Verwaltungsrecht

Verlustfeststellung bei fehlender Freizügigkeit

Aktenzeichen  B 4 K 15.272

Datum:
12.10.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FreizügG/EU FreizügG/EU § 2 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 1a, § 3 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 5 Abs. 4 S. 1

 

Leitsatz

Eine Freizügigkeitsberechtigung als Arbeitssuchender setzt voraus, dass der Unionsbürger sich ernsthaft nach einem Arbeitsplatz bemüht und die Termine bei der Arbeitsagentur wahrnimmt. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Über die Klagen konnte auch in Abwesenheit der Kläger verhandelt und entschieden werden, weil in der Ladung vom 30.09.2016 darauf hingewiesen worden war (§ 102 Abs. 2 VwGO).
2. Die als Anfechtungsklagen zulässigen Klagen sind unbegründet, weil der angefochtene Bescheid vom 08.04.2015 rechtmäßig ist und die Kläger nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 FreizügG/EU kann der Verlust des Rechtes nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU festgestellt werden, wenn die Voraussetzungen dieses Rechts innerhalb von fünf Jahren nach Begründung des ständigen rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet entfallen sind oder nicht vorliegen. Gemäß § 2 Abs. 1 FreizügG/EU haben freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und ihre Familienangehörigen (§ 3 FreizügG) das Recht auf Einreise und Aufenthalt nach Maßgabe dieses Gesetzes.
Die Klägerin zu 1 erfüllt keinen der in Betracht kommenden Freizügigkeitsberechtigungstatbestände.
Sie hält sich nicht als Arbeitnehmerin in Deutschland auf (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU), sondern bezieht auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, wie sich aus dem Bescheid des Jobcenters … vom 10.10.2016 ergibt, in vollem Umfang öffentliche Leistungen nach dem SGB II.
Für den Freizügigkeitsberechtigungstatbestand der Arbeitsuche gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU ist nichts vorgetragen. Nach Angaben des Jobcenters … hat die Klägerin während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet nicht aktiv Arbeit gesucht. Gegen eine ernsthafte Arbeitssuche spricht auch, dass sie ihre letzten zwei Termine bei dem für sie zuständigen Arbeitsvermittler nicht wahrgenommen hat.
Seit der Trennung von ihrem Ehemann im August 2014 kann sie sich nicht mehr auf ein von ihm abgeleitetes Freizügigkeitsrecht gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU berufen.
Somit sind die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Verlustfeststellung gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 FreizügG/EU erfüllt.
Der Beklagte hat auch sein Ermessen pflichtgemäß ausgeübt. Es sind keine Gründe ersichtlich, aus denen es für die Klägerin zu 1, die sich hier in keiner Weise wirtschaftlich integriert, sondern fast durchgängig von öffentlichen Leistungen gelebt hat, unzumutbar wäre, in ihr Heimatland zurückzukehren.
Erweist sich somit die Verlustfeststellung aller Voraussicht nach als rechtmäßig, gilt dies auch für die Ausreiseaufforderung unter Fristsetzung und die Abschiebungsandrohung, weil gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU Unionsbürger ausreisepflichtig sind, wenn die Ausländerbehörde festgestellt hat, dass das Recht auf Einreise und Aufenthalt nicht besteht.
Nachdem die Voraussetzungen einer Verlustfeststellung für die Klägerin zu 1 vorliegen, steht auch den Klägern zu 2 und 3 kein von ihrer Mutter abgeleitetes Freizügigkeitsrecht (§ 3 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU) zu. Auch ihnen ist eine Rückkehr in ihr Heimatland, gemeinsam mit ihrer Mutter, zuzumuten.
Als unterliegender Teil tragen die Kläger als Gesamtschuldner die Kosten des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 11 VwGO. Der Einräumung einer Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO bedurfte es angesichts der, wenn überhaupt anfallenden, dann allenfalls geringen, vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen des Beklagten nicht.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach § 124 und § 124a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung die Zulassung der Berufung beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth,
Hausanschrift: Friedrichstraße 16, 95444 Bayreuth oder
Postfachanschrift: Postfach 110321, 95422 Bayreuth,
schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für die Stellung des Antrags auf Zulassung der Berufung beim Verwaltungsgericht erster Instanz. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in den § 3 und § 5 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz bezeichneten Personen und Organisationen.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist.
Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München oder
Postfachanschrift in München: Postfach 340148, 80098 München,
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach,
einzureichen.
Es wird darauf hingewiesen, dass die Berufung nur zuzulassen ist,
1. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 15.000 EUR festgesetzt.
Die Höhe des Streitwertes ergibt sich aus § 63 Abs. 2, § 52 Abs. 2 GKG i. V. m. Ziffern 8.1, 1.1.3 Streitwertkatalog (Auffangwert 5.000 EUR x 3 Personen).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Streitwertbeschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth,
Hausanschrift: Friedrichstraße 16, 95444 Bayreuth, oder
Postfachanschrift: Postfach 110321, 95422 Bayreuth,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe dieses Beschlusses eingelegt werden. Der Beschwerdeschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.
Die Frist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postfachanschrift in München: Postfach 340148, 80098 München,
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach,
eingeht.


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