Verwaltungsrecht

Verpflichtung des Eigentümers eines Baudenkmals zu Erhaltungsmaßnahmen

Aktenzeichen  1 ZB 17.935

Datum:
23.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 136708
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDSchG Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 3, Art. 6 Abs. 2, Art. 20, Art. 22
BGB § 133, § 157
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, § 124a Abs. 5 S. 4, § 154 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Die Verpflichtung des Eigentümers eines Baudenkmals, die zur Erhaltung des Baudenkmals erforderlichen Maßnahmen zu treffen, ergibt sich bereits aus Art. 4 Abs. 1 BayDSchG und zwar auch ohne entsprechende behördliche Anordnung. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2 Bei der denkmalrechtlichen Beurteilung der Zumutbarkeit von Erhaltungsmaßnahmen sind Kosten des in der Vergangenheit unterlassenen Bauunterhalts nicht zu berücksichtigen. Dies gilt auch für Belastungen, die auf das ungehinderte Fortwirken von Schadensursachen zurückzuführen sind (Bestätigung von BayVGH BeckRS 2008, 27571). (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 1 K 16.5222 2017-03-21 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Berufung wird zugelassen, soweit die Klage auf Aufhebung der Nummern 1.2 und 3.2 des Bescheids des Landratsamtes B. Land vom 25. Oktober 2016 abgewiesen wurde.
Im Übrigen wird der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, soweit der Zulassungsantrag abgelehnt worden ist. Im Übrigen folgt die Entscheidung über die Kosten des Zulassungsverfahrens der Kostenentscheidung in der Hauptsache.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird, soweit der Zulassungsantrag abgelehnt worden ist, auf 30.000 Euro festgesetzt.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird vorläufig auf 6.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Klägerin wendet sich gegen die durch Bescheid vom 25. Oktober 2016 unter Zwangsgeldandrohung (Nummer 3) angeordnete Verpflichtung, als Eigentümerin der denkmalgeschützten Kapelle Instandsetzungsarbeiten an der Dachkonstruktion darzulegen (Nummer 1.2) sowie die Dacheindeckung zu erneuern (Nummer 1.3). Die ursprüngliche Anordnung zur Instandsetzung der Dachkonstruktion hat das Landratsamt in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht aufgehoben.
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung ist teilweise begründet.
1. Die Berufung ist zuzulassen, soweit das Verwaltungsgericht die Klage auf Aufhebung der Nummern 1.2 und 3.2 des Bescheids abgewiesen hat, weil insoweit ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen. Auf die Ausführungen im Beschluss des Senats vom 24. Juli 2017 (1 CS 17.843) wird verwiesen.
2. Im Übrigen bleibt der Antrag ohne Erfolg, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nicht vorliegt. Ernstliche Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838). Das ist nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin zur Erneuerung der Dacheindeckung (Nummer 1.3 des Bescheids) nach Art. 4 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 DSchG in Anspruch genommen werden kann.
Soweit die Klägerin geltend macht, dass die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 DSchG nicht vorliegen, vermag ihr Vortrag nicht zum Erfolg führen. Nach dieser Vorschrift können Eigentümer verpflichtet werden, bestimmte Erhaltungsmaßnahmen im Sinn des Art. 4 Abs. 1 Satz 1 DSchG ganz oder zum Teil durchzuführen, soweit ihnen das insbesondere unter Berücksichtigung ihrer sonstigen Aufgaben und Verpflichtungen zumutbar ist. Die angeordneten Erhaltungsmaßnahmen müssen geeignet und erforderlich sein und dürfen daher nicht lediglich unzureichende Maßnahmen umfassen. Sie sind auf das umständehalber Notwendige zu beschränken (vgl. Spennemann in Eberl/Martin/Spennemann, Bayerisches Denkmalschutzgesetz, 7. Auflage, Art. 4 Rn. 70 m.w.N.).
Gemessen an diesen Maßstäben bestehen hinsichtlich der Geeignetheit und Erforderlichkeit der angeordneten Erneuerung der Dacheindeckung keine durchgreifenden Bedenken. Die Dacheindeckung ist schadhaft, zum Teil ist bereits Feuchtigkeit in das Baudenkmal eingedrungen. Die Erneuerung der Dacheindeckung ist daher geeignet und dringend erforderlich, um drohende Schäden am Baudenkmal durch weiteres Eindringen von Feuchtigkeit zu verhindern. Für darüber hinaus bereits bestehende Schäden an der Dachkonstruktion, die etwaige Instandsetzungsarbeiten erforderlich machen würden, liegen derzeit keine gesicherten Erkenntnisse vor. Vielmehr spricht die von der Klägerin eidesstattlich versicherte, punktuell vorgenommene Öffnung des Daches dafür, dass solche Schäden gerade noch nicht aufgetreten sind. Zum jetzigen Zeitpunkt wären daher vorsorglich an der Dachkonstruktion angeordnete Instandsetzungsarbeiten nicht erforderlich.
Sollte sich nach Abnahme der alten Dacheindeckung zeigen, dass doch Instandsetzungsarbeiten am Dachstuhl notwendig sind, hat das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt, dass mit der streitgegenständlichen Anordnung keine Verpflichtung der Klägerin besteht, neue Schindeln auf einen defekten Dachstuhl aufzubringen. Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, wonach sich bereits aus Art. 4 Abs. 1 DSchG die Verpflichtung des Eigentümers eines Baudenkmals ergibt, die zur Erhaltung des Baudenkmals erforderlichen Maßnahmen zu treffen und zwar auch ohne entsprechende behördliche Anordnung. In Anbetracht der gesetzlichen Erhaltungspflicht nach Art. 4 Abs. 1 DSchG geht auch der Einwand der Klägerin ins Leere, dass sich im Falle eines maroden Dachstuhls kein Handwerker fände, der hierauf neue Schindeln aufbringen würde.
Die Anordnung ist auch zumutbar. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass bei der Beurteilung der Zumutbarkeit Kosten des in der Vergangenheit unterlassenen Bauunterhalts nicht zu berücksichtigen sind (BayVGH, U.v. 18.10.2010 – 1 B 06.63 – BayVBl 2011, 303; B.v. 19.2.2008 – 14 ZB 07.3069 – juris Rn. 15; OVG NW, B.v. 22.8.2007 – 10 A 3453/06 – ZfBR 2007, 799). Dies gilt auch für Belastungen, die auf das ungehinderte Fortwirken von Schadensursachen zurückzuführen sind (BayVGH, B.v. 19.2.2008 a.a.O.; U.v. 3.8.2000 – 2 B 97.1119 – juris Rn. 27; HessVGH, U.v. 17.5.1990 – 4 TH 138/89 – juris Rn. 30). Insofern dringt der Vortrag der Klägerin nicht durch, dass der Zumutbarkeit der Anordnung die ungeklärte Höhe der Erhaltungsmaßnahmen entgegenstünde, sollte sich der Dachstuhl als reparaturbedürftig herausstellen.
Auch die Rüge der Klägerin unter Hinweis auf das Urteil des Senats vom 27.9.2007 (Az. 1 B 00.2474), wonach der Beklagte im Rahmen der Zumutbarkeit die Bewilligung von Mitteln aus dem Entschädigungsfond nach Art. 4 Abs. 3 Satz 3 DSchG hätte prüfen müssen, überzeugt nicht. Die von der Klägerin zitierte Rechtsprechung ist bereits nicht einschlägig. Denn sie betrifft zunächst den Fall, dass eine Entscheidung über einen finanziellen Ausgleich in entsprechender Anwendung des Art. 4 Abs. 3 Satz 3 DSchG zusammen mit der Ablehnung eines Abrisserlaubnisantrags nach Art. 6 Abs. 2 DSchG erfolgen muss. Soweit eine entsprechende Anwendung auch für besonders gelagerte Einzelfälle gelten soll, trifft dies nur auf die Fälle zu, bei denen ein finanzieller Ausgleich erst zur Herbeiführung der Zumutbarkeit der Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse führt. Das ist hier aus obigen Erwägungen nicht der Fall. Im Übrigen obliegt es der Klägerin, entsprechende Zuschüsse oder einen finanziellen Ausgleich zu beantragen. Der Bauunterhalt ist dem Eigentümer grundsätzlich ohne Ausgleichanspruch nach Art. 20 DSchG oder Zuwendungen nach Art. 22 DSchG zuzumuten, zumal er Steuererleichterungen in Anspruch nehmen kann (Spennemann in Eberl/Martin/Spennemann, a.a.O. Art. 4 Rn. 12 mit Hinweis auf BVerwG, U.v. 21.4.2009 – 4 C 3.08 – BVerwGE 133, 347, das die grundsätzliche Kostentragung durch den Eigentümer für verfassungsrechtlich zulässig hält).
Schließlich ist die Ermessensausübung nicht zu beanstanden. Ungeachtet der ergänzenden Ermessensausführungen des Beklagten hat das Landratsamt entgegen der Auffassung der Klägerin seine Ermessenserwägungen nicht nur auf die Einsturzgefahr der Dachkonstruktion, sondern auch auf den schlechten Zustand der Dacheindeckung gestützt.
Der Einwand der Klägerin, dass die vor dem Verwaltungsgericht aufgehobene Nummer 1.1 des Bescheides weiterhin von der Fristsetzungsanordnung in Nummer 2 erfasst wird, ist unschädlich. Insofern ist der Regelungsgehalt gegenstandlos geworden und enthält auch keine Beschwer für die Klägerin. Soweit sich bei Abnahme der Dachschindeln Schäden an der Dachkonstruktion zeigen sollten, hat der Beklagte dem durch Einräumung neuer, großzügigerer Fristen Rechnung zu tragen.
Die Klägerin hat die Kosten des abgelehnten Teils des Zulassungsverfahrens zu tragen, da insoweit ihr Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO). Soweit die Berufung zugelassen wurde, bleibt die Kostenentscheidung der Endentscheidung vorbehalten. Die Streitwertfestsetzung für den erfolglosen Teil des Zulassungsverfahrens beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nummer 12.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (vgl. Beilage 2/2013 zu NwVZ Heft 23/2013). Die vorläufige Streitwertfestsetzung für das Berufungsverfahren beruht auf § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Soweit der Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt wird, wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
Soweit die Berufung zugelassen wurde, gilt folgende
Belehrung
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwig Straße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelas Platz 1, 91522 Ansbach) einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Wegen der Verpflichtung, sich im Berufungsverfahren vertreten zu lassen, wird auf die einschlägigen, jeweils geltenden Vorschriften Bezug genommen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.


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