Verwaltungsrecht

Verpflichtung zur Beseitigung von Auffüllungen im Überschwemmungsgebiet

Aktenzeichen  8 ZB 16.993

Datum:
5.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 4334
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WHG § 5 Abs. 1, § 67 Abs. 2 S. 3, § 77, § 78 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, Nr. 6, § 100 Abs. 1 S. 2
BayWG Art. 46 Abs. 5, Abs. 6, Art. 58 Abs. 1, Art. 63 Abs. 3 S. 1
BayBO Art. 57 Abs. 1 Nr. 9
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1
GG Art. 14 Abs. 1
VwGO § 86 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Die Frage, ob ein angefochtener Bescheid materiell rechtmäßig oder rechtswidrig ist, richtet sich nach dem Recht, das geeignet ist, die getroffene Regelung zu rechtfertigen. Erweist sie sich aus anderen als in dem Bescheid angegebenen Gründen als rechtmäßig, ohne dass sie durch den Austausch der Begründung ihrem Wesen geändert würde, dann ist der Verwaltungsakt nicht rechtswidrig. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Amtlichen Auskünften und Gutachten des Wasserwirtschaftsamts als kraft Gesetzes eingerichteter Fachbehörde (Art. 63 Abs. 3 S. 1 BayWG) kommt eine besondere Bedeutung zu. Nachdem solche fachbehördlichen Auskünfte auf jahrelanger Bearbeitung eines bestimmten Gebiets und nicht nur auf der Auswertung von Aktenvorgängen im Einzelfall beruhen, haben sie grundsätzlich ein wesentlich größeres Gewicht als Expertisen privater Fachinstitute. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
3. Angesichts der Gefahrenträchtigkeit eines nicht schadlos abschließenden Hochwassers genügt es für eine Anordnung nach Art. 46 Abs. 6 BayWG, wenn die Möglichkeit eines Schadenseintritts im Rahmen einer auf konkreten Tatsachenfeststellungen beruhenden Prognose nicht von der Hand zu weisen ist. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
4. Nach § 77 WHG sind auch nicht förmlich festgesetzte Überschwemmungsgebiete in ihrer Funktion als Rückhalteflächen zu erhalten. Bei § 77 WHG handelt es sich um ein allgemeines Erhaltungsgebot, das unmittelbar gilt und auch Einzelbauvorhaben entgegensteht. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 2 K 15.785 2016-03-24 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen eine wasserrechtliche Beseitigungsanordnung, mit der er zur Beseitigung von Auffüllungen im Überschwemmungsgebiet verpflichtet wurde.
Der Kläger ist Eigentümer der Grundstücke FlNr. 481/1 und 474/2 der Gemarkung K…bach, auf denen Aufschüttungen mit Bodenmaterial abgelagert wurden, die im Überschwemmungsgebiet der S… bzw. des S…bachs liegen.
Das Landratsamt F… verpflichtete den Kläger in einem auf § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG i.V.m. Art. 58 Abs. 1 Satz 1 und 2 BayWG gestützten Bescheid vom 24. September 2015, auf den Grundstücken abgelagerte Auffüllungen mit Bodenmaterial aus dem Bereich des ermittelten Überschwemmungsgebiets zu beseitigen.
Mit Urteil vom 24. März 2016 hat das Verwaltungsgericht Bayreuth die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen. Der Kläger wendet sich mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung gegen diese Entscheidung.
II.
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht hinreichend dargelegt oder liegen nicht vor (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1, 3 und 5 VwGO, § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Aus dem Vorbringen des Klägers ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Ersturteils im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nur, wenn einzelne tragende Rechtssätze oder einzelne erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts durch schlüssige Gegenargumente infrage gestellt werden (BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243 = juris Rn. 16; B.v. 16.7.2013 – 1 BvR 3057/11 – BVerfGE 134, 106 = juris Rn. 36). Sie sind nicht erst dann gegeben, wenn bei der im Zulassungsverfahren allein möglichen summarischen Überprüfung der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (BVerfG, B.v. 16.1.2017 – 2 BvR 2615/14 – IÖD 2017, 52 = juris Rn. 19; B.v. 3.3.2004 – 1 BvR 461/03 – BVerfGE 110, 77 = juris Rn. 19). Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn der Antragsteller substanziiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546/548 = juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 12.10.2017 – 14 ZB 16.280 – juris Rn. 2 m.w.N.). Dabei kommt es grundsätzlich nicht auf einzelne Elemente der Urteilsbegründung an, sondern auf das Ergebnis der Entscheidung, also auf die Richtigkeit des Urteils nach dem Sachausspruch in der Urteilsformel (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838 = juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 19.3.2013 – 20 ZB 12.1881 – juris Rn. 2).
Nach diesem Maßstab bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Ersturteils. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, dass die angegriffene Beseitigungsanordnung rechtmäßig ist.
1.1 Rechtsgrundlage der angegriffenen Beseitigungsanordnung sind zwar weder die vom Verwaltungsgericht herangezogenen § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG i.V.m. § 77 WHG und § 5 Abs. 1 WHG noch die im Bescheid genannten § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG i.V.m. Art. 58 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BayWG, sondern Art. 46 Abs. 5 und 6 BayWG. Diese Befugnisnormen sind lex specialis gegenüber den Vorschriften der allgemeinen Gewässeraufsicht nach § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG und Art. 58 Abs. 1 Satz 2 BayWG (vgl. Rossi in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, BayWG, Stand 1.2.2017, Art. 46 Rn. 32; Drost, Das neue Wasserrecht in Bayern, Stand Oktober 2017, Art. 58 BayWG Rn. 6).
Aus dem Heranziehen der falschen Rechtsgrundlage ergeben sich aber keine ernstlichen Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit des Urteils, weil der Senat ohne Wesensänderung des Bescheids auf die einschlägige Befugnisnorm abstellen kann. Denn die Frage, ob ein angefochtener Bescheid materiell rechtmäßig oder rechtswidrig ist, richtet sich nach dem Recht, das geeignet ist, die getroffene Regelung zu rechtfertigen. Erweist sie sich aus anderen als in dem Bescheid angegebenen Gründen als rechtmäßig, ohne dass sie durch den Austausch der Begründung in ihrem Wesen geändert würde, dann ist der Verwaltungsakt im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht rechtswidrig (BVerwG, U.v. 31.3.2010 – 8 C 12.09 – NVwZ-RR 2010, 636 = juris Rn. 16; U.v. 19.8.1988 – 8 C 29.87 – BVerwGE 80, 96 = juris Rn. 13).
So liegt der Fall hier. Der Austausch der Rechtsgrundlage – Art. 46 Abs. 5, 6 BayWG anstatt § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG bzw. Art. 58 Abs. 1 Satz 2 BayWG – lässt den Tenor der Grundverfügung, die Beseitigung der Auffüllungen im Überschwemmungsgebiet, unberührt; wesentliche andere oder zusätzliche Ermessenserwägungen werden nicht erforderlich (vgl. BVerwG, U.v. 31.3.2010 – 8 C 12.09 – NVwZ-RR 2010, 636 = juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 20.4.2015 – 20 ZB 15.106 – juris Rn. 4; B.v. 1.2.2016 – 10 CS 15.2689 – juris Rn. 29). Ziel und Wesenskern des angegriffenen Bescheids ist es, den Eigentümer zur Beseitigung von Aufschüttungen im Überschwemmungsgebiet zu verpflichten, um einen schadlosen Hochwasserabfluss sicherzustellen. Art. 46 Abs. 5, 6 BayWG erlauben nicht nur die gewählte Tenorierung, sondern sind auf derartige Anordnungen geradezu zugeschnitten. Auch hinsichtlich der Ermessensausübung bestehen keine wesentlichen Unterschiede. Maßnahmen nach Art. 46 Abs. 5, 6 BayWG müssen geeignet und erforderlich sein, um Hochwassergefahren zu vermeiden bzw. einen schadlosen Hochwasserabfluss sicherzustellen (vgl. BayVGH, U.v. 16.1.1997 – 22 B 96.3491 – BayVBl 1997, 280 = juris Rn. 21; Drost, Das neue Wasserrecht in Bayern, Stand Oktober 2017, Art. 46 BayWG Rn. 60). Davon ließ sich auch das Landratsamt bei seiner Ermessensausübung nach § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG, Art. 58 Abs. 1 Satz 2 BayWG leiten (S. 6 der Behördenakte II).
Da das Abstellen auf die Rechtsgrundlage des Art. 46 Abs. 5, 6 BayWG hier ohne Weiteres auf der Hand liegt, kann dies im Zulassungsverfahren herangezogen werden (vgl. BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243 = juris Rn. 17; B.v. 16.7.2013 – 1 BvR 3057/11 – BVerfGE 134, 106 = juris Rn. 40; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838 = juris Rn. 10).
1.2 Das Verwaltungsgericht durfte offenlassen, ob für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Beseitigungsanordnung auf den Zeitpunkt der Behördenentscheidung oder – mit Blick auf Art. 14 Abs. 1 GG – auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen ist (vgl. BVerwG, U.v. 12.12.2013 – 4 C 15.12 – NVwZ 2014, 454 = juris Rn. 8). Denn die Aufschüttungen (vgl. Planzeichnung S. 2 der Behördenakte I) liegen seit Erlass des angegriffenen Bescheids unverändert innerhalb des Überschwemmungsgebiets der S… bzw. des S…bachs (vgl. Detailkarte vom 20.1.2015, S. 29 der Behördenakte I und Detailkarte zur Verordnung vom 15.2.2016, S. 33 der Akte des Erstgerichts).
1.3 Die Beseitigungsanordnung betreffend die Aufschüttungen auf Grundstück FlNr. 481/1, die außerhalb des vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebiets liegen, findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 46 Abs. 6 BayWG. Hinsichtlich der Aufschüttungen auf Grundstück FlNr. 474/2, die sich im vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebiet befinden, kann dahingestellt bleiben, ob als Rechtsgrundlage Art. 46 Abs. 5 oder 6 BayWG heranzuziehen ist, weil die Voraussetzungen beider Befugnisnormen vorliegen. Unterstellt man zugunsten des Klägers, dass die Verlängerung der vorläufigen Sicherung (vgl. Art. 47 Abs. 3 Satz 3 BayWG) im Jahr 2013 fehlerhaft war, findet Art. 46 Abs. 6 BayWG Anwendung. Geht man von einer wirksamen Verlängerung nach Art. 47 Abs. 3 Satz 3 BayWG aus, ist Art. 46 Abs. 5 BayWG (vgl. LT-Drs. 15/8876, S. 19 f.; LT-Drs. 16/2868, S. 45) einschlägig. Ob daneben Art. 46 Abs. 6 BayWG Anwendung findet (so Rossi in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, BayWG, Stand 1.2.2017, Art. 46 Rn. 31), bedarf hier keiner Entscheidung.
1.4 Die Aufschüttungen auf beiden Grundstücken liegen nach den Feststellungen des Wasserwirtschaftsamts in dem bei einem HQ100-Abfluss überstauten Bereich (vgl. Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamts K… vom 11.11.2015, S. 10 f. der Behördenakte II und Protokoll des Augenscheintermins des Erstgerichts, S. 42 und S. 43 f. der VG-Akte). Das Zulassungsvorbringen, der überschwemmungsgefährdete Bereich ausgehend vom S…bach sei aus dem mit Verordnung vom 15. Februar 2016 festgesetzten Überschwemmungsgebiet der S… herausgenommen worden sei, übersieht, dass sich hieraus für den vorliegenden Fall keine relevanten Änderungen ergeben haben. Die Nichtaufnahme des überschwemmungsgefährdeten Bereichs ausgehend vom S…bach in die Verordnung über das Überschwemmungsgebiet an der S… ändert nichts daran, dass sich die streitgegenständlichen Aufschüttungen auf den Grundstücken FlNr. 481/1 und 474/2 im ermittelten bzw. faktischen Überschwemmungsgebiet liegen).
Soweit der Kläger vorbringt, das Erstgericht habe nicht allein auf die Stellungnahmen des Wasserwirtschaftsamts abstellen dürfen, weil diese nicht auf qualifizierten Überlegungen beruhten und ein unabhängiges Gutachten nicht ersetzen könnten, vermag er nicht durchzudringen. Das Verwaltungsgericht ist im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. z.B. B.v. 9.5.2017 – 22 ZB 17.152 – juris Rn. 10; B.v. 2.5.2011 – 8 ZB 10.2312 – BayVBl 2012, 47 = juris Rn. 11) davon ausgegangen, dass amtlichen Auskünften und Gutachten des Wasserwirtschaftsamts als kraft Gesetzes eingerichteter Fachbehörde (Art. 63 Abs. 3 Satz 1 BayWG) eine besondere Bedeutung zukommt. Nachdem solche fachbehördlichen Auskünfte auf jahrelanger Bearbeitung eines bestimmten Gebiets und nicht nur auf der Auswertung von Aktenvorgängen im Einzelfall beruhen, haben sie grundsätzlich ein wesentlich größeres Gewicht als Expertisen privater Fachinstitute; für nicht durch Aussagen sachverständiger Personen untermauerte Darlegungen wasserwirtschaftlicher Art von Prozessbeteiligten gilt dies erst recht. Die Notwendigkeit einer Abweichung und Beweiserhebung durch das Gericht (vgl. § 86 Abs. 1 VwGO) ist daher erst dann geboten, wenn sich dem Gericht der Eindruck aufdrängt, dass die gutachterliche Äußerung des Wasserwirtschaftsamts tatsächlich oder rechtlich unvollständig, widersprüchlich oder aus anderen Gründen fehlerhaft ist (BayVGH, B.v. 23.2.2016 – 8 CS 15.1096 – BayVBl 2016, 677 = juris Rn. 36; B.v. 2.5.2011 – 8 ZB 10.2312 – BayVBl 2012, 47 = juris Rn. 11). Ein solcher Sachvorhalt liegt hier nicht vor. Der Kläger hat die Sachverständigenaussage des Wasserwirtschaftsamts nicht ernsthaft erschüttert, indem er schlüssig aufzeigt hätte, warum die dort getroffene Einschätzung als nicht vertretbar anzusehen wäre (vgl. BayVGH, B.v. 2.5.2011 – 8 ZB 10.2312 – BayVBl 2012, 47 = juris Rn. 15). Vielmehr bewegen sich seine gegen das fachbehördlich ermittelte Überschwemmungsgebiet (HQ100) vorgebrachten Einwendungen weitestgehend im Spekulativen.
1.5 Der Einwand, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass die in Fließrichtung errichteten Aufschüttungen – anders als quer zur Fließrichtung errichtete Anlagen (vgl. § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WHG in der bis 4.1.2018 gültigen Fassung) – selbst in festgesetzten Überschwemmungsgebieten nicht untersagt seien (vgl. § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WHG in der o.g. Fassung), greift nicht durch. Aus dem Verbot in § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WHG a.F. kann nicht hergeleitet werden, dass Aufschüttungen längs zur Fließrichtung nicht dem Verbotstatbestand des § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WHG a.F. unterfielen. Im Übrigen ermächtigt Art. 46 Abs. 6 BayWG die Kreisverwaltungsbehörde, im Überschwemmungsgebiet gegenüber den Eigentümern und Nutzungsberechtigten anzuordnen, Hindernisse für den Hochwasserabfluss zu beseitigen. Hindernisse sind alle Einrichtungen oder Zustände, die sich über die Erdgleiche erheben und hierdurch den Hochwasserabfluss nachteilig beeinflussen (Drost, Das neue Wasserrecht in Bayern, Stand Oktober 2017, Art. 46 BayWG Rn. 61).
1.6 Soweit sich der Kläger darauf beruft, von den Aufschüttungen ginge keine erhebliche Erhöhung des Hochwasserrisikos aus, zeigt er keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Ersturteils auf. Art. 46 Abs. 6 BayWG verlangt nicht den Nachweis, dass das Hochwasser im Fall eines bestimmten Hochwasserereignisses tatsächlich nicht mehr schadlos abfließen kann (BayVGH, U.v. 16.1.1997 – 22 B 96.3491 – BayVBl 1997, 280 = juris Rn. 20). Dem allgemeinen sicherheitsrechtlichen Grundsatz folgend gilt, dass an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist. Angesichts der Gefahrenträchtigkeit eines nicht schadlos abfließenden Hochwassers genügt es hier, wenn die Möglichkeit eines Schadenseintritts im Rahmen einer auf konkreten Tatsachenfeststellungen beruhenden Prognose nicht von der Hand zu weisen ist (BayVGH, U.v. 16.1.1997 – 22 B 96.3491 – BayVBl 1997, 280 = juris Rn. 20; Rossi in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, BayWG, Stand 1.2.2017, Art. 46 Rn. 32). Den hierzu getroffenen Feststellungen des Wasserwirtschaftsamts als kraft Gesetzes eingerichteter Fachbehörde (vgl. unter 1.4) ist der Kläger nicht substanziiert entgegengetreten. Dies gilt insbesondere für die fachbehördliche Aussage, wonach die gegenständlichen Erdauffüllungen das Abflussregime im Hochwasserfall veränderten und bisher nicht betroffene Flächen in Mitleidenschaft zögen (vgl. S. 11 der Behördenakte II und S. 42 ff. der Akte des Verwaltungsgerichts).
1.7 Auch das Vorbringen, die bauverfahrensfreien Aufschüttungen (vgl. § 57 Abs. 1 Nr. 9 BayBO) seien materiell legal, rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend erkannt, dass – auch nicht förmlich festgesetzte – Überschwemmungsgebiete nach § 77 WHG in ihrer Funktion als Rückhalteflächen zu erhalten sind. Bei der Norm handelt es sich um ein allgemeines Erhaltungsgebot, das unmittelbar gilt und auch Einzelbauvorhaben entgegensteht (BayVGH, B.v. 31.8.2009 – 8 ZB 09.1618 – juris Rn. 7; vgl. auch Rossi in Sieder/Zeitler/Dahme/ Knopp, WHG, Stand 1.5.2016, § 77 Rn. 9; Czychowski/Reinhardt, WHG, 11. Aufl. 2014, § 77 Rn. 3; Zloch in Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG, 2. Aufl. 2017, § 77 Rn. 3). Von dieser Erhaltung kann nur – unter Anordnung entsprechender Ausgleichsmaßnahmen – abgesehen werden, soweit im Einzelfall überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit gegen ihren Erhalt sprechen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
1.8 Der Vortrag, die Aufschüttungen auf dem Grundstück FlNr. 474/2 seien kein Deichbauwerk nach § 67 Abs. 2 Satz 3 WHG, kann schon deshalb keine ernstlichen Zweifel aufzeigen, weil das Ersturteil darauf nicht tragend abgestellt, sondern diese Frage offengelassen hat.
1.9 Es bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Annahme des Verwaltungsgerichts, das Landratsamt habe das ihm eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt.
1.9.1 Nicht ernstlich zweifelhaft ist die Wertung des Erstgerichts, bei illegalen Aufschüttungen in einem Überschwemmungsgebiet sei dem Ermessen grundsätzlich die „Tendenz“ zu eigen, zur Gewährleistung des Hochwasserabflusses „wilde“ Geländeveränderungen zu unterbinden. Da es bei der Sicherstellung eines schadlosen Hochwasserabflusses nicht zuletzt auch um den Schutz von Leben und Gesundheit von Menschen geht (BayVGH, U.v. 16.1.1997 – 22 B 96.3491 – BayVBl 1997, 280 = juris Rn. 21), kommt ein Nichteinschreiten in der Tat nur bei gewichtigen Gegengründen in Betracht (vgl. Rossi in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, BayWG, Stand 1.2.2017, Art. 46 Rn. 32). Solche hat der Kläger nicht vorgetragen. Soweit er sich darauf beruft, die Geländeveränderungen seien so geringfügig, dass nachteilige Auswirkungen auf andere Grundstückseigentümer nicht zu erwarten seien, steht dies im Widerspruch zur Einschätzung des Wasserwirtschaftsamts (S. 10 f. der Behördenakte II), die als fachbehördliche Aussage besondere Bedeutung hat (vgl. hierzu oben unter 1.4).
1.9.2 Die geltend gemachten Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und das Willkürverbot liegen ebenfalls nicht vor. Die vom Kläger genannten Bezugsfälle sind mit den streitgegenständlichen Aufschüttungen nicht vergleichbar.
Für die Fischteichanlagen (FlNr. 478 und 478/3) liegen nach der ergänzenden Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamts (S. 73 ff. der Gerichtsakte) Plangenehmigungen aus den Jahren 1976 und 1996 vor. Im Übrigen stellte das Wasserwirtschaftsamt K… bei einer Überprüfung der Fischteiche vor Ort am 5. Januar 2018 fest, dass Aufschüttungen mit Wällen oder Dämmen nicht erkennbar seien und die Teichanlage im Wesentlichen aus Vertiefungen im bestehenden Gelände bestehe (vgl. S. 74 Rückseite der Gerichtsakte). Der Kläger stellt diese fachbehördliche Aussage nicht substanziiert infrage. Seine Behauptung, diese Feststellungen des Wasserwirtschaftsamts seien unrichtig, ist durch nichts belegt.
Der angeführte Bezugsfall im Ortsteil Frohnhof des Markts Eckental liegt im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Landratsamts Erlangen-Höchstadt, weshalb diesbezüglich kein Verstoß gegen das Willkürverbot durch das Landratsamt F… hergeleitet werden kann. Im Übrigen hat das zuständige Landratsamt Erlangen-Höchstadt der Landesanwaltschaft Bayern hierzu mitgeteilt, dass sich das betreffende – baurechtlich genehmigte – Vorhaben allenfalls geringfügig im berechneten Überschwemmungsgebiet befinde (vgl. S. 49 Rückseite und S. 72 der Gerichtsakte). Die Annahme des Klägers, der Ablauf der vorläufigen Sicherung habe diesbezüglich zu einer „Aufhebung aller Beschränkungen“ geführt, trifft deshalb nicht zu.
Der klägerische Vortrag zu Auffüllungen auf dem Grundstück FlNr. 475/3 im Jahr 2017 ist im Zulassungsverfahren nicht zu berücksichtigen, weil er sich auf Tatsachen richtet, die erst nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils eingetreten und in diesem Sinne neu sind (vgl. BVerwG, B. v. 14.6.2002 – 7 AV 1.02 – BayVBl 2003, 159 = juris Rn. 5 f.; vgl. auch Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 20).
1.9.3 Auch das Vorbringen, das Verwaltungsgericht habe verkannt bzw. unter Verstoß gegen seine Amtsermittlungspflicht nicht unter Beweis gestellt, dass die Überschwemmungsgefahr durch Vergrößerung des Durchlasses unter der Kreisstraße dauerhaft zu beseitigen wäre, zeigt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Ersturteils auf. Selbst wenn man die Richtigkeit dieser – nicht näher belegten – Behauptung unterstellte, ließe dies die Erforderlichkeit der angefochtenen Beseitigungsanordnung unberührt. Der sicherheitsrechtliche Charakter des Art. 46 Abs. 6 BayWG (vgl. BayVGH, U.v. 16.1.1997 – 22 B 96.3491 – BayVBl 1997, 280 = juris Rn. 20) erfordert eine rasche Gefahrenabwehr, die durch die Möglichkeit anderer, nicht umgehend realisierbarer Gegenmaßnahmen nicht in Frage gestellt wird.
1.10 Die Annahme des Verwaltungsgerichts, der angefochtene Bescheid sei inhaltlich hinreichend bestimmt (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG), wird durch das klägerische Vorbringen nicht ernstlich in Frage gestellt. Die inhaltliche Bestimmtheit eines Verwaltungsakts ist nach dem objektiven Erklärungsinhalt der behördlichen Regelung aus der Sicht des Adressaten (Empfängerhorizont) zu beurteilen (vgl. BVerwG vom 10.12.2015 – 3 C 7.14 – BVerwGE 153, 335 = juris Rn. 16). Das bedeutet, dass der Adressat in die Lage versetzt werden muss, zu erkennen, was von ihm gefordert wird (BayVGH, B.v. 19.12.2016 – 8 ZB 15.230 – juris Rn. 12). Dabei ist darauf abzustellen, ob aus dem gesamten Inhalt des Bescheids und aus dem Gesamtzusammenhang, vor allem auch aus der von der Behörde gegebenen Begründung der Regelung sowie aus den den Beteiligten bekannten näheren Umständen des Falls, hinreichende Klarheit gewonnen werden kann (BayVGH, B.v. 2.5.2014 – 20 ZB 13.1972 – juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 13.8.2009 – 22 ZB 07.1835 – juris Rn. 7). Das ist hier der Fall. Der klägerische Einwand, es sei nicht eindeutig, ob die Auffüllungen innerhalb des Überschwemmungsgebiets lägen, betrifft in der Sache nicht die Bestimmtheit, sondern die materielle Rechtmäßigkeit der Beseitigungsanordnung (vgl. hierzu unter 1.3). Im Übrigen trägt der Kläger nicht vor, darüber im Unklaren zu sein, was von ihm gefordert wird. Vielmehr hat er in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erklärt, die Auffüllungen auf dem Grundstück FlNr. 474/2 beseitigen zu wollen (vgl. S. 58 der Akte des Verwaltungsgerichts).
2. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist schon nicht hinreichend dargelegt und liegt auch nicht vor.
Um seiner Begründungspflicht nachzukommen, muss der Rechtsmittelführer eine entscheidungserhebliche (klärungsfähige) und klärungsbedürftige Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren und aufzeigen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (BayVGH, B.v. 3.8.2017 – 8 ZB 15.2642 – juris Rn. 29; vgl. auch Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72). Daran fehlt es hier. Der Kläger hat innerhalb der Darlegungsfrist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) keine entsprechende Frage formuliert. Auch das danach ergänzte Vorbringen erfüllt nicht die Mindestanforderungen des Darlegungsgebots. Im Übrigen stellt sich die Frage, ob eine Beseitigungsanordnung auf § 5 bzw. § 77 WHG gestützt werden kann, vorliegend nicht, weil 46 Abs. 5, 6 BayWG vorrangig heranzuziehen ist.
3. Schließlich liegt auch kein Verfahrensmangel wegen eines Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 124 Abs. 2 Nr. 5, § 86 Abs. 1 VwGO) vor.
Der Kläger sieht einen Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) darin, dass das Verwaltungsgericht kein Sachverständigengutachten insbesondere zur Frage der Erhöhung der Hochwassergefahr durch die streitgegenständlichen Auffüllungen eingeholt hat. Damit kann er nicht durchdringen.
Die Rüge einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht aus § 86 Abs. 1 VwGO erfordert u.a. die Darlegung, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (stRspr, z.B. BVerwG, B.v. 29.7.2015 – 5 B 36.14 – juris Rn. 7; B.v. 25.1.2005 – 9 B 38.04 – NVwZ 2005, 447 = juris Rn. 25; BayVGH, B.v. 7.3.2017 – 8 ZB 15.1005 – juris Rn. 10).
Der Kläger hat nicht aufgezeigt, inwiefern er auf die vermisste Aufklärung hingewirkt hätte. Ein Gericht verletzt seine Pflicht zur erschöpfenden Aufklärung des Sachverhalts grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein Beteiligter in der mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich beantragt hat (§ 86 Abs. 2 VwGO). Der Kläger hat – ausweislich der Sitzungsniederschrift des Verwaltungsgerichts (S. 54 ff. der Akte des Erstgerichts) – zu den gerügten Aufklärungsdefiziten keinen Beweisantrag gestellt. Die Aufklärungsrüge dient aber nicht dazu, Versäumnisse Beteiligter, insbesondere das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen, zu kompensieren (BVerwG, B.v. 29.7.2015 – 5 B 36.14 – juris Rn. 7; B.v. 18.12.2006 – 4 BN 30.06 – NVwZ-RR 2007, 285 = juris Rn. 2).
Ebensowenig legt die Zulassungsbegründung hinreichend dar, weshalb sich dem Erstgericht auch ohne förmlichen Beweisantrag eine weitere Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen (BVerwG, B.v. 6.9.2017 – 2 B 2.17 – juris Rn. 14). Die bloße Behauptung des Klägers, wonach die Aufschüttungen keine Gefahr darstellten, reicht hierfür nicht, zumal das Wasserwirtschaftsamt zu einer gegenteiligen fachbehördlichen Einschätzung gekommen ist (vgl. hierzu bereits unter Nr. 1.4).
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG; sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben wurden.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO)


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