Verwaltungsrecht

Rücknahme einer Bescheinigung über die Fachkundeprüfung für den Taxen- und Mietwagenverkehr

Aktenzeichen  11 CS 20.310

Datum:
5.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 14559
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG Art. 35 S. 1, Art. 48 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 3 Nr. 3, Art. 52
PBefG § 13 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, S. 2
PBZugV § 3 Abs. 2, § 5 Abs. 1, Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

1. Die Entscheidung der Industrie- und Handelskammer über das Bestehen der Fachkundeprüfung für den Taxen- und Mietwagenverkehr ist ein begünstigender feststellender Verwaltungsakt, der unter den Voraussetzungen des Art. 48 Abs. 2 bis 4 BayVwVfG zurückgenommen werden kann. Zwar würde ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand der rechtswidrigen Prüfungsentscheidung ihrer Rücknahme grundsätzlich nicht entgegenstehen, es ist aber im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen (Fortführung von BayVGH BeckRS 2020, 4528 Rn. 28 u. 29, BeckRS 2020, 4530 Rn. 14, 17 u. 19, BeckRS 2020, 9474 Rn. 13, 18 u.  20). (Rn. 13 und 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Einem Prüfungsteilnehmer, der durch seine Unterschrift an der Erstellung einer unrichtigen Prüfungsniederschrift beteiligt war und die Diskrepanz zwischen dem tatsächlichen Prüfungsablauf und dem unterschriftlich bestätigten Sachverhalt ohne besondere, juristische oder prüfungsrechtliche Kenntnisse hätte erkenen müssen, kann kein schutzwürdiges Vertrauen zugebilligt werden (Fortführung u.a. von BayVGH BeckRS 2020, 4530 Rn. 19). (Rn. 21 und 22) (redaktioneller Leitsatz)
3. Urkunden oder Sachen, die zum Nachweis der Rechte aus einem Verwaltungsakt oder zu deren Ausübung bestimmt sind, können auch bei noch nicht bestandskräftiger Rücknahme des zugrunde liegenden Verwaltungsakts zurückgefordert werden, wenn dem hiergegen erhobenen Rechtsbehelf aufgrund der Anordnung der sofortigen Vollziehung keine aufschiebende Wirkung zukommt (Fortführung von BayVGH BeckRS 2020, 4528 Rn. 44, BeckRS 2020, 4530 Rn. 23). (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 4 S 19.2137 2020-01-14 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 7.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Rücknahme der ihm durch die Antragsgegnerin, einer Industrie- und Handelskammer, erteilten Bescheinigung, dass er den Nachweis der fachlichen Eignung zum Beruf des Personenverkehrsunternehmers im innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Verkehr erbracht habe, sowie der Verpflichtung zur Rückgabe der Prüfungsbescheinigung.
Er betreibt ein Taxiunternehmen im Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin. Seit Herbst 2017 nahm er an drei Fachkundeprüfungen für den Taxi- und Mietwagenverkehr teil, die er nicht bestand. In dem Bescheid vom 14. Mai 2018, in dem die Antragsgegnerin das Nichtbestehen der Prüfung am 7. Mai 2018 feststellte, setzte sie eine Frist von zwölf Wochen, vor deren Ablauf die Prüfung nicht wiederholt werden durfte. Am 18. Mai 2018 meldete sich der Antragsteller zur Prüfung am 11. Juni 2018 an. Im Anmeldeformular waren der Prüfer B. als Vorsitzender und fünf ehrenamtliche Prüfer als Beisitzer aufgeführt. Eine Ladung zur Prüfung wurde nach Aktenlage nicht versandt. Nach der Niederschrift über die Prüfung vom 11. Juni 2018, die mit den Unterschriften des Vorsitzenden B. und von zwei Beisitzern sowie der Unterschrift des Antragstellers versehen ist, hat der Antragsteller die Prüfung bestanden. Der ehemalige Mitarbeiter der Antragsgegnerin Z. stellte ihm die Bescheinigung zum Nachweis der fachlichen Eignung für den innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Verkehr mit Taxen und Mietwagen Nr. 158/4250 aus.
In der Folgezeit ergaben interne Ermittlungen der Antragsgegnerin Anhaltspunkte dafür, dass Prüfungsausschussmitglieder in zahlreichen Fällen bei den Fachkundeprüfungen nicht anwesend waren, diese nicht abgenommen und Niederschriften über den Prüfungsablauf im Nachhinein unterschrieben haben. In diesem Zusammenhang wurden strafrechtliche Ermittlungen gegen die ehemaligen Mitarbeiter der Antragsgegnerin B. und Z. eingeleitet.
Im Rahmen der Anhörung zur Rücknahme der Prüfungsbescheinigung ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten vortragen, an den Prüfungstag könne er sich nicht genau erinnern. Es sei die vierte Prüfung gewesen. Wegen seines bereits etwas höheren Lebensalters sei ihm an einem schnellen Prüfungstermin gelegen. Zur Vorbereitung habe er die üblichen Kurse zur Erlangung des Fachwissens besucht. Jeweils mit Schreiben mit Briefkopf der IHK habe er eine Aufforderung zur Zahlung der Prüfungsgebühr und eine Ladung zum Prüfungstermin erhalten. Es habe kein Anlass zu Zweifeln an der Ordnungsmäßigkeit der Einladung und des Prüfungsablaufs bestanden. Die ihm vorgelegten Fragen im schriftlichen Teil seien mit den Fragen aus den letzten drei Prüfungen vergleichbar gewesen. Nachdem sich der Prüfer die abgegebenen Prüfungsbögen einige Zeit angesehen habe, habe er ihn zur mündlichen Prüfung gebeten. Er habe sich während dieser Zeit im selben Raum wie der Prüfer aufgehalten. Da er eine mündliche Prüfung bisher noch nicht abgelegt habe, hätten ihm Vergleichsmöglichkeiten gefehlt. Bei der mündlichen Prüfung sei nur der Prüfer anwesend gewesen. Aufgrund seiner Aufregung habe er keine genaue Erinnerung mehr an diese Prüfung. Er erinnere sich auch nicht daran, ob er ein Prüfungsprotokoll unterschrieben habe. Er beherrsche die deutsche Sprache, die nicht seiner Muttersprache sei, nicht perfekt, d.h., die Grammatik seines Ausdrucks bedürfe des „wohlwollenden“ Zuhörens, um den Sinn der Äußerungen zu erfassen. Aus diesem Grund habe er nach Einschätzung des Bevollmächtigten in den drei vorangegangenen Prüfungsversuchen Schwierigkeiten gehabt. Der Antragsteller sei nicht auf die Idee gekommen, von dem Prüfer den Personalausweis zur Personenfeststellung zu verlangen. Gegenstand der Fachkundeprüfung sei nicht die Kenntnis über die Zusammensetzung der Prüfungskommission und des Erfordernisses der Abnahme der Prüfung durch mehrere Prüfer. Im Vertrauen auf den Bestand der Prüfungsbescheinigung habe er sich am 1. November 2018 ein Taxi gekauft.
Mit Bescheid vom 16. Oktober 2019 nahm die Antragsgegnerin die dem Antragsteller erteilte Bescheinigung vom 11. Juni 2018 über die fachliche Eignung für den innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Verkehr mit Taxen und Mietwagen zurück, verpflichtete ihn zur Herausgabe der Bescheinigung im Original spätestens fünf Tage nach Zugang des Bescheids und ordnete die sofortige Vollziehung dieser Verfügungen (Nummern I und II) an. Die dem Antragsteller erteilte Prüfungsbescheinigung sei rechtswidrig und werde daher gemäß Art. 48 BayVwVfG zurückgenommen, weil Ermittlungen ergeben hätten, dass der Antragsteller keine ordnungsgemäße Prüfung durchlaufen habe. Sofern überhaupt eine Prüfung stattgefunden habe, sei diese jedenfalls von einer nicht dazu berufenen Person und nicht von zwei Prüfern abgenommen worden. Dies seien wesentliche Verfahrensfehler gemäß § 5 Abs. 2 PBZugV i.V.m. § 3 Abs. 2 der Prüfungsordnung. Ein Mitarbeiter der IHK, der wie hier nicht dem Prüfungsausschuss angehöre, habe keine hoheitliche Befugnis zur Abnahme der Prüfung. Davon abgesehen könne nicht ausgeschlossen werden, dass insbesondere die angebliche mündliche Prüfung bei ordnungsgemäßer Besetzung des Prüfungsausschusses auch fachlich einen anderen Ausgang erfahren hätte. Gemäß Art. 48 Abs. 3 BayVwVfG sei bei der Ermessensabwägung eine Interessenabwägung vorzunehmen. Den privaten Interessen des Antragstellers stehe ein überwiegendes Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung entgegen, was auch dann gelte, wenn der Antragsteller eine irgendwie geartete, jedenfalls aber nicht ordnungsgemäße Prüfungsleistung erbracht haben sollte. Denn es sei nicht nachgewiesen, dass der Antragsteller die zum Führen eines Taxiunternehmens bzw. zum Schutz der Allgemeinheit und der Fahrgäste erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten habe. Seine Interessen, darunter die Erwirtschaftung des Lebensunterhalts und getätigte Investitionen, seien nicht schutzwürdig, da er aufgrund seiner Kenntnis und Mitverursachung von der Rechtswidrigkeit der Prüfungsbescheinigung habe ausgehen müssen. Hinsichtlich der Zusammensetzung des Prüfungsausschusses liege zumindest Fahrlässigkeit vor. Indem er ein unrichtiges Prüfungsprotokoll unterschrieben habe, habe er wissentlich und aktiv zur Ausstellung einer falschen Bescheinigung beigetragen. Er sei auch nicht schutzwürdig, weil er übergangsweise einen Betriebsleiter für sein Taxiunternehmen einsetzen und jederzeit eine ordnungsgemäße Fachkundeprüfung ablegen könne. Hierzu werde ihm kurzfristig und gebührenfrei Gelegenheit gegeben.
Gegen diesen Bescheid ließ der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Ansbach Klage erheben, über die noch nicht entschieden wurde, und die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Nummern I und II des angefochtenen Bescheids, hilfsweise die Aufhebung der sofortigen Vollziehung beantragen. Zur Begründung ließ er über seinen bisherigen Vortrag hinaus ausführen, er habe die weiteren Unterlagen, die ihm in Vorbereitung des Prüfungstermins am 11. Juni 2018 erreicht hätten, nach Erhalt der Prüfungsbescheinigung nicht aufbewahrt. Er erinnere sich daran, eine Zahlungsaufforderung und Mitteilungen für den Prüfungsablauf erhalten zu haben, die nicht auffällig gewesen seien. Die Prüfung habe in den Geschäftsräumen der Antragsgegnerin zu üblichen Geschäftszeiten stattfinden sollen. Kenntnisse über den Prüfungsablauf bzw. volljuristische Kenntnisse auf dem Niveau des zweiten Staatsexamens gehörten nicht zu der zu prüfenden Fachkunde. Der Antragsteller habe gegenüber der ihm als zuständiger Entscheidungsträger auftretenden Person, wohl Z., Ausweisdokumente vorgelegt und einen Gebührenbescheid erhalten, den er nicht auf Auffälligkeiten hinsichtlich des Datums geprüft habe. Es sei für jeden Prüfling irritierend, in einer Prüfungssituation den Hinweis zu erhalten, ob er Einwendungen gegen die Prüfung bzw. den Prüfer erhebe. Der Antragsteller habe sich hierüber keine Gedanken gemacht, sondern lediglich die Fachkunde im Kopf gehabt. Er sei deshalb nicht auf die Idee gekommen, sich Personaldokumente der Prüfer zeigen zu lassen oder Niederschriften auf Fehler zu prüfen. Zudem hätten sich auf der Niederschrift genauso viele Unterschriften befunden, wie Personen als Prüfer angegeben gewesen seien. Er habe weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt und keinen Anlass zu besonderen Kontrollmaßnahmen gehabt. Die Anforderungen an einen Prüfling würden völlig überspannt, wenn er eine Niederschrift auf die Anzahl der teilnehmenden Prüfer zu kontrollieren habe und bei fehlender Übereinstimmung der angegebenen mit den tatsächlichen Prüfern den Schluss ziehen solle, dass wesentliche formelle Voraussetzungen der Prüfung nicht gegeben seien.
Mit Beschluss vom 14. Januar 2020 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ab. Die Rücknahme der rechtswidrigen Prüfungsbescheinigung sei rechtmäßig. Es sei davon auszugehen, dass die ihr zugrunde liegende Fachkundeprüfung vom 11. Juni 2018 jedenfalls nicht von einem hierfür nach § 5 Abs. 2 und 3 PBZugV i.V.m. § 3 Abs. 2 und 3 PrüfO zuständigen Prüfungsausschuss abgenommen worden sei. Somit habe der Antragsteller entgegen der Feststellung in der Bescheinigung die fachliche Eignung im Sinne von § 3 Abs. 2 PBZugV nicht nachgewiesen. Auch wenn man den vom Antragsteller geschilderten Prüfungsablauf als wahr zugrunde lege, habe keine ordnungsgemäße Fachkundeprüfung stattgefunden. Bei Beginn der Prüfung werde nicht nur die Identität des Prüflings festgestellt, sondern ihm auch die Prüfer bekannt gegeben und er über sein Ablehnungsrecht und den Prüfungsablauf belehrt. Da die Belehrungen die gesamte Prüfung beträfen und eine mündliche Prüfung unter Umständen entfalle, könne mit „bei Beginn der Prüfung“ nur „bei Beginn der schriftlichen Prüfung“ gemeint sein. Jedenfalls habe sich bei der behaupteten Prüfung nach den Angaben des Antragstellers nur ein Prüfer im Raum befunden. Die Diskrepanz zwischen dieser Sachlage und der Angabe zu einem aus drei Personen zusammengesetzten Prüfungsausschuss sei ihm damit bekannt gewesen. Die Rücknahme sei innerhalb der Jahresfrist nach Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG erfolgt, die frühestens mit Zugang der Stellungnahme des Bevollmächtigten im Rahmen der Anhörung zu laufen begonnen habe. Die Antragsgegnerin habe im Rahmen der Ermessensausübung auch die Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes angemessen abgewogen. Die unter Hinweis auf die Erkenntnisse aus den internen Ermittlungen gezogene Schlussfolgerung, dass kein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand der Prüfungsbescheinigung bestehe, sei nicht zu beanstanden. Es könne zwar nicht mit hinreichender Sicherheit das Vorliegen einer Bestechung oder Vorteilsgewährung oder eine arglistige Täuschung angenommen werden. Jedoch sei von grober Fahrlässigkeit auszugehen. Der Antragsteller habe jedenfalls die unzutreffende Besetzung des Prüfungsausschusses gekannt. Es hätte sich ihm auch als juristischem Laien aufdrängen müssen, dass die Bescheinigung „nicht richtig“ sein könne. Auch wenn ein Mangel in der Besetzung der Prüfungskommission nicht in die Sphäre des Prüflings falle, sei ihm eine unverzügliche Rüge zuzumuten, wenn er wie hier bereits vor Ablegung der Prüfung über deren ordnungsgemäße Besetzung hinreichend informiert gewesen sei. Dass eine Rüge des Besetzungsmangels unterblieben sei, führe nicht zur Heilung dieses objektiven Verfahrensfehlers und hindere somit auch nicht die Rücknehmbarkeit der Prüfungsbescheinigung. Die Verpflichtung zur Herausgabe der Prüfungsbescheinigung finde ihre Rechtsgrundlage in Art. 52 BayVwVfG. Es liege auch ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Rücknahme der Bescheinigung, die einen selbstständigen Eingriff in die subjektive Berufswahlfreiheit des Antragstellers darstelle, vor. Bei einem Aufschub des Vollzugs würden konkrete Gefahren, insbesondere für das Leben und die körperliche Unversehrtheit einer unbestimmten Vielzahl von Personen, drohen. Der Betrieb eines Taxenverkehrsunternehmens setze qualifizierte berufliche Kenntnisse voraus, die insbesondere zum Schutz der Fahrgäste und sonstiger Verkehrsteilnehmer, des Fahrpersonals sowie der allgemeinen Sicherheit des Straßenverkehrs notwendig seien. Die erlittenen wirtschaftlichen Nachteile könne der Antragsteller durch die Bestellung einer anderen fachlich geeigneten Person für die Geschäftsführung oder die Ablegung einer ordnungsgemäßen Fachkundeprüfung vermeiden. Der Hilfsantrag sei unbegründet, weil die Anordnung der sofortigen Vollziehung formell rechtmäßig sei.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, der die Antragsgegnerin entgegentritt. Zur Begründung ist ausgeführt, der angefochtene Rücknahmebescheid werde sich voraussichtlich nicht als rechtmäßig erweisen. Zu den internen Ermittlungen der Antragsgegnerin könne keine Erklärung abgeben werden, da eine Akteneinsicht bislang nicht gewährt worden sei. Diese werde hiermit beantragt. Bereits die gerichtliche Erwägung zur Prüfungsniederschrift sei offenkundig unzutreffend. Der Verweis auf die Prüfungsordnung und die Berufszugangsverordnung für den Straßenpersonenverkehr sei sehr ungenau und von dem falschen Gedanken getragen, dass nicht sein könne, was nicht sein dürfe. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Prüfungsniederschrift beziehe sich die Erklärung des Prüflings nur auf die Identitätsfeststellung seiner Person einschließlich der Prüfung der Einladung und auf fehlende Einwendungen gegen die vorgesehenen Prüfer. Mit keinem Wort werde festgehalten, dass bei Abgabe der Erklärung des Prüflings die vorgesehenen Prüfer anwesend seien. Derartiges müsse der Prüfling auch nicht in den Wortlaut der Niederschrift hineininterpretieren. Eine Diskrepanz zwischen einem anwesenden Prüfer im Raum und der Angabe zu einem aus drei Personen zusammengesetzten Prüfungsausschuss bestehe nicht. Dies beruhe auf freier, durch keine Tatsache gestützter Interpretation des Erstgerichts. Haltlos sei auch die Unterstellung, die vorstehenden Umstände seien dem Antragsteller bekannt gewesen. Die Ausführungen über eine Bestechung oder Vorteilsgewährung dienten der Stimmungsmache. Der Antragsteller habe Zahlung auf Rechnung und Schreiben geleistet, die von der Antragsgegnerin versandt worden und auf ihrem Briefbogen gedruckt gewesen seien. Für ihn habe sich kein Anhaltspunkt ergeben, dass die Rechnungen und Schreiben gefälscht oder unrichtig gewesen seien. Beim Antragsteller habe auch keine grob fahrlässige Unkenntnis oder Kenntnis von einer unzutreffenden Besetzung des Prüfungsausschusses bestanden. Eine „Parallelwertung in der Laiensphäre“, wonach die Bescheinigung „nicht richtig“ sein könne, entfalle schon deshalb, weil ausweislich der Prüfungsniederschrift dem Antragsteller nicht mitgeteilt worden sei, dass nur der Prüfungsausschuss die Prüfung abnehmen dürfe. Nach der zitierten Rechtsprechung werde von einem Prüfling nicht verlangt, dass er anlasslos Kenntnisse über die Besetzung der Prüfungskommission bzw. den Prüfer haben müsse. Der Antragsteller sei weder anwaltlich vertreten gewesen noch habe er einzelne Prüfungsfächer auswählen müssen, aus denen sich die Auswahl des Prüfers bzw. der Prüfungskommission ergeben hätte. Vielmehr werde bei den Prüfungen über die Fachkundebescheinigung weder eine Auswahl von Prüfungsgebieten noch eine Bestimmung der Prüfer in Abhängigkeit der Prüfungsgebiete vorgenommen. Es würden auch keine Kenntnisse über die Prüfungsverfahren verlangt oder diese zum Gegenstand der Prüfung gemacht. Der Antragsteller habe auch keine Vergleichsmöglichkeit gehabt, da er bislang keine mündliche Prüfung absolviert habe. Von einer fehlenden Prüfungsleistung könne keine Rede sein. Die streitgegenständliche Prüfung sei dem Antragsteller im schriftlichen Teil bereits bekannt gewesen und im sachlichen Fragenkatalog sowie hinsichtlich der Schwierigkeit der Fragen unauffällig, d.h. sachlich angemessen erschienen. Zudem könne abgewartet werden, bis eine Entscheidung in der Hauptsache vorliege, da der Antragsteller beanstandungslos ein Transportunternehmen führe.
Den Beteiligten wurden die den Antragsteller betreffenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten als Ausdruck übersandt. Die ihm bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth ermöglichte Einsichtnahme in die CD mit sämtlichen weiteren Ermittlungsakten hat er nicht wahrgenommen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern oder aufzuheben wäre.
Die Rücknahme der Prüfungsentscheidung ist rechtmäßig. Die Entscheidung der Antragsgegnerin über das Bestehen der Fachkundeprüfung zum Nachweis der fachlichen Eignung des Prüfungsteilnehmers ist ein begünstigender feststellender Verwaltungsakt im Sinne von Art. 35 Satz 1, Art. 48 Abs. 1 Satz 2 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) vom 23. Dezember 1976 (BayRS 2010-1-I), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. Juli 2018 (GVBl S. 604), der unter den Voraussetzungen des Art. 48 Abs. 2 bis 4 BayVwVfG zurückgenommen werden kann, wenn er sich – wie hier wegen des nicht ordnungsgemäß durchgeführten Prüfungsverfahrens – als rechtswidrig erweist (vgl. Fischer in Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 698, 723, 818; Jeremias in Niehues/Fischer/Jeremias, a.a.O. Rn. 501). Dem stehen die Besonderheiten des Prüfungsverfahrens nicht entgegen (Art. 2 Abs. 3 Nr. 2 BayVwVfG; hierzu Fischer, a.a.O. Rn. 723).
Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass keine ordnungsgemäße Fachkundeprüfung des Antragstellers stattgefunden hat und die materiellen Voraussetzungen für die Rücknahme der Prüfungsentscheidung vom 11. Juni 2018 und die Verpflichtung zur Rückgabe der Prüfbescheinigung vorliegen. Es liegt weder ein Fehler bei der Ermessensausübung vor noch kann sich der Antragsteller auf schutzwürdiges Vertrauen berufen.
Die Genehmigung für den Verkehr mit Taxen und Mietwagen setzt unter anderem voraus, dass der Unternehmer oder die für die Führung der Geschäfte bestellte Person fachlich geeignet ist (§ 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Personenbeförderungsgesetzes – PBefG – in der Fassung der Bekanntmachung vom 8.8.1990 [BGBl I S. 1690], zuletzt geändert durch Gesetz vom 21.12.2019 [BGBl I S. 2886]). Die fachliche Eignung wird entweder durch eine angemessene Tätigkeit in einem Unternehmen des Straßenpersonenverkehrs oder durch Ablegung einer Prüfung nachgewiesen (§ 13 Abs. 1 Satz 2 PBefG; § 3 Abs. 2, § 4, § 5 der Berufszugangsverordnung für den Straßenpersonenverkehr – PBZugV – vom 15.6.2000 [BGBl I S. 851], zuletzt geändert durch Verordnung vom 31.8.2015 [BGBl I S. 1474]). Die Fachkundeprüfung und die Bewertung der Prüfungsleistungen erfolgen durch die Industrie- und Handelskammern auf Grund einer Prüfungsordnung (§ 4 Abs. 7 PBZugV). Hierfür errichtet die Industrie- und Handelskammer einen Prüfungsausschuss, der aus einem Vorsitzenden und mindestens einem Beisitzer besteht (§ 5 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 PBZugV). Die Prüfung setzt sich aus zwei schriftlichen Prüfungsteilen und gegebenenfalls einer ergänzenden mündlichen Prüfung zusammen (§ 4 Abs. 1 PBZugV). Bewerbern, die die Prüfung für den Taxen- und Mietwagenverkehr bestanden haben, wird eine Bescheinigung nach dem Muster der Anlage 5 zur Berufszugangsverordnung für den Straßenpersonenverkehr erteilt (§ 4 Abs. 6 PBZugV).
Der Ablauf der Fachkundeprüfung des Antragstellers war, sofern sie überhaupt stattgefunden hat, zumindest in zweifacher Hinsicht rechtswidrig. Sie ist unter Verstoß gegen § 5 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 PBZugV von einer nicht zum Prüfungsausschuss gehörigen Person und nur von einem statt mindestens zwei Prüfern abgenommen worden. Dies steht aufgrund der Schilderung des Antragstellers zum Prüfungsablauf am 11. Juni 2018 und der Ermittlungen der Antragsgegnerin, insbesondere den Aussagen der Prüfer, die die Niederschrift über die angebliche Prüfung nachträglich unterzeichnet haben, ohne daran teilgenommen zu haben, fest.
Im Übrigen hat die mündliche Prüfung – ohne dass es darauf noch entscheidend ankommt – der Niederschrift zufolge nur von 12:15 bis 12:30 Uhr gedauert, obwohl § 9 Abs. 1 der Prüfungsordnung hierfür grundsätzlich eine halbe Stunde vorsieht. Auch ist der Inhalt des mündlichen Prüfungsteils entgegen § 12 der Prüfungsordnung in der Niederschrift nicht dokumentiert. Eine in Bezug genommene Anlage befindet sich nicht in den Akten. Offen bleiben kann ferner, ob die Nichteinhaltung einer gesetzten Frist für die frühestmögliche Ablegung der Widerholungsprüfung rechtlich folgenlos bleibt, wenn wie hier die prüfende Stelle eine Prüfungsanmeldung vor Ablauf dieser Frist entgegennimmt.
Unstreitig ist, dass die Antragsgegnerin die Prüfungsentscheidung vor Ablauf eines Jahres seit Kenntnisnahme von den Tatsachen, die die Rücknahme rechtfertigen, zurückgenommen hat (Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG). Damit kommt es insoweit nicht darauf an, ob die Prüfungsbescheinigung durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt worden ist (Art. 48 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 BayVwVfG).
Die Einwände des Antragstellers, auch soweit sie die Ordnungsgemäßheit der Fachkundeprüfung betreffen, richten sich hauptsächlich gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass er sich wegen zumindest grob fahrlässiger Unkenntnis (Art. 48 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 BayVwVfG) des nicht ordnungsgemäßen Prüfungsablaufs nicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand der rechtswidrigen Prüfungsentscheidung berufen könne.
Freilich würde auch ein derartiges Vertrauen der Rücknahme der rechtswidrigen Prüfungsentscheidung grundsätzlich nicht entgegenstehen, ist aber im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen (Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 48 Rn. 182 ff. m.w.N.). Nach Art. 48 Abs. 3 Satz 1 und 2 BayVwVfG kann schutzwürdiges Vertrauen einen Ausgleichsanspruch begründen. Dem verfassungsunmittelbar gebotenen Minimum an Vertrauensschutz wird im Regelfall durch den (bloßen) Vermögensschutz genügt (Sachs a.a.O. Rn. 180).
Die Annahme grob fahrlässiger Unkenntnis im Sinne von Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 BayVwVfG ist nicht zu beanstanden. Der Antragsteller hat durch seine Unterschrift der Wahrheit zuwider die Anwesenheit von drei namentlich benannten Prüfern „in der Prüfung“ bestätigt. Darauf, ob diese im Zeitpunkt der Unterschrift anwesend waren, kommt es nicht an. Er hat gegen Unterschrift weiter erklärt, dass ihm die Prüfer bekannt gemacht worden seien und er keine Einwendungen gegen die vorgesehenen Prüfer erhebe. Aus der unmittelbar darüber stehenden Belehrung über die Möglichkeit, Prüfer wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, ergibt sich die Art der möglichen Einwendungen, auf die der Antragsteller verzichtet hat. Die kurzen und leicht verständlichen Erklärungen in der Prüfungsniederschrift bezogen sich insgesamt auf eine unmittelbar bevorstehende Prüfung. Aus dem Textzusammenhang lässt sich auch kein anderer Schluss ziehen als der, dass die in der Prüfung anwesenden und bekannt gemachten Prüfer zur Abnahme der Prüfung „vorgesehen“ waren. Hiermit werden die Anforderungen an einen Prüfling nicht „völlig überspannt“ (vgl. BayVGH, B.v. 11.3.2020 – 11 CS 20.85 – juris Rn. 19 ff.). Die rechtliche Kenntnis, dass nur ein Prüfungsausschuss die Prüfung abnehmen dürfe, ist zum Verständnis des Textes nicht erforderlich. Hiervon ist in dem vom Antragsteller unterschriebenen Textteil auch nicht die Rede. Um die Diskrepanz zwischen der tatsächlichen Anzahl der Prüfer und dem unterschriftlich bestätigten Sachverhalt festzustellen, bedarf es keiner besonderen, juristischen oder prüfungsrechtlichen Kenntnisse. Es genügt schlicht der Umstand, dass nicht genügend Personen „in der Prüfung … als Prüfer anwesend“ waren, denen die drei Namen hätten zugeordnet werden können. Auch darauf, ob der Antragsteller den Namen des Z., der die Prüfung tatsächlich abgenommen hat, gekannt hat, kommt es deshalb nicht an. Ebenso wenig ist entscheidungserheblich, ob dem Antragsteller ein regulärer Prüfungsablauf aus einer vorherigen Prüfung bekannt gewesen war oder hätte bekannt sein müssen. Das zitierte Urteil des Oberverwaltungsgerichts Niedersachsen vom 8. Juni 2011 (8 LB 199/09 – juris) führt in diesem Zusammenhang nicht weiter.
Auch die ausführlichen Ermessenserwägungen der Antragsgegnerin sind nicht zu beanstanden. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht maßgebend darauf abgestellt, dass dem Antragsteller durch seine Beteiligung an der Erstellung einer unrichtigen Prüfungsniederschrift und die spätestens durch die Niederschrift vermittelte Kenntnis, dass der Prüfungsausschuss aus drei Personen, nämlich dem Vorsitzenden B. und den Beisitzern D. und L. besteht, jedenfalls nicht aus Z., der die Prüfung angeblich tatsächlich abgenommen hat, schon kein schutzwürdiges Vertrauen zugebilligt werden kann.
Schließlich ist der Antragsteller als Inhaber und Besitzer der von der Antragsgegnerin ausgestellten Prüfungsbescheinigung für den Taxen- und Mietwagenverkehr (vgl. Art. 52 Satz 2 BayVwVfG) auch zu deren Herausgabe verpflichtet. Nach Art. 52 Satz 1 BayVwVfG kann die Behörde die auf Grund eines unanfechtbar zurückgenommenen Verwaltungsakts erteilten Urkunden oder Sachen, die zum Nachweis der Rechte aus dem Verwaltungsakt oder zu deren Ausübung bestimmt sind, zurückfordern. Nach herrschender Meinung setzt dies nicht die Bestandskraft des Rücknahmebescheids voraus. Es genügt, wenn dem hiergegen erhobenen Rechtsbehelf aufgrund der Anordnung der sofortigen Vollziehung keine aufschiebende Wirkung zukommt, da der sofort vollziehbare Rücknahmebescheid bezüglich seiner Wirkungen bis zur endgültigen Klärung einem unanfechtbaren Verwaltungsakt weithin gleichgestellt ist (vgl. Sachs a.a.O. § 52 Rn. 15 ff., 26 m.w.N.).
Da sich der angegriffene Rücknahmebescheid voraussichtlich als rechtmäßig erweisen wird, greift auch der Einwand gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht durch. Eine Aufhebung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO, wie hilfsweise beantragt, kommt daher nicht in Betracht. Denn sie würde voraussetzen, dass die aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anzuordnen bzw. wiederherzustellen ist, und stellt kein rechtliches Minus hierzu dar, welches im Wege eines Hilfsantrags geltend gemacht werden könnte (vgl. Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juli 2019, § 80 Rn. 341 f.).
Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 und § 52 Abs. 1 GKG und den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1 und Nr. 36.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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