Verwaltungsrecht

Widerruf und Rücknahme einer Betriebsprämie und Ausgleichszulage

Aktenzeichen  AN 14 K 16.01508

Datum:
11.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 25682
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG Art. 48, Art. 49
MOG § 10
VO (EG) Nr. 73/2009 Art. 4, Art. 5, Art. 6
VO (EG) 1122/2009 Art. 72 Abs. 1 S. 1
VO (EG) Nr. 1122/2009 Art. 80

 

Leitsatz

1. Art. 48 BayVwVfG wird durch § 10 MOG als lex specialis für die nachträgliche Aufhebung oder Änderung eines Verwaltungsaktes verdrängt, da die Betriebsprämie Teil der Marktorganisation ist. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für eine Kürzung der Betriebsprämie im Rahmen von Art. 72 Abs. 1 S. 1 VO (EG) 1122/2009 reicht bereits bedingter Vorsatz aus, um den Regelfall einer 20%igen Kürzung zu verwirklichen. (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei vorsätzlichen Verstößen gegen Rechtsvorschriften die Verstöße als Einheit zu bewerten und – auch unter Berücksichtigung des gesamten Betriebsumfanges – den höchsten Kürzungsprozentsatz heranzuziehen, ist ermessensgerecht. (Rn. 51) (redaktioneller Leitsatz)
4. Art. 80 VO (EG) Nr. 1122/2009 beinhaltet den unionsrechtlichen Grundsatz, dass bei zu Unrecht gezahlten Beträgen der Betriebsinhaber zur Rückzahlung dieser Beträge zuzüglich Zinsen verpflichtet ist. (Rn. 52) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.
Die Klage ist zwar zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben worden.
II.
Die Klage ist aber unbegründet.
Die Bescheide des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 16. Juli 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Staatlichen Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 27. Juni 2016 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf ein Behalten der Betriebsprämie und der Ausgleichszulage für das Jahr 2011.
Der Kläger wurde korrekt zu den Verstößen angehört. Eine schriftliche Begründung haben die Ausgangsbescheide vom 16. Juli 2016 gemäß Art. 39 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG nicht benötigt, da dem Kläger die Sach- und Rechtslage ausführlich bekannt war. Es wurde auf mehrere Gespräche und Dokumente Bezug genommen, aus denen sich der Kläger der Situation voll umfänglich bewusst war. Die Begründung der Bescheide vom 16. Juli 2012 durch das AELF Weißenburg wurde im Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 2016 im Wesentlichen nachgeholt, was mit Art. 45 Abs. 2 BayVwVfG konform geht.
Gemäß § 114 Satz 2 VwGO können die Behörden ihre Ermessenausführungen auch im Verwaltungsverfahren noch ergänzen, was im Fall des Klägers geschehen ist. Selbst einen etwaigen Verstoß gegen Art. 39 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG (Begründung von Ermessensentscheidungen) kann die Behörde auch im Laufe des gerichtlichen Verfahrens heilen. In diesem Fall wurde seitens des Beklagten das Ermessen fehlerfrei ausgeübt und hat allenfalls die formelle Ermessenausübung, also Begründung, in den Ausgangsbescheiden teilweise gefehlt. Somit liegt hier nicht etwa ein Nachschieben von Gründen vor. Die Behörde konnte ihre Begründung, zu der grundsätzlich auch die Angabe der Rechtsgrundlage gehört, vorliegend nachträglich ergänzen (Art. 39 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Art. 45 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 BayVwVfG) und hat dies auch getan.
Die Angabe der Rechtsgrundlage im Rücknahme- und im Widerrufsbescheid vom 16. Juli 2012 ist durchaus erfolgt, nur im Falle des Rücknahmebescheides (bezüglich der Betriebsprämie 2011) insofern falsch, als Art. 48 Abs. 2 bis 4 BayVwVfG zugrunde gelegt wurde anstatt die lex specialis § 10 MOG. Durchaus wurde aber erkannt, dass aufgrund EU-Rechts (Art. 5 Abs. 1 VO (EU) 65/2011 und Art. 80 Abs. 1 VO (EG) 1122/2009 wurden korrekt zitiert) das „Ob“ der Rücknahme eine gebundene Entscheidung ist, die Bestimmung der Höhe Ermessen eröffnet. Eine solche Änderung der zunächst angegebenen Rechtsgrundlage im Widerspruchsbescheid, der sodann § 10 MOG nennt, ist möglich, wenn sich der Bescheid im Ergebnis als rechtmäßig erweist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 26. Auflage 2020, Rn. 65 ff. zu § 113 VwGO m.w.N.) und nicht in seinem Wesen geändert wurde, auf demselben Sachverhalt fußt und wenn die neue Rechtsgrundlage denselben Zweck verfolgt – wie hier.
Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11. August 2020 steht fest, dass der Kläger schwere Verstöße gegen das Tierschutzrecht zu verantworten hat, dabei insbesondere hinsichtlich des qualvoll leidenden Mastbullen vorsätzlich begangen. Dieser Verstoß – für sich genommen – wurde seitens des Beklagten zurecht mit einem Kürzungsprozentsatz von 100% gewertet.
1. Die Rücknahme des Bescheides vom 21. November 2011 über die Betriebsprämie für 2011 war rechtmäßig. Der Rücknahme- und Rückforderungsbescheid des Beklagten vom 16. Juli 2012 findet seine Rechtsgrundlage in § 10 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 des Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen und der Direktzahlungen (MOG). Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Rücknahme nach § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG liegen vor. Die Bewilligungsbescheide bezüglich der Betriebsprämien waren rechtswidrige begünstigende Bescheide in den Fällen der §§ 6 und 8 MOG. Die Betriebsprämie ist eine besondere Vergünstigung i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. g MOG, da es sich bei der Betriebsprämie um eine flächenbezogene Beihilfe handelt.
Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG sind rechtswidrige begünstigende Bescheide in den Fällen der §§ 6 und 8 MOG zurückzunehmen. Betriebsprämien fallen gemäß den §§ 1 Abs. 1 a, 6 Abs. 1 Nr. 2 MOG als Direktzahlungen unter das MOG. § 48 Abs. 2 bis 4 und § 49a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG; Rechtsgrundverweisung auf das Bundesgesetz trotz Handelns einer bayerischen Behörde) waren anzuwenden.
Art. 48 BayVwVfG wird im Übrigen durch § 10 MOG als lex specialis für die nachträgliche Aufhebung oder Änderung eines Verwaltungsaktes verdrängt, da die Betriebsprämie Teil der Marktorganisation ist (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MOG). Die Betriebsprämie ist gemäß Art. 4 bis 6 VO (EG) 73/2009 an die Einhaltung der Vorschriften in den Bereichen Umweltschutz, Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit, tierische Gesundheit und Tierschutz gekoppelt, so dass bei Verstoß eine Kürzung die Folge ist (Art. 23 Abs. 1 VO (EG) 73/2009). Nach Art. 24 VO (EG) 73/2009, Art. 70, 71 VO (EG) 1122/2009 sind Schwere, Ausmaß, Dauer und Häufigkeit der Verstöße relevant für die Ausübung des Ermessens, das nur bei der Höhe der Kürzungen, nicht hinsichtlich des „Ob“ der Kürzungen besteht.
Materiellrechtlich muss gemäß Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EG) 73/2009 ein Betriebsinhaber, der Direktzahlungen bezieht, Grundanforderungen an die Betriebsführung gemäß Artikel 5 der Verordnung (EG) 73/2009 erfüllen (vgl. Art. 5 Abs. 1 Buchst. c explizit zum Tierschutz). Folgen der festgestellten Verstöße sind generell Kürzungen der Betriebsprämie, die sich nach Art. 23 und 24 VO (EG) 73/2009 i. V. m. den Art. 71 ff. der VO (EG) 1122/2009 bestimmen. Nach Art. 23 Abs. 1 VO (EG) 73/2009 wird der Gesamtbetrag der Direktzahlungen, der dem Betriebsinhaber gewährt wurde oder zu gewähren ist, nach den Durchführungsbestimmungen gemäß Art. 24 gekürzt oder gestrichen, wenn die Grundanforderungen an die Betriebsführung oder das Kriterium des guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustands in einem bestimmten Kalenderjahr zu irgendeinem Zeitpunkt nicht erfüllt werden und dieser Verstoß das Ergebnis einer Handlung oder Unterlassung ist, die unmittelbar dem Betriebsinhaber, der den Beihilfeantrag in dem betreffenden Jahr gestellt hat, anzulasten ist. Nach Art. 24 Abs. 1 Satz 2 VO (EG) 73/2009 werden bei den Kürzungen und Ausschlüssen u.a. Schwere, Ausmaß, Dauer und Häufigkeit der Verstöße berücksichtigt. Bei vorsätzlichen Verstößen beträgt die Kürzung grundsätzlich nicht weniger als 20% und kann bis zum vollständigen Ausschluss von einer oder mehreren Beihilferegelungen gehen, wie im Fall des Klägers, und im Übrigen für ein oder mehrere Kalenderjahre gelten (vgl. Art. 72 VO (EG) 1122/2009). Eine ausnahmsweise Minderung gemäß Art. 72 Abs. 1 Satz 2 VO (EG) 1122/2009, Art. 54 Abs. 1 Buchst. c VO (EG) 1122/2009 der Kürzung auf nicht weniger als 15% kam im Fall des Klägers aufgrund der besonderen Schwere des Verstoßes mit dem Bullen nicht in Betracht.
Die Annahme des Beklagten, dass der Kläger insbesondere hinsichtlich des gravierenden Verstoßes im Falle des Bullen vorsätzlich gehandelt hat, ist nicht zu beanstanden und strafrechtlich rechtskräftig abgeurteilt. Für eine Kürzung der Betriebsprämie i.R.v. Art. 72 Abs. 1 Satz 1 VO (EG) 1122/2009 reichte im Übrigen bereits bedingter Vorsatz aus, um den Regelfall einer 20%igen Kürzung zu verwirklichen. Im Falle des Klägers lag direkter Vorsatz vor.
Nach Art. 40 BayVwVfG hat eine Behörde das ihr durch Gesetz eingeräumte Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Die gerichtliche Prüfung ist auf die Rechtmäßigkeitskontrolle der Ausübung beschränkt (§ 114 Satz 1 VwGO, vgl. dazu BVerwG, U.v. 13.11.1979 – I C 16.75 – NJW 1980, 2034 – juris Rn. 13). Ein danach beachtlicher Ermessensfehler liegt vor, wenn die Behörde das ihr eingeräumte Ermessen nicht (erkennbar) betätigt (vgl. BVerwG, U.v. 23.9.1992 – 6 C 2.91 – BVerwGE 91, 24/42 – juris Rn. 55). Im Falle des Klägers hat aber der Beklagte für den Kläger erkennbar sein Ermessen (bezüglich der Höhe der Rücknahme bzw. Kürzung, nicht bezüglich des „Ob“, da insoweit gebundene Entscheidung) ausgeübt. Der nach Art. 19 Abs. 4 GG verfassungsrechtlich garantierte gerichtliche Rechtsschutz setzt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung voraus, dass die Behörde offenbart, von welchen Gesichtspunkten sie bei der Ausübung des Ermessens ausgeht. Deshalb existiert – auch – die formelle Pflicht zur Begründung von Verwaltungsakten gemäß Art. 39 BayVwVfG (vgl. BVerwG, U.v. 5.9.2006 – 1 C 20.05 – NVwZ 2007, 470/471 – juris Rn. 18). Denn ist es nicht ersichtlich, welche Gesichtspunkte für die Ermessensentscheidung maßgeblich gewesen sind, liegt ein Ermessensausfall vor (BayVGH, B.v. 14.12.2011 – 4 BV 11.895 – juris Rn. 35, BVerwG, U.v. 1.9.2016 – 4 C 4.15 – BVerwGE 156, 94 Rn. 27) und das Verwaltungsgericht wäre nicht in der Lage zu prüfen, ob bei der Ermessensausübung die rechtlichen Voraussetzungen beachtet wurden. Dies ist hier erkennbar nicht der Fall, vielmehr konnte die in den Ausgangsbescheiden unterbliebene, aber im Widerspruchsbescheid nachgeholte Ermessensentscheidung (vgl. BVerwG, U.v. 19.12.1995 – 1 C 3/93 -, NVwZ 1997, 278, Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Anm. 4 zu § 79) bezüglich der Kürzungshöhe seitens des Klägers wie auch des Gerichts gut nachvollzogen werden. Denn selbst wenn die Ausgangsbehörde verkannt hätte, dass es sich bezüglich der Höhe der Kürzung um eine Ermessensentscheidung handelt, wäre die gerichtliche Prüfung der Ermessensentscheidung am Widerspruchsbescheid auszurichten (BVerwG, a.a.O.), da gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 VwGO Gegenstand der Anfechtungsklage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt ist, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. Das diesbezügliche Ermessen wurde mithin für den Kläger erkennbar und korrekt ausgeübt.
In den Cross-Compliance-Richtlinien als ermessenslenkenden Weisungen des Beklagten ist als Kürzungsfaktor bei vorsätzlichen Verstößen in der Regel von 20% auszugehen, in besonderen Fällen wie hier kann bis 100% gegangen werden. Der Beklagte begründete die Heraufsetzung auf 100% zurecht mit dem Vorliegen eines schweren Verstoßes gegen Tierschutzrecht wegen der unterlassenen Absonderung des Bullen. Die dadurch bedingte Höhe der Rückforderung wie auch die Betriebsgröße des klägerischen landwirtschaftlichen Betriebes wurden vom Beklagten erkannt und in die Ermessenserwägungen hinsichtlich des Kürzungsprozentsatzes miteinbezogen. Zudem waren seit dem Jahr 2001 beim Kläger immer wieder tierschutzrechtliche Verstöße festgestellt worden. Dabei war es folgerichtig und ebenso ermessensgerecht, diese Vorfälle einzubeziehen und zu berücksichtigen. Das abgeschlossene Strafverfahren hat hierbei völlig andere Zielrichtungen und bedeutet keine „Doppelbestrafung“. Die strafrechtliche Verurteilung hat allerdings ergeben, dass der Vorsatz des Klägers vorgelegen hat.
Eine Kürzung von 20% wegen des Haltens von sechs Mastbullen auf 10,5 Quadratmetern sowie wegen des Haltens von sechs Kühen in zu enger Anbindehaltung mit einem Kürzungsprozentsatz von 20% war gerechtfertigt. Dasselbe gilt für die weiteren Verstöße. Dies kann jedoch wegen der Schwere des Verstoßes bezüglich des Mastbullen dahingestellt bleiben.
Bei vorsätzlichen Verstößen – wie hier geschehen – die Verstöße als Einheit zu bewerten und -auch unter Berücksichtigung des gesamten Betriebsumfanges – den höchsten Prozentsatz heranzuziehen, ist ermessensgerecht. Somit kam es auf die weiteren fahrlässig begangenen Verstöße nicht mehr an, da der Höchstkürzungsprozentsatz 100% beträgt.
Des Weiteren steht der Rücknahme des Bewilligungsbescheides Vertrauensschutz des Klägers nicht entgegen, einerseits weil ein solcher weder ersichtlich ist noch vorgetragen wurde, andererseits allein deshalb nicht, weil zwar § 10 Abs. 1 Satz 1 letzter Satzteil MOG die den Vertrauensschutz betreffende Vorschrift des § 48 Abs. 2 und 3 VwVfG für anwendbar erklärt, nationales Recht aber dann nicht gilt, wenn bei der Aufhebung der Bewilligung der Beihilfe und bei der Rückforderung zu Unrecht gewährter Beträge der zu beachtende Vertrauensschutz unionsrechtlich ausdrücklich geregelt ist und diese Regelung abschließend ist, was bei Art. 80 VO (EG) Nr. 1122/2009 der Fall ist. Art. 80 VO (EG) Nr. 1122/2009 beinhaltet den unionsrechtlichen Grundsatz, dass bei zu Unrecht gezahlten Beträgen der Betriebsinhaber zur Rückzahlung dieser Beträge zuzüglich Zinsen verpflichtet ist. Ein Schutz vor Rückforderung zu Unrecht gezahlter Beträge ist nur im Rahmen des Art. 80 Abs. 3 VO (EG) 1122/2009 gegeben. Danach gilt die Verpflichtung zur Rückzahlung nicht, wenn die Zahlung auf einen Irrtum der zuständigen Behörde oder einer anderen Behörde zurückzuführen ist, der vom Betriebsinhaber billigerweise nicht erkannt werden konnte. Dies ist hier nicht der Fall.
Die Verzinsung des Rückforderungsbetrages richtete sich korrekterweise nach Art. 80 Abs. 2 VO (EG) 1122/2009 i. V. m. § 14 Abs. 1 Satz 1 MOG.
Der Anspruch des Beklagten war auch nicht verjährt. Gem. Art. 3 der VO (EG) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften beträgt die Verjährungsfrist für die Verfolgung vier Jahre ab Begehung der Unregelmäßigkeit. Die Verfolgungsverjährung wird durch jede der betreffenden Person zur Kenntnis gebrachte Ermittlungs- oder Verfolgungshandlung der zuständigen Behörde unterbrochen. Nach jeder Unterbrechung beginnt die Verjährungsfrist von neuem. Die Verjährung wurde vorliegend sowohl durch die Vor-Ort-Kontrolle am 17. November 2011 als auch durch Erlass der streitgegenständlichen Bescheide unterbrochen. Die festgesetzten Rückforderungsbeträge sind nicht verjährt.
2. Auch der Widerruf der Ausgleichszulage war rechtmäßig. Wohl ein Versehen ist die Nennung von Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG im Widerspruchbescheid, denn es liegt, wie auch im Ausgangsbescheid unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, keine Rücknahme, sondern Widerruf vor. Rechtsgrundlage für den Widerrufsbescheid des Beklagten war Art. 49 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG i.V.m. Art. 5 VO (EG) 65/2011 sowie Art. 80 Abs. 1 VO (EG) 1122/2009, Art. 2 VO (EG) 1975/2006. Aus Art. 49 a Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG ergab sich die Rückzahlungspflicht. Bei dem Bewilligungsbescheid handelte es sich zwar noch um einen rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt, weil der Bescheid am 26. September 2011 erging und die Vor-Ort-Kontrolle erst am 17. November 2011 stattfand. Der Bescheid vom 26. September 2011 wurde indes nachträglich rechtswidrig, zumal es i.S.v. Art. 50a Abs. 1, 51 Abs. 1 VO (EG) 1698/2005 genügt, wenn die Grundanforderungen an die Betriebsführung in einem bestimmten Kalenderjahr, hier 2011, zu irgendeinem Zeitpunkt (Vor-Ort-Kontrolle am 17. November 2011) nicht erfüllt waren. Das Unionsrecht differenziert damit nicht danach, ob zum Zeitpunkt des Bewilligungsbescheids bereits ein Verstoß vorliegt oder noch im Laufe des verbleibenden Bewilligungsjahres auftritt.
Der Widerruf war rechtmäßig, weil die anderweitigen Verpflichtungen nach Art. 4, Art. 5 VO (EG) 73/2009 im Sinne von Art. 50a, 51 Abs. 1 VO (EG) 1698/2005 nicht eingehalten worden sind; die Kürzungshöhe folgt aus Art. 51 VO (EG) 1698/2005 sowie Art. 22 f. VO (EG) 1975/2006, Art. 71 Abs. 1 VO (EG) 1122/2009. Der Zinsanspruch folgt aus Art. 49a Abs. 3 BayVwVfG für den nationalen Anteil, aus 49a Abs. 3 BayVwVfG i.V.m. Art. 5 Nr. 2 VO (EG) 65/2011, Art. 80 Abs. 2 VO (EG) 1122/2009 für den EU-Anteil der Ausgleichszahlung.
Folge der Nichterfüllung der Grundanforderungen der Betriebsführung (s. 1.) war zurecht der Widerruf der kompletten gewährten Zahlungen. Die Rückzahlungs- und Verzinsungspflicht des Klägers ergibt sich aus Art. 5 Abs. 1 und 2 VO (EU) Nr. 65/2011. Für das Nichtvorliegen von Verjährung gilt das unter 1. Ausgeführte.
3. Die Kostenentscheidungen in beiden Bescheiden des AELF … sowie im Widerspruchsbescheid sind ebenfalls nicht zu beanstanden.
4. Die gerichtliche Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben