Verwaltungsrecht

Schulpflicht, Testpflicht, Distanzunterricht, Zwangsgeld

Aktenzeichen  M 3 S 22.557

Datum:
17.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 11098
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
BayEUG Art. 76
LStVG Art. 7 Abs. 2
BayVwZVG Art. 36

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller wenden sich gegen den sofortigen Vollzug eines Bescheids zur Durchsetzung der Schulpflicht.
Die Kinder F. und S. der Antragsteller sind Schüler der Grund- und Mittelschule S. (im Folgenden: die Schule) in Jahrgangsstufe 2 bzw. 3. Da die Kinder der Antragsteller der Testpflicht aus § 10 Abs. 2 Satz 1 (bislang § 12 Abs. 2 Satz 1) 15. BayIfSMV nicht nachkommen, nehmen sie derzeit nicht am Präsenzunterricht teil.
Mit Schreiben vom 4. Januar 2022, zugestellt am 5. Januar 2022, hörte das Landratsamt R. (im Folgenden: Landratsamt) die Antragsteller zur Frage der zwangsweisen Durchsetzung der Schulpflicht an.
Mit Schreiben vom 11. Januar 2022 trugen die Antragsteller im Wesentlichen vor, es bestehe keine Testpflicht. Die Unbedenklichkeit der Testungen müsse fachkundlich belegt werden. Die als Anlage beigefügte Studie von Prof. B. stelle die Gefährdungen durch die Tests dar. Weiter gebe es zahlreiche Studien zur Kindeswohlgefährdung durch das Tragen einer Maske; hierzu wurden die Anlagen 5 bis 11 vorgelegt. Die Antragsteller würden ihre Kinder gern zu Schule schicken; die Schule verhindere die Teilnahme am Präsenzunterricht, da ohne negatives Testergebnis der Zutritt ins Schulgebäude verweigert werde. Aus dem Nichtzustimmen zum Testen könne keine Schulpflichtverletzung abgeleitet werden. Es liege eine Pflichtenkollision vor. Die Schulpflicht könne in Präsenz oder in Distanz erfüllt werden. Der Präsenzunterricht beziehe sich auf den Normalzustand ohne Pandemie. Da dieser Normalzustand nicht vorliege, könne die Schulpflicht durch Distanzunterricht erfüllt werden. Die Schulen müssten ihrer Beschulungspflicht in beiden Fällen nachkommen; die Schule komme dem Distanzunterricht aber seit dem 7. November 2021 nicht mehr nach. Die Antragsteller würden den Distanzunterricht als eine Möglichkeit der Schulpflichterfüllung unterstützen; sie hätten auch bislang Unterrichtsmaterial abgeholt. Indem die Schule die Schüler von der Teilnahme von Leistungsnachweisen ausschließe, komme die Schule ihrem Bildungsauftrag nicht nach. Der Ausschluss von Schülern vom Unterricht sei nicht widmungsgemäß und unzulässig. Die Fallzahlen seien derzeit weitaus höher als zum Zeitpunkt der Lockdowns. Die Schule sei in Bezug auf das Ansteckungsrisiko kein sicherer Ort. PCR-Tests seien nicht geeignet, zuverlässige Ergebnisse zu liefern. Kinder- und Jugendpsychiatrien seien überfüllt; dies könnte nicht so sein, wenn es den Kindern mit der Situation des Testens, der Angst vor dem Testergebnis, der Behandlung bei einem positiven Test und dem Maskentragen gut ginge. Oberste Regel sei, Kindeswohlgefährdung durch Distanzunterricht zu verhindern. Würden die Antragsteller die Präsenzschulpflicht unterstützen, handelten sie gegen ihre Verpflichtung, das Kindeswohl zu schützen. Die sozialen Kontakte des Kindes seien sichergestellt.
Mit Bescheid vom 19. Januar 2022, zugestellt am 21. Januar 2022, verpflichtete das Landratsamt die Antragsteller, dafür zu sorgen, dass ihre Kinder regelmäßig am Präsenzunterricht der Grundschule S. und an den sonstigen verbindlichen Schulveranstaltungen unter Einhaltung der geltenden Infektionsschutzmaßnahmen nach der Infektionsschutzmaßnahmenverordnung in ihrer jeweils geltenden Fassung teilnehmen, derzeit unter Erfüllung der Testpflicht und Einhaltung der Maskenpflicht; diese Verpflichtung gelte solange und soweit, als der Unterricht ausschließlich in Präsenzform angeboten werde (Nr. 1 des Bescheids). Die sofortige Vollziehung von Nr. 1 wurde angeordnet (Nr. 2 des Bescheids). Für den Fall, dass die Antragsteller der Verpflichtung nach Nr. 1 des Bescheids nicht spätestens ab dem dritten Tag nach Zustellung des Bescheids nachkommen, wurde in der Person des Zuwiderhandelnden jeweils ein Zwangsgeld in Höhe von 800,- EUR je Kind angedroht. Das Zwangsgeld betrage insgesamt 3.200,- EUR (Nr. 3 des Bescheids).
Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 2. Februar 2022 legten die Antragsteller hiergegen Widerspruch ein und beantragten, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen und das Zwangsgeld vorläufig nicht zu vollstrecken. Zur Begründung wird mit Schreiben vom 3. Februar 2022 im Wesentlichen ausgeführt, die Betroffenen weigerten sich nicht, der Schulpflicht als solches nachzukommen. Die Kinder der Antragsteller würden im Distanzunterricht ordnungsgemäß beschult. Die Testungen seien – mangels gesetzlicher Regelung einer Testpflicht – freiwillig. Der Besuch der Schule stelle angesichts der hohen Inzidenzen ein unzumutbares Gesundheitsrisiko dar. Eine Testpflicht helfe nicht, da ein positives Testergebnis eine bereits erfolgte Infizierung Dritter nur dokumentiere, nicht aber verhindere. Komme die Schule ihrer Fürsorgepflicht gegenüber den Kindern nicht nach, hätten die Eltern die Pflicht, dies zu unterbinden. Auf die Entscheidung des VG Magdeburg (7 B 80/21) werde verwiesen. § 12 Abs. 2 Satz 3 15. BayIfSMV habe nur deklaratorische Bedeutung. Wie die Schulpflicht umgesetzt werde, liege im Ermessen der zuständigen Behörden. Hier liege ein Ermessensausfall vor. Die schulischen Testungen würden nicht, wie erforderlich, durch medizinisch geschultes Personal durchgeführt. Wegen der Verwendung von Ethylenoxid zur Desinfektion gehe von den Testkits eine Gesundheitsgefahr aus. Die Testkits seien im Übrigen ungeeignet, das Virus zu erkennen. Im Übrigen werde auf das Gutachten von Prof. B. verwiesen.
Mit Schriftsatz vom 1. Februar 2022, bei Gericht eingegangen am 3. Februar 2022, beantragen die Antragsteller durch ihren Bevollmächtigten,
die aufschiebende Wirkung des gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 19. Januar 2022 erhobenen Widerspruchs vom 2. Februar 2022 wiederherzustellen.
Zur Begründung nehmen sie auf die Widerspruchsbegründung Bezug und machen weiter geltend, die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei nicht ausreichend begründet. Nr. 1 des Bescheids erwecke den Eindruck, dass die Schule den Unterricht nur in Präsenzform abhalte und die Antragsteller dem mutwillig nicht nachkämen. Die Schule biete aber seit dem 16. März 2020 Distanzunterricht im Einzelfall an und das bis heute, so auch hier und mit erfolgreichem Schulungs- und Leistungsergebnis. Mit einer beigefügten Erklärung der Antragsteller, auf die Bezug genommen wird, sei glaubhaft gemacht, dass die Schule auch weiterhin Distanzunterricht anbiete. Eine Aufhebung dieser Verfahrensweise hätte von der Schule eigens verfügt werden müssen; dies sei angesichts der guten Leistungserfolge der Kinder nicht sinnvoll. Ein hinreichender Verdacht, dass die Kinder der Antragsteller durch Wahrnehmung von Distanzunterricht bestehende Schulpflichten verletzten, sei nicht vorgetragen. Vorliegend handele es sich nicht um die allgemeine Regelschulpflicht, sondern einen Einzelfall. Der Bescheid habe keine Gesamtwürdigung der Umstände vorgenommen. Zur Zwangsgeldandrohung wird ausgeführt, der Grundverwaltungsakt sei nicht vollstreckbar, da er angefochten sei. Die Durchsetzung des Zwangsgelds würde für die Antragsteller zu einem nicht wieder gut zu machenden Nachteil führen.
Mit Schriftsatz vom 8. Februar 2022 beantragt der Antragsgegner, den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wird auf den Bescheid vom 19. Januar 2022 Bezug genommen und darüber hinaus im Wesentlichen ausgeführt, seitens der Antragsteller sei nicht vorgetragen, dass die Kinder oder ein Hausstandsmitglied zu einer Risikogruppe gehöre. Auch ein Attest in Bezug auf eine Befreiung vom Präsenzunterricht liege nicht vor. Das Lernen zu Hause sei eine Art Selbststudium und erfülle die Schulpflicht nicht. Unterricht beinhalte dem Wortsinn nach eine Interaktion mit dem Lehrer bzw. zwischen den Schülern untereinander. Aus dem BayEUG, insbesondere Art. 23 Abs. 2, Art. 36 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und Art. 56 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BayEUG sei ersichtlich, dass die Schulpflicht die Pflicht zur Teilnahme am Präsenzunterricht sei. Entgegen dem Vorbringen der Antragsteller könne – abgesehen von den ausdrücklich normierten Ausnahmen – der Schulpflicht tatsächlich nur durch Besuch des Präsenzunterrichts nachgekommen werden. Zur sofortigen Vollziehung wird weiter darauf verwiesen, dass Leistungsnachweise, die ab der dritten Klasse auch unangekündigt erfolgten, bei S. mit der Note 6 bewertet werden müssten. Auch F. könne an Leistungskontrollen – außer auf freiwilliger Basis durch die Schule – nicht teilnehmen. Das Vorrücken in die nächste Jahrgangsstufe sei daher bei beiden Kindern gefährdet. Den Kindern entstünden daher erhebliche Nachteile.
Mit Schreiben vom 9. Februar 2022 hat das Gericht dem Bevollmächtigten der Antragsteller Akteneinsicht gewährt und Frist zur Stellungnahme bis zum 16. Februar 2022 gegeben.
Mit Schriftsatz vom 16. Februar 2022 wiederholt und vertieft der Bevollmächtigte der Antragsteller das bisherige Vorbringen und führt ergänzend aus, es bestehe kein Zwang zum Präsenzunterricht, die Verordnung sehe auch keine Testpflicht vor. Entweder gebe es eine Epidemie und gigantische Inzidenzen, dann würden Test- und Maskenpflicht auch nicht helfen, oder die Epidemie sei – wie nach Medienberichten zu vermuten – ungefährlich, dann seien die genannten Mittel unverhältnismäßig. Dem Schulrecht sei der Distanzunterricht nicht fremd. Es bestehe eine besondere Lebenslage. Das Seuchenrecht gehe allen anderen Normen, die in normalen Lebenslagen gelten, vor und verdränge die allgemeinen Rechtsnormen des Schulrechts, insbesondere gelte nicht die Präsenzpflicht. Schule und Landrat müssten aufgrund ihrer Fürsorgepflicht zumutbare Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit der Schüler ergreifen. Die Gesundheit der Kinder dürfe nicht konkret und sicher gefährdet werden, um eine andere nur mögliche Gefahr oder eine solche mit leichten Symptomen (z.B. Omikron-Variante) zu vermeiden. Die Datenlage zu Omikron zeige, dass keine Maßnahme die Verbreitung dieser Virus-Variante verhindern könne, daher seien Maßnahmen nutzlos und zu unterlassen. Die Maskenpflicht verursache Gesundheitsbeeinträchtigungen. Die Testungen seien nicht aussagekräftig. Die Gebrauchsanweisung stehe der Vermutung der Risikolosigkeit in Bezug auf Testmaterial und Durchführung entgegen; es ergebe sich klar ein gesundheitliches Risiko. Bei Durchführung der Tests in Schulen würden die in der Gebrauchsanweisung genannten Schutzmaßnahmen nicht beachtet. Es fehle an Schutzkleidung, außerdem sei Ethylenoxid sehr giftig. Es bestehe eine Pflichtenkollision zwischen der Schulbesuchspflicht und 15. BayIfSMV. Die 15. BayIfSMV habe als Teil des Seuchenrechts Vorrang. Danach sei die Teilnahme an den Testmaßnahmen freiwillig und bei Verweigerung der Zutritt zur Schule verboten. Die Verantwortung für das Fernbleiben von der Schule liege nicht bei dem Schüler, die Schule habe für diesen Fall eine alternative Form der Beschulung, wie etwa Distanzunterricht, anzubieten. Die angeordnete Maßnahme sei nicht verhältnismäßig. Maskenpflicht, Präsenzunterricht und Testungen seien ungeeignete Mittel. Zu berücksichtigen seien auch die nachteiligen Folgen der gewählten Mittel. Im Zweifel solle zugunsten der Gesundheit der Schüler entschieden werden.
Vorgelegt wird eine schriftliche Stellungnahme zum mündlichen Vortrag im Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestags am 17. Mai 2021 von Prof. B.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
1. Der zulässige Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Antrag ist nach §§ 122 Abs. 1, 188 VwGO im Sinne eines umfassenden Rechtschutzes dahin auszulegen, dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs hinsichtlich Nr. 1 des Bescheids wiederhergestellt und hinsichtlich Nr. 3 des Bescheids angeordnet werde.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 a) VwGO anordnen, im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO wiederherstellen. Bei dieser Entscheidung sind das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts einerseits und das private Aussetzungsinteresse, also das Interesse des Betroffenen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts von dessen Vollziehung verschont zu bleiben, gegeneinander abzuwägen. Maßgebliche Bedeutung kommt dabei den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu. Ist die Erfolgsaussicht mit genügender Eindeutigkeit zu verneinen, ist der Antrag grundsätzlich abzulehnen; ist sie offensichtlich zu bejahen, ist die aufschiebende Wirkung in der Regel wiederherzustellen. Im Übrigen kommt es auch darauf an, wie schwer die angegriffene Maßnahme durch ihren Sofortvollzug in die Rechtssphäre des Betroffenen eingreift, ob und unter welchen Erschwernissen sie wieder rückgängig zu machen ist und wie dringlich demgegenüber das öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzung des angegriffenen Verwaltungsakts zu bewerten ist (vgl. BayVGH, B. v. 14.6.2002 – 7 CS 02.776 – juris Rn. 30 m.w.N.).
a) Vorliegend genügt die schriftliche Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung (Fortdauer der fehlenden Teilnahme am Präsenzunterricht, fehlende schulische Bildung mangels Distanzunterricht bis zur Entscheidung in der Hauptsache, Fortdauer des unentschuldigten Fernbleibens von Leistungsnachweisen mit der Folge der Gefährdung des erfolgreichen Besuchs des laufenden Schuljahres) den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Die Tatsache, dass sich hier die Gründe, die nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO für den Sofortvollzug berücksichtigt sind, teilweise mit den Gründen für den Erlass des Verwaltungsakts decken, steht der Annahme einer ausreichenden Begründung nicht entgegen.
b) Die Interessensabwägung geht im vorliegenden Fall zu Lasten der Antragsteller aus, da sich der Bescheid des Antragsgegners nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage als rechtmäßig erweist.
aa) Rechtsgrundlage von Nr. 1 des Bescheids ist Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes (LStVG) in der in der Bayerischen Rechtssammlung (BayRS 2011-2-I) veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. April 2020 (GVBl. S. 236). Danach können die Sicherheitsbehörden, soweit sie nicht anderweitig hierzu ermächtigt sind, Anordnungen für den Einzelfall nur treffen, um rechtswidrige Taten, die den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit erfüllen, zu verhüten oder zu unterbinden.
bb) Gegen den Bescheid vom 19. Januar 2022 bestehen voraussichtlich keine formellen Bedenken.
Das Landratsamt war als zur Durchsetzung des Schulzwangs (Art. 118 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen – BayEUG – in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 2000, GVBl. S. 414, 632, BayRS 2230-1-1-K, zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Juli 2021, GVBl. S. 432) sachlich und gemäß Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a) BayVwVfG örtlich zuständige Sicherheitsbehörde (Art. 6 LStVG) zum Erlass des Bescheids zuständig.
Die Antragsteller wurden am 4. Januar 2022 zum Erlass des Bescheids angehört (Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG).
Der Bescheid ist den Antragstellern gegenüber wirksam bekannt gegeben worden (Art. 41 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 BayVwVfG i.V.m. Art. 3, Art. 8a Satz 1 VwZVG).
cc) Gegen die Anordnung in Nr. 1 des Bescheids bestehen auch in materieller Hinsicht keine rechtlichen Bedenken.
(1) Zur Erfüllung der Verpflichtung aus Art. 76 Satz 2 BayEUG können nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG vollziehbare Anordnungen getroffen werden. Weder Art. 118 Abs. 1 BayEUG, wonach die Kreisverwaltungsbehörde befugt ist, den Schulpflichtigen zwangsweise der Schule zuführen zu lassen, noch Art. 119 Abs. 1 Nr. 2 BayEUG, wonach Verstöße gegen Art. 76 Satz 2 BayEUG mit Geldbuße belegt werden können, treffen abschließende Regelungen; vielmehr bleibt daneben Raum für die zwangsweise Durchsetzung der Schulpflicht gegenüber Erziehungsberechtigten minderjähriger Schulpflichtiger (VG Augsburg, B.v. 7.5.2002 – Au 9 S 02.507 – juris Rn. 17, bestätigt durch BayVGH, B.v. 20.8.2002 – 7 CS 02.1302 – Rn. 20).
(2) Die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG liegen hier vor. Das Landratsamt konnte die streitgegenständliche Anordnung für den Einzelfall treffen, um eine rechtswidrige Tat, die den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit (Art. 119 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Art. 76 Satz 2 BayEUG, BayObLG, B.v. 14.10.1999 – 3 ObOWi 96/99 – juris Rn. 9 ff.) verwirklicht, zu verhüten und zu unterbinden.
Das Verhalten der Antragsteller verwirklicht den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit (Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG). Die Kinder der Antragsteller sind nach Art. 37 Abs. 1 Satz 1 BayEUG schulpflichtig, besuchen jedoch derzeit nicht die entsprechende Pflichtschule (Art. 36 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayEUG), deren Besuch mit dem angefochtenen Bescheid gefordert wird. Die Verpflichtung zur Teilnahme am Unterricht und zum Besuch verpflichtender Schulveranstaltungen ergibt sich für Schüler aus Art. 56 Abs. 4 Satz 3 BayEUG; nach Art. 76 Satz 2 BayEUG müssen die Erziehungsberechtigten dafür sorgen, dass minderjährige Schulpflichtige am Unterricht regelmäßig teilnehmen und die sonstigen verbindlichen Schulveranstaltungen besuchen. Der Verstoß der Antragsteller hiergegen erfüllt den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach Art. 119 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Art. 76 Satz 2 BayEUG (BayObLG, B.v. 14.10.1999 – 3 ObOWi 96/99 – juris Rn. 9 ff.).
Für die Verwirklichung des Tatbestands ist keine generelle Verweigerungshaltung der Antragsteller erforderlich. Es genügt, dass sich die Antragsteller weigern, durch entsprechende Erziehungsmaßnahmen dafür zu sorgen, dass ihre Kinder regelmäßig die Schule besuchen.
(a) Eine Unterweisung der Kinder durch die Antragsteller bzw. die eigenständige Bearbeitung von Unterrichtsmaterial durch die Kinder stellt keinen Unterricht im Sinne des Art. 76 Satz 2 BayEUG dar. Nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BayEUG haben die Schulen den in der Verfassung verankerten Bildungs- und Erziehungsauftrag zu verwirklichen; die Schulen haben dabei das verfassungsmäßige Recht der Eltern auf Erziehung ihrer Kinder zu achten (Art. 1 Abs. 3 BayEUG). Die Schulpflicht (Art. 35 Abs. 1 Satz 1 BayEUG) wird erfüllt durch den Besuch der in Art. 36 Abs. 1, 2 BayEUG genannten Schulen; eine Beschulung durch die Eltern ist dagegen nicht vorgesehen.
Vorliegend ist weder geltend gemacht noch anderweitig ersichtlich, dass die Kinder der Antragsteller einen Anspruch auf Hausunterricht durch die Schule hätten. Die Voraussetzungen für Hausunterricht nach Art. 23 Abs. 2 Satz 1 BayEUG liegen nicht vor, insbesondere sind die von den Antragstellern geltend gemachten Bedenken in Bezug auf Testungen und das Tragen von Masken nicht geeignet, Zweifel an der Schulbesuchsfähigkeit der Kinder aus gesundheitlichen Gründen aufzuwerfen.
(b) Die Kinder der Antragsteller sind weder vom Schulbesuch beurlaubt noch haben sie einen Anspruch hierauf. Nach § 20 Abs. 3 Satz 1 der Bayerischen Schulordnung (BaySchO) vom 1. Juli 2016 (GVBl. S. 164, 241, BayRS 2230-1-1-1-K), zuletzt geändert durch Verordnung vom 8. Juli 2021 (GVBl. S. 479), können Schülerinnen und Schüler auf schriftlichen Antrag in begründeten Ausnahmefällen vom Unterricht in einzelnen Fächern befreit oder vom Schulbesuch beurlaubt werden. Ein derartiger Ausnahmefall ist vorliegend nicht gegeben. Die Testpflicht und die Pflicht zum Tragen einer Maske trifft die Kinder der Antragsteller nicht in irgendeiner anderen Weise als andere Kinder. Im Übrigen wäre bei mit ärztlichem Zeugnis glaubhaft gemachter Unzumutbarkeit des Maskentragens eine Befreiung von der Maskenpflicht nach § 10 Abs. 1 Satz 1 (bislang § 12 Abs. 1 Satz 1) i.V.m. § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Fünfzehnte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (15. BayIfSMV – vom 23. November 2021, BayMBl. Nr. 816, BayRS 2126-1-19-G, zuletzt geändert durch Verordnung vom 16. Februar 2022, BayMBl. Nr. 115) vorrangig. Auch was den Schulbesuch an sich angeht, ist nicht ersichtlich, dass dieser für die Kinder der Antragsteller mit (gegenüber der Situation anderer Kinder) weitergehenden Gefährdungen oder anderweitigen Belastungen verbunden wäre. Dass nach dem Vortrag der Antragsteller ihre Kinder aufgrund der häuslichen Unterweisung gute Lernerfolge erzielen, begründet keinen Anspruch auf Beurlaubung; die Möglichkeit der Beurlaubung nach § 20 Abs. 3 Satz 1 BaySchO soll Ausnahmesituationen Rechnung tragen, nicht aber ein Wahlrecht der Eltern eröffnen, ob ihre Kinder die Schule besuchen.
(c) Ein Verstoß der Antragsteller gegen die Pflicht nach Art. 76 Satz 2 BayEUG entfällt auch nicht etwa deswegen, weil ihren Kindern Distanzunterricht nach § 19 Abs. 4 BaySchO zu erteilen wäre. Die Voraussetzungen hierfür liegen nicht vor. Weder ist die Schule derzeit von einer Schließung betroffen bzw. die Klasse oder ein Kurs der Kinder der Antragsteller ausgeschlossen, § 19 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 Buchst. a) BaySchO, noch der Ausschluss der Kinder der Antragsteller i.S.v. § 19 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 Buchst. b) BaySchO durch die zuständigen Behörden zum Schutz von Leben oder Gesundheit angeordnet oder genehmigt. Die letztgenannte Regelung umfasst bereits ihrem Wortlaut nach nicht den Fall, dass bei Geltung der Zugangsbeschränkung mit Testpflicht nach § 10 Abs. 2 Satz 1 (bislang § 12 Abs. 2 Satz 1) 15. BayIfSMV ein Schüler an der Teilnahme am Präsenzunterricht lediglich deshalb gehindert ist, weil er die Testpflicht nicht erfüllt. Einer erweiternden Auslegung von § 19 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 Buchst. b) BaySchO steht die Begründung der Änderungsverordnung zur 14. BayIfSMV vom 5. Oktober 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 716) entgegen.
(d) Vorliegend entfällt ein Verstoß gegen Art. 76 Satz 2 BayEUG auch nicht etwa deshalb, weil die Antragsteller, wie in der Erklärung vom 3. Februar 2022 dargestellt, seitens der Schule weiterhin Unterrichtsmaterial erhielten und die Klassenlehrerinnen beider Kinder deren Arbeiten korrigierten. Mit den Mitteilungen der Schule vom 8. und 14./15. November 2021 wies die Schule die Antragsteller darauf hin, dass ihre Kinder, sollten sie weiterhin nicht am Präsenzunterricht teilnehmen, die Schulpflicht verletzen; im Schreiben vom 14./15. November 2021 ist weiter angekündigt, das fortdauernde Fernbleiben der Kinder vom Präsenzunterricht behördlich anzuzeigen. Dies lässt sich nur dahingehend verstehen, dass die Schulpflicht nur durch die Teilnahme am Präsenzunterricht erfüllt werden kann und auch ein etwaiges weiteres Zurverfügungstellen von Unterlagen und Korrigieren durch die Klassenlehrerinnen lediglich deren persönliches Bemühen um die Kinder widerspiegelt.
Soweit die Antragsteller geltend machen, eine ausdrückliche Aufhebung dieser Verfahrensweise für die Zukunft sei vom Antragsgegner nicht verfügt worden, würde dieses Argument nur verfangen, wenn der Zurverfügungstellung von Unterrichtsmaterial und der Korrektur der Arbeiten eine entsprechende, noch fortgeltende Verfügung zu Grunde läge, die zum Fernbleiben vom Präsenzunterricht berechtigen würde. Hierfür ist nichts ersichtlich. Wie oben ausgeführt, hat die Schule vielmehr mit den Mitteilungen vom 8. und 14./15. November 2021 ausdrücklich klargestellt, dass ein weiteres Fernbleiben vom Präsenzunterricht zu einer Verletzung der Schulpflicht führt.
Weiter bietet das Vorbringen der Antragsteller auch keinen Anhalt dafür, dass im Hinblick auf die Zurverfügungstellung von Unterlagen und Korrektur durch die Klassenlehrerinnen ein Missverständnis der Antragsteller in Bezug auf die rechtliche Einordnung des Fernbleibens der Kinder der Antragsteller vom Präsenzunterricht bestanden hätte.
(e) Die Weigerung, der in § 10 Abs. 2 Satz 1 15. BayIfSMV geregelten Zugangsvoraussetzung nachzukommen, mit der Folge der Nichtteilnahme am Präsenzunterricht führt jedenfalls seit Inkrafttreten der Verordnung zur Änderung der 14. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 5. Oktober 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 715) zu einer Verletzung der sich aus Art. 129 Abs. 1 BV und Art. 35 Abs. 1 BayEUG ergebenden Schulpflicht. Jedenfalls seit diesem Zeitpunkt besteht eine Testpflicht für schulpflichtige Schülerinnen und Schüler (BayVGH, B.v. 7.1.2022 – 7 CS 21.3154 – n.v., Rn. 9).
Die Regelung in § 10 Abs. 2 Satz 1 15. BayIfSMV ist nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zur gleichlautenden Vorschrift des § 13 Abs. 2 Satz 1 14. BayIfSMV vom 1. September 2021 (BayMBl. Nr. 615, BayRS 2126-1-18-G), zuletzt geändert durch Verordnung vom 16. November 2021 (BayMBl. Nr. 799), auf die Bezug genommen wird, voraussichtlich materiell rechtmäßig (BayVGH, B.v. 7.1.2022 – 7 CS 21.3154 – n.v., Rn. 16; B.v. 11.10.2021 – 25 NE 21.2525 – BeckRS 2021, 30069 Rn. 14 ff.; B.v. 28.10.2021 – 25 NE 21.2579 – n.v.).
Jedenfalls bei der gebotenen summarischen Prüfung bestehen keine durchgreifenden Bedenken dahingehend, dass § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 1 Nr. 16 Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen – Infektionsschutzgesetz (IfSG – vom 20.7.2000, BGBl I 1045, zuletzt geändert durch Gesetz vom 10.12.2021, BGBl I 5162) – eine ausreichende Verordnungsermächtigung für die durch die Testpflicht erfolgenden Grundrechtseingriffe darstellen und sie insbesondere auch dem Wesentlichkeitsgrundsatz und dem Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG entsprechen (BayVGH, B.v. 11.10.2021 – 25 NE 21.2525 – n.v. Rn. 13).
Die vom Verordnungsgeber getroffene Gefährdungsprognose, dass die Testpflicht bei summarischer Prüfung eine geeignete, erforderliche und gemäß § 28 Abs. 1, § 28a Abs. 1 IfSG notwendige Schutzmaßnahme darstellt, ist nicht zu beanstanden (BayVGH, B.v. 11.10.2021 – 25 NE 21.2525 – a.a.O., Rn. 17ff.; B.v. 28.10.2021 – 25 NE 21.2579 – n.v. Rn. 26 ff.).
Auch wenn keine absolute Zuverlässigkeit der verwendeten oder von der Schule zur Verfügung gestellten Tests bestehen mag, kann so zumindest ein Teil infizierter und damit in der Regel auch infektiöser Schüler festgestellt werden. Im Zusammenhang mit der Zuverlässigkeit von Antigen-Schnelltests ist bereits höchstrichterlich entschieden, dass – auch wenn sie weniger ergebnissicher als PCR-Tests sein mögen – diese aus Sicht des Verordnungsgebers, dem hierbei eine Einschätzungsprärogative zukommt, einen unverzichtbaren Beitrag im Rahmen seines Gesamtkonzepts leisten (BayVGH, B.v 11.10.2021 – 25 NE 21.2525 – a.a.O. Rn. 22 f. unter Bezugnahme auf VerfGH, E.v. 21.4.2021 – Vf. 26-VII-21 – juris Rn. 29). Soweit die Antragsteller pauschal geltend machen, die Datenlage von der Verbreitung der Omikron-Variante zeige, dass keine Maßnahme, insbesondere auch nicht Testungen, die Weitergabe des Corona-Virus verhinderten, liegt darin keine substantiierte Auseinandersetzung mit der Geeignetheit dieser Maßnahme.
Im Hinblick auf die Angemessenheit der Regelung ist insbesondere zu berücksichtigen, dass § 10 Abs. 2 Satz 1 15. BayIfSMV den Schülern die Wahl belässt, den Test entweder direkt an der Schule oder durch geschultes Personal und damit außerhalb der Wahrnehmungsmöglichkeiten der Mitschüler vornehmen zu lassen (BayVGH, B.v. 11.10.2021 – 25 NE 21.2525 – a.a.O., Rn. 27 zum gleichlautenden § 13 Abs. 2 Satz 1 14. BayIfSMV). Den von den Antragstellern vorgebrachten Bedenken bei einer Durchführung des Tests durch nicht geschultes Personal bzw. unter Missachtung der in der Gebrauchsanweisung genannten Schutzmaßnahmen wie auch den weiteren Bedenken in Bezug auf die Reaktionen der Mitschüler bei einem etwaigen positiven Testergebnis im Rahmen der schulischen Testung ist durch die Möglichkeit der Erbringung eines Testnachweises nach § 10 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 5 Abs. 3 Nr. 1, 2 15. BayIfSMV Rechnung getragen.
Selbst wenn vor dem Hintergrund, dass Schüler, die erforderliche Testnachweise nicht erbringen, im Unterricht und bei Prüfungen unentschuldigt fehlen (§ 20 Abs. 1 Satz 1 BaySchO), mangels Freiwilligkeit ein Eingriff in den Schutzbereich des Rechts auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) vorläge, wäre die Regelung angemessen (BayVGH, B.v. 11.10.2021 – 25 NE 21.2525 – a.a.O. Rn. 29ff.). Die Koppelung des Schulbesuchs an einen vorangegangenen Test ist auch in Bezug auf das (Teilhabe-) Recht der betroffenen Eltern und Schüler auf Erziehung und Bildung von Kindern in der Schule (Art. 6 Abs. 2 Satz 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 14 Abs. 1 und 2 GrRCh) nicht unverhältnismäßig (BayVGH, B.v. 11.10.2021 – 25 NE 21.2525 – a.a.O. Rn. 31). Weiter liegt der Bestimmung im Hinblick auf den damit verfolgten Zweck, der Abwehr von Gefahren für das Leben und die körperliche Unversehrtheit einer potentiell großen Zahl von Menschen und die Sicherstellung der Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems in Deutschland, jedenfalls kein offensichtlicher Verstoß gegen die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) zugrunde (BayVGH, B.v. 11.10.2021 – 25 NE 21.2525 – a.a.O. Rn. 33). Auch ein Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 GG durch die Testpflicht liegt nicht vor. Die Garantie der Menschenwürde umfasst vor allem die Wahrung personaler Individualität, Identität und Integrität (vgl. BVerfG, U.v. 17.1.2017 – 2 BvB 1/13 – BVerfGE 144, 20/207 – juris Rn. 539). Damit ist ein sozialer Wert- und Achtungsanspruch verbunden, der es verbietet, den Menschen zum „bloßen Objekt“ staatlichen Handelns zu machen oder ihn einer Behandlung auszusetzen, die seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt (vgl. BVerfG, U. v. 17.1.2017, a.a.O., m.w.N.). Einer solchen sie zum Objekt degradierenden Behandlung werden die Schüler durch die Testpflicht, die dem Schutz vor einer potentiell tödlichen Erkrankung dient, nicht ausgesetzt (VGH BW, B.v. 29.4.2021 – 1 S 1204/21 – juris Rn. 182; BayVGH, B.v. 28.10.2021 – 25 NE 21.2579 – n.v., Rn. 51).
Das Vorbringen der Antragsteller zu etwaigen Gesundheitsgefährdungen durch Schnelltests vermag keine Zweifel an der gesundheitlichen Unbedenklichkeit dieser Tests zu begründen (vgl. hierzu ausführlich BayVGH, B.v. 11.10.2021 – 25 NE 21.2525 – a.a.O. Rn. 28).
Der Einwand der Antragsteller, die Testpflicht sei unverhältnismäßig, da die Omikron-Variante lediglich zu leichten Symptomen (gemeint ist wohl: bei Kindern) führe, lässt außer Betracht, dass die Testpflicht der Verhinderung der Ausbreitung von Covid-19 nicht allein unter Schülern dient. Die Einschätzung, dass die Omikron-Variante nur zu leichten Symptomen führe, ist allein durch die Zahl der gemeldeten Hospitalisierungen und Todesfälle widerlegt (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/ Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Feb_2022/2022-02-17-de.pdf? blob=publicationFile, abgerufen am 17. Februar 2022).
Die infektionsschutzrechtliche Zugangsbeschränkung nach § 10 Abs. 2 Satz 1 BayIfSMV führt in Verbindung mit den Bestimmungen zur Schulpflicht für die von dieser Zugangsbeschränkung betroffenen Schülerinnen und Schüler zu einer unbedingten Testpflicht. Denn nach den Vorgaben in Art. 36 Abs. 1, Art. 56 Abs. 4 Satz 3 BayEUG wird die Schulpflicht (Art. 129 Abs. 1 BV, Art. 35 Abs. 1 BayEUG) in der Regel durch Besuch des Präsenzunterrichts erfüllt (vgl. insoweit Art. 19 Abs. 4 Satz 3 BaySchO, wonach Distanzunterricht schulrechtlich nur unter den dort genannten Voraussetzungen zulässig ist). Durch Änderungsverordnung vom 5. Oktober 2021 zur 14. BayIfSMV und Einfügung des deklaratorischen Hinweises in § 13 Abs. 2 Satz 3 14. BayIfSMV (jetzt § 10 Abs. 2 Satz 3 15. BayIfSMV) hat der Verordnungsgeber klargestellt, dass ab Inkrafttreten der Änderungsverordnung am 6. Oktober 2021 die Schulpflicht nur durch Teilnahme am Präsenzunterricht erfüllt werden kann. Hierin liegt eine Abkehr von der nach Erlass der infektionsschutzrechtlichen Zugangsbeschränkung in § 13 Abs. 2 Satz 1 12. BayIfSMV vom 5. März 2021 (BayMBl. Nr. 171) in der Fassung der Änderungsverordnung vom 9. April 2021 (BayMBl. Nr. 261) eröffneten Möglichkeit, der Schulpflicht bei Verweigerung der Testungen durch Teilnahme am Distanzunterricht nachzukommen. Jedenfalls seit dem 6. Oktober 2021 haben Schülerinnen und Schüler – entgegen der Annahme der Antragsteller – daher kein Wahlrecht mehr zwischen Distanz- und Präsenzunterricht (BayVGH, B.v. 7.1.2022 – 7 CS 21.3154 – n.v., Rn. 13).
Soweit die Antragsteller rügen, es fehle eine rechtliche Grundlage dafür, dass schulpflichtige Kinder regelmäßig am Präsenzunterricht und an den sonstigen verbindlichen Schulveranstaltungen unter Erfüllung einer durch Rechtsverordnung angeordneten „Testobliegenheit“ teilnehmen müssten und dass die Erziehungsberechtigten hierfür Sorge zu tragen hätten, lassen sie dieses Ineinandergreifen von Rechtsnormen verschiedener Rechtsgebiete unberücksichtigt (BayVGH, B.v. 7.1.2022 – 7 CS 21.3154 – n.v., Rn. 13 ff.; OVG NW, B.v. 8.12.2021 – 19 B 1664/21 – juris Rn. 10).
(f) Ein Verstoß gegen Art. 76 Satz 2 BayEUG entfällt auch nicht im Hinblick auf die gegen die Maskenpflicht geltend gemachten gesundheitlichen Bedenken. Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Maskenpflicht wird auf die fortlaufende Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes Bezug genommen, der sich das Gericht anschließt (vgl. BayVGH, B.v. 12.10.2021 – 25 NE 21.2471; B.v. 28.9.2021 – 25 NE 21.237; B.v. 29.7.2021 – 25 NE 21.1757; B.v. 5.7.2021 – 25 NE 21.1779; B.v. 22.6.2021 – 25 NE 21.1654; B.v. 10.5.2021 – 20 NE 21.1328; B.v. 4.5.2021 – 20 NE 21.1119; B.v. 16.3.2021 – 20 NE 21.627; B.v. 15.2.2021 – 20 NE 21.411; B.v. 29.1.2021 – 20 NE 21.201; B.v. 28.1.2021 – 20 NE 21.136 und B.v. 7.9.2020 – 20 NE 20.1981). Soweit sich die Antragsteller gegen die Geeignetheit der Maskenpflicht wenden, ist ihr Vorbringen unsubstantiiert.
(g) Schließlich rechtfertigen auch die von den Antragstellern geltend gemachten Gesundheitsgefahren aufgrund der aktuell hohen Infektionszahlen kein Fernbleiben ihrer Kinder vom Unterricht und keine Aussetzung der Verpflichtung der Antragsteller, für den regelmäßigen Unterrichtsbesuch ihrer Kinder zu sorgen (Art. 76 Satz 2 BayEUG).
Soweit in der Vergangenheit aus infektionsschutzrechtlichen Gründen der Präsenzunterricht vollständig oder teilweise untersagt und Distanz- oder Wechselunterricht vorgesehen war, war dies ausdrücklich normiert. Demgegenüber sind derzeit nach § 28a Abs. 8 Satz 1 Nr. 7 i.V.m. § 33 Nr. 3 IfSG flächendeckende Schulschließungen durch den Bundesgesetzgeber ausgeschlossen; die 15. BayIfSMV enthält keine Regelungen zu Distanz- oder Wechselunterricht. Ausnahmen von der Pflicht zur Teilnahme am Präsenzunterricht in der Schule bestehen derzeit, wie oben ausgeführt, nur nach Art. 23 Abs. 1 BayEUG, bei Beurlaubung nach § 20 Abs. 3 Satz 1 BaySchO (etwa im Fall eines besonderen gesundheitlichen Risikos seitens des Schülers oder eines Hausstandsmitglieds) oder nach § 19 Abs. 4 Satz 3 BaySchO.
Bei der hier gebotenen summarischen Prüfung bestehen angesichts des hohen Stellenwerts des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags nach Art. 7 Abs. 1 GG und des staatlicherseits an den Schulen vorgesehenen Schutzinstrumentariums keine Bedenken dagegen, dass derzeit ein von einer konkreten individuellen Gefährdung unabhängiger Anspruch auf Erteilung von Distanzunterricht nicht vorgesehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 13.1.2022 – 7 CE 21.2740 – n.v. Rn. 18; OVG NW, B.v. 8.12.2021 – 19 B 1664/21 – juris Rn. 21 ff. m.w.N.; zur Bedeutung des Präsenzunterrichts bei der Vermittlung schulischer Bildung vgl. BVerfG, B.v. 19.11.2021 – 1 BvR 971/21 u.a. – juris Rn. 142 ff.). Auch im Hinblick auf die Pflicht des Staats, sich im Schulverhältnis schützend und fördernd vor die Rechtsgüter Leben und körperliche Unversehrtheit der Schüler zu stellen, verbleibt ein Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsraum des Normgebers. Es ist Aufgabe des hierfür demokratisch legitimierten Gesetzgebers und der seiner Kontrolle unterliegenden Exekutive, den Gesundheitsschutz bezogen auf das Risiko einer Infektion mit Covid-19 und etwaiger Folgeerkrankungen einerseits und körperlich-gesundheitliche und psychologische Beeinträchtigungen sowie soziale Auswirkungen aufgrund anhaltenden Distanzunterrichts andererseits im Spannungsverhältnis von Individualgrundrechten und Schulpflicht angemessen in Abwägung zu bringen und einer vertretbaren Bewertung zuzuführen (BayVGH, B.v. 13.1.2022 – 7 CE 21.2740 – n.v. Rn. 18; OVG NW, B.v. 22.9.2021 – 19 B 1458/21 – juris Rn. 29). Der hohen 7-Tages-Inzidenz in der Altersgruppe der 5- bis 14-jährigen steht weiterhin kein vergleichbar hoher Wert altersgruppenidentischer Hospitalisierungen gegenüber (vgl.https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/COVID-19-Trends/COVID-19-Trends.html? blob=publicationFile#/home, abgerufen am 17. Februar 2022). Gerade die von den Antragstellern abgelehnte Test- und Maskenpflicht sind wirksame Mittel, um Ansteckungsgefahren zu verringern bzw. erkrankte Schüler zu identifizieren. Hiervon ausgehend liegt keine unvertretbare Ausgestaltung des staatlichen Schutzkonzepts vor. Insbesondere bestehen keine Bedenken dagegen, dem Interesse an einer möglichst lückenlosen Gewährleistung des schulischen Bildungsauftrags Vorrang gegenüber einem weitergehenden Schutz vor Gefährdungen der körperlichen Unversehrtheit der Schüler durch das Virus einzuräumen (vgl. OVG NW, B.v. 8.12.2021 – 19 B 1664/21 – juris Rn. 21).
Soweit die Antragsteller auf einen Beschluss des VG Magdeburg (B.v. 13.4.2021 – 7 B 80/21) verweisen, setzt sich dieser allein mit der (verneinten) Frage auseinander, ob das damals geltende Landesrecht Sachsen-Anhalts eine hinreichende Rechtsgrundlage dafür enthalte, einem Schulkind die Teilnahme am Präsenzunterricht und den Zutritt zum Schulgebäude zu verweigern, sofern kein negativer Selbsttest vorgelegt oder kein Selbsttest vorgenommen wurde. Diese Frage stellt sich im vorliegenden Rechtsstreit im Hinblick auf § 10 Abs. 2 Satz 1 15. BayIfSMV nicht; auch das VG Magdeburg merkt ausdrücklich an, dass sich insoweit die damalige Rechtslage in Sachsen-Anhalt von der anderer Länder (so auch Bayerns) unterscheide (B.v. 13.4.2021 – 7 B 80/21 – Rn. 16 a.E.).
(3) Anordnungen nach Art. 7 Abs. 2 LStVG stehen im Ermessen der Behörde. Das Landratsamt hat dies erkannt und unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben hiervon ordnungsgemäßen Gebrauch gemacht.
Die hier vorgenommene Ermessensausübung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass das Landratsamt der Durchsetzung der Schulpflicht den Vorrang vor den Interessen der Antragsteller gegeben hat, weiterhin zur Vermeidung der Testung ihre Kinder nicht zur Schule zu schicken.
dd) Die Zwangsgeldandrohung in Nr. 3 des Bescheids erweist sich bei summarischer Überprüfung als rechtmäßig.
Die Grundverfügung (Nr. 1 des Bescheids) ist nach Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG vollstreckbar.
Die Androhung des Zwangsgelds findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 29, 31 und 36 VwZVG. Die vorliegend gesetzte Erfüllungsfrist (Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG) ist relativ kurz, allerdings sind auch keine Gründe dafür ersichtlich, warum für die Wiederaufnahme des Schulbesuchs längere Vorbereitungen nötig wären.
Die Höhe des angedrohten Zwangsgelds ist nicht zu beanstanden. Das Zwangsgeld beträgt nach Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG mindestens 15 und höchstens 50.000 EUR. Das Verhalten der Antragsteller stellt mitnichten eine Bagatelle dar. Vielmehr verstoßen sie nicht nur erheblich gegen schulrechtliche Verpflichtungen, sondern vor allem gegen das Interesse ihrer Kinder. Das Landratsamt war berechtigt, die Höhe des Zwangsgelds in deutlich spürbarem Umfang festzulegen.
ee) Unter Berücksichtigung der fehlenden Erfolgsaussichten der Klage fällt die Interessenabwägung zwischen den Interessen der Antragsteller und den öffentlichen Interessen an der sofortigen Vollziehung des Bescheids vom 19. Januar 2022 zu Lasten der Antragsteller aus.
Der Antrag war daher abzulehnen.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154, 159 Satz 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht unter Berücksichtigung des vorläufigen Charakters des Verfahrens auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, 2 GKG i.V.m. Nr. 1.1.1, 1.1.3, 1.5, 1.7.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (zum Ansatz des Streitwerts der Grundverfügung für jeden der beiden Antragsteller vgl. OVG NW, B.v. 29.11.2021 – 19 B 1492/21, 19 E 925/21 – juris Rn. 16).


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