden Vorerkrankungen; allerdings kann es auch ohne bekannte Vorerkrankungen sowie bei jungen Menschen zu schweren und sogar zu lebensbedrohlichen Krankheitsverläufen kommen. Langzeitfolgen können auch nach leichten Verläufen auftreten. Die Therapie schwerer Krankheitsverläufe ist komplex und erst wenige Therapieansätze haben sich in klinischen Studien als wirksam erwiesen. Die Anforderungen an das Gesundheitssystem waren in weiten Teilen Deutschlands vorübergehend sehr hoch, so dass das öffentliche Gesundheitswesen und die Einrichtungen für die stationäre medizinische Versorgung örtlich an die Belastungsgrenze kamen.
Da eine vollständige Impfung mit den verfügbaren Impfstoffen auch bei der in Deutschland nun dominierenden Delta-Variante (VOC B.1.617.2) einen guten Schutz vor der Entwicklung einer COVID-19-Erkrankung (insbesondere vor einem schweren Verlauf) bietet, ist davon auszugehen, dass mit steigenden Impfquoten auch eine Entlastung des Gesundheitssystems einhergeht (RKI, Risikobewertung, a.a.O.; vgl. auch Schuppert/Weber-Carstens/Karagiannidis, Intensivbettenbedarf für COVID-19 im Herbst/Winter 2021, abrufbar unter https://link.springer.com/content/pdf/10.1007/s00063-021-00862-9.pdf). In Bayern haben bis zum 8. Oktober 2021 rund 65,2% der Bevölkerung eine Erstimpfung und 62,7% den vollständigen Impfschutz erhalten, wobei letztere Quote in der Altersgruppe der 18 bis 59-Jährigen bei 68,5% und in der Altersgruppe der über 60jährigen bei 82,2% liegt (Impfmonitoring des RKI, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Daten/Impfquoten-Tab.html). Damit liegt – selbst wenn eine Unterschätzung von bis zu 5 Prozentpunkten für den Anteil mindestens einmal Geimpfter bzw. vollständig Geimpfter angenommen werden kann (vgl. COVIMO-Report v. 6.10.2021 unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Projekte_RKI/covimo_studie.html) – die Impfquote aber noch deutlich von einer sog. Herdenimmunität entfernt (rund 85% vollständig Geimpfte in der Altersgruppe der 12 bis 59-Jährigen sowie von 90% für Personen ab dem Alter von 60 Jahren, vgl. Epid. Bull. 27/2021, S. 3 ff, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2021/Ausgaben/27_21.pdf? blob=publicationFile).
Internationale Studien weisen darauf hin, dass die Delta-Variante, die in den letzten Wochen die dominierende Variante in Deutschland geworden ist, verglichen mit früher dominierenden Varianten zu schwereren Krankheitsverläufen mit mehr Hospitalisierungen und häufigerer Todesfolge führen kann. Aufgrund der leichteren Übertragbarkeit dieser Variante und der noch nicht ausreichenden Impfquoten muss mit einem weiteren Anstieg der Infektionszahlen in den nächsten Wochen gerechnet werden. Nur bei einer niedrigen Zahl von neu Infizierten und einem hohen Anteil der vollständig Geimpften in der Bevölkerung können viele Menschen, nicht nur aus den Risikogruppen wie ältere Personen und Menschen mit Grunderkrankungen, gut vor schweren Krankheitsverläufen, intensivmedizinischer Behandlungsnotwendigkeit und Tod geschützt werden. Ein weiteres wichtiges Ziel ist die Vermeidung von Langzeitfolgen, die auch nach milden Krankheitsverläufen auftreten können. Es ist nach Einschätzung des RKI weiterhin von entscheidender Bedeutung, die Zahl der Erkrankten so gering wie möglich zu halten und Ausbrüche zu verhindern. Nur dadurch kann die Belastung im Gesundheitswesen so niedrig gehalten werden, dass einerseits eine gute medizinische Versorgung aller kranken Personen (auch unabhängig von COVID-19) möglich ist und andererseits das Infektionsgeschehen durch die Gesundheitsämter bearbeitet werden kann (RKI, Risikobewertung, a.a.O.).
Durch die zunehmende Grundimmunität der erwachsenen Bevölkerung ist mit einer gewissen Verlagerung des Infektionsgeschehens hin zu jüngeren, nicht in ausreichendem Maß geimpften bzw. nicht impfbaren Altersgruppen zu rechnen (Ergänzung und aktuelle Einordnung der RKI-Empfehlungen „Präventionsmaßnahmen in Schulen während der COVID-19 Pandemie“ aus Oktober 2020, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Praevention-Schulen_Ergaenzung.html), also vor allem auch der Gruppe der Schülerinnen und Schüler. Die Ständige Impfkommission (STIKO) hat die Empfehlung für eine Impfung aller Kinder und Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 Jahren gegen COVID-19 erst Mitte August 2021 auf der Grundlage neuer Überwachungsdaten ausgesprochen (vgl. Mitteilung der STIKO zur Aktualisierung der COVID-19-Impfempfehlung für Kinder und Jugendliche, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/STIKO/Empfehlungen/PM_2021-08-16.html). Daher wird für diese Altersgruppe noch keine hohe Impfquote erreicht (Stand 8.10.2021 sind in Bayern 32,7% der 12 bis 17-Jährigen vollständig geimpft, 39,0% haben mindestens eine Impfung erhalten). Für jüngere Kinder werden Impfungen vermutlich erst zu einem weitaus späteren Zeitpunkt möglich sein. Somit stellen Schülerinnen und Schüler (derzeit noch) eine große Gruppe dar, die für SARS-CoV-2 suszeptibel ist und unter der sich ein beträchtlicher Teil des Infektionsgeschehens im Herbst/Winter 2021/22 abspielen könnte (vgl. RKI, Epid. Bul. 26/2021 vom 1.7.2021, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2021/26/Art_01.html; jsessionid=8754EF3BA053B403B131CE314D24DB31.internet111). Daher ist es nach überzeugender Auffassung des RKI wichtig, dass infektionspräventive Vorkehrungen in Schulen getroffen werden, um eine Weiterverbreitung der Infektionen zu verhindern (Ergänzung und aktuelle Einordnung der RKI-Empfehlungen „Präventionsmaßnahmen in Schulen während der COVID-19 Pandemie“ aus Oktober 2020, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Praevention-Schulen_Ergaenzung.html). Dabei können Tests als ein wichtiges Element des Schutzkonzepts durch frühe Erkennung der Virusausscheidung vor dem Auftreten von Krankheitszeichen die Sicherheit weiter erhöhen (vgl. RKI, Risikobewertung, a.a.O.). Nach Einschätzung des Netzwerks Universitätsmedizin vom 22. März 2021 sollte der Präsenzunterricht an Schulen durch die Anwendung systematischer Testungen zwingend begleitet werden, mit denen die Ausbreitung von SARS-CoV-2 erkannt und kontrolliert werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 16.4.2021 – 20 NE 21.1036 – juris Rn. 23 m.w.N.). Auch der Bundesgesetzgeber hat die allgemeine Testobliegenheit für Schülerinnen und Schüler als Mittel angesehen, das dem möglichst frühzeitigen Erkennen von potentiell schwer kontrollierbaren Infektionsherden dient, nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass insbesondere im Falle von jüngeren Schulkindern eine durchgehende Umsetzung von Hygienekonzepten teilweise nur begrenzt möglich ist (vgl. die Begründung des Entwurfs eines Vierten Bevölkerungsschutzgesetzes zu § 28b Abs. 3 IfSG, BT-Drs. 19/28444 S. 14). Sie können die Abstands- und Hygieneregeln vielfach noch nicht oder nur bedingt umsetzen.
(2) Die Regelung ist zur Erreichung des Ziels, der Ausbreitung des Infektionsgeschehens zu begegnen und einer Überlastung des Gesundheitssystems vorzubeugen, voraussichtlich geeignet, was der Fall ist, wenn durch das eingesetzte Mittel der angestrebte Erfolg gefördert werden kann (grundlegend BVerfG, B.v. 16.3.1971 – 1 BvR 52/66 u.a. – BVerfGE 30, 292/316 – juris Rn. 64). Die insoweit vorgetragenen Einwände des Antragstellers verfangen nicht.
Die Testobliegenheit trägt zur Eindämmung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) bei, weil dadurch die Teilnahme am Präsenzunterricht auf Personen beschränkt wird, die ein aktuelles negatives Testergebnis erbringen oder vorlegen können. Auch wenn keine absolute Zuverlässigkeit der verwendeten oder von der Schule zur Verfügung gestellten Tests bestehen mag, kann so zumindest ein Teil infizierter und damit in der Regel auch infektiöser Schulbesucher festgestellt werden. Im Übrigen ist im Zusammenhang mit der Zuverlässigkeit von Antigen-Schnelltests bereits höchstrichterlich entschieden, dass – auch wenn sie weniger ergebnissicher als PCR-Tests sein mögen – diese aus Sicht des Verordnungsgebers, dem hierbei eine Einschätzungsprärogative zukommt, einen unverzichtbaren Beitrag im Rahmen seines Gesamtkonzepts leisten (VerfGH, E.v. 21.4.2021 – Vf. 26-VII-21 – juris Rn. 29). Einer Weiterverbreitung der Erkrankung innerhalb des Schulbetriebs wird damit mit der Testung entgegengewirkt (vgl. VerfGH, E.v. 21.4.2021 – Vf. 26-VII-21 – juris Rn. 28; BayVGH, B.v, 9.7.2021 – 25 NE 21.1757 – juris Rn. 60; OVG NW, B.v. 10.6.2021 – 13 B 948/21.NE – juris Rn. 2 m.w.N.). Es ist zu erwarten, dass vor allem Personen mit einer hohen Virenlast detektiert werden können. Zudem erhöht die regelmäßig wiederholte Testung derselben Personen die Wahrscheinlichkeit, das diagnostische Fenster eines Antigentests zu treffen, so dass eine übertragungsrelevante Infektion erkannt werden kann (vgl. RKI, Epid. Bull. 17/2021, S. 14 ff., https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2021/Ausgaben/17_21.html; RKI, Flyer „Antigentests als ergänzende Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie“, S. 2 f., https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Downloads/Flyer-Antigentests.html; OVG Berlin-Bbg, B.v. 10.6.2021 – OVG 11 S 76/21 – juris Rn. 58). Die Testung trägt nicht zuletzt deshalb zur Reduzierung des allgemeinen Infektionsgeschehens bei, weil bei Kindern und Jugendlichen oftmals atypische Krankheitsbilder auftreten und sie häufig keine oder nur eine milde Symptomatik zeigen (vgl. RKI, SARS-CoV-2 Testkriterien für Schulen während der COVID-19 Pandemie, Stand 23.2.2021, https://www.rki.de/DE/ Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Teststrategie/Testkriterien-Schulen.pdf blob=publicationFile).
(3) Vor dem Hintergrund der dargestellten aktuellen pandemischen Lage, namentlich der drohenden weiteren Ausbreitung von leichter übertragbaren und wohl schwerere Krankheitsverläufe verursachenden Varianten (vgl. § 28a Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 IfSG), des insbesondere unter den Schülern mit Vorerkrankungen noch nicht hinreichenden Impffortschritts sowie des möglichen Beginns einer vierten Welle spricht aus ex-ante-Sicht vieles dafür, dass die Testobliegenheit in der Schule eine weiterhin erforderliche und notwendige Schutzmaßnahme zur Kontrolle des Infektionsgeschehens im Sinne des § 28a Abs. 3 Satz 7 IfSG in der im Zeitpunkt des Erlasses der angegriffenen Regelungen und bis zum 14. September 2021 geltenden Fassung bzw. des präventiven Infektionsschutzes gemäß des zum 15. September 2021 neu gefassten § 28a Abs. 3 Satz 2 IfSG darstellt. Die Wiederaufnahme des (angepassten) Regelbetriebs an Schulen, mit der der Antragsgegner dem gesetzlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag nach Art. 1 Abs. 1 BayEUG nachkommt, geht epidemiologisch mit einer gesteigerten Gefahrensituation einher, da Mindestabstände in geschlossenen Klassenräumen vielfach nicht eingehalten werden können. Die Maßnahme soll dazu beitragen, die Weiterverbreitung des SARS-CoV-2-Virus unter den Schülern und Lehrern sowie deren Bezugspersonen außerhalb des Unterrichts zumindest zu reduzieren und hierdurch die Virusausbreitung insgesamt (bis zu einer hinreichenden Immunisierung der Bevölkerung) einzudämmen bzw. zu verlangsamen. Damit wiederum sollen insbesondere Personen, die sich aus medizinischen Gründen bislang nicht impfen lassen konnten oder für die noch kein Impfstoff zugelassen wurde (beispielsweise Schüler mit Vorerkrankungen unter zwölf Jahren), vor einem schweren Krankheitsverlauf und Langzeitfolgen geschützt und der bei einer unkontrollierten Infektionsausbreitung weiterhin bestehenden Gefahr einer Überlastung des Gesundheitssystems vorgebeugt werden.
Der Einwand, es stünden weniger einschneidende Maßnahmen – wie etwa Prüfungen im Freien, Prüfungen von zu Hause vor einer laufenden Kamera, Homeschooling mit Prüfungen weniger Schüler in diversen Prüfungsgruppen etc. – zur Verfügung, betrifft alternative Prüfungsmethoden und ist schon deshalb nicht geeignet, die Erforderlichkeit der angegriffenen Maßnahmen, die sich auf den Schulbetrieb insgesamt beziehen, infrage zu stellen.
b) Die angegriffene Regelung trägt nach summarischer Prüfung auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im engeren Sinn Rechnung. Eine Gesamtabwägung zwischen der Schwere der damit verbundenen Eingriffe und dem Gewicht sowie der Dringlichkeit der sie rechtfertigenden Gründe führt zu dem Ergebnis, dass die Grenze der Zumutbarkeit (noch) gewahrt ist (vgl. dazu BVerfG, B.v. 18.7.2005 – 2 BvF 2/01 – BVerfGE 113, 167/260).
aa) Soweit der Antragsteller einwendet, die Testung in der Schule führe zu schwerwiegenden Eingriffen in die Rechte der Betroffenen und sei daher nicht mehr angemessen, überzeugt dies nicht. Nach § 13 Abs. 2 Satz 1 14. BayIfSMV steht es den Schülern und den Eltern frei, entweder eine Selbsttestung in der Schule vorzunehmen oder einen Test nach § 3 Abs. 4 Nr. 1 und 2 14. BayIfSMV zu erbringen. Hiervon sind insbesondere PCR- oder POC-Antigentests erfasst, die nach der Covid-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung erbracht werden. Der Antragsteller hat nicht dargelegt, dass eine solche Testung unzumutbar wäre. Die Vorschrift belässt den betreffenden Schülerinnen und Schülern bzw. den Eltern damit die Wahl, den Test entweder durch geschultes Personal, etwa in einem Testzentrum, bei einem Arzt oder in der Apotheke und damit außerhalb der Wahrnehmungsmöglichkeiten der Mitschüler vornehmen zu lassen, oder aber diesen direkt in der Schule selbst durchzuführen.
Das Vorbringen, bei allen bekannten Schnelltestkits sei das hochgiftige und krebserregende Ethylenoxid als Sterilisation enthalten, vermag keine Zweifel an der gesundheitlichen Unbedenklichkeit der Schnelltestkits zu begründen (vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 23.4.2021 – OVG 11 S 56/21 – juris Rn. 68). Tatsächlich ist die Verwendung von Ethylenoxid zur Sterilisation von Medizinprodukten – im konkreten Fall der verwendeten Wattestäbchen – eine etablierte Standardmethode und sowohl die Sterilisation von Produkten für die Gesundheitsvorsorge mit Ethylenoxid als auch die Grenzwerte für Rückstände von Ethylenoxid in Medizinprodukten sind in DIN-Vorschriften (DIN EN ISO 11135, DIN EN ISO 10993-7) festgelegt (vgl. Correctiv, Faktencheck v. 1. April 2021, m.w.N., https://www.correctiv.org/faktencheck/2021/ 04/01/corona-tests-es-gibt-keine-hinweise-auf-eine-gesundheitsgefahr-durch-ethylenoxid-auf-abstrich-staebchen/).
bb) Selbst wenn vor dem Hintergrund, dass Schülerinnen und Schüler, die die erforderlichen Testnachweise nicht erbringen, im Unterricht und bei Prüfungen nach § 20 Abs. 1 Satz 1 BaySchO unentschuldigt fehlen (vgl. Begründung der Verordnung zur Änderung der 14. BayIfSMV v. 5.10.2021 – BayMBl. 2021 Nr. 716 S. 4), (mangels Freiwilligkeit) ein Eingriff in den Schutzbereich des Rechts auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) vorläge, wäre die Regelung angemessen. Ein Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, läge im ganz unteren Bereich der Eingriffsintensität. Der bei den verwendeten Tests (vgl. https://www.km.bayern.de/allgemein/meldung/7230/selbsttests-fuer-bayerische-schuelerinnen-und-schueler.html) erforderliche Abstrich aus dem Mund-, Nasen- oder Rachenraum dürfte zwar als Beeinträchtigung der körperlichen Integrität zu werten sein. Diese wäre indes nur von kurzer Dauer und niedrigschwelliger Intensität (VerfGH, E.v. 21.4.2021 – Vf. 26-VII-21 – juris Rn. 27 m.w.N.). Gleiches gilt für Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die allgemeine Handlungsfreiheit. Angesichts des verfolgten Ziels, in Erfüllung der verfassungsrechtlichen Schutzpflicht des Staates für das Leben und die körperliche Unversehrtheit, der weiteren Ausbreitung von Infektionen mit dem Corona-Virus entgegenzuwirken (vgl. VerfGH, E.v. 14.9.2020 – Vf. 70-IVa-20 – juris Rn. 24), sind die Eingriffe angemessen und zumutbar.
Nichts Anderes ergibt sich im Übrigen bei Einbeziehung der vom Antragsteller nicht näher problematisierten Eingriffe durch die Verarbeitung personenbezogener Daten (vgl. Art. 4 Nr. 2, Art. 9 Abs. 1 und 2 Buchst. g) und i) Datenschutz-Grundverordnung – DSGVO, Art. 85 BayEUG, sowie OVG NW, B.v. 22.4.2021 – 13 B 559/21.NE – juris Rn. 98 ff.). Ungeachtet der Frage, inwiefern sich Beeinträchtigungen schon durch eine Testung nach § 3 Abs. 4 Nr. 1 und 2 14. BayIfSMV in Teilen vermeiden lassen, stehen die Belastungen der Betroffenen bei summarischer Prüfung auch insofern nicht außer Verhältnis zu den der Allgemeinheit erwachsenden Vorteilen. Zwar besteht ein hohes Interesse, die Verarbeitung von Gesundheitsdaten zu untersagen (vgl. Art. 9 Abs. 1 DSGVO), die Testung und die Isolierung erkrankter Personen dient aber über den allgemeinen Gesundheitsschutz hinaus (vgl. Art. 9 Abs. 2 Buchst. i DSGVO) der Erfüllung der verfassungsrechtlichen Schutzpflicht des Staates für das Leben und die körperliche Unversehrtheit, der angesichts der grundsätzlich bestehenden Schulpflicht sowie des Rechts der Schüler, am Unterricht teilzunehmen, besonderes Gewicht zukommt.
cc) Schließlich hält der Senat die Koppelung des Schulbesuchs an einen vorangegangenen Test auch in Bezug auf das (Teilhabe-)Recht der betroffenen Eltern sowie der Schülerinnen und Schüler auf Erziehung und Bildung von Kindern in der Schule (Art. 6 Abs. 2 Satz 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 14 Abs. 1 und 2 GrRCh) nicht für unverhältnismäßig (vgl. OVG NW, B.v. 22.4.2021 – 13 B 559/21.NE – juris Rn. 101 ff.). Es erscheint bereits fraglich, ob überhaupt ein Eingriff vorliegt; die Ausgestaltung des Schulverhältnisses wäre – aus den genannten Gründen – aber jedenfalls nicht unangemessen und nicht unzumutbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.4.2021 – 20 NE 21.1036 – juris Rn. 32; B.v, 9.7.2021 – 25 NE 21.1757 – juris Rn. 72).
c) Der angegriffenen Bestimmung liegt kein offensichtlicher Verstoß gegen die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) zugrunde.
Dabei kann dahinstehen, ob insoweit überhaupt ein Eingriff in die nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit vorliegt. Denn hinsichtlich der Bewertung von schulischen Leistungen infolge des Fernbleibens eines/einer nicht genesenen bzw. nicht geimpften Schülers/Schülerin, der nicht gewillt ist, einen Test vorzulegen, ist das bayerische Schul- und Prüfungsrecht maßgeblich. Der Verordnungsgeber wollte mit der angegriffenen Testobliegenheit nicht die Berufstätigkeit und -ausübung der Schüler als solche reglementieren, sondern Maßnahmen zum Infektionsschutz ergreifen. Ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit wäre jedenfalls voraussichtlich gerechtfertigt. Gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG kann die Berufsausübung durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden. Sie kann im Wege der „Regelung“ beschränkt werden, soweit vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls es zweckmäßig erscheinen lassen. Hier können in weitem Maße Gesichtspunkte der Zweckmäßigkeit zur Geltung kommen (vgl. BVerfG, U.v. 11.6.1958 – 1 BvR 596/56 – juris, Rn. 74 und 76; B.v. 10.6.2009 – 1 BvR 706/08 – juris, Rn. 165). Der Antragsgegner verfolgt den Schutz von hochrangigen, ihrerseits den Schutz der Verfassung genießenden Rechtsgütern. Die angegriffene Regelung dient der Abwehr von Gefahren für das Leben und die körperliche Unversehrtheit einer potenziell großen Anzahl von Menschen. Sie bezweckt zugleich, die Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems in Deutschland durch eine Verlangsamung des Infektionsgeschehens sicherzustellen.
III. Eine von den Erfolgsaussichten in der Hauptsache unabhängige Folgenabwägung geht nach den eingangs dargestellten Maßstäben ebenfalls zulasten der Antragstellerpartei aus. Denn die zu erwartenden Folgen einer Außervollzugsetzung der angegriffenen Norm wiegen deutlich schwerer als die Folgen ihres einstweilig weiteren Vollzugs, die die von der Regelung betroffenen Schülerinnen und Schüler hinzunehmen haben. Diesbezüglich gelten die bereits zur Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn angestellten Erwägungen entsprechend.
B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Da die von der Antragstellerpartei angegriffene Verordnung bereits mit Ablauf des 29. Oktober 2021 außer Kraft tritt (§ 20 Abs. 1 14. BayIfSMV), zielt der Eilantrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, weshalb eine Reduzierung des Gegenstandswertes für das Eilverfahren auf der Grundlage von Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 hier nicht angebracht erscheint.
C. Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.


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