Verwaltungsrecht

Voraussetzungen eines Anspruchs auf Wiederaufgreifen des Verfahrens

Aktenzeichen  Au 2 K 17.1276

Datum:
11.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 38880
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SVG § 25 Abs. 2 S. 3, § 63c
VwVfG § 48, § 49, § 51

 

Leitsatz

1. Eine Änderung der Rechtsprechung begründet kein Wiederaufgreifen des Verfahrens im engeren Sinne nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG wegen nachträglicher Änderung der Sach- und Rechtslage. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Hinsichtlich der Ermächtigung zum Wiederaufgreifen des Verfahrens im weiteren Sinne nach § 51 Abs. 5 VwVfG iVm §§ 48, 49 VwVfG, welche die Korrektur inhaltlich unrichtiger Entscheidungen ermöglicht, besteht für den Betroffenen ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung. Ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens besteht in diesem Fall nur, wenn die Aufrechterhaltung des Erstbescheids schlechthin unerträglich wäre. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Festhalten an einem bestandskräfigen Verwaltungakt ist jedenfalls nicht unter dem Gesichtspunkt der Gleichmäßigkeit schlechthin unerträglich, solange die Rechtslage nicht abschließend entgegen der bisherigen Verwaltungspraxis geklärt ist und keine Anzeichen für eine Änderung der Verwaltungspraxis erkennbar sind. (Rn. 26 – 28) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ob eine Stichtagsregelung durch Gesetz sachlich gerechtfertigt wäre oder nicht, ist unerheblich für die Frage, ob ein Festhalten an einem bestandskräftigen, auf den Stichtag abstellenden Verwaltungakt schlechthin unerträglich ist. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
5. Für Dauerverwaltungsakte gilt nichts anderes. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, jedoch nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Verpflichtung der Beklagten, seine Versorgungsbezüge unter doppeltem Ansatz der Zeiten einer besonderen Auslandsverwendung vom 19. August 1996 bis 9. Dezember 1996 (GECONIFOR(L) im ehemaligen Jugoslawien) und vom 2. April 2002 bis 25. Juli 2002 (FYROM-Mazedonien) im Umfang von 228 Tagen als ruhegehaltsfähige Dienstzeit neu festzusetzen. Der Bescheid der Generalzolldirektion (Service-Center …) vom 12. Juni 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids derselben Behörde vom 28. August 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).
Die grundsätzliche Festsetzung der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit von 37,55 Jahren und des Ruhegehaltssatzes von 70,94 v.H. erfolgte seitens der Beklagten durch Bescheid vom 30. Januar 2014, welcher mangels Einlegung eines Rechtsbehelfs bestandskräftig wurde. Aufgrund des Verwaltungsverfahrensgesetzes hat der Adressat eines bestandskräftigen Bescheids prinzipiell zwei Möglichkeiten, eine Entscheidung der Behörde über die Neuentscheidung in der Sache herbeizuführen. Einerseits hat er bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG einen gebundenen Anspruch auf Neuentscheidung in der Sache (sog. Wiederaufgreifen im engeren Sinne). Andererseits hat er gemäß § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 bzw. § 49 VwVfG einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Entscheidung das Verwaltungsverfahren in der Sache wiederaufzunehmen (sog. Wiederaufgreifen im weiteren Sinne). Vorliegend liegt weder ein Anspruch gemäß § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG (1.) noch gemäß § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 bzw. § 49 VwVfG vor (2.).
1. Ein Wiederaufgreifensgrund im Sinn von § 51 Abs. 1 VwVfG ist vorliegend nicht gegeben. Insbesondere ist der klägerseitige Vortrag einer Anwendung von § 25 Abs. 2 Satz 3 SVG i.V.m. § 63c Abs. 1 Satz 1 SVG auch auf Auslandseinsatzzeiten vor dem 1. Dezember 2002 nicht geeignet, eine Änderung der Rechtslage zugunsten des Klägers im Sinn von § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG darzulegen. Da die Änderung der Rechtsprechung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keinen Fall des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG darstellt (vgl. BVerwG, U.v. 11.9.2013 – 8 C 4.12 – juris Rn. 21 m.w.N.), können die vom Kläger angeführten Entscheidungen (VGH BW, B.v. 14.2.2017 – 4 S 20179/16 – juris; VG Magdeburg, U.v. 25.7.2018 – 8 A 352/17 – juris; VG Kassel, U.v. 29.1.2018 – 1 K 6770/17.KS – juris) bezüglich der nach mit Gesetz vom 5. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2458) und mit Wirkung vom 13. Dezember 2011 eingeführten Verweisung in 25 Abs. 2 Satz 3 SVG auf § 63c Abs. 1 Satz 1 SVG ergangenen Bescheide keinen Wiederaufgreifensgrund darstellen.
Da der Festsetzungsbescheid hier am 30. Januar 2014 erging und damit nach der Einführung des § 25 Abs. 2 Satz 3 SVG mit Gesetz vom 5. Dezember 2011 (s.o.), kann also dahinstehen, ob § 25 Abs. 2 Satz 3 SVG i.V.m. § 63c Abs. 1 Satz 1 SVG auch auf Auslandseinsatzzeiten vor dem 1. Dezember 2002 anzuwenden ist (vgl. OVG RhPf, B.v. 17.8.2018 – 10 A 10676/18.OVG – n.V.; VGH BW, B.v. 14.2.2017 – 4 S 20179/16 – juris; VG Leipzig, U.v. 16.8.2018 – 3 K 2358/17 – juris; VG Magdeburg, U.v. 25.7.2018 – 8 A 352/17 – juris; VG Kassel, U.v. 29.1.2018 – 1 K 6770/17.KS – juris) oder ob Auslandszeiten vor diesem Stichtag nicht doppelt berücksichtigt werden können (vgl. VG Augsburg, U.v. 7.6.2018 – Au 2 K 17.1202 – juris; U.v. 12.4.2018 – Au 2 K 17.1265 – juris).
2. Der Anspruch des Klägers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung gemäß § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 bzw. § 49 VwVfG wurde durch Bescheid vom 12. Juni 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. August 2017 erfüllt. Die Beklagte hat ermessensfehlerfrei gegen das Wiederaufgreifen des Verfahrens entschieden.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann die Behörde – auch wenn die in § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG normierten Voraussetzungen nicht vorliegen – ein abgeschlossenes Verwaltungsverfahren nach pflichtgemäßem Ermessen wiederaufgreifen und eine neue, der gerichtlichen Überprüfung zugängliche Sachentscheidung treffen (sog. Wiederaufgreifen im weiteren Sinne). Diese Möglichkeit findet ihre Rechtsgrundlage in § 51 Abs. 5 VwVfG i.V.m. §§ 48 und 49 VwVfG und den entsprechenden landesrechtlichen Bestimmungen (BVerwG, U.v. 7.9.1999 – 1 C 6.99; U.v. 21.3.2000 – 9 C 41.99 – BVerwGE 111, 77/82; U.v. 22.10.2009 – 1 C 15.08 – BVerwGE 135, 121 Rn. 24). Hinsichtlich dieser behördlichen Ermächtigung zum Wiederaufgreifen des Verfahrens im weiteren Sinne, welche die Korrektur inhaltlich unrichtiger Entscheidungen ermöglicht, besteht für den Betroffenen ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung (BVerwG, U.v. 21.3.2000 – 9 C 41.99 – BVerwGE 111, 77/82; BVerfG, B.v. 27.9.2007 – 2 BvR 1613/07 – NVwZ 2008, 418/419). Eine Rechtswidrigkeit des Ursprungsverwaltungsakts für sich allein reduziert das Ermessen der Behörde, das Verfahren im weiteren Sinne wieder aufzugreifen, jedoch nicht auf Null; ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens besteht mit Blick auf das Gebot der materiellen Gerechtigkeit hingegen nur, wenn die Aufrechterhaltung des Erstbescheids schlechthin unerträglich wäre, was von den Umständen des Einzelfalls und einer Gewichtung der einschlägigen Gesichtspunkte abhängt. Das Festhalten an dem Verwaltungsakt ist insbesondere dann “schlechthin unerträglich”, wenn die Behörde durch unterschiedliche Ausübung der Wiederaufgreifensbefugnis in gleichen oder ähnlich gelagerten Fällen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt oder wenn Umstände gegeben sind, die die Berufung der Behörde auf die Unanfechtbarkeit als einen Verstoß gegen die guten Sitten oder das Gebot von Treu und Glauben erscheinen lassen (vgl.: BVerwG, U.v. 21.6.2017 – 6 C 43.16 – juris Rn. 9; U.v. 13.12.2011 – 5 C 9.11 – juris Rn. 29; U.v. 20.3.2008 – 1 C 33.07 – juris Rn. 13; U.v. 17.1.2007 – 6 C 32.06 – juris Rn. 13; B.v. 23.2.2004 – 5 B 104.03 u.a. – juris Rn. 13).
a) Nach diesen Maßstäben ist hier das Ermessen nicht dahingehend auf Null reduziert worden, dass die Beklagte das Verfahren wiederaufnehmen musste. Es besteht damit jedenfalls kein gebundener Anspruch auf das Wiederaufgreifen (im weiteren Sinne), wenn – wie vorliegend – der Versorgungsfestsetzungsbescheid erst nach der Gesetzesänderung ergangen und bestandskräftig geworden ist. Es ist für solche Fälle generell (aa-cc) und auch hier konkret (dd) nicht anzunehmen, dass ein Nichtwiederaufgreifen des Verfahrens schlechthin unerträglich wäre.
aa) Der mögliche Ansatzpunkt der Gleichmäßigkeit (künftiger) Verwaltungsentscheidungen reicht nicht aus, um das Nichtwiederaufgreifen des Verfahrens durch die Beklagte in diesem und vergleichbaren Fällen als „schlechthin unerträglich“ erscheinen zu lassen. Der diesen Überlegungen zugrunde liegende allgemeine Gleichheitsgrundsatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG knüpft aufgrund seines relationalen Charakters prinzipiell an einem Verhalten des Staates gegenüber Dritten an. Entscheidend ist daher, dass es eines hinreichend konkreten (künftigen) Verhaltens des jeweiligen Normadressaten bedarf, um daran anschließend Überlegungen zur Anwendung des Gleichheitsprinzips anzustellen. Daran fehlt es hier aber. In allen dem erkennenden Gericht bekannten Verfahren sowie auch in allen in den juristischen Datenbanken auffindbaren Urteilen anderer Verwaltungsgerichte vertritt die Beklagte konsequent die Auffassung, dass § 25 Abs. 2 Satz 3 SVG i.V.m. § 63c Abs. 1 Satz 1 SVG nicht auf Auslandszeiten vor dem 1. Dezember 2002 anwendbar sei, da es ansonsten nicht der aktuellen gegenläufigen Entscheidungen bedurft hätte (siehe OVG RhPf, B.v. 17.8.2018 – 10 A 10676/18.OVG – n.V; VG Leipzig, U.v. 16.8.2018 – 3 K 2358/17 – juris; VG Magdeburg, U.v. 25.7.2018 – 8 A 352/17 – juris; VG Kassel, U.v. 29.1.2018 – 1 K 6770/17.KS – juris). Unabhängig davon, ob die Auffassung letztlich richtig ist (s.o.), lässt sich somit aus dem Verhalten der Beklagten gerade nicht auf eine dieser Auffassung entgegenstehende (zukünftige) Praxis schließen.
Dafür genügen auch nicht die bisher ergangenen Urteile der Gerichte der zweiten Instanz (OVG RhPf, B.v. 17.8.2018 – 10 A 10676/18.OVG – n.V.; VGH BW, B.v. 14.2.2017 – 4 S 20179/16 – juris). Denn zunächst ist die Beklagte auch nach Ergehen der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg nicht von ihrer Auffassung abgerückt, sondern vertritt diese auch im vorliegenden Verfahren weiterhin. Darüber hinaus sind auch bei anderen Obergerichten Verfahren anhängig (nicht zuletzt beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof im Verfahren Au 2 K 17.1265).
Angesichts der somit noch nicht final geklärten Rechtsfrage sowie der fehlenden Anhaltspunkte für eine Meinungs- bzw. Verhaltensänderung der Beklagten ist es für die Annahme einer Gleichmäßigkeit mit (künftigen) Verwaltungsentscheidungen nicht ausreichend, darauf zu verweisen, dass nicht ersichtlich sei, welches Ermessen die Beklagte ausüben wolle, um eine andere Entscheidung zu rechtfertigen (vgl. VG Kassel, U.v. 29.1.2018 – 1 K 6770/17.KS – juris Rn. 35). Diese Argumentation basiert auf der Annahme einer finalen Klärung der Rechtslage im Sinne einer doppelten Anrechenbarkeit von Auslandsverwendungszeiten vor dem 1. Dezember 2002 bzw. der völligen Eindeutigkeit der Rechtslage in diese Richtung, welche hier aber gerade nicht zu konstatieren ist (s.o.).
bb) Generell spricht für eine Einschränkung des Ermessens auf Null im Rahmen des sog. Wiederaufgreifens des Verfahrens auch nicht die unterschiedliche Behandlung von Soldaten mit Auslandseinsatzzeiten vor dem 1. Dezember 2002 und solchen mit einem Auslandseinsatz danach. Vorliegend handelt es sich nicht um die grundlegende Frage, ob diese Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt ist. Nur durch das Festhalten an der Bestandskraft des Festsetzungsbescheids vom 30. Januar 2014 durch die Beklagte bringt diese keine Ungleichwertigkeit der unterschiedlichen Einsatzzeiten zum Ausdruck, sondern beruft sich auf den allgemein anerkannten und gesetzlich vorgesehenen Grundsatz der Bestandskraft. Ob an dieser Bestandskraft festzuhalten ist, ist aber von obiger Frage zu trennen, ob eine Stichtagsregelung durch Gesetz sachlich gerechtfertigt wäre oder nicht (s.o.).
cc) Auch die Argumentation, dass „das Bestehenlassen, des rechtswidrigen sich durch monatliche Ruhegehaltszahlung regelmäßig aktualisierenden Bescheides [..] im Widerspruch zum Grundsatz der Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz gemäß Art. 20 Abs. 3 GG [steht]“ und „[die] Aufrechterhaltung des Bescheids [..] einer bewussten Inkaufnahme der Verfestigung seiner rechtwidrigen Folgen [gleichkäme]“ (vgl. zu beiden Zitaten: VG Leipzig, U.v. 16.8.2018 – 3 K 2358/17 – juris Rn. 31), ist zumindest im Rahmen des sog. Wiederaufgreifens im weiteren Sinne nicht geeignet, um ein Nichtwiederaufgreifen des Verfahrens prinzipiell als „schlechthin unerträglich“ erscheinen zu lassen.
Diese Argumentation würde dazu führen, dass die Bestandskraft jeglicher Dauerverwaltungsakte zumindest im Soldatenversorgungsrecht stark eingeschränkt wäre, da bei einem Dauerverwaltungsakt kraft dessen Regelungswirkung die einfache Rechtswidrigkeit stets die „Verfestigung der rechtswidrigen Folgen“ in der Zukunft (s.o.) zur Folge hätte. Diese insofern dann generell anzunehmende Ausnahme für Dauerverwaltungsakte vom Grundsatz, dass die Rechtswidrigkeit des Ursprungsverwaltungsakts für sich allein das Ermessen der Behörde, das Verfahren im weiteren Sinne wieder aufzugreifen, nicht auf Null reduziert, ist der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber gerade nicht zu entnehmen.
Eine solche Ausnahme würde im Übrigen auch der Gesetzessystematik widersprechen. Denn § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG setzt in der Regel einen Dauerverwaltungsakt voraus, da nur bei solchen Verwaltungsakten die Änderung der zugrundeliegenden Sach- oder Rechtslage Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit haben kann (vgl. BVerwG, U.v. 28.2.1997 – 1 C 29.95 – NJW 1998, 173/174). Die in Konsequenz obiger Argumentation generell für Dauerverwaltungsakte anzunehmende Ausnahme (s.o.) würde demnach – zumindest im Soldatenversorgungsrecht – generell einen Anspruch auf Wiederaufgreifen eines Verfahrens bei lediglicher Änderung der Rechtsprechung nach Erlass eines bestandskräftigen Dauerverwaltungsakts bedeuten, obwohl dies gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG gerade nicht für einen gebundenen Anspruch auf das Wiederaufgreifen des Verfahrens ausreichen soll (s.o.).
dd) Aber auch die konkreten Umstände des Einzelfalles lassen eine Bewertung des Nichtwiederaufgreifens als „schlechthin unerträglich“ nicht zu. Nach Berechnung der Beklagten handelt es sich bei der hier in Streit stehenden Versorgungsleistung um einen monatlichen Differenzbetrag von 48,52 EUR, welcher bei einem ursprünglichen Versorgungsbezug von 3.802,03 EUR brutto jedenfalls nicht derart ins Gewicht fällt, dass der Differenzbetrag aus sich heraus begründen könnte, dass die Entscheidung der Beklagten, das Verfahren nicht wiederaufzunehmen, schlechthin unerträglich war.
b) Da der Beklagten auch bewusst war, dass sie eine Ermessensentscheidung bzw. Interessensabwägung im Rahmen des sog. Wiederaufgreifens im weiteren Sinne zu treffen hatte (vgl. auf Seite 4 des Widerspruchsbescheids vom 28. August 2017: „Zwar kommt dem Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit, an dem rechtmäßig ergangenen Bescheid festzuhalten, kein größerer Stellenwert zu, als der materiellen Einzelfallgerechtigkeit, aber selbst wenn der Bescheid rechtswidrig wäre, müsste eine Interessensabwägung im Rahmen des § 48 VwVfG erfolgen.“) lag kein Ausfall des Ermessens vor. Mithin ist hier im Ergebnis das Ermessen seitens der Beklagten rechtsfehlerfrei (§ 114 Satz 2 VwGO) ausgeübt worden.
3. Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
5. Gründe, die Berufung zuzulassen, liegen nicht vor (§§ 124, 124a VwGO).


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