Verwaltungsrecht

Rechtsschutzbedürfnis für Eilrechtsschutzbegehren bei Erledigung vor Beschwerde

Aktenzeichen  4 CE 20.643

Datum:
10.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 20590
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 92 Abs. 3, § 123

 

Leitsatz

Es ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob das Rechtsschutzbedürfnis für ein Eilrechtsschutzbegehren immer dann entfällt, wenn bereits vor Beschwerdeeinlegung ein erledigendes Ereignis eingetreten ist (Verweis auf OVG Berlin-Brandenburg BeckRS 2016, 51158). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 7 E 20.304 2020-03-03 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt.
II. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 3. März 2020 ist wirkungslos geworden.
III. Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen werden gegeneinander aufgehoben.
IV. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Das Verfahren ist aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin beendet und einzustellen (§ 92 Abs. 3 VwGO in entsprechender Anwendung). Der Beschluss des Verwaltungsgerichts ist damit wirkungslos geworden (§ 173 Satz 1 VwGO, § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO in entsprechender Anwendung).
Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands über die Kosten des Verfahrens. Billigem Ermessen entspricht es hier, die Kosten gegeneinander aufzuheben, da die Erfolgsaussichten der Beschwerde zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses als offen anzusehen waren.
Ob entsprechend der Auffassung der Antragsgegnerin das Rechtsschutzbedürfnis für ein Eilrechtsschutzbegehren immer dann entfällt, wenn bereits vor Beschwerdeeinlegung ein erledigendes Ereignis eingetreten ist, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten (vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 26.8.2016 – OVG 12 S 37.16 u.a. – juris Rn. 2 m.w.N.). Selbst wenn man eine solche Rechtsfolge annähme, hätte dies aber nicht zwingend zur Unzulässigkeit der vorliegenden Beschwerde geführt. Es erscheint durchaus zweifelhaft, ob mit dem Abschluss des Bewirtschaftungsvertrags tatsächlich ein rechtliches Hindernis begründet wurde, das der von der Antragstellerin begehrten Neuausschreibung auf Dauer entgegengestanden hätte und damit das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag nach § 123 VwGO hätte entfallen lassen. Der Vertragsschluss erfolgte in Vollzug einer Auswahlentscheidung, gegen die – wie der Antragsgegnerin ebenso wie der Beigeladenen bekannt war – die Antragstellerin eine noch anhängige Drittanfechtungsklage erhoben hatte. Diesem Rechtsbehelf kam nach § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung zu, so dass die angefochtene Vergabeentscheidung einstweilen nicht vollzogen werden durfte. Der gleichwohl erfolgte Abschluss eines Vertrags dürfte damit von vornherein unter dem ungeschriebenen Vorbehalt gestanden haben, dass die Antragstellerin im gerichtlichen Verfahren keinen Erfolg haben würde. Wäre die Antragsgegnerin im Verfahren nach § 123 VwGO zu einer Wiederholung des Ausschreibungsverfahrens verpflichtet worden, so hätte sich daraus für sie wohl ein Grund für eine außerordentliche Kündigung des Bewirtschaftungsvertrags gegenüber der Beigeladenen ergeben.
Ob das Beschwerdeverfahren ohne das erledigende Ereignis in der Sache erfolgreich gewesen wäre, lässt sich bei der hier nur möglichen überschlägigen Prüfung der vorgebrachten Beschwerdegründe nicht abschließend beurteilen. Dass sich die vom Verwaltungsgericht letztlich als „hinreichend transparent“ angesehenen Auswahlkriterien und deren Gewichtung im Interesse einer objektiven Überprüfbarkeit jedenfalls „noch eindeutiger“ beschreiben lassen, hat die Antragsgegnerin in ihrer Beschwerdeerwiderung ausdrücklich eingeräumt. Insgesamt erscheint daher die mit der Kostenaufhebung verbundene hälftige Teilung der Gerichtskosten zwischen Antragstellerin und Antragsgegnerin sowie die Tragung der jeweils eigenen Rechtsanwaltskosten als interessengerecht. Die Beigeladene, deren Prozessbevollmächtigter sich ausdrücklich nur für das Klageverfahren bestellt und im Eilverfahren auch nicht Stellung genommen hat, besitzt demgemäß keinen Anspruch auf Kostenerstattung nach § 162 Abs. 3 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 Sätze 1 und 2 des Streitwertkatalogs.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1, § 158 Abs. 2 VwGO).


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