Verwaltungsrecht

Sachverständigengutachten und neuer Vortrag – Aufbereitung von Medizinprodukten

Aktenzeichen  22 ZB 20.1685

Datum:
3.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 4215
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

1. Ein Gutachten ist unverwertbar, wenn es unvollständig, widersprüchlich oder nicht überzeugend ist, wenn es auf unzutreffenden Annahmen beruht, wenn Zweifel an Sachkunde oder Unparteilichkeit des Sachverständigen bestehen, wenn ein anderer Sachverständiger über überlegene Forschungsmittel verfügt oder wenn die Erkenntnisse des Gutachtens durch substantiierte Einwände in Frage gestellt werden. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Im Berufungszulassungsverfahren können Tatsachen vorgebracht werden, die schon im erstinstanzlichen Verfahren hätte geltend gemacht werden können. Dabei sind an die Glaubhaftmachung aber umso höhere Anforderungen zu stellen, je weniger nachvollziehbar ein Unterlassen des Vorbringens in der ersten Instanz ist. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 5 K 20.804 2020-05-14 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 2.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger, der eine Zahnarztpraxis betreibt, wendet sich gegen die Fälligstellung eines ihm angedrohten Zwangsgeldes.
Mit Datum 1. Februar 2018 erließ die Regierung von Schwaben (Gewerbeaufsichtsamt) gegenüber dem Kläger nach Besichtigungen von dessen Zahnarztpraxis und in Ergänzung eines vorangegangenen Bescheids einen Bescheid mit u.a. folgendem Wortlaut:
„B. Zur Beseitigung der vorgefundenen hygienischen Mängel hinsichtlich der Aufbereitung von Medizinprodukten wird die unverzügliche Durchführung nachstehender Maßnahmen angeordnet:
1. Sie haben unverzüglich, bis spätestens 28.02.2017 die in Ihrer Praxis verwendeten Medizinprodukte entsprechend der Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert-Koch Institut (RKI) und des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM),Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukte‘ von 2012 (KRINKO/BfArM Empfehlung von 2012) einzustufen. Anhand der Einstufung ist dann das Verfahren zur Aufbereitung Ihrer Medizinprodukte festzulegen.
2. Die Einstufung ist zu dokumentieren und ist dem Gewerbeaufsichtsamt unverzüglich, spätestens bis zum 15.03.2018, schriftlich mitzuteilen.“
Der Sofortvollzug u.a. dieser Bestimmungen des Bescheids wurde angeordnet (B.5.). Gleichzeitig wurde dem Kläger für die Nichterfüllung der Verpflichtung nach B.2. ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000 Euro angedroht (B.6.).
Gegen den Bescheid vom 1. Februar 2018 erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Augsburg.
Mit Schreiben vom 15. März 2018, persönlich abgegeben am gleichen Tag, legte der Kläger dem Gewerbeaufsichtsamt ein Konvolut von Unterlagen vor. Darin war insbesondere eine alphabetische Aufstellung „Medizinprodukte – Risikobewertung und Einstufung vor der Aufbereitung“ enthalten (Behördenakt Bl. 188 ff.).
Mit Schreiben vom 16. Juli 2018 stellte das Gewerbeaufsichtsamt das im Bescheid vom 1. Februar 2018 angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 2.000 Euro fällig. Die vom Kläger am 15. März 2018 vorgelegte Einstufung der Medizinprodukte entspreche nicht den von B.2. des Bescheids geforderten KRINKO/BfArM-Empfehlungen.
Darauf erhob der Kläger zum Verwaltungsgericht Augsburg Klage auf Feststellung, dass das Zwangsgeld nicht fällig geworden sei.
Am 21. März 2019 wurden beide Klagen vom Verwaltungsgericht mündlich verhandelt. In der Sitzungsniederschrift wurde zum Verfahren betreffend die Zwangsgeldfälligstellung festgehalten, dass sich die Beteiligten darüber einig seien, dass der Kläger der Verpflichtung aus B.2. des Bescheids vom 1. Februar 2018 insoweit nachgekommen sei, als er die Einstufung dokumentiert und sie dem Gewerbeaufsichtsamt schriftlich mitgeteilt habe. Streitig sei nur, ob der Inhalt der Dokumentation bezogen auf die Einstufung richtig sei. Das Verfahren betreffend die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 1. Februar 2018 wurde in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend für erledigt erklärt.
Im Verfahren betreffend die Zwangsgeldfälligstellung beschloss das Verwaltungsgericht am 5. Juni 2019 die Einholung eines fachärztlichen Gutachtens, welches vom Sachverständigen mit Datum 26. Januar 2020 vorgelegt wurde.
Mit Urteil vom 14. Mai 2020 – dem Kläger zugestellt am 8. Juni 2020 – wies das Verwaltungsgericht die Klage ab.
Mit seinem am 8. Juli 2020 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Antrag auf Zulassung der Berufung, der mit am 10. August 2020, einem Montag, beim Verwaltungsgerichtshof eingegangenem Schriftsatz begründet wurde, verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzziel weiter. Er macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend.
Der Beklagte ist dem Zulassungsantrag entgegengetreten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Aus den Darlegungen des Klägers (vgl. zu deren Maßgeblichkeit § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) ergibt sich nicht, dass die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) vorliegen.
1. Solche ernstlichen Zweifel bestehen dann, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen die Richtigkeit des Urteils gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 7.10.2020 – 2 BvR 2426/17 – juris Rn. 34; B.v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – juris Rn. 15; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – juris Rn. 9). Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 62f.).
2. Das Verwaltungsgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, dass das dem Kläger unter B.6. des Bescheids vom 1. Februar 2018 angedrohte Zwangsgeld fällig geworden ist, weil in der von ihm am 15. März 2018 dem Gewerbeaufsichtsamt vorgelegten Aufstellung in zwei Fällen Medizinprodukte als „kritisch A“ eingestuft worden waren, die jedoch nach den sich aus B.2. des Bescheids ergebenden Maßstäben als „kritisch B“ hätten eingestuft werden müssen (vgl. UA Rn. 82 ff. sowie Rn. 86). Es hat sich hierzu insbesondere (vgl. UA Rn. 81) auf das von ihm in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten vom 26. Januar 2020 gestützt (im Folgenden: Gutachten). In dem Gutachten hat der Sachverständige unter Heranziehung von klägerseits vorgelegten Abrechnungsunterlagen der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns (vgl. Behördenakt Bl. 345 – 416) aus dort enthaltenen Nummern des Bewertungsmaßstabs zahnärztlicher Leistungen (BEMA, vgl. Gutachten S. 19, Fußnote 7) geschlossen, welche Behandlungen der Kläger im fraglichen Zeitraum durchgeführt hat. Für einige dieser Behandlungen hat der Sachverständige angegeben, welche Instrumente benötigt werden und wie diese hinsichtlich ihrer Aufbereitung einzustufen sind (vgl. Gutachten S. 23, S. 28 sowie S. 29 ff.). Hierauf zurückgreifend hat das Verwaltungsgericht fehlerhafte Einstufungen von Instrumenten durch den Kläger bezüglich der Behandlungen nach BEMA-Nr. 56c (chirurgische Fräsen) und BEMA-Nr. 28 (Exstirpationsnadel) angenommen.
2.1 Der Kläger wendet hinsichtlich der Behandlung nach BEMA-Nr. 56c ein, dass der Sachverständige die Einstufung der benötigten Instrumente lediglich auf Grund der Abrechnungen des Klägers vorgenommen habe. Der exakte Umfang der Behandlung und die tatsächlich verwendeten Instrumente seien beim Kläger nicht erfragt bzw. nicht mit diesem abgestimmt worden. Bei der BEMA-Nr. 56c handele es sich um zwei unterschiedliche Arten der Behandlung, nämlich „Zystektomie mit Osteotomie“ auf der einen und „WSR“ (Wurzelspitzenresektion) auf der anderen Seite. Diese Differenzierung habe das Gutachten und in der Folge das Verwaltungsgericht nicht vorgenommen. „WSR“, für die eine Einstufung als „kritisch B“ erfolgen müsse, würden vom Kläger generell nicht durchgeführt. Für eine Zystektomie mit Osteotomie sei eine Einstufung als „kritisch A“ zutreffend. Das vom Sachverständigen angeführte chirurgische Handstück mit chirurgischen Fräsen sei in der vom Kläger vorgelegten Aufstellung zu Recht nicht angeführt worden und bei ihm auch so nicht vorhanden. Der Kläger weist unter Bezugnahme auf den im erstinstanzlichen Verfahren eingereichten Schriftsatz vom 20. April 2020 darauf hin, dass der Beweisbeschluss des Verwaltungsgerichts dahin gelautet habe, wie die „verwendeten“ Medizinprodukte einzustufen seien. Der genaue Umfang der entsprechenden Behandlung lasse sich nicht immer aus der jeweiligen Abrechnung erkennen.
Hieraus ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils.
2.1.1 Das Vorbringen des Klägers, die BEMA-Nr. 56c umfasse zwei unterschiedliche Behandlungsarten, für die auch unterschiedliche Einstufungen vorzunehmen seien („kritisch B“ für die „WSR“; „kritisch A“ für die Zystektomie mit Osteotomie) ist nicht geeignet, das Gutachten, auf das sich das Verwaltungsgericht maßgeblich gestützt hat, in Frage zu stellen. Ein Gutachten ist unverwertbar, wenn es unvollständig, widersprüchlich oder aus sonstigen Gründen nicht überzeugend ist, wenn es auf unzutreffenden tatsächlichen Annahmen beruht, wenn Zweifel an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des beauftragten Sachverständigen bestehen, wenn ein anderer Sachverständiger über neuere oder überlegene Forschungsmittel verfügt oder wenn die Erkenntnisse, die in dem vorliegenden Gutachten ihren Niederschlag gefunden haben, durch substantiierte Einwände eines Beteiligten oder durch die übrige Ermittlungstätigkeit des Gerichts ernsthaft in Frage gestellt scheinen (BVerwG, U.v. 29.8.2007 – 4 C 2.07 – juris Rn. 33; BayVGH, B.v. 13.1.2016 – 22 ZB 15.1506 – juris Rn. 14). Derartiges zeigt der Kläger in der Antragsbegründung nicht auf. Der Kläger setzt sich mit dem Gutachten, dem sich (insbesondere S. 28 und S. 40) die vom ihm angeführte Differenzierung weder in Bezug auf die Behandlung noch hinsichtlich der benötigten Instrumente und auch nicht bezüglich der gebotenen Einstufung für deren Aufbereitung entnehmen lässt, nicht näher auseinander und führt keine, zumal fachlich untermauerten, Belege für eine insoweit bestehende Unrichtigkeit des Gutachtens an. Solche substantiierten Einwände lassen sich auch dem vom Kläger in der Antragsbegründung in Bezug genommenen Schriftsatz vom 20. April 2020 nicht entnehmen. Die bereits dort erhobene Rüge des Klägers, das Gutachten treffe entgegen dem Beweisbeschluss vom 5. Juni 2019 keine Aussagen hinsichtlich der verwendeten Instrumente, reicht nicht aus, weil ihr ebenfalls die Annahme einer vom Kläger nicht weiter begründeten Differenzierungsbedürftigkeit zu Grunde liegt.
2.1.2 Der Vortrag des Klägers, er führe „WSR“ „generell nicht durch“, erfüllt ebenfalls die nötigen Substantiierungsanforderungen nicht. Der Rechtsmittelführer ist zwar nicht gehindert, im Berufungszulassungsverfahren Tatsachen vorzubringen, die er schon im erstinstanzlichen Verfahren hätte geltend machen können. Dabei genügt es allerdings nicht, neue Tatsachen nur zu behaupten. Zur Erfüllung seiner Darlegungsverpflichtung muss der Rechtsmittelführer neuen Tatsachenvortrag vielmehr substantiieren und glaubhaft machen. Dabei sind an die Glaubhaftmachung umso höhere Anforderungen zu stellen, je weniger nachvollziehbar ein Unterlassen des Vorbringens in der ersten Instanz ist (BayVGH, B.v. 1.6.2017 – 3 ZB 14.1030 – juris Rn. 14; B.v. 26.2.2015 – 4 ZB 13.822 – juris Rn. 5; Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 91). Vorliegend hat der Kläger die generelle Nichtdurchführung von „WSR“ in der Antragsbegründung bloß behauptet. Dies ist angesichts der vorstehend genannten Substantiierungsanforderungen insbesondere deshalb nicht ausreichend, weil nicht nachvollziehbar ist, weshalb der Kläger Entsprechendes nicht bereits in dem von ihm in Bezug genommenen, zu dem Gutachten eingereichten Schriftsatz vom 20. April 2020 vorgebracht hat. Auch dem Sitzungsprotokoll des Verwaltungsgerichts lässt sich ein diesbezüglicher Vortrag des Klägers nicht konkret entnehmen. Dies wäre jedoch zu erwarten gewesen, wenn der Kläger, wie er nunmehr geltend macht, „WSR“ „generell nicht“ durchführe.
2.1.3 Der Kläger zeigt auch weder auf, welche Instrumente für die nach seinen Angaben unterschiedlichen Behandlungsarten jeweils benötigt werden, noch, welche Instrumente für die von ihm allein durchgeführte Behandlungsart verwendet worden sein sollen und auch nicht, aus welchen Gründen hierfür eine Einstufung als „kritisch A“ zutreffend sein sollte. Der Kläger beschränkt sich vielmehr auf die nicht substantiierte Angabe, dass das vom Sachverständigen angeführte chirurgische Handstück mit chirurgischen Fräsen von ihm nicht angeführt worden und bei ihm „so auch nicht vorhanden“ sei. Dies ist zudem deshalb nicht nachvollziehbar, weil die vom Kläger am 15. März 2018 beim Gewerbeaufsichtsamt vorgelegte Aufstellung Fräsen zur chirurgischen Behandlung enthält (Behördenakt Bl. 192). Die Erläuterung des Klägers, es handele sich um einen nicht mehr verwendeten bzw. benötigten „Altbestand“, ist ebenfalls nicht schlüssig, da sich aus der beim Gewerbeaufsichtsamt vorgelegten Aufstellung eine solche Einschränkung nicht ergibt. Auch dem in der Antragsbegründung in Bezug genommenen Schriftsatz vom 20. April 2020 lässt sich für einen beim Kläger lediglich noch vorhandenen Altbestand nichts entnehmen. Vielmehr hat der Kläger dort – in Abweichung von seinem nunmehrigen Vortrag – geltend gemacht, dass die vom Sachverständigen genannten Instrumente (d.h. einschließlich der chirurgischen Fräsen) in seiner Praxis „überhaupt nicht vorhanden“ seien. Auch in diesem Schriftsatz bemängelt der Kläger im Übrigen zwar, dass der Sachverständige keine Klärung der tatsächlich vom Kläger verwendeten Instrumente vorgenommen habe, ohne aber diese Instrumente zu benennen.
2.2 Die Ausführungen in der Antragsbegründung zur Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die vom Kläger vorgelegte Einstufung auch hinsichtlich der für die Behandlung nach BEMA-Nr. 28 benötigten Wurzelkanalinstrumente (hier: Exstirpationsnadel) unzutreffend sei, erwecken ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils.
Der Kläger rügt, es sei nicht nachvollziehbar, wie das Verwaltungsgericht zur Auffassung komme, dass er in seiner Praxis nicht über eine Lichtlupe zur Inspektion verfüge und die Wurzelkanalinstrumente daher als „kritisch B“ einzustufen seien. Dieser Punkt sei im Rahmen eines Schreibens des Klägers an das Gewerbeaufsichtsamt vom 29. Juli 2016 als in Ordnung abgehakt worden. Der Sachverständige habe die benötigten Instrumente als „kritisch A“ oder „kritisch B“ eingestuft. Weshalb das Verwaltungsgericht von einer Einstufung als „kritisch B“ ausgehe, sei nicht nachvollziehbar; diese Frage habe gegebenenfalls im Rahmen einer ergänzenden Auskunft durch den Sachverständigen beurteilt werden müssen. Zudem verwende der Kläger bei der Vitalexstirpation ein Einweginstrument, für das eine Aufbereitung grundsätzlich nicht existiere.
2.2.1 Dem vom Kläger angeführten Schreiben an das Gewerbeaufsichtsamt vom 29. Juli 2016 (Behördenakt Bl. 13 bzw. Bl. 92) lässt sich in dem von ihm wohl in Bezug genommenen Abschnitt („zu 8. Leuchtlupe“) kein konkreter Bezug zu dem hier in Rede stehenden Instrument und dessen Einstufung entnehmen. Der Kläger legt auch nichts dazu dar, dass der an diesen Abschnitt gesetzte Haken als Bestätigung des Vorhandenseins einer Lichtlupe zu verstehen sein sollte. Der Kläger hatte in dem Schreiben auch nicht geltend gemacht, über eine Lichtlupe zu verfügen, sondern vielmehr die Auffassung vertreten, dass es zur Verwendung einer Lichtlupe allenfalls Empfehlungen gebe.
2.2.2 Auch die Einwendungen des Klägers betreffend die Einstufung des betreffenden Instruments als „kritisch B“ greifen nicht durch. Nach dem Gutachten (S. 37) sind Wurzelkanalinstrumente als „kritisch A bzw. kritisch B“ einzustufen. Hierzu hat der Sachverständige angemerkt (Fußnote 13), dass gemäß dem Musterhygieneplan der BZÄK die Einstufung dieser Instrumente in die Risikogruppe „kritisch B“ unter anderem dann erforderlich sei, wenn die Effektivität der Reinigung durch Inspektion nicht unmittelbar beurteilbar sei. Letzteres hat das Verwaltungsgericht bei Nichtvorhandensein einer Lichtlupe angenommen (UA Rn. 86). Der Kläger tritt dem weder substantiiert entgegen, noch zeigt er auf, dass sich bei Einholung der von ihm geforderten ergänzenden Auskunft des Sachverständigen eine andere Einstufung als „kritisch B“ ergeben hätte. Soweit der Kläger darauf hinweist, dass er bei der Vitalexstirpation ein Einweginstrument verwende, für das eine Aufbereitung grundsätzlich nicht existiere, steht dies im Widerspruch dazu, dass in der vom Kläger beim Gewerbeaufsichtsamt vorgelegten Aufstellung eine Exstirpationsnadel aufgeführt und als „kritisch A“ – und damit als aufbereitungsbedürftig – eingestuft wurde (Behördenakt Bl. 191).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 47, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. der Empfehlung in Nr. 1.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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