Verwaltungsrecht

Verzinsung umfasst nicht Zinseszins

Aktenzeichen  S 9 BK 14/20

Datum:
3.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 51517
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB I § 44

 

Leitsatz

Nur Ansprüche auf „Geldleistungen“ sind zu verzinsen, nicht aber Zinsen, so dass Zinseszins nicht beansprucht werden kann. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

Das Gericht konnte trotz Nichterscheinens der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung entscheiden. Die Kläger und der Beigeladene wurden in der Ladung vom 28. Oktober 2020 darauf hingewiesen, dass auch im Falle des Ausbleibens verhandelt und entschieden werden kann.
Die Klage der Klägerinnen zu 2., 3., 4. und 5. ist unzulässig. Für den Zeitraum ab 1. Oktober 2008 hat der Kläger zu 1. Kinderzuschlag beantragt und daher ist auch nur über einen solchen Antrag/Anspruch bzw. Zinsanspruch zu entscheiden (vgl. Bayerisches Landesozialgericht (LSG), Urteil vom 24. September 2019 – L 7 BK 13/17).
Die vom Kläger zu 1. erhobene Verpflichtungsklage ist unzulässig.
Die Verpflichtungsklage ist die richtige Klageart, wenn die Behörde nicht zur Leistungsgewährung, sondern nur zur Erteilung eines neuen Verwaltungsaktes verurteilt werden kann oder wenn die Leistungsgewährung im Ermessen der Behörde steht (vgl. Keller in: MeyerLadewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 54, Rdnr. 24 – BAYERN.RECHT).
Gemäß § 44 Abs. 1 SGB I sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen. Die Verzinsung beginnt frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung, vgl. § 44 Abs. 2 SGB I. Verzinst werden volle Euro-Beträge; der Kalendermonat ist mit dreißig Tagen zugrunde zu legen, vgl. § 44 Abs. 3 Sätze 1 und 2 SGB I.
Vorliegend steht die Leistungsgewährung nicht im Ermessen der Behörde. Zudem sind Geldansprüche, die zu verzinsen sind, nicht ersichtlich. Für den Zeitraum ab Mai 2013 wurde mit rechtskräftigen Entscheidungen des Sozialgerichts Bayreuth (Urteil vom 15. November 2017 – S 9 BK 7/15 und Gerichtsbescheid vom 21. April 2020 – S 9 BK 9/19) und des Bayerischen LSG (Urteil vom 24. September 2019 – L 7 BK 13/17) entschieden, dass dem Kläger zu 1. kein Anspruch auf Kinderzuschlag zusteht. Eine Verurteilung des Beigeladenen nach § 75 Abs. 2 SGG scheidet aus, nachdem auch hier Geldansprüche, die zu verzinsen sind, nicht ersichtlich sind. Für den Zeitraum von März 2013 bis August 2015 wurden Leistungen zur Sicherung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) abgelehnt (Gerichtsbescheid vom 6. September 2018 – S 17 AS 585/15). Ab September 2015 erhalten die Kläger laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Mit seiner am 4. Mai 2020 erhobenen Klage (S 14 AS 417/20) begehrt der Kläger bereits in einem anderen Klageverfahren die Verzinsung für Juni 2015. Diesbezüglich sind somit zwei Klageverfahren anhängig; ein Fall der doppelten Rechtshängigkeit liegt vor. Die zeitlich später erhobene Klage (S 14 AS 417/20) ist demnach unzulässig.
Im Übrigen weist das Gericht darauf hin, dass ein Anspruch auf Prozesszinsen nicht besteht (vgl. auch Bayerisches LSG, Beschluss vom 8. Mai 2017 – L 10 AL 73/17 NZB und Hessisches LSG, Urteil vom 15. Januar 2004 – L 4 VS 754/03 – beide juris; Groth in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 3. Auflage, § 44 SGB I (Stand 9. April 2020), Rdnr. 46); Mrozynski in: Mrozynski, SGB I, 6. Auflage 2019, § 44, Rdnr. 2 – BAYERN.RECHT). Das ein „Zinseszins“ nicht beansprucht werden kann, folgt bereits aus dem Wortlaut des § 44 Abs. 1 SGB I, nachdem lediglich Ansprüche auf „Geldleistungen“ zu verzinsen sind, zu denen Zinsen nicht gehörten (BSG, Urteil vom 18. März 2008 – B 2 U 32/06 R – juris). § 44 SGB I ist hier lex specialis (B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 94, Rdnr. 5a – BAYERN.RECHT; Müller in: SGb 2010, S. 336 ff. (S. 340)).
Die Klage war insgesamt abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 SGG.


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