Verwaltungsrecht

vorherige Befassung der zuständigen Behörde, fehlendes Rechtsschutzbedürfnis bei unmittelbarer Inanspruchnahme des Gerichts

Aktenzeichen  B 7 E 21.17

Datum:
27.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 4726
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
BayIfSMV § 14 der 11.
BayIfSMV § 25 der 11.

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wandte sich am 05.01.2021 mit einem mit „Antrag auf einstweilige Verfügung, Feststellungsklage oder sonstiges Rechtsmittel“ überschriebenen Telefax an das Verwaltungsgericht Bayreuth und führte aus, wegen Corona wolle er Sicherheit, dass er von München nach Berlin – mit Übernachtung im Kreis B1. – mit dem Auto fahren könne. Sein gemeldeter Hauptwohnsitz sei Berlin, der seiner Lebensgefährtin München. Wegen Corona halte er sich seit dem 01.12.2020 in München auf, fühle sich aber verpflichtet, zu seiner Wohnung nach Berlin zu fahren, um nach fünf Wochen nach dem Rechten zu sehen. Die DEHOGA habe mitgeteilt, dass es dazu einen Gipfel in Berlin gegeben habe, welcher ohne Ergebnis in der Sache abgelaufen sei. Streitpunkt sei die Notwendigkeit der Fahrt. Die Polizei und die Regierung von … könnten das nicht klar beantworten. Ziel des gerichtlichen Verfahrens sei eine schriftliche Entscheidung, dass das Vorhaben eine notwendige Fahrt im Sinne von Corona sei, weil die Behörde keine eindeutigen Auskünfte gebe.
Mit Schriftsatz vom 11.01.2021 teilte die Regierung von … dem Gericht mit, ein entsprechender Vorgang sei dort nicht bekannt. Keinem der möglichen Ansprechpartner des verantwortlichen Sachgebiets sei eine solche Anfrage des Antragstellers geläufig. Ferner wurde darauf hingewiesen, dass für den Vollzug des IfSG – und damit für Fragen der geltenden Infektionsschutzmaßnahmen – die Kreisverwaltungsbehörden nach § 65 Satz 1 ZustV zuständig seien.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 12.01.2021 wurde der Antragsteller aufgefordert, seinen Sachvortrag zu präzisieren, insbesondere darzulegen, wann und mit wem er bei der Regierung von … im Vorfeld gesprochen habe und ob wegen der beabsichtigten Übernachtung im „Kreis B1.“ eine dortige Behörde, insbesondere das …, kontaktiert worden sei.
Am 13.01.2021 teilte der Antragsteller dem Gericht per Telefax mit, er habe nicht aufgeschrieben, wann und mit wem er bei der Regierung von … gesprochen habe. Dies sei aber unmittelbar vor dem Schreiben an das Gericht erfolgt. Auf die gerichtliche Frage nach einer vorherigen Klärung der „Übernachtungsproblematik“ im Kreis B1. mit dem … gab der Antragsteller an, die Polizei halte sich bedeckt und lasse alles offen. Daneben führte der Antragsteller aus, mit seiner Reise verfolge er weitere Zwecke. Es gehe nicht nur um das Aufsuchen der Wohnung, sondern auch darum, deren Zustand und den Briefkasten zu überprüfen sowie um eine Akteneinsicht beim Amtsgericht Kreuzberg. Da jedoch mittlerweile Hotels auf telefonische Anfrage Übernachtungen für Geschäftsreisende ohne Nachweis freigäben, sei die Sache eigentlich erledigt.
Mit Schreiben vom 14.01.2021 fragte das Gericht beim Antragsteller an, ob im Hinblick auf das Schreiben vom 13.01.2021 der Eilantrag als zurückgenommen bzw. ob das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Bayreuth als inzwischen erledigt anzusehen ist, worauf der Antragsteller mit Telefax vom 21.01.2021 mitteilte, in der Sache habe er die ihm bekannten Stellen angesprochen. Niemand habe sich eindeutig erklären wollen. Aus diesem Grund sei das Gericht anzurufen gewesen. Aus wirtschaftlichen Gründen sei nach seiner Sicht das Verfahren ohne Gebühren einzustellen. Damit sei er einverstanden. Wenn das Gericht auf eine Kostenpflicht bestehe, müsse das Verfahren jedoch weiterbetrieben werden. Das gerichtliche Schreiben vom 14.01.2021 sei schlitzohrig, wenn er zur Klagerücknahme aufgefordert werde. Wer die Klage zurücknehme, zahle die Kosten. Also keine Klagerücknahme wegen der Kosten, sondern Weiterführung des Verfahrens.
Im Übrigen wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO bleibt ohne Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Erforderlich ist für einen Erfolg des Antrags, dass der Antragsteller einen materiellen Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Eilbedürftigkeit) gerade im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (Anordnungsgrund) glaubhaft machen kann.
1. Nach sachgerechter Auslegung (§§ 122, 88 VwGO) begehrt der Antragsteller mit Telefax vom 05.01.2021 im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig festzustellen, dass die geplante Fahrt von München nach Berlin, insbesondere die Zwischenübernachtung im Kreis B1., den Regelungen der aktuell gültigen BayIfSMV und den Regelungen zum örtlichen Infektionsschutz nicht entgegensteht. Aufgrund der ergänzenden Telefaxe vom 13.01.2021 und vom 21.01.2021 ist zudem davon auszugehen, dass sich das Begehren des Antragstellers inzwischen erledigt hat, dieser jedoch nur dann bereit ist eine prozessbeendigende Erklärung abzugeben, wenn er im gerichtlichen Eilverfahren keine Kosten zu tragen hat.
2. Der Antrag, im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes festzustellen, dass die Fahrt von München nach Berlin – mit Zwischenübernachtung im Kreis B1. – eine „notwendige Fahrt im Sinne von Corona ist“, ist bereits mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig.
a) Der Antragsteller hat – trotz gerichtlicher Aufforderung – nicht glaubhaft gemacht, sich vor Erhebung des Eilantrags bei Gericht zunächst an die Verwaltungsbehörde gewandt und dort sein Anliegen hinreichend vorgetragen zu haben (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 26. Auflage 2020, § 123 Rn. 22 m.w.N.). Der Antragsteller konnte nicht einmal annährend darlegen, wann und von wem er die Auskunft bzw. gerade keine eindeutige Auskunft bekommen haben will. Er erklärte vielmehr lapidar, dies habe er sich nicht aufgeschrieben. Auch der Regierung von … ist eine derartige Anfrage des Antragstellers nicht bekannt.
Selbst wenn der Antragsteller tatsächlich mit irgendjemanden bei der Regierung von … oder der „Polizei“ gesprochen haben sollte, hat er sich jedenfalls nicht an die für sein Begehren zuständige Behörde gewandt. Insoweit verweist die Regierung von … zutreffend darauf, dass die Zuständigkeit für den Vollzug des Infektionsschutzgesetzes bezüglich der streitgegenständlichen Thematik den Kreisverwaltungsbehörden obliegt (vgl. § 65 Satz 1 ZustV). Es ist – auch nach ausdrücklicher gerichtlicher Nachfrage – weder dargetan noch anderweitig ersichtlich, dass eine Kreisverwaltungsbehörde im Raum Bayreuth und/oder in … seitens des Antragstellers mit der Angelegenheit befasst wurde, so dass mangels streitigen Rechtsverhältnisses kein Rechtsschutzbedürfnis für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes besteht (vgl. OVG Bremen, B.v. 24.6.2020 – 2 PA 99/20 – juris m.w.N.).
b) Im Übrigen – und ohne dass es noch entscheidungserheblich darauf ankommt – dürfte der Eilantrag auch deswegen unzulässig (geworden) sein, weil sich das Rechtsschutzbegehren nach Aussage des Antragstellers im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung „eigentlich“ erledigt hat und der Eilantrag offensichtlich nur noch deswegen aufrechterhalten bleibt, weil der Antragsteller die Abgabe einer prozessbeendigenden Erklärung im Hinblick auf eine drohende Kostentragungspflicht ablehnt. Im einstweiligen Rechtsschutz ist es nämlich nicht zulässig, dass der Antragsteller nach Erledigung seines Begehrens das Verfahren mit dem Ziel, keine Kosten des Verfahrens zu tragen zu müssen, weil er im Recht gewesen sei, weiterführt (vgl. BVerwG, B.v. 27.1.1995 – 7 VR 16.94 – juris; BayVGH, B.v. 16.8.2012 – 8 CE 11.2759 – juris; VGH Kassel, B.v. 29.10.2020 – 6 B 2545.20 – juris). Im Übrigen hat das Gericht grundsätzlich auch bei einer Verfahrenseinstellung nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen im Rahmen des § 161 Abs. 2 VwGO die Erfolgsaussichten des Eilantrags vor Eintritt der Erledigung zu berücksichtigen.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.


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