Verwaltungsrecht

Schulpflicht, Testpflicht, Distanzunterricht, Maskenpflicht, Zwangsgeld

Aktenzeichen  M 3 SE 22.1145

Datum:
15.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 11100
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
BayEUG Art. 76
LStVG Art. 7 Abs. 2
VwZVG Art. 21
VwZVG Art. 22
VwZVG Art. 23 Abs. 1
VwZVG Art. 31 Abs. 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.800,– € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller wenden sich gegen den sofortigen Vollzug eines Bescheids zur Durchsetzung der Schulpflicht.
Das Kind M. der Antragsteller ist Schüler der Grund- und Mittelschule O. (im Folgenden: die Schule). Da das Kind der Antragsteller der Testpflicht aus § 10 Abs. 2 Satz 1 (bislang § 12 Abs. 2 Satz 1) 15. BayIfSMV nicht nachkommt, nimmt es derzeit nicht am Präsenzunterricht teil.
Mit Schreiben vom 17. Januar 2022 hörte das Landratsamt R. (im Folgenden: Landratsamt) die Antragsteller zur Frage der zwangsweisen Durchsetzung der Schulpflicht an.
Mit Bescheid vom 10. Februar 2022, zugestellt am 12. Februar 2022, verpflichtete das Landratsamt die Antragsteller, dafür zu sorgen, dass ihr Kind regelmäßig am Präsenzunterricht der Schule und an den sonstigen verbindlichen Schulveranstaltungen unter Einhaltung der geltenden Infektionsschutzmaßnahmen nach der Infektionsschutzmaßnahmenverordnung in ihrer jeweils geltenden Fassung teilnimmt, derzeit unter Erfüllung der Testpflicht und Einhaltung der Maskenpflicht; diese Verpflichtung gelte solange und soweit, als der Unterricht ausschließlich in Präsenzform angeboten werde (Nr. 1 des Bescheids). Die sofortige Vollziehung von Nr. 1 wurde angeordnet (Nr. 2 des Bescheids). Für den Fall, dass die Antragsteller der Verpflichtung nach Nr. 1 des Bescheids nicht spätestens ab dem dritten Tag nach Zustellung des Bescheids nachkommen, wird in der Person des Zuwiderhandelnden jeweils ein Zwangsgeld in Höhe von 800,- EUR angedroht. Das Zwangsgeld betrage insgesamt 1.600,- EUR (Nr. 3 des Bescheids). Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen.
Gegen diesen Bescheid legte der Bevollmächtigte der Antragsteller mit Schreiben vom 15. Februar 2022, eingegangen beim Landratsamt am 17. Februar 2022, Widerspruch ein und beantragte zudem, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen und dass der Zwangsgeldbescheid vorläufig, bis zur Rechtskraft einer das Verfahren beendenden Entscheidung, nicht vollstreckt werde.
Mit Schriftsatz vom 1. März 2022, bei Gericht eingegangen am selben Tag, beantragt der Bevollmächtigte der Antragsteller,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs hinsichtlich Nr. 1 des Bescheides vom 10. Februar 2022 wiederherzustellen und hinsichtlich Nr. 3 des Bescheides vom 20. Februar 2022 anzuordnen.
Mit Schriftsatz vom 9. März 2022, bei Gericht am selben Tag eingegangen, beantragt der Bevollmächtigte der Antragsteller weiter,
die Zwangsvollstreckung einstweilen bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Kammer ohne Sicherheitsleistung, hilfsweise gegen Sicherheitsleistung einzustellen.
Zur Begründung wird unter anderem geltend gemacht, die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei nicht ausreichend begründet. Der angefochtene Bescheid enthalte den weiteren Hinweis im Text unter Ziffer 1, dass diese Anordnung nur solange und soweit gelte, als der Unterricht ausschließlich in Präsenzform angeboten werde. Dies erwecke den Eindruck, die Schule würde den Unterricht ausschließlich in Präsenzform abhalten und die Antragsteller kämen dem mutwillig nicht nach. Dem sei jedoch nicht so. Eine Aufhebung dieser Verfahrensweise für die Zukunft durch den Antragsgegner sei bisher von der Schule nicht verfügt worden. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei auch deshalb nicht gerechtfertigt, weil ein überwiegendes Vollziehungsinteresse der Öffentlichkeit in diesem Fall nicht bestehe. Denn ein genügend konkret begründeter Verdacht, dass der Sohn der Antragsteller durch die Wahrnehmung von Distanzunterricht bestehende Schulpflichten verletzen könne, sei von dem Antragsgegner nicht in sachlichen Gründen vorgetragen worden. Es gehe um gesundheitliche Risiken für die Kinder, die sowohl mit der Verpflichtung zum Tragen einer FFP-2 Maske und einer Testpflicht zusammenhingen. Der Antragsgegner habe sein Ermessen nicht pflichtgemäß erfüllt. Bei den Testungen würden von dem Antragsgegner die Gebrauchsanleitungen nicht beachtet. Unter anderem seien die hier streitgegenständlichen Maßnahmen nicht geeignet und auch nicht angemessen in Ansehung der damals aktuellen Infektionslage und neuerer wissenschaftlicher Erkenntnisse. Es läge keine Vollstreckbarkeit des Grundverwaltungsaktes vor, da er noch nicht bestandskräftig sei. Er sei mit einem förmlichen Rechtsbehelf angefochten worden. Im Übrigen werde auf die Begründung des Widerspruches vom 20. Februar 2022 Bezug genommen. Ergänzend begründet die Antragspartei ihre Anträge in Schriftsätzen vom 9. März 2022 und 13. März 2022. Das Finanzamt habe mit Schreiben vom 28. Februar 2022 die Antragsteller unter Fristsetzung von zwei Wochen zur Zahlung aufgefordert und bei fruchtlosen Ablauf der Zahlungsfrist die Vollstreckung angekündigt. Die Vollstreckung drohe, obwohl das Verfahren um vorläufigen Rechtsschutz noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sei. Es drohten unwiederbringliche Rechtsverluste. Es sei nicht völlig ausgeschlossen, dass der Zwangsgeldbescheid zumindest in Teilen rechtswidrig sei. Die Antragsteller wendeten sich gegen die Zugangsbeschränkung zur Schule für ihre Kinder. Weder § 28 noch § 28a IfSG enthielten eine Ermächtigungsgrundlage für die 15. BayIfSMV. § 28 bestimme abschließend den Personenkreis. Schulkinder zählten nicht dazu. Eine epidemische Lage von nationaler Tragweite (§ 28a IfSG) liege nicht vor. Maskenpflicht, Testungen und Präsenzunterricht seien keine geeigneten Mittel. Die Maskenpflicht verursache gesundheitliche Beeinträchtigungen. Die PCR- und Lollytests seien nicht aussagekräftig. Die PCR-Tests würden nicht von medizinisch geschultem Personal und ohne Beachtung der Gebrauchsanweisung durchgeführt. Das bei den PCR-Tests verwendete Ethylenoxyd sei sehr giftig. PCR-Tests dürften daher nicht aufgezwungen werden.
Der Antragsgegner legte die Behördenakten vor.
Mit Schreiben vom 11. März 2022 hat das Gericht Akteneinsicht in die Behördenakte gewährt und Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 14. März 2022 gegeben.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
I. Der zulässige Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO bleibt ohne Erfolg.
1. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs hinsichtlich Nr. 1 des Bescheids vom 10. Februar 2022 hat keinen Erfolg.
Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat ein Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt grundsätzlich aufschiebende Wirkung mit der Folge, dass dieser zunächst nicht befolgt werden muss und nicht vollstreckt werden kann. Die aufschiebende Wirkung entfällt indes nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO, wenn der Verwaltungsakt im öffentlichen Interesse von der Behörde, die ihn erlassen hat, für sofort vollziehbar erklärt wird. Dies ist vorliegend bezüglich Nr. 1 geschehen. Dem Erfordernis aus § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, das besondere Interesse am sofortigen Vollzug des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen, ist die Behörde nachgekommen.
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherstellen oder anordnen. Für die vom Gericht im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO zu treffende eigene Ermessensentscheidung kommt es auf eine Abwägung der öffentlichen Interessen an der sofortigen Vollziehung mit den privaten Interessen der Antragsteller an. In erster Linie fallen dabei die Erfolgsaussichten der Antragsteller in einem eventuellen Hauptsacheverfahren, wie sie augenblicklich beurteilt werden können, ins Gewicht. Ist die Erfolgsaussicht mit genügender Eindeutigkeit zu verneinen, ist der Antrag grundsätzlich abzulehnen; ist sie offensichtlich zu bejahen, ist die aufschiebende Wirkung in der Regel wiederherzustellen. Im Übrigen kommt es auch darauf an, wie schwer die angegriffene Maßnahme durch ihren Sofortvollzug in die Rechtssphäre des Betroffenen eingreift, ob und unter welchen Erschwernissen sie wieder rückgängig zu machen ist und wie dringlich demgegenüber das öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzung des angegriffenen Verwaltungsakts zu bewerten ist (vgl. BayVGH, B. v. 7.4.1995, 7 CS 95.1163 – m.w.N.).
a) Vorliegend genügt die schriftliche Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung (zeitnahe Erfüllung der Schulpflicht sicherstellen, Fortdauer der fehlenden Teilnahme am Präsenzunterricht, des unentschuldigten Fernbleibens von Leistungsnachweisen mit der Folge der Gefährdung des erfolgreichen Besuchs des laufenden Schuljahres, Verlust sozialer Bindungen im Klassenverband) den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Die Tatsache, dass sich hier die Gründe, die nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO für den Sofortvollzug berücksichtigt sind, teilweise mit den Gründen für den Erlass des Verwaltungsakts decken, steht der Annahme einer ausreichenden Begründung nicht entgegen.
b) Die Interessensabwägung geht im vorliegenden Fall zu Lasten der Antragsteller aus, da sich der Bescheid des Antragsgegners nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage als rechtmäßig erweisen.
aa) Rechtsgrundlage für den Bescheid ist Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes (LStVG) in der in der Bayerischen Rechtssammlung (BayRS 2011-2-I) veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch § 2 des Gesetzes vom 27. April 2020 (GVBl. S. 236) geändert worden ist. Danach können die Sicherheitsbehörden, falls sie nicht anderweitig hierzu ermächtigt sind, Anordnungen für den Einzelfall treffen, um rechtswidrige Taten zu unterbinden, die den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit erfüllen.
bb) In formeller Hinsicht ist Nr. 1 des Bescheids nicht zu beanstanden.
Das Landratsamt war die zur Durchsetzung des Schulzwangs (Art. 118 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 2000 (GVBl. S. 414, 632, BayRS 2230-1-1-K), das zuletzt durch Gesetz vom 23. Juli 2021 (GVBl. S. 432) geändert worden ist) sachlich und gemäß Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a) BayVwVfG örtlich zuständige Sicherheitsbehörde (Art. 6 LStVG). Die Antragsteller wurden vor Bescheiderlass angehört (Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG). Der Bescheid ist den Antragstellern gegenüber wirksam bekannt gegeben worden (Art. 41 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 BayVwVfG i.V.m. Art. 8a Abs. 1 VwZVG).
cc) Gegen die Anordnung in Nr. 1 des Bescheides bestehen auch in materieller Hinsicht keine rechtlichen Bedenken.
(1) Zur Erfüllung der Verpflichtung aus Art. 76 Satz 2 BayEUG können nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG vollziehbare Anordnungen getroffen werden. Weder Art. 118 Abs. 1 BayEUG, wonach die Kreisverwaltungsbehörde befugt ist, den Schulpflichtigen zwangsweise der Schule zuführen zu lassen, noch Art. 119 Abs. 1 Nr. 2 BayEUG, wonach Verstöße gegen Art. 76 Satz 2 BayEUG mit Geldbuße belegt werden können, treffen abschließende Regelungen; vielmehr bleibt daneben Raum für die zwangsweise Durchsetzung der Schulpflicht gegenüber Erziehungsberechtigten minderjähriger Schulpflichtiger (VG Augsburg, B.v. 7.5.2002 – Au 9 S 02.507 – juris Rn. 17, bestätigt durch BayVGH, B.v. 20.8.2002 – 7 CS 02.1302 – Rn. 20).
(2) Die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG liegen hier vor. Das Verhalten der Antragsteller verwirklicht den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit (Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG). Das Kind der Antragsteller ist nach Art. 37 BayEUG unstrittig schulpflichtig, besucht jedoch derzeit nicht die entsprechende Pflichtschule (Art. 36 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayEUG), deren Besuch mit dem angefochtenen Bescheid gefordert wird. Nach Art. 76 Satz 2 BayEUG müssen die Erziehungsberechtigten dafür sorgen, dass minderjährige Schulpflichtige am Unterricht regelmäßig teilnehmen und die sonstigen verbindlichen Schulveranstaltungen besuchen. Der Verstoß der Antragsteller hiergegen erfüllt den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach Art. 119 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Art. 76 Satz 2 BayEUG (BayObLG, B.v. 14.10.1999 – 3 ObOWi 96/99 – juris Rn. 9 ff.).
Für die Verwirklichung des Tatbestands ist keine generelle Verweigerungshaltung der Antragsteller erforderlich. Es genügt, dass sich die Antragsteller weigern, durch entsprechende Erziehungsmaßnahmen dafür zu sorgen, dass ihr Kind regelmäßig die Schule besucht.
(a) Eine eventuelle Unterweisung des Kindes zu Hause stellt keinen Unterricht im Sinne des Art. 76 Satz 2 BayEUG dar. Nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BayEUG haben die Schulen den in der Verfassung verankerten Bildungs- und Erziehungsauftrag zu verwirklichen; eine Beschulung durch die Eltern ist nicht vorgesehen.
Vorliegend sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das Kind der Antragsteller einen Anspruch auf Hausunterricht durch die Schule hätte. Die Voraussetzungen für Hausunterricht nach Art. 23 Abs. 2 Satz 1 BayEUG liegen nicht vor, insbesondere sind allgemeine Bedenken gegen die Maskenpflicht im Unterricht oder das Testen nicht geeignet, Zweifel an der Schulbesuchsfähigkeit des Kindes aus gesundheitlichen Gründen aufzuwerfen.
(b) Das Kind der Antragsteller ist weder vom Schulbesuch beurlaubt noch hat es einen Anspruch hierauf. Nach § 20 Abs. 3 Satz 1 der Bayerischen Schulordnung (BaySchO) vom 1. Juli 2016 (GVBl. S. 164, 241, BayRS 2230-1-1-1-K), zuletzt geändert durch Verordnung vom 8. Juli 2021 (GVBl. S. 479), können Schülerinnen und Schüler auf schriftlichen Antrag in begründeten Ausnahmefällen vom Unterricht in einzelnen Fächern befreit oder vom Schulbesuch beurlaubt werden. Ein derartiger Ausnahmefall ist vorliegend nicht gegeben. Die Testpflicht und die Pflicht zum Tragen einer Maske trifft das Kind der Antragsteller nicht in irgendeiner anderen Weise als andere Kinder. Im Übrigen wäre bei mit ärztlichem Zeugnis glaubhaft gemachter Unzumutbarkeit des Maskentragens eine Befreiung von der Maskenpflicht nach § 10 Abs. 1 Satz 1 (bislang § 12 Abs. 1 Satz 1) i.V.m. § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Fünfzehnte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (15. BayIfSMV – vom 23. November 2021, BayMBl. Nr. 816, BayRS 2126-1-19-G, zuletzt geändert durch Verordnung vom 3. März 2022, BayMBl. Nr. 151) vorrangig. Auch was den Schulbesuch an sich angeht, ist nicht ersichtlich, dass dieser für das Kind der Antragsteller mit (gegenüber der Situation anderer Kinder) weitergehenden Gefährdungen oder anderweitigen Belastungen verbunden wäre. Die Möglichkeit der Beurlaubung nach § 20 Abs. 3 Satz 1 BaySchO soll Ausnahmesituationen Rechnung tragen, nicht aber ein Wahlrecht der Eltern eröffnen, ob ihre Kinder die Schule besuchen.
(c) Ein Verstoß der Antragsteller gegen die Pflicht nach Art. 76 Satz 2 BayEUG entfällt auch nicht etwa deswegen, weil dem Kind Distanzunterricht nach § 19 Abs. 4 BaySchO zu erteilen wäre. Die Voraussetzungen hierfür liegen nicht vor. Weder ist die Schule derzeit von einer Schließung betroffen bzw. die Klasse oder ein Kurs des Kindes der Antragsteller ausgeschlossen, § 19 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 Buchst. a) BaySchO, noch der Ausschluss des Kindes der Antragsteller i.S.v. § 19 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 Buchst. b) BaySchO durch die zuständigen Behörden zum Schutz von Leben oder Gesundheit angeordnet oder genehmigt. Die letztgenannte Regelung umfasst bereits ihrem Wortlaut nach nicht den Fall, dass bei Geltung der Zugangsbeschränkung mit Testobliegenheit nach § 10 Abs. 2 Satz 1 der Fünfzehnten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (15. BayIfSMV) vom 23. November 2021 (BayMBl. Nr. 816, BayRS 2126-1-19-G), die zuletzt durch Verordnung vom 3. März 2022 (BayMBl. Nr. 151) geändert wurde, ein Schüler an der Teilnahme am Präsenzunterricht lediglich deshalb gehindert ist, weil er die Testobliegenheit nicht erfüllt. Einer erweiternden Auslegung von § 19 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 Buchst. b) BaySchO steht die Begründung der Änderungsverordnung zur 14. BayIfSMV vom 5. Oktober 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 716) entgegen.
(d) Soweit die Antragsteller sinngemäß geltend machen, eine ausdrückliche Aufhebung dieser Verfahrensweise für die Zukunft (hinsichtlich des Distanzunterrichts) sei vom Antragsgegner nicht verfügt worden, würde dieses Argument nur verfangen, wenn der Zurverfügungstellung von Unterrichtsmaterial eine entsprechende, noch fortgeltende Verfügung zu Grunde läge, die zum Fernbleiben vom Präsenzunterricht berechtigen würde. Hierfür ist nichts ersichtlich.
Weiter bietet das Vorbringen der Antragsteller auch keinen Anhalt dafür, dass im Hinblick auf die Zurverfügungstellung von Unterlagen ein Missverständnis der Antragsteller in Bezug auf die rechtliche Einordnung des Fernbleibens des Kindes der Antragsteller vom Präsenzunterricht bestanden hätte.
(e) Die Weigerung, der in § 10 Abs. 2 Satz 1 15. BayIfSMV geregelten Zugangsvoraussetzung nachzukommen, mit der Folge der Nichtteilnahme am Präsenzunterricht führt jedenfalls seit Inkrafttreten der Verordnung zur Änderung der 14. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 5. Oktober 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 715) zu einer Verletzung der sich aus Art. 129 Abs. 1 BV und Art. 35 Abs. 1 BayEUG ergebenden Schulpflicht. Jedenfalls seit diesem Zeitpunkt besteht eine Testpflicht für schulpflichtige Schülerinnen und Schüler (BayVGH, B.v. 7.1.2022 – 7 CS 21.3154 – n.v., Rn. 9).
Die Regelung in § 10 Abs. 2 Satz 1 15. BayIfSMV ist nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zur gleichlautenden Vorschrift des § 13 Abs. 2 Satz 1 14. BayIfSMV vom 1. September 2021 (BayMBl. Nr. 615, BayRS 2126-1-18-G), zuletzt geändert durch Verordnung vom 16. November 2021 (BayMBl. Nr. 799), auf die Bezug genommen wird, voraussichtlich materiell rechtmäßig (BayVGH, B.v. 7.1.2022 – 7 CS 21.3154 – n.v., Rn. 16; B.v. 11.10.2021 – 25 NE 21.2525 – BeckRS 2021, 30069 Rn. 14 ff.; B.v. 28.10.2021 – 25 NE 21.2579 – n.v.).
Jedenfalls bei der gebotenen summarischen Prüfung bestehen keine durchgreifenden Bedenken dahingehend, dass § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 1 Nr. 16 Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen – Infektionsschutzgesetz (IfSG – vom 20.7.2000, BGBl I 1045, zuletzt geändert durch Gesetz vom 10.12.2021, BGBl I 5162) – eine ausreichende Verordnungsermächtigung für die durch die Testpflicht erfolgenden Grundrechtseingriffe darstellen und sie insbesondere auch dem Wesentlichkeitsgrundsatz und dem Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG entsprechen (BayVGH, B.v. 11.10.2021 – 25 NE 21.2525 – n.v. Rn. 13).
Entgegen der Auffassung der Antragsteller beruht § 10 Abs. 2 Satz 1 BayIfSMV weiterhin auf einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage. Auch nach Ende einer durch den Deutschen Bundestag festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG bleiben § 28a Abs. 1 bis 6 IfSG bis längstens zum Ablauf des 19. März 2022 für Schutzmaßnahmen nach § 28a Abs. 1, § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG anwendbar, die bis zum 25. November 2021 in Kraft getreten sind (§ 28a Abs. 9 IfSG); gleiches gilt für Schutzmaßnahmen nach § 28a Abs. 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 32 IfSG entsprechend, sofern – wie vorliegend – das Parlament in dem betroffenen Land die Rechtsverordnungen nicht aufhebt. Darüber hinaus liegt für die Regelung von Zugangsbeschränkungen nach § 32 Abs. 1, § 28 Abs. 1, § 28a Abs. 1 Nr. 16 IfSG weiterhin nach Maßgabe des § 28a Abs. 7 IfSG eine Ermächtigungsgrundlage vor.
Die vom Verordnungsgeber getroffene Gefährdungsprognose, dass die Testpflicht bei summarischer Prüfung eine geeignete, erforderliche und gemäß § 28 Abs. 1, § 28a Abs. 1 IfSG notwendige Schutzmaßnahme darstellt, ist nicht zu beanstanden (BayVGH, B.v. 11.10.2021 – 25 NE 21.2525 – a.a.O., Rn. 17ff.; B.v. 28.10.2021 – 25 NE 21.2579 – n.v. Rn. 26 ff.).
Auch wenn keine absolute Zuverlässigkeit der verwendeten oder von der Schule zur Verfügung gestellten Tests bestehen mag, kann so zumindest ein Teil infizierter und damit in der Regel auch infektiöser Schüler festgestellt werden. Im Zusammenhang mit der Zuverlässigkeit von Antigen-Schnelltests ist bereits höchstrichterlich entschieden, dass – auch wenn sie weniger ergebnissicher als PCR-Tests sein mögen – diese aus Sicht des Verordnungsgebers, dem hierbei eine Einschätzungsprärogative zukommt, einen unverzichtbaren Beitrag im Rahmen seines Gesamtkonzepts leisten (BayVGH, B.v 11.10.2021 – 25 NE 21.2525 – a.a.O. Rn. 22 f. unter Bezugnahme auf VerfGH, E.v. 21.4.2021 – Vf. 26-VII-21 – juris Rn. 29).
Im Hinblick auf die Angemessenheit der Regelung ist insbesondere zu berücksichtigen, dass § 10 Abs. 2 Satz 1 15. BayIfSMV den Schülern die Wahl belässt, den Test entweder durch geschultes Personal und damit außerhalb der Wahrnehmungsmöglichkeiten der Mitschüler vornehmen zu lassen oder aber diesen direkt an der Schule durchzuführen (BayVGH, B.v. 11.10.2021 – 25 NE 21.2525 – a.a.O., Rn. 27 zum gleichlautenden § 13 Abs. 2 Satz 1 14. BayIfSMV).
Selbst wenn vor dem Hintergrund, dass Schüler, die erforderliche Testnachweise nicht erbringen, im Unterricht und bei Prüfungen unentschuldigt fehlen (§ 20 Abs. 1 Satz 1 BaySchO), mangels Freiwilligkeit ein Eingriff in den Schutzbereich des Rechts auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) vorläge, wäre die Regelung angemessen (BayVGH, B.v. 11.10.2021 – 25 NE 21.2525 – a.a.O. Rn. 29ff.). Die Koppelung des Schulbesuchs an einen vorangegangenen Test ist auch in Bezug auf das (Teilhabe-) Recht der betroffenen Eltern und Schüler auf Erziehung und Bildung von Kindern in der Schule (Art. 6 Abs. 2 Satz 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 14 Abs. 1 und 2 GrRCh) nicht unverhältnismäßig (BayVGH, B.v. 11.10.2021 – 25 NE 21.2525 – a.a.O. Rn. 31). Weiter liegt der Bestimmung im Hinblick auf den damit verfolgten Zweck, der Abwehr von Gefahren für das Leben und die körperliche Unversehrtheit einer potentiell großen Zahl von Menschen und die Sicherstellung der Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems in Deutschland, jedenfalls kein offensichtlicher Verstoß gegen die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) zugrunde (BayVGH, B.v. 11.10.2021 – 25 NE 21.2525 – a.a.O. Rn. 33). Auch ein Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 GG durch die Testpflicht liegt nicht vor. Die Garantie der Menschenwürde umfasst vor allem die Wahrung personaler Individualität, Identität und Integrität (vgl. BVerfG, U.v. 17.1.2017 – 2 BvB 1/13 – BVerfGE 144, 20/207 – juris Rn. 539). Damit ist ein sozialer Wert- und Achtungsanspruch verbunden, der es verbietet, den Menschen zum „bloßen Objekt“ staatlichen Handelns zu machen oder ihn einer Behandlung auszusetzen, die seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt (vgl. BVerfG, U. v. 17.1.2017, a.a.O., m.w.N.). Einer solchen sie zum Objekt degradierenden Behandlung werden die Schüler durch die Testpflicht, die dem Schutz vor einer potentiell tödlichen Erkrankung dient, nicht ausgesetzt (VGH BW, B.v. 29.4.2021 – 1 S 1204/21 – juris Rn. 182; BayVGH, B.v. 28.10.2021 – 25 NE 21.2579 – n.v., Rn. 51).
Das Vorbringen der Antragsteller zu etwaigen Gesundheitsgefährdungen durch Teststäbchen vermag keine Zweifel an der gesundheitlichen Unbedenklichkeit dieser Tests zu begründen (vgl. hierzu ausführlich BayVGH, B.v. 11.10.2021 – 25 NE 21.2525 – a.a.O. Rn. 28).
Die infektionsschutzrechtliche Zugangsbeschränkung nach § 10 Abs. 2 Satz 1 BayIfSMV führt in Verbindung mit den Bestimmungen zur Schulpflicht für die von dieser Zugangsbeschränkung betroffenen Schülerinnen und Schüler zu einer unbedingten Testpflicht. Denn nach den Vorgaben in Art. 36 Abs. 1, Art. 56 Abs. 4 Satz 3 BayEUG wird die Schulpflicht (Art. 129 Abs. 1 BV, Art. 35 Abs. 1 BayEUG) in der Regel durch Besuch des Präsenzunterrichts erfüllt (vgl. insoweit Art. 19 Abs. 4 Satz 3 BaySchO, wonach Distanzunterricht schulrechtlich nur unter den dort genannten Voraussetzungen zulässig ist). Durch Änderungsverordnung vom 5. Oktober 2021 zur 14. BayIfSMV und Einfügung des deklaratorischen Hinweises in § 13 Abs. 2 Satz 3 14. BayIfSMV (jetzt § 10 Abs. 2 Satz 3 15. BayIfSMV) hat der Verordnungsgeber klargestellt, dass ab Inkrafttreten der Änderungsverordnung am 6. Oktober 2021 die Schulpflicht nur durch Teilnahme am Präsenzunterricht erfüllt werden kann. Hierin liegt eine Abkehr von der nach Erlass der infektionsschutzrechtlichen Zugangsbeschränkung in § 13 Abs. 2 Satz 1 12. BayIfSMV vom 5. März 2021 (BayMBl. Nr. 171) in der Fassung der Änderungsverordnung vom 9. April 2021 (BayMBl. Nr. 261) eröffneten Möglichkeit, der Schulpflicht bei Verweigerung der Testungen durch Teilnahme am Distanzunterricht nachzukommen. Jedenfalls seit dem 6. Oktober 2021 haben Schülerinnen und Schüler – entgegen der Annahme der Antragsteller – daher kein Wahlrecht mehr zwischen Distanz- und Präsenzunterricht (BayVGH, B.v. 7.1.2022 – 7 CS 21.3154 – n.v., Rn. 13).
Soweit die Antragsteller rügen, es fehle eine rechtliche Grundlage dafür, dass schulpflichtige Kinder regelmäßig am Präsenzunterricht und an den sonstigen verbindlichen Schulveranstaltungen unter Erfüllung einer durch Rechtsverordnung angeordneten „Testobliegenheit“ teilnehmen müssten und dass die Erziehungsberechtigten hierfür Sorge zu tragen hätten, lassen sie dieses Ineinandergreifen von Rechtsnormen verschiedener Rechtsgebiete unberücksichtigt (BayVGH, B.v. 7.1.2022 – 7 CS 21.3154 – n.v., Rn. 13 ff.; OVG NW, B.v. 8.12.2021 – 19 B 1664/21 – juris Rn. 10).
(f) Ein Verstoß gegen Art. 76 Satz 2 BayEUG entfällt auch nicht im Hinblick auf die gegen die Maskenpflicht geltend gemachten gesundheitlichen Bedenken. Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Maskenpflicht wird auf die fortlaufende Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes Bezug genommen, der sich das Gericht anschließt (vgl. BayVGH, B.v. 12.10.2021 – 25 NE 21.2471; B.v. 28.9.2021 – 25 NE 21.237; B.v. 29.7.2021 – 25 NE 21.1757; B.v. 5.7.2021 – 25 NE 21.1779; B.v. 22.6.2021 – 25 NE 21.1654; B.v. 10.5.2021 – 20 NE 21.1328; B.v. 4.5.2021 – 20 NE 21.1119; B.v. 16.3.2021 – 20 NE 21.627; B.v. 15.2.2021 – 20 NE 21.411; B.v. 29.1.2021 – 20 NE 21.201; B.v. 28.1.2021 – 20 NE 21.136 und B.v. 7.9.2020 – 20 NE 20.1981).
Soweit die Antragsteller Risiken für Kinder durch das Tragen von FFP2-Masken geltend machen, besteht nach § 10 Abs. 1 Satz 2 15. BayIfSMV für Schülerinnen und Schüler auf dem Schulgelände lediglich die Pflicht, eine medizinische Gesichtsmaske zu tragen; Schülerinnen und Schüler bis einschließlich Jahrgangsstufe 4 dürfen stattdessen auch eine textile Mund-Nasen-Bedeckung tragen.
(3) Anordnungen nach Art. 7 Abs. 2 LStVG stehen im Ermessen der Behörde. Das Landratsamt hat dies erkannt und unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben hiervon ordnungsgemäßen Gebrauch gemacht.
2. Die Zwangsgeldandrohung in Nr. 3 des Bescheids vom 10. Februar 2022 erweist sich bei summarischer Überprüfung ebenfalls als rechtmäßig. Zur Klarstellung sei ausgeführt, dass alleine das Einlegen von Rechtsbehelfen keine aufschiebende Wirkung hat, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a VwZVG).
Die Grundverfügung (Nr. 1 des Bescheids) ist nach Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG vollstreckbar.
Die Androhung des Zwangsgelds findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 29, 31 und 36 VwZVG. Die vorliegend gesetzte Erfüllungsfrist (Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG) ist relativ kurz, allerdings sind auch keine Gründe dafür ersichtlich, warum für die Wiederaufnahme des Schulbesuchs längere Vorbereitungen nötig wären.
Die Höhe des angedrohten Zwangsgelds ist nicht zu beanstanden. Das Zwangsgeld beträgt nach Art. 31 Abs. 2 Satz 1 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz in der in der Bayerischen Rechtssammlung (BayRS 2010-2-I) veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch § 1 Abs. 26 der Verordnung vom 26. März 2019 (GVBl. S. 98) geändert worden ist, mindestens fünfzehn und höchstens fünfzigtausend Euro. Das Verhalten der Antragsteller stellt mitnichten eine Bagatelle dar. Vielmehr verstoßen sie nicht nur erheblich gegen schulrechtliche Verpflichtungen, sondern vor allem gegen das Interesse ihres Kindes. Das Landratsamt war so berechtigt, die Höhe des Zwangsgelds in deutlich spürbarem Umfang festzulegen.
3. Unter Berücksichtigung der fehlenden Erfolgsaussichten in der Hauptsache fällt die Interessenabwägung zwischen den Interessen der Antragsteller und den öffentlichen Interessen an der sofortigen Vollziehung des Bescheids vom 10. Februar 2022 zu Lasten der Antragsteller aus. Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO war deshalb abzulehnen.
II. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO mit dem Ziel der vorläufigen Einstellung der Zwangsvollstreckung bleibt ohne Erfolg.
Der Antrag ist zulässig, insbesondere statthaft. Die Anhängigkeit der Hauptsache ist nicht Voraussetzung für die Zulässigkeit des Antrags (BayVGH, B.v. 30.11.2005 – 1 CE 05.153 – juris Rn. 14 m.w.N.).
Der Antrag ist nicht begründet. Die Antragsteller haben einen Anspruch auf ein vorläufiges Absehen von der Beitreibung des Zwangsgeldes nicht glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO). Die Voraussetzungen für die Vollstreckung der Zwangsgeldandrohung sind erfüllt (a). Die Einwendungen der Antragsteller gegen den Zwangsgeldanspruch greifen nicht durch (b). Vollstreckungshindernisse liegen nicht vor (c).
a) Die allgemeinen (Art. 19 VwZVG) und besonderen (Art. 23 VwZVG) Voraussetzungen für eine Vollstreckung der nach Art. 36 Abs. 2 Satz 1 VwZVG mit der Anordnung nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG verbundenen Zwangsgeldandrohung sind erfüllt. Insbesondere ist die Anordnung nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG nach Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG vollziehbar; der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO bleibt – wie oben ausgeführt – ohne Erfolg. Nach Akteninhalt und Vortrag der Antragsteller wurde die Verpflichtung nicht rechtzeitig erfüllt (Art. 19 Abs. 2 VwZVG).
Auch ist die Zwangsgeldforderung in Höhe des angedrohten Betrags fällig geworden (Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG). Eine Zwangsgeldandrohung (Art. 36 VwZVG) ist gemäß Art. 31 Abs. 3 Satz 2 VwZVG ein aufschiebend bedingter Leistungsbescheid im Sinn von Art. 23 Abs. 1 VwZVG. Dieser wurde den Antragstellern zusammen mit der Grundverfügung (Art. 36 Abs. 2 Satz 2 VwZVG) am 15. Februar 2022 zugestellt. Der hiergegen eingelegte Widerspruch hat keine aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a VwZVG). Die geltend gemachte Geldforderung, das Zwangsgeld, wird nach Art. 31 Abs. 3 Satz 3, Abs. 1 VwZVG kraft Gesetzes fällig (Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG), wenn die durch die Grundverfügung auferlegte Pflicht zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung bei Ablauf der Erfüllungsfrist (Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG) nicht oder nicht vollständig erfüllt ist (BayVGH, B.v. 30.11.2005 – 1 CE 05.153 – juris Rn. 17 m.w.N.).
Diese Voraussetzungen liegen, wie auch von den Antragstellern nicht bestritten, vor. Dem Vorbringen der Antragsteller ist zu entnehmen, dass auch nach Ablauf der Erfüllungsfrist der Verpflichtung aus Nr. 1 des Bescheids vom 10. Februar 2022 nicht nachgekommen wurde.
b) Die Einwendungen der Antragsteller gegen den Zwangsgeldanspruch bleiben ohne Erfolg.
Vorliegend machen die Antragsteller Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Anspruch (Art. 21 VwZVG) geltend mit dem sinngemäßen Vortrag, die Voraussetzungen für eine Zwangsvollstreckung lägen nicht vor, da das Verfahren um vorläufigen Rechtsschutz zum Bescheid vom 10. Februar 2022 noch nicht abgeschlossen sei.
Nach Art. 21 Satz 2 VwZVG sind Einwendungen gegen die Vollstreckung, die den zu vollstreckenden Verwaltungsakt betreffen, nur zulässig, wenn sie nach dessen Erlass entstanden sind und mit förmlichen Rechtsmitteln nicht mehr geltend gemacht werden können.
Vorliegend ist der Bescheid vom 10. Februar 2022 und damit auch die Zwangsgeldandrohung (Nr. 3 des Bescheids) bereits Gegenstand des Widerspruchs.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, Art. 21a VwZVG bleibt – wie oben ausgeführt – ohne Erfolg. Ein Anspruch auf Aussetzung der Vollziehung bis zur Unanfechtbarkeit einer Entscheidung über den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist nicht ersichtlich. Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 VwGO entfällt die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a VwZVG. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung anordnen (§ 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Wird ein derartiger Antrag abgelehnt, bleibt es dabei, dass Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben. Auch solange der Beschluss, mit dem die Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen abgelehnt wird, noch anfechtbar ist, ist in der Verwaltungsgerichtsordnung kein Eintritt der aufschiebenden Wirkung oder eine anderweitige Vollzugshemmung vorgesehen (anders etwa § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylG). Vor diesem Hintergrund besteht ein Anspruch auf vorläufige Aussetzung der Vollziehung, der mit fehlender Unanfechtbarkeit der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO begründet wird, nicht.
c) Der Beitreibung des Zwangsgelds steht auch kein Vollstreckungshindernis nach Art. 22 Nr. 4 VwZVG entgegen.
Nach Art. 22 Nr. 4 VwZVG sind Vollstreckungsmaßnahmen einzustellen, wenn und soweit die Anordnungsbehörde „aus sonstigen Gründen“ um die Einstellung ersucht. Sonstige Gründe sind andere als die in Art. 22 Nrn. 1 bis 3 VwZVG geregelten Gründe. Bei der Vorschrift handelt es sich um eine aus Gründen der Verhältnismäßigkeit gebotene Billigkeitsregelung. Die Vollstreckung ist insbesondere dann einzustellen, wenn sie unter voller Würdigung der öffentlichen Belange für den Pflichtigen eine unzumutbare Härte bedeuten würde. Eine solche unzumutbare Härte setzt eine besonders grobe Unbilligkeit voraus, die in der Beitreibung selbst oder in sie begleitenden Umständen gesehen werden kann (VG München, B.v. 19.8.2010 – M 10 E 10.3406 – juris Rn. 25). Um die Wirkung des Zwangsgeldes als Mittel der Zwangsvollstreckung nicht in Frage zu stellen, muss bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung ein sehr strenger Maßstab angelegt werden. Nur wenn „ganz besondere Umstände“ (vgl. § 765 a Abs. 1 Satz 1 ZPO) vorliegen, kann die Behörde gehalten sein, ein fällig gewordenes Zwangsgeld nicht oder nur teilweise beizutreiben (BayVGH, B.v. 30.11.2005 – 1 CE 05.153 – juris Rn. 28). Für eine solche grobe Unbilligkeit der Vollstreckung bestehen hier keine Anhaltspunkte.
Soweit hier vorgebracht wird, es drohten aufgrund der Vollstreckung unwiederbringliche Rechtsverluste, sind diese weder substantiiert dargelegt noch ersichtlich, so dass es auf die Frage, ob diese noch im Rahmen förmlicher Rechtsbehelfe geltend gemacht werden könnten, nicht ankommt.
Der Antrag war daher abzulehnen.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154, 159 Satz 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht unter Berücksichtigung des vorläufigen Charakters des Verfahrens auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, 2 GKG i.V.m. Nr. 1.1.1, 1.1.3, 1.5, Nr. 1.7.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zu Anordnung nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG und Zwangsgeldandrohung; zum Ansatz des Streitwerts der Grundverfügung für jeden der beiden Antragsteller vgl. OVG NW, B.v. 29.11.2021 – 19 B 1492/21, 19 E 925/21 – juris Rn. 16), § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG i.V.m. Nr. 1.1.1, 1.1.3, 1.5, 1.7.1. Satz 1 Halbsatz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Antrag nach § 123 VwGO).


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