Verwaltungsrecht

Straßenreinigungs- und Schneeräumpflicht für einen Gehweg

Aktenzeichen  8 ZB 19.377

Datum:
19.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 21192
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayStrWG Art. 51 Abs. 4, 5, 6
VwGO § 86 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Die Auferlegung von Reinigungs- und Sicherungspflichten darf nicht über das hinausgehen, was einem Anlieger persönlich, insbesondere im Hinblick auf den Schutz von Leben und Gesundheit, aber auch im Hinblick auf seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit billigerweise zugemutet werden kann, wobei in diesem Zusammenhang auch Fälle zu berücksichtigen sind, in denen ein Anlieger krankheitsbedingt seinen Pflichten über einen längeren Zeitraum nicht nachkommen kann. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. In Fällen, in denen ein Anlieger krankheitsbedingt seinen Reinigungs- und Sicherungspflichten über einen längeren Zeitraum nicht nachkommen kann, ist von Belang, ob es dem Anlieger möglich ist, die Verpflichtung durch Dritte, zB eine andere Person oder ein Unternehmen, wahrnehmen zu lassen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine erfolgreiche Anhörungsrüge erfordert die substanziierte Darlegung, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Ausgangsgerichts aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich oder geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des Ausgangsgerichts zu einer für den Rechtsmittelführer günstigeren Entscheidung hätten führen können. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 1 K 16.629 2018-12-18 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen eine Straßenreinigungs- und Schneeräumpflicht für einen Gehweg an der Ortsdurchfahrt einer Bundesstraße.
Der Kläger ist Eigentümer des Anwesens T* … … * im Gemeindegebiet der Beklagten, das nördlich auf einer Länge von ca. 45 m an die Bundesstraße T* … … (B …*) angrenzt.
Mit Bescheid vom 19. August 2016 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Befreiung nach § 12 Abs. 2 der Verordnung über die Reinhaltung und Reinigung der öffentlichen Straßen und die Sicherung der Gehbahnen im Winter in der Gemeinde W* … (Reinigungs- und Sicherungsverordnung vom 25.4.2016) ab.
Das Verwaltungsgericht Bayreuth hat die hiergegen erhobene Klage mit Urteil vom 18. Dezember 2018 abgewiesen. Eine Herausnahme des T* … …s aus der Reinigungs- und Sicherungspflicht sei unter Würdigung der dortigen Situation nicht geboten. Dem Kläger stehe auch kein Befreiungsanspruch zu. Dass ihm die Räum- und Streupflicht im Winter gesundheitlich unzumutbar sei, habe er nicht belegt; im Übrigen könne er sich – ggf. gemeinsam mit seinen Nachbarn – eines motorisierten Räumgeräts oder der Hilfe Dritter (z.B. gewerblicher Räumdienst) bedienen.
Mit dem Zulassungsantrag verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzbegehren weiter.
II.
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht hinreichend dargelegt oder liegen nicht vor (§ 124 Abs. 2 Nr. 1, 3 und 5 VwGO, § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Aus dem Vorbringen des Klägers ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
1.1 Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Beklagte habe sich bei Verordnungserlass hinreichend damit befasst, dass die Abwälzung der Reinigungs- und Sicherungspflicht auf die Straßenanlieger am T* … … zumutbar ist (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 8.2.2011 – 8 ZB 10.1541 – BayVBl 2011, 435 = juris Rn. 19; U.v. 4.4.2007 – 8 B 05.3195 – NVwZ-RR 2008, 62 = juris Rn. 54), stellt der Zulassungsantrag nicht substanziiert infrage. Die Einteilung des Abschnitts T* … … der Bundesstraße B … in Gruppe A des Straßenverzeichnisses mit der Folge, dass nur die Fläche außerhalb der Fahrbahn zu reinigen ist (vgl. § 6 Abs. 1a der Reinigungs- und Sicherungsverordnung vom 9.1.2018) belegt, dass dem Gemeinderat bekannt war, dass es sich bei dieser Straße um eine der „schwierigeren“ Strecken im Gemeindegebiet handelt. Das Verwaltungsgericht hat auch zu Recht berücksichtigt, dass die dortige verkehrliche Situation seit längerer Zeit Gegenstand verschiedenster Beschwerden und Diskussionen (Ortsumgehung) war, wie auch diverse Anlagen der erstinstanzlichen Klageschrift vom 11. September 2016 belegen. Bei einer Gemeinde von der Größe der Beklagten ist daher anzunehmen, dass sich die Gemeinderäte bei Verordnungserlass ein tragfähiges Bild von der örtlichen Situation machen konnten.
1.2 Das Zulassungsvorbringen, die Verordnung vom 25. April 2016 hätte in im Gemeindegebiet erscheinenden Tageszeitungen veröffentlicht werden müssen, verkennt bereits, dass der geltend gemachte Befreiungsanspruch nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht (18.12.2018) zu beurteilen ist (vgl. UA S. 9); zu diesem Zeitpunkt war die geänderte Verordnung vom 9. Januar 2018 bereits in Kraft getreten. Abgesehen davon ist die vom Kläger angeführte Bestimmung des Art. 63 Abs. 3 BayVwVfG, die für das förmliche Verwaltungsverfahren gilt, nicht auf das Verfahren betreffend den Erlass von Verordnungen nach Art. 51 Abs. 4, 5 BayStrWG anzuwenden. Stattdessen gelten hierfür die für die amtliche Bekanntmachung kommunaler Satzungen geltenden Vorschriften entsprechend, d.h. im Regelfall erfolgt die Bekanntmachung im Amtsblatt der Gemeinde (vgl. Art. 51 Abs. 1 LStVG i.V.m. Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GO).
1.3 Keinen ernstlichen Zweifeln begegnet es auch, dass das Verwaltungsgericht seiner Bewertung der Verkehrssituation im Bereich des Grundstücks des Klägers insbesondere die Daten der Verkehrszählung 2015 zugrunde gelegt hat. Dabei handelt es sich um die im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung aktuelle Straßenverkehrszählung, deren Ergebnisse erst im August 2017 veröffentlicht wurden. Soweit der Zulassungsantrag eine deutlich höhere durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke (DTV) auf eine „Verkehrsdatenerhebung 2018“ (gemeint sind offenbar Daten aus einer „Smiley-Anlage“ im Zeitraum 15.3. bis 15.5.2018) stützt, kann er die mit der Straßenverkehrszählung 2015 erhobenen Daten nicht ernsthaft erschüttern. Die diesbezüglichen Einwendungen konnten alleine auf der Grundlage der Zulassungsbegründung und des angegriffenen Urteils (vgl. Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 180) nicht geprüft werden. Im Übrigen ergeben sich auch aus der vom Kläger zur Gerichtsakte Az. B 1 K 17.847 gegebenen Unterlagen zur Datenauswertung der „Smiley-Anlage“ (vgl. dort S. 204 ff.), die der Senat eingesehen hat, keine Anhaltspunkte dafür, dass sich seit der letzten Verkehrszählung 2015 eine erhebliche Steigerung der durchschnittlichen täglichen Verkehrsstärke ergeben hat. Wie der Kläger hieraus eine DTV von bis zu 7.070 Kraftfahrzeugen, davon bis zu 1.700 Lkw ableitet, erschließt sich dem Senat nicht. Auch der Vorhalt, als „Schwerlastverkehr“ seien nicht nur Fahrzeuge ab 12 t zugrunde zu legen, ist unberechtigt; im Rahmen der Straßenverkehrszählung 2015 wurden Kraftfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 t als „Schwerverkehr“ gewertet.
Im Übrigen handelt es sich bei der ebenfalls angegriffenen Würdigung des Erstgerichts, es sei eher anzunehmen, dass der in der Verkehrszählung 2015 enthaltene Ausweichverkehr seit der Ausweitung der Lkw-Maut auf Bundesstraßen zum 1. Juli 2018 entfällt (vgl. UA S. 11 f.), nicht um eine „rechtsfehlerhafte Vermutung“, sondern um eine sachlich nachvollziehbar begründete Wertung.
1.4 Das Zulassungsvorbringen, die erstinstanzlichen Annahmen zur Breite von Straße und Gehweg seien unzutreffend, ist ebenfalls nicht berechtigt. Das Verwaltungsgericht hat anhand der von der Beklagten übergebenen Unterlagen (vgl. insbesondere S. 172 der VG-Akte) die Breite der Fahrbahn auf ca. 7 m und diejenige des an das Grundstück des Klägers angrenzenden Gehwegs auf 1,27 m bis 1,65 m veranschlagt (vgl. UA S. 13). Diese Würdigung hat der Kläger nicht ernsthaft in Zweifel gezogen. Sein Vorbringen, die reine Fahrbahn weise dort eine Breite von nur 6,25 m auf, lässt außer Acht, dass für die Bewertung der Frage, ob ein ausreichender Sicherheitsabstand der Verpflichteten nach Art. 51 Abs. 4 und 5 BayStrWG zu den Kraftfahrzeugen gewahrt ist, die Breite des Rinnsteins mit zu berücksichtigen ist. Die gesamte Straßenbreite einschließlich Rinnsteine beträgt auch nach den Angaben des Klägers 7,15 m (vgl. S. 85 der Heftung der VG-Akte „Anlagen zur Klageschrift vom 11.9.2016). Soweit der Kläger einen Sicherheitsabstand von Fahrzeugen zu Fußgängern von 1 m als notwendig erachtet, gibt die im Zulassungsantrag angeführte Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 7. Januar 2015 (Az. 9 U 9/14 – MDR 2015, 585) hierfür nichts her; der dort zugrunde liegende Sachverhalt (Fahrbahnbreite 3,50 m, kein Gehweg, Fußgänger auf der Fahrbahn) ist mit der hier vorliegenden Verkehrssituation nicht vergleichbar. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht bei seiner Gefährdungsprognose zu Recht berücksichtigt, dass die Bundesstraße im gegenständlichen Bereich auf langer Strecke gerade und übersichtlich verläuft, sodass herannahende Fahrzeuge frühzeitig erkennbar sind (vgl. UA S. 13). Der weitere Vorhalt, es mache im Hinblick auf den gebotenen Schutz von Leben und Gesundheit des Sicherungsverpflichteten keinen Unterschied, ob nur der schmale Gehweg oder auch der Rinnstein freizuhalten seien, ist für den Senat nicht nachvollziehbar.
Die Behauptung des Klägers, die Breite des Gehwegs vor seinem Grundstück betrage an der schmalsten Stelle nur 1,10 m (vgl. Foto Anlage KB 1, S. 50 der Gerichtsakte), vermag die erstinstanzliche Annahme, die Erfüllung der Sicherungspflicht sei nicht mit unzumutbaren Gefahren verbunden, ebenfalls nicht infrage zu stellen. Wie das vom Kläger vorgelegte Foto zeigt, besteht im Bereich der schmalsten Stelle des Gehwegs die Möglichkeit, den sich neben der asphaltierten Fläche in Richtung des klägerischen Grundstücks anschließende Grünstreifen mit zu betreten.
1.5 Soweit das Verwaltungsgericht einen Anspruch des Klägers auf Befreiung von der kraft Verordnung auferlegten Reinigungs- und Sicherungspflicht nach Art. 12 Abs. 3 der Reinigungs- und Sicherungsverordnung vom 9. Januar 2018 verneint hat, zeigt der Zulassungsantrag ebenfalls keine ernstlichen Zweifel auf.
Die Abwälzbarkeit der Reinigungs- und Sicherungspflicht auf die Straßenanlieger ist nicht grenzenlos möglich, sondern steht unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit. Die Gemeinde hat dies nicht nur generalisierend bei Verordnungserlass, sondern auch im Einzelfall bei der Erteilung von Befreiungen wegen unbilliger Härte zu prüfen (vgl. BayVGH, B.v. 8.2.2011 – 8 ZB 10.1541 – BayVBl 2011, 435 = juris Rn. 19; U.v. 4.4.2007 – 8 B 05.3195 – NVwZ-RR 2008, 62 = juris Rn. 50). Die Auferlegung von Reinigungs- und Sicherungspflichten darf nicht über das hinausgehen, was einem Anlieger persönlich, insbesondere im Hinblick auf den Schutz von Leben und Gesundheit, aber auch im Hinblick auf seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit billigerweise zugemutet werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 8.2.2011 – 8 ZB 10.1541 – BayVBl 2011, 435 = juris Rn. 20; BayVerfGH, E.v. 28.3.1977 – Vf. 3-VII-76 – BayVBl 1977, 369 = juris Rn. 29). Hierher können auch Fälle gehören, in denen ein Anlieger krankheitsbedingt seinen Pflichten über einen längeren Zeitraum nicht nachkommen kann (vgl. BayVGH, U.v. 4.4.2007 – 8 B 05.3195 – NVwZ-RR 2008, 62 = juris Rn. 50). Dabei ist von Belang, ob es dem Anlieger möglich ist, die Verpflichtung durch Dritte, z.B. eine andere Person oder ein Unternehmen, wahrnehmen zu lassen (vgl. BayVGH, U.v. 29.6.1984 – 8 B 83.A.1566 – nicht veröffentlicht; Schmid in Zeitler, BayStrWG, Stand Januar 2018, Art. 51 Rn. 111).
Unter Anwendung dieser Maßstäbe ist das Zulassungsvorbringen nicht geeignet, die verwaltungsgerichtliche Würdigung ernstlich in Zweifel zu ziehen.
1.5.1 Dass ihm die Wahrnehmung der Reinigungspflicht (Art. 51 Abs. 4 BayStrWG i.V.m. §§ 4 ff. der Reinigungs- und Sicherungsverordnung) aus persönlichen Gründen unzumutbar wäre, zeigt der Kläger nicht auf. Aus den ärztlichen Attesten vom 13. Februar 2019 und 2. September 2016 ergibt sich nicht, dass er gesundheitlich nicht in der Lage wäre, den Gehweg zu kehren und von Gras und Unkraut zu befreien. Diese Arbeiten sind nicht vergleichbar mit körperlich anstrengenden Tätigkeiten wie Schneeschieben (vgl. hierzu Attest vom 13.2.2019). Soweit der Kläger behauptet, infolge der geringen Breite von Straße und Gehweg Gefährdungen ausgesetzt zu sein, kann auf die Ausführungen unter 1.4 verwiesen werden. Auch der jüngste Vorfall mit einem nicht ordnungsgemäß abgestellten Kraftfahrzeug im Juli 2019 belegt keine generell unzumutbare Gefährdungssituation bei der Wahrnehmung der Reinigungspflicht in dem gegenständlichen Straßenabschnitt.
1.5.2 Auch die Würdigung des Verwaltungsgerichts zur Zumutbarkeit der Abwälzung der Sicherungspflicht (Art. 51 Abs. 5 BayStrWG i.V.m. §§ 9 ff. der Reinigungs- und Sicherungsverordnung) stellt der Zulassungsantrag nicht infrage.
Zwar ergibt sich aus dem im Zulassungsverfahren vorgelegten ärztlichen Attest vom 13. Februar 2019, das im Zulassungsverfahren zu berücksichtigen ist (vgl. BVerwG, B.v. 11.11.2002 – 7 AV 3.02 – NVwZ 2003, 490 = juris Rn. 10 ff.; Seibert in Sodan Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 257), dass der Kläger gesundheitlich dauerhaft nicht in der Lage ist, den Gehweg von Schnee zu räumen. Allerdings zeigt der Zulassungsantrag nicht auf, dass es dem Kläger – entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts (vgl. UA S. 15) – nicht möglich wäre, sich dafür der (ggf. entgeltlichen) Hilfe Dritter zu bedienen. Soweit sich der Kläger auf seine mangelnde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit beruft, ist sein Vortrag nicht substanziiert. Der Kläger hat keinerlei Nachweise zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen erbracht, obwohl diese ohne Zweifel in seinen eigenen Lebensbereich fallen, innerhalb dem grundsätzlich keine Pflicht des Gerichts zur weiteren Sachaufklärung besteht (vgl. BVerwG, B.v. 28.6.1985 – 3 B 62.83 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 172 = juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 9.1.2018 – 8 ZB 16.2496 – juris Rn. 24; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 86 Rn. 45). Die Übertragbarkeit von Sicherungspflichten an Dritte setzt entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht voraus, dass zivilrechtliche Haftungsfragen vorab geklärt oder geregelt werden.
1.5.3 Die Wertung des Verwaltungsgerichts, die Räum- und Streupflicht sei auch nicht deshalb unzumutbar, weil der Winterdienst Schnee auf den zu räumenden Gehweg verbringt, begegnet ebenfalls keinen ernstlichen Zweifeln. Ob die Erfüllung der Räum- und Streupflicht hierdurch unzumutbar erschwert wird, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Diese hat das Verwaltungsgericht gewürdigt (§ 108 Abs. 1 VwGO). Es hat sich insbesondere darauf gestützt, dass das Gebiet um T* … nach Aussage der Vertreter des Straßenbauamts Bamberg in der mündlichen Verhandlung (vgl. S. 5 der Sitzungsniederschrift vom 18.12.2018), nicht zu den schneereichen Gebieten im Einsatzbereich der Behörde gehört (vgl. S. 12 UA). Alleine aus einem vollflächigen Zuschütten des Gehwegs durch den Räumdienst, auf den sich der Kläger beruft, lässt sich eine Unzumutbarkeit seiner Sicherungspflicht nicht herleiten. Zusätzliche gravierende Erschwernisse, z.B. dass der Gehsteig nur durch Verbringung des Schnees auf die Fahrbahn zu räumen wäre mit der Folge, dass er durch dieselben Schneemassen immer wieder zugeschüttet würde (vgl. hierzu Schmid in Zeitler, BayStrWG, Art. 51 Rn. 112; Edhofer/Willmitzer, BayStrWG, 14. Aufl. 2013, Art. 51 Anm. 4.2), sind weder dargelegt noch sonst erkennbar.
2. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung liegt nur dann vor, wenn die im Zulassungsantrag dargelegte Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung der Vorinstanz von Bedeutung war, für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich ist, bisher höchstrichterlich oder durch die Rechtsprechung des Berufungsgerichts nicht geklärt ist und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist (vgl. BayVGH, B.v. 3.8.2017 – 8 ZB 15.2642 – juris Rn. 29; vgl. auch Happ in Eyermann, VwGO, § 124 Rn. 36). Der Rechtsmittelführer muss daher eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren und darlegen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich (klärungsfähig) und klärungsbedürftig ist, sowie aufzeigen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 3.8.2017 – 8 ZB 15.2642 – juris Rn. 29; B.v. 14.5.2014 – 14 ZB 13.2658 – juris Rn. 18).
Diesen Anforderungen wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht. Der Kläger hat keine Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert, deren grundsätzliche Bedeutung geklärt werden könnte. Die Frage, ob dem Kläger die Reinigungs- und Sicherungspflicht aufgrund der örtlichen Verhältnisse (Verkehrssituation, Krankheit, Schneebelastung) und im Hinblick auf seine wirtschaftlichen Verhältnisse zuzumuten ist, ist eine solche des Einzelfalls und damit einer allgemeingültigen Klärung im Berufungsverfahren nicht zugänglich. Die angeführten Haftungsfragen im Falle der Beauftragung Dritter mit Schneeräumdiensten sind nicht entscheidungserheblich.
3. Die Zulassung der Berufung wegen eines Verfahrensmangels, auf dem das Ersturteil beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), scheidet ebenfalls aus.
3.1. Die vom Zulassungsantrag gerügten Verstöße gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) liegen nicht vor.
Eine erfolgreiche Anhörungsrüge erfordert nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die substanziierte Darlegung, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Ausgangsgerichts aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich oder geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des Ausgangsgerichts zu einer für den Rechtsmittelführer günstigeren Entscheidung hätten führen können (vgl. BVerwG, U.v. 31.5.2017 – 6 C 42.16 – BVerwGE 159, 64 = juris Rn. 31; U.v. 26.4.2018 – 5 C 4.17 – ZBR 2018, 340 = juris Rn. 25). Bei anwaltlich vertretenen Beteiligten ist zudem aufzuzeigen, dass entsprechende Beweisanträge erstinstanzlich gestellt wurden oder warum sich dem Ausgangsgericht die weitere Aufklärung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen; letzteres entfällt hier mangels anwaltlicher Vertretung des Klägers vor dem Verwaltungsgericht (vgl. BVerwG, B.v. 22.1.1999 – 6 B 128.98 – juris Rn. 11; B.v. 27.8.1997 – 9 B 312.97 – Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 89 = juris Rn. 8).
Den aufgezeigten Erfordernissen genügt das Zulassungsvorbringen nicht. Der Zulassungsantrag zeigt nicht schlüssig auf, dass das Verwaltungsgericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung Anlass zur weiteren Aufklärung hätte sehen müssen.
3.1.1 Das Verwaltungsgericht war nicht gehalten, weiter aufzuklären, ob den Gemeinderatsmitgliedern die verkehrliche Situation am T* … … bekannt war. Das Verwaltungsgericht hat dies nicht pauschal unterstellt, sondern hat seine Wertung u.a. darauf gestützt, dass die dortige verkehrliche Situation seit längerer Zeit Inhalt verschiedenster Beschwerden und Diskussionen war (vgl. oben unter 1.1).
3.1.2 Die Aussage des ersten Bürgermeisters der Beklagten, wonach im Gemeindegebiet an weiteren Straßen mit noch höherer Verkehrsbelastung eine ähnliche Situation wie an der B … vorliege (vgl. UA S. 11), hat das Verwaltungsgericht nicht „ungeprüft übernommen“. Vielmehr wird die nachvollziehbar dargestellte Situation im Gemeindegebiet auch durch die Daten der Verkehrszählung 2015 belegt, die das Ersturteil auszugsweise aufführt. Hieraus ergeben sich für die Straßenabschnitte „W* …“ und „W* …“ (vgl. UA S. 11) deutlich höhere durchschnittliche tägliche Verkehrsstärken für Kraftfahrzeuge.
3.1.3 Die im August 2017 veröffentlichten Ergebnisse aus der Straßenverkehrszählung 2015 waren im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Erstgericht (18.12.2018) hinreichend aktuell. Wie der Kläger aus den Daten der zeitweise installierten „Smiley-Anlage“ eine deutlich höhere durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke (bis zu 7.070 Kfz bzw. 1.700 Lkw) ableitet, erschließt sich dem Senat nicht (vgl. bereits unter 1.3). Somit bestand für das Ausgangsgericht kein Anlass, ein Sachverständigengutachten zur Messung der Verkehrsdichte einzuholen.
3.1.4 Auch zur Straßen- und Gehwegbreite an der B … im Bereich des klägerischen Anwesens bestand aus den unter 1.4 dargelegten Gründen kein weiterer Aufklärungsbedarf am Maßstab des § 86 Abs. 1 VwGO.
3.1.5 Soweit der Kläger eine weitere Aufklärung des Ausmaßes der Geschwindigkeitsüberschreitungen im Bereich seines Anwesens verlangt und die von der Beklagten hierzu eingeholte Auskunft des Polizeipräsidiums Oberfranken, auf die sich das Erstgericht bezieht (vgl. UA S. 13), infrage stellt, zeigt er nicht auf, wie dies die Gefährdungsprognose für die Sicherungspflicht entscheidungserheblich verändern sollte; immerhin stellte das Verwaltungsgericht fest, dass sich der betreffende Straßenabschnitt auf einer geraden langen Strecke mit übersichtlichem Straßenverlauf befindet, sodass herannahende Fahrzeuge frühzeitig erkennbar sind (vgl. S. 13 UA).
3.2 Der gerügte Verstoß gegen das rechtliche Gehör wegen Verletzung der gerichtlichen Hinweispflicht nach § 86 Abs. 3 VwGO liegt ebenfalls nicht vor.
Nach dieser Vorschrift hat der Vorsitzende darauf hinzuwirken, dass alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden. Diese Hinweispflicht konkretisiert den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs und zielt mit dieser Funktion insbesondere auf die Vermeidung von Überraschungsentscheidungen (vgl. BVerwG, B.v. 31.7.2018 – 4 BN 41.17 – juris Rn. 19; U.v. 11.11.1970 – IV C 49.68 – BVerwGE 36, 264 = juris Rn. 29).
3.2.1 Soweit der Kläger rügt, das Verwaltungsgericht hätte ihn – auch im Hinblick auf das gerichtliche Schreiben vom 13. April 2017 – darauf hinweisen müssen, dass weitere Angaben zu seinem Gesundheitszustand und seinen wirtschaftlichen Verhältnissen notwendig seien, missversteht er die Reichweite des § 86 Abs. 3 VwGO. Die Vorschrift vermittelt keinen Anspruch, vom Gericht zu seinem Prozessziel geleitet zu werden. Durch sie soll verhindert werden, dass die Durchsetzung von Rechten an der Unerfahrenheit, Unbeholfenheit oder mangelnden Rechtskenntnis eines Beteiligten scheitert. Hinweise sind vor allem dann geboten, wenn ein Beteiligter erkennbar von falschen Tatsachen ausgeht und es deshalb unterlässt, das vorzutragen, was für seine Rechtsverfolgung notwendig wäre. Die Pflicht, die § 86 Abs. 3 VwGO begründet, darf indessen nicht mit Rechtsberatung verwechselt werden (vgl. BVerwG, B.v. 23.10.2008 – 4 B 30.08 – BauR 2009, 233 = juris Rn. 14; B.v. 6.7.2001 – 4 B 50.01 – juris Rn. 11). Auch wenn die Hinweispflicht gegenüber einem nicht anwaltlich vertretenen Beteiligten weitergehender ist als gegenüber einer durch einen Rechtsanwalt vertretenen Partei, findet sie ihre Grenzen in der richterlichen Neutralitätspflicht gegenüber allen Prozessbeteiligten (vgl. BVerwG, B.v. 29.9.1995 – 11 B 134.95 – juris Rn. 2; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, § 86 Rn. 85). Unter Anwendung dieser Maßstäbe war das Verwaltungsgericht vorliegend nicht verpflichtet, den Kläger ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass sein vorgelegtes Attest vom 2. September 2016 seinem Klagebegehren nicht zum Erfolg verhelfen wird bzw. dass er substanziiert darlegen bzw. nachweisen müsse, zur Beauftragung eines Dritten zur Wahrnehmung der Räumpflicht finanziell nicht in der Lage zu sein. Im Übrigen legt das Zulassungsvorbringen nahe, dass der Kläger ohnehin nicht willens war, die aus seiner Sicht vertraulichen Angaben hierzu in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht zu konkretisieren (vgl. Schriftsatz vom 14.3.2019 S. 13).
3.2.2 Auch hinsichtlich der richterlichen Hinweispflicht zur Stellung eines sachdienlichen Klageantrags ist kein Verfahrensfehler erkennbar, auf dem das Ersturteil beruhen kann. Das klägerische Vorbringen, das Erstgericht habe ihn in der mündlichen Verhandlung dazu gedrängt, die seinem Klagebegehren (Erteilung einer Befreiung nach § 12 Abs. 3 der Reinigungs- und Sicherungsverordnung) entsprechende Versagungsgegenklage zugunsten eines Feststellungsantrags fallenzulassen, zeigt nicht auf, inwiefern dies entscheidungserheblich gewesen sein könnte. Denn das Verwaltungsgericht hat – ungeachtet des Feststellungsantrags – in der Sache entschieden, dass dem Kläger ein solcher Befreiungsanspruch nicht zusteht (vgl. UA S. 8, 13 ff.).
3.3 Der Vorwurf des Klägers, das Verwaltungsgericht habe das Urteil wohl schon vor der mündlichen Verhandlung „vorgefertigt“, entbehrt einer Grundlage. Dass der Urteilstenor, der auch von den ehrenamtlichen Richtern zu unterzeichnen ist (vgl. § 117 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO), noch am Verhandlungstag bei der Geschäftsstelle niedergelegt wurde, belegt dies nicht. Im Übrigen hätte das Verwaltungsgericht das Urteil genauso – was der gesetzliche Regelfall ist (§ 116 Abs. 1 Satz 1 VwGO) – unmittelbar im Verhandlungstermin verkünden können.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG; sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben wurden.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben