Verwaltungsrecht

Verhältnismäßigkeit von Erzwingungshaft auch bei sehr geringen Restbeträgen

Aktenzeichen  4 Qs 18/19

Datum:
21.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 42612
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Deggendorf
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
OWiG § 46 Abs. 1, § 96 Abs. 1 Nr. 2, § 97 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Die Anordnung von Erzwingungshaft ist zulässig, auch wenn die Geldbuße nur noch gering (1,14 €) ist. (Rn. 5)
2. Ein Antrag §§ 23 EGGVG ist erst nach Einlegung einer Vorschaltbeschwerde nach § 21 StVollStrO zulässig und kann nicht durch einfache E-Mail gestellt werden.

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen den Erzwingungshaftanordnungsbeschluss des Amtsgerichts Viechtach vom 26.02.2019 wird kostenfällig zurückgewiesen.

Gründe

Mit Bußgeldbescheid vorn 18.01.2018, Az. D-8098-150119-17/9, wurde gegen den Betroffenen wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit – Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften – eine Geldbuße in Höhe von 25 EUR festgesetzt. Der hier-gegen eingelegte Einspruch des Betroffenen wurde mit Urteil des Amtsgerichts München vom 10.04.2018 verworfen. Der Bußgeldbescheid ist seit dem 24.04.2018 rechtskräftig. Unter dem 30.01.2019 beantragte die Zentrale Bußgeldstelle im Bayerischen Polizeiverwaltungsamt (ZBS) die Anordnung von Erzwingungshaft gegen den Betroffenen. Der Betroffene erhielt schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme. Mit Beschluss vom 26.02.2019 ordnete das Amtsgericht Viechtach gegen den Betroffenen 1 Tag Erzwingungshaft an; der Beschluss wurde dem Betroffenen am 01.03.2019 zugestellt. Mit Telefax vom 06.03.2019 legte der Betroffene Beschwerde gegen den Anordnungsbeschluss ein und verwies darauf, dass die Geldbuße mittlerweile bezahlt worden sei. Am 11.03.2019 ging bei der ZBS eine Teilzahlung in Höhe von 20 EUR ein.
Nach Abgabe des Verfahrens an das Beschwerdegericht wurde dem Betroffenen mit Schreiben vom 19.03.2019 erneut Gelegenheit gegeben, die noch ausstehende Geldbuße in Höhe von 5 EUR zu begleichen. Am 02.04.2019 ging eine weitere Teilzahlung über 3,86 EUR ein. Der Betroffene wurde Unter dem 09.04.2019 erneut angeschrieben und zur vollständigen Begleichung der Geldbuße bis 26.04.2019 aufgefordert. Weitere Zahlungseingänge waren nicht zu verzeichnen.
Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene, Beschwerde des Betroffenen bleibt in der Sache ohne Erfolg.
1. Die angefochtene Entscheidung entspricht der Sach- und Rechtslage. Der Betroffene hat vorliegend bereits nicht im Sinne von § 96 Abs. 1 Nr. 2 OWiG dargetan, dass er zur Zahlung der offenen Geldbuße nicht in der Lage wäre. Der Betroffene hat vielmehr Zahlungen in Höhe von insgesamt 23,86 EUR auf die Geldbuße in Höhe von 25 EUR geleistet. Soweit ein letzter Teilbetrag in Höhe von 1,14 EUR durch den Betroffenen nicht beglichen wird, kann dies angesichts der Höhe der noch offenen Forderung nur mit Zahlungsunwilligkeit erklärt werden.
2. Eine Aufhebung des Erzwingungshaftbeschlusses ist vorliegend auch nicht unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten geboten. Der Betroffene eines Bußgeldbescheides ist grundsätzlich verpflichtet, das Bußgeld vollständig zu bezahlen. Zahlungserleichterungen sind denkbar, wenn und soweit der Betroffene darlegt und durch Vorlage geeigneter Unterlagen nachweist, dass er aus wirtschaftlichen Gründen nicht in der Lage ist, die Geldbuße sofort zu bezahlen. Dem Betroffenen wurde vorliegend noch durch das Beschwerdegericht unter ausdrücklichem Hinweis auf entstehende Verfahrenskosten im Falle der Zurückweisung der Beschwerde über einen Zeitraum von 2 Monaten Gelegenheit gegeben, den Fehlbetrag in Höhe von 5 EUR nachzuentrichten; der Betroffene hat ohne Angabe von Gründen lediglich weitere 3,86 EUR bezahlt. Soweit man die Anordnung der Erzwingungshaft bei nachdrücklicher Zahlungsverweigerung ohne Darlegung wirtschaftlicher Umstände für unverhältnismäßig erachten würde, auch wenn ein vergleichsweiser geringer Restbetrag zur Zahlung offen ist, würde dies letztlich dazu führen, dass Betroffene sanktionslos den Betrag der Geldbuße eigenmächtig kürzen könnten.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 46 Abs. 1 OWiG, § 473 Abs. 1 S. 1 StPO.
Durch vollständige Begleichung der Geldbuße kann die Vollstreckung der Erzwingungshaft jeder-zeit abgewendet werden, § 97 Abs. 2 OWiG.


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