Verwaltungsrecht

Straßenausbaubeitrag – Beginn und Ende einer Ortsstraße

Aktenzeichen  6 ZB 16.234

Datum:
17.1.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 101022
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KAG Art. 5 Abs. 1 S. 1, S. 3

 

Leitsatz

1. Wo eine Ortsstraße beginnt und wo sie endet, bestimmt sich grundsätzlich nach dem Gesamteindruck, den die jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter vermitteln. Zu fragen ist dabei, inwieweit sich die zu beurteilende Einrichtung als augenfällig eigenständiges Element des örtlichen Straßennetzes darstellt. (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Tatsache, dass eine Straße vorfahrtsberechtigt ausgeschildert ist, betrifft nicht die beitragsrechtlichen Kennzeichen. Gleiches gilt hinsichtlich der Verkehrsfunktion einer Straße. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 3 K 14.1281 2015-11-19 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I.
Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 19. November 2015 – W 3 K 14.1281 – in seinem klagestattgebenden Teil wird abgelehnt.
II.
Der Beklagte trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 3.274,10 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des beklagten Marktes, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg in seinem stattgebenden Teil zuzulassen, hat keinen Erfolg. Der innerhalb der Begründungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Dieser Zulassungsgrund wäre begründet, wenn vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt würde (vgl. BVerfG, B. v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163/1164; B. v. 23.3.2007 – 1 BvR 2228/02 – BayVBl 2007, 624). Das ist nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht hat den Straßenausbaubeitragsbescheid des Beklagten vom 27. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts Aschaffenburg vom 4. Dezember 2014 aufgehoben, soweit ein Straßenausbaubeitrag von mehr als 397,24 Euro erhoben wird, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Den stattgebenden Teil seines Urteils hat das Verwaltungsgericht – unter anderem – auf die Annahme gestützt, die abzurechnende Untere Stockstädter Straße beginne im Süden (als Sackgasse) an dem Anliegergrundstück Fl. Nr. 18395 und führe über die kreuzende Wendelin-Veith-Straße hinweg. Dem hält der Beklagte nichts Stichhaltiges entgegen, das weiterer Prüfung in einem Berufungsverfahren bedürfte.
Bei einer beitragsfähigen Ausbaumaßnahme ist grundsätzlich auf die einzelne Ortsstraße als die maßgebliche öffentliche Einrichtung im Sinn von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 3 KAG abzustellen. Wo eine solche Ortsstraße beginnt und wo sie endet, bestimmt sich grundsätzlich nach dem Gesamteindruck, den die jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter vermitteln (ständige Rechtsprechung; vgl. BayVGH, U. v. 28.1.2010 – 6 BV 08.3043 – BayVBl 2010, 470; B. v. 24.11.2016 – 6 ZB 16.1476 – juris Rn. 8 m. w. N.). Zu fragen ist dabei, inwieweit sich die zu beurteilende Einrichtung als augenfällig eigenständiges Element des örtlichen Straßennetzes darstellt. Deshalb hat sich der ausschlaggebende Gesamteindruck nicht an Straßennamen oder Grundstücksgrenzen, sondern, ausgehend von einer natürlichen Betrachtungsweise, an der Straßenführung, der Straßenlänge, der Straßenbreite und der Ausstattung mit Teileinrichtungen auszurichten. Zugrunde zu legen ist dabei der Zustand im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten, also nach Durchführung der Ausbaumaßnahme (BayVGH, U. v. 1.6.2011 – 6 BV 10.2467 – BayVBl 2012, 206/208; B. v. 24.3.2015 – 6 CS 15.389 – juris Rn. 11).
In Anwendung dieses Maßstabs hat das Verwaltungsgericht auf der Grundlage von Lageplänen und vom Vorsitzenden der Kammer gefertigten Lichtbildern, die den Beteiligten zugeleitet worden und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, mit überzeugenden Erwägungen festgestellt, dass bei natürlicher Betrachtungsweise die Untere Stockstädter Straße bis zum Anliegergrundstück FlNr. 18395 im Süden einen einzigen durchgehenden Straßenzug bildet und durch die Kreuzung mit der Wendelin-Veith-Straße nicht in zwei, jeweils selbstständige Einrichtungen geteilt wird. Maßgeblich hierfür ist, wie das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, dass die Wendelin-Veith-Straße keine augenfällige Zäsur der Einrichtung Untere Stockstädter Straße darstellt. Die Untere Stockstädter Straße stellt sich im streitigen Bereich als einheitlicher Straßenzug mit etwa gleichbleibender Breite und Ausstattung dar. Der Einwand des Beklagten, die kreuzende Straße sei breiter als die Untere Stockstädter Straße, vermag keine beachtliche Zäsur im Rahmen der gebotenen natürlichen Betrachtungsweise zu begründen. Denn die kreuzende Straße weist keine solche Breite auf, dass eine Unterbrechung der Unteren Stockstädter Straße augenfällig wäre. Die Tatsache, dass die Wendelin-Veith-Straße vorfahrtsberechtigt ausgeschildert ist, betrifft nicht die beitragsrechtlichen Kennzeichen (BayVGH, B. v. 20.7.2007 – 6 ZB 04.465 – juris Rn. 6). Gleiches gilt für die Verkehrsfunktion der Wendelin-Veith-Straße. Bei natürlicher Betrachtungsweise könnte allenfalls – wie vom Verwaltungsgericht bereits ausgeführt – die unmittelbar nördlich der Kreuzung auf der Unteren Stockstädter Straße liegende begrünte Ausbuchtung, die zu einer Verschmälerung der Fahrbahn der Unteren Stockstädter Straße führt, als optische Zäsur zu bewerten sein. Dies hat indes das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf deren überschaubare Größe und die Einsehbarkeit der Unteren Stockstädter Straße im weiteren Verlauf mit überzeugenden Gründen abgelehnt.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG. Dass sich der Zulassungsantrag inhaltlich nur gegen eines von mehreren Begründungselementen des Verwaltungsgerichts wendet, ist für die Streitwertfestsetzung unerheblich, weil der Rechtsmittelantrag nicht entsprechend betragsmäßig beschränkt wurde.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts auch in seinem klagestattgebenden Teil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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