Verwaltungsrecht

Unstatthafter Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung bei Vollstreckungsandrohungen mit fix bestimmtem Fristablauf

Aktenzeichen  AN 11 S 16.01316

Datum:
25.8.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, Abs. 5
BayVwZVG BayVwZVG Art. 21a, Art. 36 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

Eine mit einer datumsmäßig bestimmten Frist verbundene Zwangsgeldandrohung erledigt sich ohne rechtswidrig zu werden, wenn die Frist wegen der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der Grundverpflichtung abläuft, ohne dass innerhalb der Frist eine Verpflichtung bestand. Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist dann unstatthaft. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Beteiligten streiten im gegenständlichen Verfahren im Wege des Eilrechtsschutzes über einen vom Antragstellerbevollmächtigten als solchen bezeichneten Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf „Feststellung der aufschiebenden Wirkung“ im Rahmen einer Anfechtungsklage gegen einen abfallrechtlichen Beseitigungsbescheid.
Mit Schreiben vom 2. Juni 2016 erhielt die Antragsgegnerin Kenntnis von Ermittlungen der Polizeiinspektion … im Rahmen eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens gegen den Antragsteller wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das KrWG. Im Rahmen einer Ortseinsicht am 9. Mai 2016 vor dem Anwesen … in … stellten Polizeibeamte der PI … fest, dass auf dem Innenhof dieses Anwesens ein Kfz der Marke Opel Kadett Caravan mit entstempelten Kennzeichen abgestellt war. Gemäß den Plaketten für Hauptuntersuchung und Abgasuntersuchung auf den entstempelten Kennzeichen, war deren Gültigkeit bereits im Oktober 2011 abgelaufen. Als letzter Halter wurde der Antragsteller ermittelt. Im Nachgang stellte sich heraus, dass die Zulassung für dieses Fahrzeug am … 2012 abgelaufen war. Die gefertigten Lichtbilder zeigen ein an einigen Stellen schon stark verrostetes Fahrzeug, unterhalb dessen sich bereits (auf dem ansonsten weitestgehend unbewachsenen Innenhof) Moos gebildet hatte. Ein späterer Abgleich mit einer bereits am 8. Juni 2014 gemachten Luftbildaufnahme des Anwesens ergab, dass das Kfz anscheinend seit Jahren nicht bewegt wurde. Die Zeugenbefragung eines im selben Anwesen wohnenden Anwohners (Herr …) ergab, dass das Auto seit dreieinhalb Jahren nicht mehr bewegt und im Innenhof abgestellt worden sei.
Mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 14. Juni 2016 – dem Antragsteller zugestellt am 17. Juni 2016 – wurden gegenüber dem Antragsteller folgende Anordnungen tenoriert:
1. Sie werden verpflichtet, den auf dem Grundstück Flurnummer … der Gemarkung … gelagerten, in der Begründung dieses Bescheides näher beschriebenen Abfall ordnungsgemäß zu entsorgen.
2. Über den Verbleib des Abfalls ist dem Umweltamt der in der Begründung dieses Bescheides angegebene Nachweis vorzulegen.
3. Zur Erfüllung der Verpflichtungen nach Nr. 1 werden folgende Fristen gewährt:
15. Juli 2016.
4. Zur Erfüllung der Verpflichtungen nach Nr. 2 werden folgende Fristen gewährt:
29. Juli 2016
5. Für den Fall, dass die Verpflichtung aus Nr. 1 nicht oder nicht vollständig innerhalb der in Nr. 3 genannten Fristen erfüllt wird, wird ein Zwangsgeld in Höhe von 300,00 EUR angedroht.
6. Für den Fall, dass die Verpflichtung aus Nr. 2 nicht oder nicht vollständig innerhalb der in Nr. 4 genannten Frist erfüllt wird, wird ein Zwangsgeld in Höhe von 100,00 EUR angedroht.
7. Sie haben die Kosten dieses Bescheides zu tragen. Für diesen Bescheid wird eine Gebühr in Höhe von 100,00 EUR festgesetzt. An Auslagen sind 3,45 EUR angefallen.
Ein Sofortvollzug wurde nicht angeordnet. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Begründung des Bescheids Bezug genommen.
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 15. Juli 2016 ließ der Antragsteller Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin erheben und beantragt, diesen Bescheid aufzuheben. Mit undatiertem Schriftsatz – hier eingegangen am 15. Juli 2016 – beantragt der Antragsteller wörtlich,
Es wird festgestellt, dass die anhängige Klage des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 14. Juni 2016 aufschiebende Wirkung entfaltet.
Zur Begründung ist unter anderem ausgeführt, die aufschiebende Wirkung sei in entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO anzuordnen, da ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides der Antragsgegnerin bestünden und die sofortige Vollziehung eine unbillige Härte für den Antragsteller hätte. Die ernsthaften Zweifel wurden in der Folge im Wesentlichen mit den Erfolgsaussichten der Hauptsache begründet. Die sofortige Vollziehung des Bescheides der Antragsgegnerin, insbesondere der Ziffern 1-6, stelle eine unbillige Härte für den Antragsteller dar. Im Falle des Obsiegens des Antragstellers in der Hauptsache, sei das Ergebnis für den Antragsteller ohne Wert, da er bei Erfüllung der Ziffer 1 und 2 des Bescheids bereits sein Fahrzeug als Abfall verwertet hätte und diese Handlung nicht umkehrbar sei. Der Antragsteller sei daher gezwungen sein Eigentum aufgrund eines rechtswidrigen Verwaltungsakts vernichten zu müssen, was unbillig sei.
Auf Nachfrage des Gerichts, worauf sich der Antrag genau beziehe, führte die Antragstellerseite mit Schriftsatz vom 18. August 2016 aus, der streitgegenständliche Bescheid müsse vorliegend mittels Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO vor allem mit Blick auf die Ziffern 1, 5 und 6 des gegenständlichen Bescheids angegriffen werden. Bei der vorliegenden Anordnung des Zwangsgeldes in Ziffern 5 und 6 handele es sich um Maßnahmen der Zwangsvollstreckung. Rechtsbehelfe hätten nach Art. 21a BayVwZVG keine aufschiebende Wirkung, was im Gegensatz zu § 80 Abs. 1 VwGO stehe. Das bedeute, dass der Bescheid vom Antragsteller auch dann befolgt werden müsse, wenn er mit einer Klage angegriffen werde. Würde der Antragsteller die Forderung aus Ziffer 1 des Bescheids befolgen, um die Zahlung von Zwangsgeldern nach Ziffer 5 des Bescheids zu verhindern, wäre die Klage in der Hauptsache für den Kläger sinnlos, da er sein Ziel, sein Fahrzeug behalten zu dürfen, nicht mehr erreichen könne. Andernfalls wäre der Antragsteller verpflichtet, ungerechtfertigte Zwangsgeldforderungen der Antragsgegnerin zu begleichen und damit zumindest vorübergehende Vermögenseinbußen zu erleiden. Der Antragsteller werde daher bereits durch die Androhung des Zwangsgeldes mindestens in seinem Recht aus Art. 2 GG verletzt. Aus diesem Grund sei die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 VwGO beantragt worden. Da Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides die Grundlage für die Ziffern 5 und 6 neben der Zwangsgeldandrohung des Bescheids schaffe, müsse diesseits der Bescheid mittels Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO vor allem mit Blick auf die Ziffern 1, 5 und 6 angegriffen werden.
Mit Schriftsatz vom 10. August 2016 beantragte die Antragsgegnerin, den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung ist ausgeführt, der Feststellungsantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO sei unzulässig. Die Klage habe nach § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung, weil die sofortige Vollziehung des Bescheides nicht angeordnet worden sei. Die sei eindeutig und dürfte im Übrigen auch unstreitig sein. Auch die Rechtsbehelfsbelehrung sei zutreffend. Lediglich die „Hinweise zur Rechtsbehelfsbelehrung“ träfen nicht vollständig zu. Allerdings könne von einem Rechtsanwalt erwartet werden, dass er erkenne, welche rechtlichen Maßnahmen erforderlich seien, um die Rechte seines Mandanten zu wahren und dass er keine Maßnahmen einleite, die objektiv nicht erforderlich seien. Immerhin habe er vor Erhebung der Klage und dem Feststellungsantrag Akteneinsicht genommen und hätte auf die Unklarheit hinweisen können.
Im Übrigen wird auf den Akteninhalt und insbesondere auf die gegenständlichen Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist bereits unzulässig. Trotz Aufforderung zur Präzisierung des Antragsbegehrens hat der Bevollmächtigte des Antragstellers diesen nicht explizit auf einzelne Ziffern des streitgegenständlichen Bescheids vom 14. Juli 2016 begrenzt. Vielmehr wurde lediglich ausgeführt, dass der Antrag „vor allem“ auf die Ziffern 1, 5 und 6 abziele. Eine Eingrenzung kann dem nicht entnommen werden, so dass davon auszugehen ist, dass der Antrag sich auf sämtliche Regelungsgegenstände des Bescheids bezieht. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist jedoch bezüglich der meisten Ziffern des streitgegenständlichen Bescheids bereits unstatthaft, weshalb der Antrag als unzulässig abzulehnen ist.
a) Im Hinblick auf die Regelungen unter Ziffern 1, 2, 3 und 4 des streitgegenständlichen Bescheides, in denen die Beseitigungspflicht, eine Nachweispflicht und – soweit man darin überhaupt eigenständige Regelungen sehen will – Fristsetzungen für die Erfüllung der Pflichten aus Ziffern 1 und 2 angeordnet werden, ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung unstatthaft, da insofern mangels Anordnung eines Sofortvollzuges nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO die aufschiebende Wirkung bereits durch Einlegung der Anfechtungsklage nach § 80 Abs. 1 VwGO eingetreten ist. Damit sind sämtliche Regelungswirkungen dieser Ziffern bis zur Entscheidung über die Klage suspendiert.
b) Im Hinblick auf die Zwangsgeldandrohungen unter Ziffern 5 und 6 des streitgegenständlichen Bescheids entfaltet die Anfechtungsklage nach § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO und Art. 21a BayVwZVG jedoch keine aufschiebende Wirkung. Insofern wäre ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung zumindest prinzipiell statthaft. Dabei übersieht die Antragstellerseite jedoch, dass der Bescheid der Antragsgegnerin unter Ziffern 3 und 4 eine zeitlich fixe Frist zur Erfüllung der entsprechenden Handlungen nach Art. 36 Abs. 1 Satz 2 BayVwZVG enthält. Diese Frist ist mittlerweile zeitlich überholt und kann damit ihre Funktion, dem Betroffenen die freiwillige Möglichkeit der Befolgung einzuräumen und ihm eine Möglichkeit der Abwendung der Vollstreckung zu geben, nicht mehr erfüllen. Insofern ist nämlich zu beachten, dass aufgrund des Suspensiveffektes der Anfechtungsklage bezüglich der Grundverpflichtungen unter Ziffern 1 und 2 gar keine Verpflichtungen innerhalb der Frist bestanden. Es entspricht in solchen Konstellationen die obergerichtliche Rechtsprechung, dass sich eine solche Zwangsmittelandrohung erledigt, ohne jedoch rechtswidrig zu werden, wenn die gesetzte Frist zeitlich überholt wird (BayVGH v. 21.08.2006 – 24 CS 06.1945 – Rn. 85 m. w. N. = juris; OVG Weimar v. 28.09.2000 – 3 KO 700/99 – Rn. 56 = NVwZ-RR 2001, 507). Mangels noch wirksamer Regelungen sind diesbezügliche Anträge unstatthaft.
c) Im Hinblick auf die schließlich verbliebene Kostenentscheidung unter Ziffer 7 des Bescheids braucht das Gericht hier nicht zu entscheiden, ob eine solche „unselbstständige Kostenentscheidung“ unter den Tatbestand des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO fällt oder ob hierunter nur solche Streitigkeiten fallen, bei denen die Anforderung von Kosten die Hauptsache („selbstständige Kostenentscheidung“) darstellt (vgl. OVG Koblenz v. 25.06.2003 – 12 B 10792/03 = NVwZ-RR 2004, 157; VGH Mannheim v. 19.04.2004 – 2 S 340/04 – Rn. 8 ff. = VBlBW 2004, 352). Denn jedenfalls steht einer Entscheidung in der Sache das besondere Zulässigkeitserfordernis des § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO entgegen. Der Antragssteller hat vor Stellung seines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO vor Gericht keinen entsprechenden Antrag bei der Antragsgegnerin gestellt. Auch diesbezüglich ist damit der hier gestellte Antrag unzulässig.
Die Kostenentscheidung folgt § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts in Höhe der Hälfte des für das Klageverfahren relevanten Betrags fußt auf § 52 Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs.


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