Verwaltungsrecht

Widerruf einer Nebentätigkeitsgenehmigung wegen Dienstunfähigkeit

Aktenzeichen  3 CS 20.535

Datum:
27.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 9585
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBG Art. 81 Abs. 3 S. 2 Nr. 6, S. 7
VwGO § 80 Abs. 5
Bay DG Art. 7 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

Die Nebentätigkeit als selbstständiger Trainer im Bereich des Ausdauersports (Schwimmsport) zu Erwerbszwecken ist in Anbetracht einer länger andauernden Dienstunfähigkeit geeignet, eine Beeinträchtigung des Ansehens der Verwaltung zu begründen. (Rn. 3)
Die Missbilligung ist als gemilderter Tadel eines der Ordnung zuwiderlaufenden Verhaltens zu verstehen, der spezial- und/oder generalpräventiven Zwecken dient. Demgegenüber bezweckt der Widerruf einer Nebentätigkeitsgenehmigung die Verhinderung der Beeinträchtigung dienstlicher Interessen (Rn. 10). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 2 S 19.2235 2020-02-14 Bes VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 10.000 € festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerdegründe, die fristgerecht (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) dargelegt worden sind und auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO), rechtfertigen es nicht, dem mit der Beschwerde weiter verfolgten Antrag des Antragstellers zu entsprechen,
die aufschiebende Wirkung der Klage vom 28. Dezember 2018 gegen den Widerruf der Nebentätigkeitsgenehmigung vom 29. November 2018 anzuordnen und hilfsweise die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Widerrufs gemäß dem Bescheid vom 22. August 2019 aufzuheben.
Das Verwaltungsgericht hat seine – diesen Antrag ablehnende – Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass sich im Nachhinein eine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen durch die Ausübung der Nebentätigkeit ergeben habe. Die als Nebentätigkeit genehmigten Tätigkeiten des Antragstellers als selbstständiger Trainer im Bereich des Ausdauersports (Schwimmsport) zu Erwerbszwecken seien in Anbetracht der derzeit bei ihm vorliegenden länger andauernden (seit Oktober 2018) krankheitsbedingten Dienstunfähigkeit geeignet, eine Beeinträchtigung des Ansehens der Verwaltung zu begründen. Die ärztliche Empfehlung, der Antragsteller, bei dem eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode (ICD-10:33.1) vorliege, solle die positiven Ausgleichsaktivitäten als Trainer und aktiver Schwimmer fortführen, erscheine zweifelhaft. Es sei weder ersichtlich, inwieweit die Ausgleichsaktivitäten tatsächlich gesundheitsfördernde Wirkung auf den Antragsteller haben sollten, noch weshalb es nicht ausreichen sollte, wenn der Antragsteller dem Schwimmsport im privaten Bereich nachgehe. Laut amtsärztlicher Expertise des zuständigen Landratsamts vom 6. März 2019 könne die Tätigkeit als Kurstrainer aus fachlicher Sicht nicht als gesundheitsförderlich betrachtet werden.
Die Einwände des Antragstellers hiergegen verfangen nicht. Seine zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die fristgerecht dargelegten Beschwerdegründe rechtfertigen es nicht, dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung (§ 80 Abs. 5 VwGO) und hilfsweisen Antrag auf Aufhebung der Anordnung der sofortigen Vollziehung vom 22. August 2019 unter Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses zu entsprechen.
Gemäß Art. 81 Abs. 3 Satz 7 BayBG ist eine erteilte Nebentätigkeitsgenehmigung zu widerrufen, wenn sich nach der Erteilung der Genehmigung eine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen ergibt. Fälle der Beeinträchtigung dienstlicher Interessen sind in Art. 81 Abs. 3 Satz 2 BayBG – wie sich aus der Formulierung „insbesondere“ ergibt – beispielhaft aufgezählt. So sind gemäß Art. 81 Abs. 3 Satz 2 Nr. 6 BayBG dienstliche Interessen dann beeinträchtigt, wenn die Nebentätigkeit dem Ansehen der öffentlichen Verwaltung abträglich sein kann. So verhält es sich hier.
Nach der gesetzlichen Formulierung reicht schon die Möglichkeit, also die Besorgnis einer Ansehensbeeinträchtigung aus. Es kommt darauf an, ob es bei verständiger Würdigung ernsthaft möglich ist, dass die Nebentätigkeit ansehensmindernde Auswirkungen hat. Da es ausreicht, wenn die Nebentätigkeit geeignet ist, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität des öffentlichen Dienstes zu beeinträchtigen (BVerwG, U.v. 24.11.2005 – 2 C 32.04 – juris Rn. 15; OVG NW, U.v. 23.10.2019 – 3d A 3489/18.O – juris Rn. 214; B.v. 4.4.2019 – 6 A 2171/17 – juris Rn. 4 ff.), ist es entgegen der Auffassung des Antragstellers gerade nicht entscheidungserheblich, ob Kollegen oder Außenstehenden tatsächlich davon wissen, dass der Antragsteller trotz Dienstunfähigkeit seine Nebentätigkeit als selbstständiger Trainer im Bereich des Ausdauersports (Schwimmsport) ausübt. Soweit das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang darauf hinweist, dass nicht unberücksichtigt bleiben könne, dass die Nebentätigkeit des Antragstellers auch eine gewisse Öffentlichkeitswirksamkeit durch die Bewerbung seiner Schwimmtrainings auf seiner Internetseite (vgl. Behördenakte S. 319 ff.) und seinen durch öffentlichkeitswirksame Auftritte in der Vergangenheit erlangten prominenten Namen in der sog. „Open Water Swimming“-Szene (vgl. Zeitungsartikel v. 21.6.2017 und 14.9.2016, Personalakte S. 185/219) aufweise, ist dies weder tatsächlich noch rechtlich zu beanstanden. Denn das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität des öffentlichen Dienstes ist in besonderem Maße dann beeinträchtigt, wenn ein Beamter, der aufgrund einer Erkrankung außerstande ist, Dienst zu verrichten, dennoch in dieser Zeit der Dienstunfähigkeit, in der er von seinem Dienstherrn alimentiert wird, einer privaten Erwerbstätigkeit nachgeht. Denn damit zeigt er nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, U.v. 01.06.1999 – 1 D 49.97 – juris Rn. 58; OVG NW, U.v. 23.10.2019 – 3d A 3489/18.O – juris Rn. 216; B.v. 4.4.2019 a.a.O. m.w.N.) regelmäßig ein Verhalten, das auf Unverständnis stößt und geeignet ist, das Vertrauen in die Loyalität der Beamtenschaft zu beeinträchtigen. Gerade durch die Alimentierung auch während der Dienstunfähigkeit wird sichergestellt, dass sich ein Beamter schonen kann, um seine Genesung bestmöglich zu fördern, und nicht gezwungen ist, eine anderweitige Tätigkeit aufzunehmen, um seinen Lebensunterhalt zu sichern. Wenn der Beamte ohne zwingende Notwendigkeit aus Eigennutz einer privaten Nebentätigkeit nachgeht, erweckt er den Eindruck, nicht so krank zu sein, dass er zur Dienstleistung außerstande ist, dass er also seine Dienstbezüge erhält, ohne zugleich seine wiederhergestellte Arbeitskraft seinem Dienstherrn zur Verfügung zu stellen.
Der Antragsteller räumte ein, seine Nebentätigkeit während seiner Erkrankung weiter ausgeübt zu haben (z.B. Schr. v. 23.12.2019 „hat lediglich einige nicht delegierbare Camps durchgeführt“). Damit gehen seine Einwände, es sei weder geprüft worden, wer die Kurse durchgeführt habe, noch hätte die Auskunft der Stadt I. über die Erteilung von Schwimmkursen durch den Antragsteller im November 2018 aus datenschutzrechtlichen Gründen verwertet werden dürfen, schon im Ansatz fehl.
Das Erstgericht hat zudem zutreffend festgestellt, dass eine mögliche Ansehensbeeinträchtigung der öffentlichen Verwaltung nicht etwa deshalb entfällt, weil die Nebentätigkeit der Gesundheit und Genesung förderlich wäre. Denn für das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität des öffentlichen Dienstes, für die insbesondere psychische Erkrankungen nicht erkennbar sind, kommt es nicht darauf an, ob die Tätigkeit für den Beamten gesundheitsfördernd ist (vgl. OVG NW, B.v. 4.4.2019 – 6 A 2171/17 – juris Rn. 10). Ohne dass es darauf ankäme, sei darüber hinaus darauf hingewiesen, dass die Amtsärztin des zuständigen Gesundheitsamts hierzu überzeugend in ihrer Stellungnahme vom 6. März 2019 ausführt, dass die nicht in erster Linie in eigener Sache nachgegangene Tätigkeit als Kurstrainer aus fachlicher Sicht schon nicht als gesundheitsförderlich betrachtet werden könne. Die Dienstfähigkeit sei hier offenbar nicht positiv beeinflusst worden oder habe zur Genese beigetragen. Diese eingeschränkt vorrangige (BVerwG, B.v. 15.2.2010 – 2 B 126.09 – juris Rn. 16) amtsärztliche Einschätzung, wird durch die „Empfehlung“ der behandelnden Fachärzte (Entlassungsbericht v. 28.10.2019), eine geregelte Tagesstruktur mit Integration von positiven Ausgleichsaktivitäten „(z.B. Trainer oder aktiver Schwimmer)“ fortzusetzen, nicht ansatzweise in Frage gestellt.
Es fehlt auch nicht etwa deshalb an einem besonderen öffentlichen Interesse an der Vollziehung des Widerrufsbescheides, weil die Antragsgegnerin den Sofortvollzug (22.8.2019) (erst) neun Monate nach dem Bescheid (29.11.2018) angeordnet hat. Die Behörde kann die Anordnung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) zugleich mit dem Erlass des Verwaltungsaktes treffen, darf dies beim Vorliegen der Voraussetzungen aber auch in einem späteren Stadium tun (Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 41). Der Antragsteller zeigt schon nicht substantiiert auf, weshalb die Einlassung der Antragsgegnerin unglaubhaft sein soll, sie habe erst nachträglich (nach Erlass des Bescheides v. 29.11.2018) erfahren, dass der Antragsteller weiterhin in größerem Umfang Schwimmkurse – nunmehr auch während der eigentlichen Dienstzeit – anbiete. Indem die Antragsgegnerin jedenfalls ab dem Zeitpunkt ihrer Kenntnis (April/Mai 2019; vgl. Aktenkonvolut Ast 2) bis Ende August 2019 mit der Anordnung des Sofortvollzugs abgewartet hat, weil sie davon ausging, dass der Antragsteller dem Widerruf Folge leisten wird, lässt das besondere Vollzugsinteresse nicht entfallen. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin zunächst die gesundheitliche Entwicklung des Antragstellers weiter beobachtet und den Sofortvollzug erst dann angeordnet hat, als die Bevollmächtigte des Antragstellers sinngemäß mitgeteilt hatte (Schr. v. 8./17.7.2019), die Aufforderungen bzw. Weisungen der Antragsgegnerin würden aufgrund der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Widerruf der Nebentätigkeitsgenehmigung ins Leere laufen und die Nebentätigkeitsgenehmigung würde noch Geltung für sich beanspruchen.
Der Ausspruch einer Missbilligung nach Art. 7 Abs. 1 Satz 2 des Bayerischen Disziplinargesetzes (BayDG) steht dem Widerruf der Nebentätigkeitsgenehmigung schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Doppelbestrafungsverbots des Art. 103 Abs. 3 GG entgegen. Das Verbot der Doppelbestrafung hat im Grundgesetz nur hinsichtlich des Strafrechts Eingang gefunden. Art. 103 Abs. 3 GG gilt nach Wortlaut und Sinn nur für Bestrafungen aufgrund der allgemeinen Strafgesetze. Er ist nicht entsprechend auf andere Rechtskreise zu übertragen. Er gilt selbst im Verhältnis von Kriminalstrafen und Disziplinarmaßnahmen nicht (so bereits BVerfG, B.v. 2.5.1967 – 2 BvR 391/64 – juris Rn. 17). Daneben unterscheiden sich die Missbilligung und der Widerruf der Nebentätigkeitsgenehmigung hinsichtlich Rechtsgrund und Zweckbestimmung auch grundlegend. Die schriftliche Missbilligung eines bestimmten Verhaltens eines Beamten bildet eine Unterform der in Art. 7 Absatz 1 Satz 2 BayDG vorgesehenen missbilligenden Äußerungen, die nicht ausdrücklich als Verweis bezeichnet werden und keine Disziplinarmaßnahmen darstellen, wobei als Missbilligung grundsätzlich jede dienstaufsichtliche Beanstandung des Verhaltens eines Beamten betrachtet wird, gleichgültig in welcher Form sie geschieht (Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, Stand August 2019, Art. 7 BayDG Rn. 10 ff.). Sie findet ihre Rechtsgrundlage in der aus dem allgemeinen Beamtenrecht folgenden Geschäftsleitungs-, Weisungs- und Aufsichtsbefugnis des Dienstherrn, die ihn im Rahmen der Dienstaufsicht berechtigt, auf eine reibungslose und rechtsfehlerfreie Erledigung der Dienstgeschäfte hinzuwirken und bei Bedarf kritisch einzuschreiten. Die Missbilligung ist als gemilderter Tadel eines der Ordnung zuwiderlaufenden Verhaltens zu verstehen, der spezial- und/oder generalpräventiven Zwecken dient. Es handelt sich um ein außerdisziplinarrechtliches pädagogisches Mittel, das Dienstvorgesetzte besitzen, um auf ein dienstlich zu beanstandendes Verhalten angemessen reagieren zu können (BayVGH, B.v. 5.7.2016 – 3 ZB 14.1781 – juris Rn. 8 m.w.N.). Demgegenüber bezweckt der Widerruf einer Nebentätigkeitsgenehmigung, die Verhinderung der Beeinträchtigung dienstlicher Interessen (Art. 81 Abs. 3 Satz 7 BayBG). Sie dient der Durchsetzung der pflichtgemäßen und vollwertigen Diensterfüllung und der Vermeidung von Interessenkonflikten und damit gerade nicht spezial- und/oder generalpräventiven Zwecken oder der Sanktionierung eines Fehlverhaltens des Beamten.
Die Beschwerde des Antragsstellers war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 VwGO (und Nr. 1.5, 10.6 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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