Verwaltungsrecht

Prozessuale Folgen einer Rücknahme des Asylantrags während des Berufungszulassungsverfahrens

Aktenzeichen  15 ZB 17.30357

Datum:
26.6.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 117055
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1, § 78 Abs. 3 Nr. 1
AsylG § 4, § 78 Abs. 4 S. 4

 

Leitsatz

1. Zu den prozessualen Folgen einer Rücknahme des Asylantrags während des Berufungszulassungsverfahrens.
2. Wird der Asylantrag während des Berufungszulassungsverfahrens zurückgenommen, fehlt es am Rechtsschutzinteresse für den Berufungszulassungsantrag hinsichtlich der Ablehnung des Antrages auf Anerkennung als Asylberechtigte ebenso wie der Nichtzuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes; offen bleibt, ob das Rechtsschutzinteresse allein wegen der Rücknahme des Asylantrages auch hinsichtlich der Feststellungen, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und/oder Abs. 7 AufenthG vorliegen sowie hinsichtlich der Abschiebungsandrohung entfällt. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 1 K 16.31483 2017-02-10 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung wird abgelehnt.
III. Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

I.
Die Kläger wenden sich gegen einen Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 18. Oktober 2016, mit dem ihnen die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt wurde (Nr. 1), ihre Anträge auf Asylanerkennung abgelehnt wurden (Nr. 2), der subsidiäre Schutz nicht zuerkannt wurde (Nr. 3), festgestellt wurde, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4), sie unter Androhung der Abschiebung nach Georgien oder einen anderen aufnahmebereiten Staat aufgefordert wurden, die Bunderepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen (Nr. 5) sowie das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet wurde (Nr. 6).
Ihre Klage, mit der sie in der Sache beantragt haben, den Bescheid vom 18. Oktober 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, sie als Asylberechtigte anzuerkennen und ihnen die Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG) zuzuerkennen, hilfsweise ihnen subsidiären Schutz (§ 4 AsylG) zu gewähren sowie weiter hilfsweise ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und / oder Abs. 7 AufenthG festzustellen, wies das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Urteil vom 10. Februar 2017 ab.
Mit ihrem am 22. März 2017 beim Verwaltungsgericht gestellten Antrag auf Zulassung der Berufung sowie dem Antrag, ihnen Prozesskostenhilfe zu gewähren und ihnen einen bestimmten Rechtsanwalt beizuordnen, verfolgen die Antragsteller ihr Rechtsschutzbegehren weiter.
Mit Schreiben vom 21. April 2017 übersandte das Verwaltungsgericht dem Verwaltungsgerichtshof eine Mitteilung der Zentralen Ausländerbehörde der Regierung von Oberfranken vom 20. April 2017. Laut den beigefügten Anlagen haben die Kläger am 11. April 2017 Erklärungen unterschrieben, wonach sie u.a. ihre Asylanträge vom 19. September 2016 sowie bereits eingelegte Rechtsbehelfe zurücknehmen. Ferner wurde für jeden Kläger eine gesonderte Niederschrift angefertigt, die von jedem Kläger – auch vom zwischenzeitlich volljährigen Kläger zu 3 – unterschrieben wurde und die folgenden Inhalt hat:
„Hiermit nehme ich meinen Asylantrag vom 19.09.2016 (…..) und – soweit eingelegt – alle Rechtsbehelfe zurück. Ich erkläre mich mit einer Weiterleitung der vorstehenden Erklärung an das zuständige VG Bayreuth einverstanden.
Des Weiteren erkläre ich, bereits bei Behörden und Verwaltungsgerichten eingelegte Rechtsbehelfe und Rechtsmittel gegen die Ablehnung meines Asylverfahrens, die auf eine Sicherung des Verbleibs in der Bundesrepublik Deutschland oder einer Einreise hierher gerichtet sind, zurückzunehmen und gegebenenfalls auf meine Rechte aus Aufenthaltsgenehmigungen zu verzichten.“
II.
Die Anträge haben keinen Erfolg.
1. Dem Antrag auf Zulassung der Berufung fehlt bereits das Rechtsschutzbedürfnis, soweit das angegriffene Urteil die Klage in Bezug auf die Ablehnung des Antrags auf Asylanerkennung sowie die Nichtzuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzstatus abgewiesen hat. Zwar haben die Kläger trotz ihrer schriftlichen Erklärungen vom 11. April 2017 weder ihre Klage noch den Antrag auf Zulassung der Berufung wirksam zurückgenommen, vgl. im Folgenden a). Das Rechtsschutzbedürfnis für die Zulassung der Berufung ist aber hinsichtlich eines Teils der Streitgegenstände entfallen, weil der Asylantrag (wirksam) zurückgenommen wurde, vgl. im Folgenden b).
a) Auch wenn die Kläger am 11. April 2017 schriftlich erklärt haben, Rechtsbehelfe auch hinsichtlich ihres abgelehnten Asylantrags zurückzunehmen und diese Erklärung zwischenzeitlich dem Verwaltungsgerichtshof zugegangen ist, liegt keine wirksame Rücknahme der Berufungszulassungsantrags vor, weil den Klägern hinsichtlich ihrer persönlich abgegebenen Erklärung gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof die Postulationsfähigkeit gem. § 67 Abs. 4 VwGO fehlt; ihr Prozessbevollmächtigter kam der Bitte des Gerichts, sich zu den abgegebenen Erklärungen der Kläger zu äußern, nicht nach. Das Rechtsschutzinteresse für den Berufungszulassungsantrag ist auch nicht durch eine Rücknahme der Klage entfallen. Es ist im Einzelnen umstritten, ob und unter welchen Voraussetzungen Kläger in der Rechtsmittelinstanz persönlich, d.h. ohne Einschaltung eines Prozessbevollmächtigten gem. § 67 Abs. 4 VwGO, eine Klage zurücknehmen können (vgl. Saurenhaus/Buchheister in Wysk, VwGO, 2. Aufl. 2016, § 67 Rn. 13; Clausing in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Oktober 2016, § 92 Rn. 18; Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 67 Rn. 9; Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 67 Rn. 31; vgl. auch SächsOVG, B.v. 20.6.2013 – 5 A 360/12 – NVwZ 2013, 902 = juris Rn. 2; B.v. 11.2.2016 – 5 A 608/15 – juris). Der Senat geht vorliegend nicht von einer wirksamen Klagerücknahme aus, weil bereits die Klage vom Bevollmächtigten der Kläger erhoben wurde und die Rücknahme von den Klägern persönlich zu einem Zeitpunkt erklärt wurde, nachdem der prozessbevollmächtigte Anwalt durch einen gem. § 67 Abs. 4 VwGO formal ordnungsgemäßen Antrag das Verfahren in die nächste Instanz gebracht und – als Berufungszulassungsverfahren – beim Verwaltungsgerichtshof anhängig gemacht hatte.
b) Das Rechtsschutzbedürfnis für den Berufungszulassungsantrag ist aber jedenfalls für einen Teil des Streitgegenstands – nämlich hinsichtlich der Ablehnung des Antrags auf Asylanerkennung sowie der Nichtzuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzstatus (Nr. 1 – Nr. 3 des Bescheids vom 18. Oktober 2016) – entfallen, weil die Kläger durch ihre persönlich gegenüber der Regierung von Oberbayern abgegebenen Erklärungen, die über die Weiterleitung durch den Senat an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge jedenfalls zwischenzeitlich auch dem richtigen Adressaten zugegangen sind, ihre Asylanträge zurückgenommen haben (vgl. Marx, AsylG, 9. Aufl. 2017, § 32 Rn. 5; Funke-Kaiser in GK zum AsylG, Stand: April 2017, § 32 Rn. 17). Insofern ist nicht ersichtlich, welches schutzwürdige Interesse sie an einer gerichtlichen Überprüfung der vorgenannten Entscheidungsteile des Bescheids vom 18. Oktober 2016 noch haben könnten (bei Rücknahme des Asylantrags im erstinstanzlichen Klageverfahren vgl. VG Göttingen, U.v. 20.9.2004 – 4 A 4121 – juris Rn. 55; juris Rn. 55; VG Oldenburg, U.v. 12.5.2016 – 5 A 4509/15 – juris Rn. 19; VG Augsburg, U.v. 1.3.2016 – Au 6 K 15.30772 – juris Rn. 15 ff.).
Demgegenüber bleibt fraglich, ob hinsichtlich der Feststellungen im streitgegenständlichen Bescheid, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und / oder Abs. 7 AufenthG (Nr. 4 des Bescheids vom 18. Oktober 2016) vorliegen, sowie hinsichtlich der Abschiebungsandrohung (Nr. 5 des Bescheids) allein wegen der Rücknahme des Asylantrags das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag auf Zulassung der Berufung erlischt. Denn aus § 32 Satz 1 AsylG könnte abzuleiten sein, dass von einer Asylantragsrücknahme auch bereits getroffene Entscheidungen nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 AsylG unberührt bleiben (vgl. die Argumentation bei VG Oldenburg, U.v. 12.5.2016 – 5 A 4509/15 – juris Rn. 21 ff.; VG Augsburg, U.v. 1.3.2016 – Au 6 K 15.30772 – juris Rn. 19, 23). Diese Rechtsfragen bedürfen vorliegend keiner abschließenden Klärung. Ebenfalls kann dahingestellt bleiben, ob das Rechtsschutzbedürfnis für den Zulassungsantrag im Ganzen deshalb entfallen ist, weil die Kläger womöglich zwischenzeitlich aus der Bundesrepublik Deutschland ausgereist sind und ihr Aufenthaltsort deshalb unbekannt ist (vgl. BayVGH, B.v. 2.8.2005 – 6 ZB 04.30509 – juris Rn. 2). Denn der Antrag auf Zulassung der Berufung ist jedenfalls abzulehnen, weil es an der hinreichend substanziierten Darlegung eines Berufungszulassungsgrundes fehlt.
2. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) ist in Bezug auf das von der Asylantragsrücknahme womöglich nicht betroffene hilfsweise Klagebegehren, die Beklagte unter Aufhebung von Nr. 4 bis Nr. 6 des Bescheids vom 18. Oktober 2016 zu verpflichten, zugunsten der Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und / oder Abs. 7 AufenthG festzustellen, von den Klägern nicht in einer Weise dargetan worden, die den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügt.
Einer Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zu, wenn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Tatsachen- oder Rechtsfrage von Bedeutung ist, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Dementsprechend verlangt die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist. Ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. BayVGH, B.v. 7.11.2016 – 15 ZB 16.30425 – juris Rn. 3 m.w.N.).
Diesen Anforderungen wird das Vorbringen der Kläger nicht gerecht. Die Kläger tragen im Rahmen ihrer Zulassungsbegründung vor, sie seien ossetische Volkszugehörige mit georgischer und südossetischer Staatsangehörigkeit. Sie hätten Angehörige, die Militärs mit hohem Rang gewesen seien und im Augustkrieg 2008 auf südossetischer Seite gegen Georgien gekämpft hätten. Aufgrund ihrer exponierten Bedeutung im Krieg gegen Georgien würden diese Personen als nationale Feinde angesehen. Insbesondere mit Bekanntwerden der Verwandtschaftsbeziehungen der Klägerin zu 2 zu ihren populären Brüdern seien die Anfeindungen der Georgier gegen sie noch gewachsen. Die Klägerin zu 2 habe sich seitdem nur noch selten und allenfalls in Begleitung ihres Sohnes oder ihres Ehemannes auf die Straße getraut. Sie wäre im Falle von Übergriffen völlig ungeschützt gewesen, da die Polizei nicht zu Hilfe gekommen wäre. Folgende nationale Grundhaltung sei die Ursache für die Gefahr, die den Klägern drohe: Der Verlust ehemaliger georgischer Gebiete, insbesondere in Abchasien und Südossetien, werde als nationales Trauma empfunden. Für Georgier sei es nicht hinnehmbar, dass diese ganz klar zu Georgien gehörenden Regionen plötzlich abgespaltet würden und zu Russland gehören sollen bzw. in eine Pseudo-Unabhängigkeit von Russlands Gnaden überführt würden. Die Schutzbedürftigkeit des Staates sei in der Konstellation der Kläger als Angehörige von exponierten nationalen Feinden besonders herausgefordert. Die Kläger hätten sich zur Flucht entschieden, weil sie eine Schutzbereitschaft nicht gewährleistet gesehen hätten und die Realisierung der Gefahr von Übergriffen nicht hätten abwarten wollen.
a) Der im Zulassungsantrag aufgeworfenen Frage,
„ob die georgische Polizei keine Gewähr dafür bietet, zurückkehrenden Georgiern ossetischer Volkszugehörigkeit mit Verwandtschaft zu hochrangigen südossetischen Militärs den erforderlichen Schutz vor Übergriffen von Dritten zu bieten“, ist keine grundsätzliche Bedeutung beizumessen.
Die Entscheidungserheblichkeit dieser Frage würde voraussetzen, dass eine am Maßstab von § 60 Abs. 5 und / oder Abs. 7 AsylG relevante Bedrohungslage durch Dritte überhaupt besteht. Das ist bereits auf Basis des eigenen Vortrags der Kläger mehr als fraglich, jedenfalls von den Klägern nicht hinreichend substanziiert dargelegt worden. Das Verwaltungsgericht hat insofern ausgeführt, dass der Vorfall, bei dem der ältere Sohn der Kläger zu 1 und 2 attackiert worden sei, bereits im Jahr 2011 stattgefunden habe, dass die Kläger selbst von diesem nicht betroffen gewesen seien und dass sie für den Zeitraum bis zur Ausreise (September 2016) nur über verbale Anfeindungen, schlechte wirtschaftliche Bedingungen, eine Sachbeschädigung am Auto und Schmierereien an der Wohnungstür berichtet hätten. Hiergegen erheben die Kläger keine konkreten Einwendungen und erfüllen schon deswegen nicht die Begründungsanforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 13.6.2016 – 13a ZB 16.30062 – juris Rn. 5). Es ist daher nicht ersichtlich, dass mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine von Dritten ausgehende Bedrohungslage gegenüber den Klägern i.S. von § 60 Abs. 5 und / oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt und die Kläger insofern eines besonderen polizeilichen Schutzes überhaupt bedürften.
Im Übrigen hält das Verwaltungsgericht den Klägern – unabhängig von der jedenfalls teilweise angezweifelten Glaubhaftigkeit ihres Vortrags – entgegen, nicht versucht zu haben, sich zum Schutz vor Übergriffen an staatliche Behörden zu wenden. Das Gericht berücksichtigt dabei, dass georgische Behörden oftmals „sehr zögerlich“ vorgingen, verweist aber darauf, dass für den Fall, dass eine Hinwendung der Kläger an die Polizei nutzlos gewesen wäre, die Beschwerde beim sog. Ombudsmann zur Verfügung stehe, wenn z.B. vermutet werde, dass sich in dem Verhalten einer Behörde eine Diskriminierung aufgrund der Volkszugehörigkeit widerspiegele (Urteil Seite 8, im Zusammenhang mit § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG vgl. Urteil Seite 9). Das Gericht nimmt insofern auf Seite 2 des vom Auswärtigen Amt erstellten „Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien (Stand: Oktober 2016)“ vom 10. November 2016 Bezug, wonach – auch im Zusammenhang mit vereinzelten gewalttätigen Handlungen gegen Minderheiten – die Behörde des Ombudsmannes „äußerst aktiv“ sei, Einzelfälle aufgreife und Missstände aller Art regelmäßig öffentlich angreife (Urteil Seite 6). Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht auf inländische Fluchtalternativen verwiesen (Urteil Seite 8; zur Bedeutung im Rahmen von § 60 Abs. 5 und / oder Abs. 7 AsylG vgl. z.B. BayVGH, B.v. 30.7.2015 – 13a ZB 15.30031 – juris Rn. 9); die Kläger hätten nicht versucht, in einen anderen Landesteil zu ziehen, obwohl ihnen dies möglich gewesen wäre und obwohl sie hierdurch einer Konfrontation mit den Flüchtlingen entgangen wären. Insofern liege keine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bestehende landesweite Rückkehrgefährdung vor. Mit diesen Erwägungen hat sich die Zulassungsbegründung nicht hinreichend auseinandergesetzt. Soweit aber über die Einschaltung des vom Verwaltungsgericht thematisierten Ombutsmanns ein hinreichendes Schutzniveau gewährleistet wird und keine landesweite Rückkehrgefährdung vorliegt, die Kläger also den befürchteten Übergriffen hierdurch ausweichen können, spielt die als grundsätzlich aufgeworfene Frage, ob aufgrund der von ihnen angegebenen Verwandtschaftsbeziehungen über die georgische Polizei hinreichender Schutz vor Übergriffen von Dritten geboten wird, für Ansprüche auf Feststellung von Abschiebungsverboten gem. § 60 Abs. 5 und / oder Abs. 7 AsylG keine entscheidungserheblich Rolle.
b) Auch die weitere mit der Zulassungsbegründung aufgeworfene Frage,
„ob es für eine Familie mit südossetischer Herkunft mit Verwandtschaft zu öffentlich exponierten feindlichen Militärs im Falle ihrer Rückkehr nach Georgien möglich ist, Unterkunft und Arbeit zu finden, um sich den Lebensunterhalt zu sichern“,
führt nicht zur Berufungszulassung gem. § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG. Auch insofern ist der Vortrag der Kläger zu unsubstanziiert.
aa) Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die einen Ausländer im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, kann ein Ausländer Abschiebungsschutz nach Maßgabe von § 60 Abs. 5 und / oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ganz ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Hierbei gelten im Einzelnen folgende Grundsätze (zusammenfassend vgl. BayVGH, U.v. 23.3.2017 – 20 B 15.30110 – juris Rn. 34 ff.):
Im Falle besonders schlechter humanitärer Verhältnisse ist ausnahmsweise in extremen Ausnahmesituationen von einem Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 5 auszugehen, wenn im Herkunftsstaat derart schlechte, nicht (überwiegend) auf Handlungen staatlicher oder nichtstaatlicher Akteure zurückzuführende humanitäre Bedingungen bestehen, die als unmenschliche Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK zu qualifizieren sind (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – BVerwGE 146, 12 = juris Rn. 34 ff.; BayVGH, B.v. 11.12.2014 – 13a ZB 14.30400 – juris Rn. 7; U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris Rn. 12; U.v. 23.3.2017 a.a.O. Rn. 35; VGH BW, U.v. 24.7.2013 – A 11 S 697/13 – juris Rn. 79 ff.).
Gem. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll ferner von der Abschiebung abgesehen werden, wenn für den Ausländer im Zielstaat eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Maßgebend ist insoweit allein das Bestehen einer konkreten, individuellen – zielstaatsbezogenen – Gefahr für die genannten Rechtsgüter, ohne Rücksicht darauf, von wem die Gefahr ausgeht und auf welchen Ursachen sie beruht. Diese Gefahr muss dem Einzelnen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen, wobei im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal der „konkreten“ Gefahr für „diesen“ Ausländer als zusätzliches Erfordernis eine einfallbezogene, individuell bestimmte und erhebliche Gefahrensituation hinzutreten muss, die überdies landesweit droht. Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die einen Ausländer im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, kann ein Ausländer Abschiebungsschutz in verfassungskonformer bzw. entsprechender Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ganz ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG (= § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a.F.) Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Eine Abschiebung wäre in diesen Fällen allenfalls auszusetzen, wenn der Ausländer ansonsten gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde (also im Falle einer schlechten Lebensmittelversorgung, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde, vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 – 1 C 5.01 – BVerwGE 115, 1 = juris Rn. 11 ff.; U.v. 29.6.2010 – 10 C 10.09 – BVerwGE 137, 226 = juris Rn. 13 ff., insbes. Rn. 15; U.v. 29.9.2011 – 10 C 24.10 – NVwZ 2012, 451 = juris Rn. 19 ff.; BayVGH, U.v. 23.3.2017 – 20 B 15.30110 – juris Rn. 36).
bb) Die Kläger, die ihren Vortrag nicht auf diese, im Rahmen von § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG relevanten Fragen ausgerichtet haben, erfüllen auch insofern nicht die Begründungsanforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG. Es versteht sich nicht von selbst, dass die Kläger im Falle einer Rückkehr in eine extreme Notlage im vorgenannten Sinn in ganz Georgien fallen werden. In der Begründung des angefochtenen Bescheids vom 18. Oktober 2016, auf den das Verwaltungsgericht verwiesen hat und die damit zum Gegenstand der Entscheidungsgründe des Verwaltungsgerichts wurde, heißt es, dass eine allgemeine extreme Gefahrenlage in Georgien nicht vorliege und dass sich eine solche insbesondere nicht aus der allgemeinen wirtschaftlichen Situation im Land ergebe. Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln sei dort insgesamt gewährleistet, wozu die humanitäre Hilfe der internationalen Geberorganisationen und Geldzahlungen von Verwandten aus dem Ausland beitrügen (vgl. insofern auch den Lagebericht des Auswärtigen Amts für Georgien vom 10. November 2016, Stand Oktober 2016, Seiten 2 f., 12 f.). Damit, dass sie eine extreme Notlage über die vorgenannten Möglichkeiten nicht abwenden könnten, setzen sich die Kläger aber im Zulassungsverfahren nicht auseinander. Im Übrigen haben die Kläger keine konkreten Einwände gegen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts erhoben, der Kläger zu 1 habe nach seinem eigenen Vortrag bis 2014 Aufträge aus selbständiger Arbeit erhalten, obwohl die Probleme mit den Flüchtlingen bereits im Jahr 2011 begonnen hätten. Da nach dem Vortrag der Kläger offenbar vor 2011 keinerlei Probleme bestanden hatten und der Kläger zu 1 bis 2014 für seinen Kfz-Handel private Aufträge erhalten hatte, wären die behaupteten Probleme, keine Arbeit und keine Unterkunft zu finden, jedenfalls durch Umzug – etwa in einen anderen Landesteil oder in einen anderen Stadtbezirk von Tiflis, wo man sie nicht persönlich kennt und daher von den behaupteten Verwandtschaftsbeziehungen zu den genannten Militärs nichts weiß – zu vermeiden.
3. Der zulässige Antrag, den Klägern Prozesskostenhilfe zu gewähren (§ 166 VwGO, § 114 Satz 1 ZPO) und ihnen den von ihnen bevollmächtigen Rechtsanwalt beizuordnen (§ 121 ZPO), ist nicht begründet. Die Absicht der Kläger, die Zulassung der Berufung zu erreichen, hat aus den vorgenannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 RVG.
5. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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