Verwaltungsrecht

Verjährung des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs

Aktenzeichen  M 19 M 19.820

Datum:
19.6.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 35833
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 197 Abs. 1 Nr. 3
VwGO § 151, § 164, § 165, § 173
ZPO §§ 103 ff.

 

Leitsatz

1. Materiellrechtliche Einwände gegen den Kostenerstattungsanspruch sind im Kostenfestsetzungsverfahren ausnahmsweise zu berücksichtigen, wenn sie keine Tatsachenaufklärung erfordern und sich mit den im Kostenfestsetzungsverfahren zur Verfügung stehenden Mitteln ohne weiteres klären lassen. Dies kann bei dem Einwand der Verjährung der Fall sein (ebenso BGH, Beck RS 2006, 5024). (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Verjährungsfrist des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs aufgrund einer rechtskräftigen Kostengrundentscheidung beträgt 30 Jahre (§ 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB9.  Eine in diesem Sinne rechtskräftige Feststellung liegt nicht erst vor, wenn der Schuldner zu einer bezifferten Zahlung oder zu einer bestimmten Leistung verurteilt worden ist; es genügt vielmehr ein Urteil oder eine andere Entscheidung, die seine Leistungspflicht rechtskräftig feststellt. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Kostenerinnerung wird zurückgewiesen.
II. Die Erinnerungsführerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Die ursprüngliche Klägerin (hier: Erinnerungsführerin) wendet sich gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 10. Januar 2019.
Die Erinnerungsführerin hat in dem zugrunde liegenden Verfahren M 8 K 12.4871 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben und die Aufhebung eine Genehmigungsbescheids bzgl. einer Baumfällung beantragt. Mit Schreiben vom 29. April 2013 nahm die Klägerin (Erinnerungsführerin) ihre Klage zurück. Das Verfahren wurde mit Beschluss vom 30. April 2013 eingestellt und die Kosten des Verfahrens der Klägerin auferlegt.
Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 19. Dezember 2018 beantragte die damalige Beklagte die Festsetzung einer Pauschale für ein Entgelt für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen in Höhe von 20,00 EUR nach Nr. 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10. Januar 2019 setzte der Urkundsbeamte die dem Beklagten entstandenen notwendigen Aufwendungen antragsgemäß auf insgesamt 20,00 EUR fest.
Mit am 15. Januar 2019 beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingegangenem Schreiben beantragte die Erinnerungsführerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10. Januar 2019
eine gerichtliche Entscheidung.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass das Verfahren im Jahr 2013 beendet worden sei und deshalb gebührenrechtlich bereits Verjährung eingetreten sei.
Die Erinnerungsgegnerin beantragte mit am 5. März 2019 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz der Sache nach,
die Erinnerung zurückzuweisen.
Zur Begründung wurde vorgetragen, dass der geltend gemachte Anspruch der dreißigjährigen Verjährung nach § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB unterliege.
Der Urkundsbeamte des Verwaltungsgerichts hat der Erinnerung nicht abgeholfen und die Streitsache dem Gericht zur Entscheidung vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten dieses Verfahrens und des Verfahrens M 8 K 12.4871 Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 VwGO).
II.
Die Kostenerinnerung (§ 165 VwGO i.V.m. § 151 VwGO) ist zulässig, bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.
Die Entscheidung über die Kostenerinnerung erfolgt durch den Berichterstatter als Einzelrichter, da die insoweit maßgebliche Kostenlastentscheidung in der Hauptsache ebenfalls durch den Einzelrichter getroffen worden war und das Gericht über die Erinnerung gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss grundsätzlich in der Besetzung entscheidet, in der die zugrunde liegende Kostenentscheidung getroffen worden ist (vgl. Kaufmann in BeckOK, VwGO, 47. Edition, Stand: 1.7.2018, § 151 Rn. 2).
Im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens gemäß §§ 164, 173 VwGO i.V.m. §§ 103 ff. ZPO werden auf Antrag durch Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten des ersten Rechtszugs die zwischen den Beteiligten des Rechtsstreits untereinander zu erstattenden Kosten festgesetzt (§ 164 VwGO). Die im Kostenfestsetzungsverfahren gemäß §§ 164, 173 VwGO i.V.m. §§ 103 ff. ZPO zu erstattenden Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
Hiervon wird – das wird durch die Erinnerungsführerin auch nicht bestritten – die Pauschale für ein Entgelt für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen in Höhe von 20,00 EUR nach Nr. 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz erfasst.
Die Erinnerungsführerin erhebt allerdings die Einrede der Verjährung. Diese Einrede ist ein materiell-rechtlicher Einwand gegen den mit dem Kostenfestsetzungsantrag geltend gemachten prozessualen Kostenerstattungsanspruch. Materiellrechtliche Einwände gegen den Kostenerstattungsanspruch sind im Kostenfestsetzungsverfahren zwar grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Ausnahmsweise ist dies allerdings anders bei solchen materiell-rechtlichen Einwänden – wie hier dem Einwand der Verjährung -, die keine Tatsachenaufklärung erfordern und sich mit den im Kostenfestsetzungsverfahren zur Verfügung stehenden Mitteln ohne weiteres klären lassen (vgl. BGH, B.v. 23.3.2006 – V ZB 189/05 – juris Rn. 4).
Nach im Ergebnis einhelliger Ansicht verjährt der prozessualer Kostenerstattungsanspruch – anders als materielle Kostenerstattungsansprüche – entgegen der Ansicht der Erinnerungsführerin nicht bereits nach drei Jahren (§ 195 BGB), sondern nach 30 Jahren (§ 197 Nr. 3 BGB). Der Kostenerstattungsanspruch wird im Sinne von § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB rechtskräftig festgestellt. Eine in diesem Sinne rechtskräftige Feststellung liegt nicht erst vor, wenn der Schuldner zu einer bezifferten Zahlung oder zu einer bestimmten anderen Leistung verurteilt worden ist; es genügt ein Urteil oder eine andere Entscheidung, die seine Leistungspflicht rechtskräftig feststellt (vgl. zum Ganzen BGH, B.v. 23.3.2006 – V ZB 189/05 – juris Rn. 5 ff.).
Der Erstattungsanspruch ist auch nicht verwirkt. Zwar ist der Rechtsgedanke der Verwirkung als Unterfall des Grundsatzes von Treu und Glauben auch im öffentlichen Recht anwendbar. Für die Annahme der Verwirkung genügt aber – anders als für den Eintritt der Verjährung – nicht der bloße Zeitablauf. Vielmehr setzt sie zusätzlich ein bestimmtes Verhalten des Berechtigten voraus, das geeignet ist, beim Verpflichteten die Vorstellung zu begründen, das Recht werde nicht mehr geltend gemacht werden. Außerdem wird eine Verletzung oder Gefährdung berechtigter Interessen des anderen Teils gefordert, etwa weil dieser sich auf die vom Berechtigten erweckte Erwartung, das Recht werde nicht mehr geltend gemacht, einrichten durfte und eingerichtet hat.
Vorliegend fehlt es sowohl an einem bestimmten Verhalten der Beklagten, das geeignet war, bei dem Kläger die Vorstellung zu begründen, die Beklagte werde den weiteren Erstattungsanspruch nicht mehr erheben, als auch an der Verletzung oder Gefährdung berechtigter Interessen des Klägers.
Nach alledem war die Erinnerung zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei (§ 66 Abs. 8 Satz 1 GKG).


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