Verwaltungsrecht

Wirksamkeit der Grenzfeststellung eines Jagdreviers durch Abrundungsvereinbarung aus dem Jahr 1935

Aktenzeichen  19 ZB 18.1834

Datum:
26.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 24732
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayJG Art. 3, Art. 4
RJG § 6 Abs. 1, § 10
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 2

 

Leitsatz

1. Die Abrundung durch öffentlich-rechtliche Vereinbarung der Beteiligten (Jagdgenossenschaft, Eigentümer oder Nutznießer eines Eigenjagdreviers), wie nunmehr in Art. 4 Abs. 2 BayJG geregelt, war durch das RJG nicht ausgeschlossen, bedurfte aber der Genehmigung durch den Kreisjägermeister. Durch freiwillige Vereinbarung der Beteiligten allein konnten weder Jagdbezirke gebildet noch geändert werden. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Weder dem Reichsjagdgesetz noch der Verordnung zur Ausführung des Reichsjagdgesetzes kann eine Vorschrift entnommen werden, die vor dem Abschluss einer Abrundungsvereinbarung einen Beschluss der Jagdgenossenschaft vorsieht. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
3. Weder das Inkrafttreten der bayerischen Jagdgesetze nach 1945 und des BJagdG noch Änderungen im Gemeindegebietsbestand haben Einfluss auf die Wirksamkeit einer Abrundungsvereinbarung aus dem Jahr 1935. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Beantwortung der Frage der Notwendigkeit eines jagdgenossenschaftlichen Beschlusses vor Abschluss einer Abrundungsvereinbarung im Geltungszeitraum des Reichsjagdgesetzes bereitet keine das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitenden Schwierigkeiten gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 7 K 16.4185 2018-06-20 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
Die klagende Jagdgenossenschaft O. wendet sich gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 20. Juni 2018, durch das ihre Klage auf Feststellung, dass die Gemarkungsgrenze der Gemarkung O. zugleich die Jagdgrenze des Gemeinschaftsjagdreviers O. zum Gemeinschaftsjagdrevier N. bildet, abgewiesen worden ist. Der Beklagte hatte mit Schreiben vom 27. April 2016 (ohne Beifügung einer Rechtsbehelfsbelehrung:) gegenüber der Klägerin erklärt, der Erlass des von der Klägerin gewünschten Bescheides sei nicht möglich, weil die Grenze der Abrundungsvereinbarung vom 22. Mai 1935 folgt.
Das der rechtlichen Überprüfung durch den Senat ausschließlich unterliegende Vorbringen in der Begründung des Zulassungsantrags (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) rechtfertigt keine Zulassung der Berufung. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. Die Berufung der Kläger ist nicht aufgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestünden nur dann, wenn die Klägerseite im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16). Solche schlüssigen Gegenargumente liegen bereits dann vor, wenn im Zulassungsverfahren substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufgezeigt werden, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – juris Rn. 19). Es reicht nicht aus, wenn Zweifel lediglich an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen bestehen, auf welche das Urteil gestützt ist. Diese müssen vielmehr zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründen. Das wird zwar regelmäßig der Fall sein. Jedoch schlagen Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente nicht auf das Ergebnis durch, wenn das angefochtene Urteil sich aus anderen Gründen als richtig darstellt (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4/03 – juris Rn. 9).
Der Kläger rügt, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei die Abrundungsvereinbarung vom 22. Mai 1935 nicht wirksam. Zwar gehe das Verwaltungsgericht zutreffend davon aus, dass es sich bei dem Dokument vom 22. Mai 1935 um eine Abrundungsvereinbarung handle. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die damalige Abrundung sei aus den Erfordernissen der Jagdpflege erfolgt und sei auch heute noch aus Gründen der Jagdausübung und Jagdpflege zumindest möglich, weil die Gemarkungsgrenze N./O. ein zusammenhängendes Waldstück zerschneide, das jedenfalls laut Kartenmaterial insgesamt gut aus dem Gemeinschaftsjagdrevier der Beigeladenen heraus bejagbar wäre, sei aber unzutreffend. Die derzeitige Abgrenzung sei der Jagdausübung und Jagdpflege weder förderlich noch sinnvoll. Die aufgrund der Abrundungsvereinbarung der beigeladenen Jagdgenossenschaft N. zugeschlagenen Grundflächen würden teilweise als Wiese/Acker und Hopfenanlage genutzt. Tatsächliche Feststellungen habe das Verwaltungsgericht insoweit nicht getroffen. Das Verwaltungsgericht gehe unzutreffend davon aus, es seien keine Indizien für eine bereits anfängliche Unwirksamkeit der Abrundungsvereinbarung erkennbar. Bei der Festlegung der Jagdgrenze sowie der Abrundung des Gemeinschaftsjagdreviers bedürfe es – wie auch § 6 Abs. 2 Buchst. c der Mustersatzung für die Jagdgenossenschaften in Bayern vorsehe – eines Beschlusses der Jagdgenossenschaft, weil es sich dabei um eine grundsätzliche Angelegenheit handle. Eine fehlende Vertretungsmacht im Außenverhältnis stelle keinen Verfahrens- oder Formfehler im Sinne des Art. 46 BayVwVfG, sondern einen Fehler gem. Art. 44 Abs. 3 Nr. 3 BayVwVfG dar. Dieser führe zur Nichtigkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrages nach Art. 59 Abs. 2 Nr. 3 BayVwVfG. Zwar dürften die nach Abschluss der Abrundungsvereinbarung erlassenen Vorschriften zum öffentlich-rechtlichen Vertrag keine unmittelbare Anwendung finden. Es sei in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgerichts aber gerechtfertigt, auch bei der Beurteilung solcher Verträge von dem in § 59 VwVfG enthaltenen Katalog auszugehen. Die Abrundungsvereinbarung vom 22. Mai 1935 sei daher nichtig und entfalte keine Rechtswirkung. Das Verwaltungsgericht verkenne zudem die Voraussetzungen für die Feststellung, ob die Klägerin vor dem Abschluss der Abrundungsvereinbarung im Jahr 1935 einen wirksamen Beschluss gefasst habe. Die verwaltungsgerichtlichen Ausführungen, der klägerische Vortrag zur zwingenden Notwendigkeit eines Beschlusses sei pauschal und unsubstantiiert sowie die klägerische Behauptung eines fehlenden Beschlusses sei mangels Anhaltspunkten in den Behördenakten eine Behauptung ins Blaue hinein, verletzten den klägerischen Anspruch auf rechtliches Gehör. Aus den Ausführungen des Verwaltungsgerichts, es widerspräche der allgemeinen Lebenserfahrung, dass die Klägerin einen fehlenden Beschluss nicht zeitnah rüge und die Beteiligten diesen Umstand stattdessen über Jahrzehnte hinnähmen, ergebe sich nicht, woraus eine solche allgemeine Lebenserfahrung resultieren solle. Das Verwaltungsgericht hätte von Amts wegen gemäß § 86 Abs. 1 VwGO ermitteln müssen, ob ein wirksamer Beschluss der Klägerin vorgelegen habe oder nicht. Eine verbleibende Unerweislichkeit müsse zulasten des Beklagten gehen, weil sich dieser auf die Wirksamkeit der Abrundungsvereinbarung berufe. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, es ergäben sich aus den Behördenakten keinerlei Anhaltspunkte für einen fehlenden Beschluss, sei unzutreffend. Am 29. Mai 1969 habe der damalige Abteilungsleiter des zuständigen Landratsamtes die Frage der Vertretungsmacht im Innen-/Außenverhältnis nicht entsprechend herausgearbeitet und den Einwand der Ungültigkeit der Abrundungsvereinbarung unter Verweis auf die eigenhändigen Unterschriften sämtlicher Beteiligter ausgeräumt. Die Abrundungsvereinbarung habe sich jedenfalls auf andere Weise erledigt. Mit der Vereinbarung vom 3. April 1969 habe eine Jagdabrundung auf eine neue Geschäftsgrundlage gestellt werden sollen. Die Beteiligten hätten sich nicht an der früheren Vereinbarung festhalten lassen wollen. Dies gelte umso mehr, als im Hinblick auf die Niederschrift vom 29. Mai 1969 als Ergebnis der dortigen Besprechung festgehalten worden sei, der damalige Pächter B. zahle für die Zeit seines laufenden Pachtvertrages jährlich den Betrag von 100 DM an den Jagdpächter H.. Zudem sei die Vereinbarung vom 22. Mai 1935 im Sinne des Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG, Art. 58 Abs. 1 BayVwVfG zu unbestimmt und damit entsprechend dem Rechtsgedanken des Art. 59 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG nichtig. Außerdem habe das Verwaltungsgericht die klägerischen Einwendungen hinsichtlich der Probleme zwischen Jägern, Grundbesitzern und Pächtern, hinsichtlich der Frage der Bezahlung von durch Wild verursachten Schäden auf den auch in Zukunft als Maisanbaugebiet verwendeten Grundflächen und hinsichtlich der Probleme bei der Information der Jagdpächter nach den 1-2 Mal pro Jahr infolge von Wildwechsel eintretenden Verkehrsunfällen, nicht berücksichtigt.
Die Rügen zeigen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils auf.
1.1 Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Abrundungsvereinbarung vom 22. Mai 1935 sei wirksam zustande gekommen, ist nicht zu beanstanden.
Gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 des Reichsjagdgesetzes vom 3. Juli 1934 (RGBl I S. 549; nachfolgend RJG), gem. § 1 der Verordnung über die Ausübung und Behandlung der Jagd (Überleitungsvorschrift zum Reichsgesetz) vom 20. November 1934 (GVBl 1934 S. 422) in Bayern sofort in Kraft getreten, wurden die Jagdbezirke abgerundet, um die Gestaltung der Jagdbezirke mit den Erfordernissen der Jagdpflege in Einklang zu bringen. Zu diesem Zweck konnten notfalls einzelne Grundflächen von einem Jagdbezirk abgetrennt oder einem Jagdbezirk angegliedert werden (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 RJG). Gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung zur Ausführung des Reichsjagdgesetzes vom 27. März 1935 (RGBl I S. 431; nachfolgend AusfV) erfolgte die Abrundung der Jagdbezirke und der Austausch von Flächen aneinander-grenzender Jagdbezirke nach den Erfordernissen der Jagdpflege durch den Kreisjägermeister, der die Jagdbehörde des Jagdkreises war (§ 53 Abs. 3 RJG), entweder auf Antrag eines Beteiligten oder von Amts wegen (in § 2 der Verordnung über die Ausübung und Behandlung der Jagd vom 5.3.1935 war die Aufgabe zuvor noch nicht dem Kreisjägermeister übertragen). Eine Vorschrift, wie sie nunmehr Art. 4 Abs. 2 BayJG darstellt, wonach Abrundungen durch öffentlich-rechtliche Vereinbarungen der Beteiligten (Jagdgenossenschaft, Eigentümer oder Nutznießer eines Eigenjagdreviers) vorgenommen werden können, fand sich dem Wortlaut nach im RJG nicht. Die Abrundung durch öffentlich-rechtliche Vereinbarung war aber durch das RJG nicht ausgeschlossen, wie sich aus der damaligen Kommentarliteratur ergibt. So sollte vor Erlass einer Verfügung nach § 6 RJG eine freiwillige Vereinbarung der Beteiligten herbeigeführt werden (Klotz, RJG, Karlsruhe 1936, § 6 Anm. 2). Eine solche Vereinbarung der Beteiligten hatte aber, solange sie vom Kreisjägermeister nicht genehmigt war, keine rechtliche Wirkung, d.h. durch freiwillige Vereinbarung der Beteiligten allein konnten weder Jagdbezirke gebildet noch geändert werden (Behr/Ott/Nöth, Die Deutsche Reichsjagdgesetzgebung, München 1935, § 6 S. 79 f.). Daher bestimmte die – nach dem Abschluss der vorliegenden Abrundungsvereinbarung erlassene – Dienstanweisung für Kreisjägermeister vom 3. Dezember 1935, dass freiwillig getroffene Vereinbarungen von Abrundungen schriftlich – durch den Kreisjägermeister – „festzulegen“ sind (Nr. IV A 1), was letztlich einer Regelung, wie sie nunmehr in Art. 4 Abs. 2 BayJG besteht, entspricht. Unter Berücksichtigung der damals (vor 1945) geltenden Rechtsgrundsätze ist auch die Dienstanweisung für die Kreisjägermeister, soweit sie die Behandlung von Abrundungsvereinbarung betrifft, als normative Regelung unterhalb des Ranges eines förmlichen Gesetzes zu werten (BayVGH, U.v. 6.7.1988 – 19 B 87.01759 – Jagdrechtliche Entscheidungen II Nr. 103).
In den vorgelegten Behördenakten befindet sich eine auf den 14. November 1938 datierte, maschinenschriftlich erstellte beglaubigte Abschrift einer Abrundungsvereinbarung vom 22. Mai 1935, die unter IV. eine (textlich beschriebene) Grundfläche der Gemeinde O. dem Jagdbezirk N. zuweist (das Vermessungsamt ermittelte im Jahr 1969 eine Flächengröße von 28,53 ha; die streitgegenständliche Jagdgrenze ist etwa 2 km lang) und eine Vergütungszahlung zugunsten des Jagdpächters der Klägerin enthält. Im Anschluss an die Gliederungsnummer IV. enthält die beglaubigte Abschrift den Passus „Folgen die Unterschriften.“, wobei weder die Namen noch die Stellungen der Unterzeichner aufgelistet sind. Die beglaubigte Abschrift ist handschriftlich unterzeichnet. Unterhalb dieser Unterschrift befindet sich – in anderer Handschrift – folgender, mit einer Paraphe gezeichneter Vermerk vom 14. Dezember 1962: „Lt. Original unterz. von Jagdvorstehern u. Pächtern u. KJM“. Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass die Vereinbarung geschlossen worden ist und dass die Unterschriften, folglich auch die des damaligen Jagdvorstehers der Klägerin, geleistet worden sind.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist sie beim Abschluss der Abrundungsvereinbarung wirksam von ihrem damaligen Jagdvorsteher vertreten worden. Das Verwaltungsgericht hat insoweit zu Recht ausgeführt, dass weder dem Reichsjagdgesetz noch der Verordnung zur Ausführung des Reichsjagdgesetzes eine Vorschrift entnommen werden kann, die vor dem Abschluss einer Abrundungsvereinbarung einen Beschluss der Jagdgenossenschaft vorsieht (die jagdlichen Vorschriften räumten den Jagdgenossen nur in den Fällen des § 11 Abs. 3 RJG und des § 12 Abs. 9 AusfV ein Mitbestimmungsrecht ein). Die Jagdgenossenschaft wurde gerichtlich und außergerichtlich durch den Jagdvorsteher, der eine juristische Person des öffentlichen Rechts war (Klotz, RJG, Karlsruhe 1936, § 10 Anm. 3), vertreten (§ 10 Abs. 2 Satz 2 RJG; die Bestimmung des Jagdvorstehers durch Wahl der Jagdgenossenschaft war – soweit ersichtlich – erstmals in § 9 Abs. 2 Satz 2 des Bundesjagdgesetzes vom 29.11.1952 vorgesehen). Dieser verwaltete die Angelegenheiten der Jagdgenossenschaft (§ 10 Abs. 2 Satz 1 RJG). Der Jagdvorsteher (grundsätzlich der Vorsteher der Gemeinde , folglich gem. §§ 32 Abs. 1, 36 Abs. 1 der Deutschen Gemeindeordnung vom 30.1.1935 der Bürgermeister der Gemeinde) erfüllte die ihm obliegenden Aufgaben dabei kraft des ihm im Gesetz erteilten staatlichen Auftrags zur Wahrnehmung einer öffentlich-rechtlichen Angelegenheit („Auftragsverhältnis kraft Gesetzes“, Klotz, RJG, Karlsruhe 1936, § 10 Anm. 3) und somit nicht als privatrechtlicher Bevollmächtigter der Grundeigentümer (Klotz, RJG, Karlsruhe 1936, § 10 Anm. 3; Behr/Ott/Nöth, Die Deutsche Reichsjagdgesetzgebung, München 1935, § 10 S. 117: Der Jagdvorsteher ist gesetzlicher Vertreter der Genossenschaft). Die zivilrechtlichen Grundsätze über das Rechtsverhältnis zwischen dem Vollmachtgeber und dem Bevollmächtigten (§ 164 ff. BGB) fanden daher keine Anwendung (Klotz, RJG, Karlsruhe 1936, § 10 Anm. 3). In den preußischen Vorgängerregelungen zum Reichsjagdgesetz war die Vertretung der Jagdgenossenschaft in der gleichen Form ausgestaltet. Gemäß § 9 des Preußischen Jagdpolizeigesetzes vom 7. März 1850 wurde die Jagdgenossenschaft nach außen (und den Mitgliedern der Genossenschaft gegenüber) durch die Gemeindebehörde vertreten. Dem gemeinschaftlichen Jagdbezirk fehlte eine Repräsentanz der einzelnen Mitglieder der Genossenschaft, die, wie die Gemeindevertretung in Gemeindeverwaltungsangelegenheiten, über die Verwaltung der gemeinschaftlichen Jagd zu beschließen hätte. Der Beschluss und dessen Ausführung lagen in einer Hand vereinigt (PrOVG, Endu. v. 8.3.1897 – Rep. III. C. 99/96 – PrOVGE 31, 239/ 241 f.). Die der Gemeindebehörde zustehende und obliegende Vertretung der Genossenschaft war öffentlich-rechtlich, sodass die zivilrechtlichen Grundsätze über das Verhältnis zwischen (Voll-)Machtgeber und Bevollmächtigten sowie zwischen (Voll-)Machtgeber und Dritten keine Anwendung fanden (RGZ, U.v. 4.7.1902 – Rep. II. 29/02 – RGZE 52, 126/128). Dieses Verständnis galt auch im Rahmen der Preußischen Jagdordnung vom 15. Juli 1907. Insoweit hat das Preußische Oberverwaltungsgericht entschieden, dass der Jagdvorsteher als Beamter handle, weil das Amt des Jagdvorstehers organisch mit dem des Gemeindevorstehers verbunden und der Gemeindevorsteher in seiner amtlichen Eigenschaft gleichzeitig Jagdvorsteher sei, wenngleich er nicht die Interessen und Rechte der politischen Gemeinde, sondern die der Jagdgenossenschaft wahrnehme (PrOVG, U.v. 7.5.1923 – I. C. 3/23 – PrOVGE 78, 381/383). Folglich war für den wirksamen Abschluss der Abrundungsvereinbarung vom 22. Mai 1935 kein zustimmender Beschluss der Klägerin erforderlich. Daher greift die klägerische Rüge, die Abrundungsvereinbarung vom 22. Mai 1935 sei aufgrund eines fehlendem Beschlusses der Klägerin vor Abschluss der Vereinbarung unwirksam, ebenso wenig durch wie die Rüge der Verletzung der Beweislastgrundsätze durch die verwaltungsgerichtliche Entscheidung.
Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin vor dem Abschluss der Abrundungsvereinbarung die in § 10 Abs. 1 Satz 1 AusfV enthaltene Möglichkeit des Erlasses einer Satzung ergriffen hat. Die Klägerin hat keine Satzung vorgelegt. Zudem sind in den behördlichen Unterlagen keinerlei Indizien für einen entsprechenden Satzungserlass ersichtlich, obwohl eine solche gem. § 10 Abs. 1 Satz 2 AusfV von der unteren Verwaltungsbehörde hätte genehmigt werden müssen. Daher kann dahinstehen, ob eine Satzungsregelung, die eine Mitwirkung der Jagdgenossenschaft – in Form eines Beschlusses – vor dem Abschluss einer Abrundungsvereinbarung verlangt, angesichts des Wortlauts des § 10 Abs. 1 Satz 2 AusfV, wonach die Satzung Bestimmungen über einen etwaigen weiteren Wirkungskreis des Jagdvorstehers treffen kann, überhaupt zulässig gewesen wäre, weil dadurch der Wirkungskreis des Jagdvorstehers nicht erweitert, sondern beschnitten worden wäre.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Abrundungsvereinbarung vom 22. Mai 1935 nicht zu unbestimmt. Die Beteiligten konnten und können die dem Gemeinschaftsjagdrevier N. zugewiesenen Grundstücksflächen der Gemarkung O. (die sich nördlich der Straße von N. und O. bis zur Abzweigung nach A. bis J. und dann dem Fahrweg nordwärts entlang zur Gemeindegrenze R. befindet) anhand der in der Abrundungsvereinbarung enthaltenen textlichen Beschreibung sicher und ohne weiteres ermitteln. Dass insoweit keinerlei Probleme und Unstimmigkeiten bestehen, zeigt das Schreiben des Jagdvorstehers der Klägerin vom 29. Januar 2015 an den Beklagten, in dem er die Fläche textlich anhand der derzeit bestehenden Geländesituation beschrieben (nördlich der Kreisstraße nach N., nördlich der Ortsverbindungs straße nach A. bis zum Feld- und Waldweg zum Forst) und die farbliche Kenntlichmachung der Beklagten in einer Karte ausdrücklich bestätigt hat. Ebenso führt es nicht zur Unbestimmtheit der Abrundungsvereinbarung, dass das Grundstück Flur-Nr. 802 der Gemarkung O. von dem die Grenze des Jagdbezirks bildenden Fahrweg nordwärts zur Gemeindegrenze R. durchschnitten wird. Die Jagdgrenze ist durch den Fahrweg bestimmt, der als natürliche Grenze bei der Abrundung zu bevorzugen war (vgl. Behr/Ott/Nöth, Die Deutsche Reichsjagdgesetzgebung, München 1935, § 6 S. 79).
1.2 Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Abrundungsvereinbarung habe sich nicht auf andere Weise erledigt, ist nicht zu beanstanden.
Weder das Inkrafttreten der bayerischen Jagdgesetze nach 1945 und des BJagdG noch Änderungen im Gemeindegebietsbestand haben etwas an der Wirksamkeit der Abrundungsvereinbarung geändert (vgl. BayVGH, U.v. 6.7.1988 – 19 B 87.01759 – Jagdrechtliche Entscheidungen II Nr. 103). Dass unter der Geltung des BayJG und des BJagdG eine Abrundung durch Vereinbarung der Beteiligten (Jagdgenossenschaft, Eigentümer oder Nutznießer eines Eigenjagdreviers) oder von Amts wegen vorgenommen worden ist, ist nicht ersichtlich.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Jagdabrundung mit der „Vereinbarung“ vom 3. April 1969 nicht auf eine neue „Geschäftsgrundlage“ gestellt worden. Das Schreiben des Beklagten vom 3. April 1969, das den Betreff „Entschädigungsregelung aus der Abrundung O./N.“ trägt, hat nicht die Aufhebung der Jagdabrundungsvereinbarung vom 22. Mai 1935 bezweckt, sondern hat lediglich zu einer Anpassung der in der Jagdabrundungsvereinbarung vom 22. Mai 1935 zugunsten des Jagdpächters der Klägerin vorgesehenen jährlichen Entschädigung („fünfzig Reichsmark“) an die damaligen Verhältnisse führen sollen („DM 68,47“). Die abschließende Festlegung der jährlichen Entschädigung ist letztendlich erst im Rahmen einer Verständigung im Rahmen einer Besprechung aller Beteiligten am 29. Mai 1969 in den Räumlichkeiten des Beklagten erfolgt.
1.3 Die Rüge des Klägers, das Verwaltungsgericht habe die klägerischen Einwendungen hinsichtlich der Probleme zwischen Jägern, Grundbesitzern und Pächtern, hinsichtlich der Frage der Bezahlung von durch Wild verursachten Schäden auf den auch in Zukunft als Maisanbaugebiet verwendeten Grundflächen und hinsichtlich der Probleme bei der Information der Jagdpächter nach den 1-2 Mal pro Jahr infolge von Wildwechsel eintretenden Verkehrsunfällen, nicht berücksichtigt, zeigt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils auf.
Die klägerischen Einwendungen sind mit Schreiben ihres Jagdvorstehers vom 29. Januar 2015 mit dem Antrag auf Rückgabe der Flächen gegenüber dem Beklagten vorgetragen worden und sind daher für die hier streitgegenständliche Feststellung einer (bestehenden) Jagdreviersgrenze nach Art. 3 BayJG nicht relevant, sondern zielen auf eine – hier nicht streitgegenständliche – Veränderung einer (bestehenden) Jagdreviersgrenze im Sinne von Art. 4 BayJG. Die Feststellung nach Art. 3 BayJG hat – im Gegensatz zur Festsetzung nach Art. 4 BayJG – nur deklaratorische Bedeutung, d.h. es kann auf ihrer Grundlage nur eine bereits bestehende Grenze (für die Beteiligten bindend) festgestellt, nicht aber eine bestehende Grenze verändert werden (vgl. Art. 8, 10 BayJG i.V.m. §§ 7, 8 BJagdG, BayVGH, U. v. 20.8.1999 – 19 B 95.2879 – juris Rn. 28). Daher ist es vorliegend auch nicht entscheidungserheblich, ob es sich bei der Abrundungsfläche um ein zusammenhängendes Waldgebiet gehandelt hat oder immer noch handelt.
2. Der Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten gem. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt nicht vor.
Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten im Sinne dieser Vorschrift weist eine Rechtssache dann auf, wenn die Beantwortung der für die Entscheidung erheblichen Fragen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten bereitet, wenn sie sich also wegen der Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren heraushebt (BayVGH, B.v. 10.4.2017 – 15 ZB 16.673 – juris Rn. 42 m.w.N.). Für die Darlegung der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten genügt dabei die allgemeine Behauptung eines überdurchschnittlichen Schwierigkeitsgrads nicht. Vielmehr ist erforderlich, dass sich die Kläger mit dem verwaltungsgerichtlichen Urteil substanziell auseinandersetzen und im Einzelnen darlegen, hinsichtlich welcher aufgrund der erstinstanzlichen Entscheidung auftretenden Fragen sich besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten ergeben sollen (BayVGH, B.v. 2.5.2011 – 8 ZB 10.2312 – juris Rn. 21 m.w.N.).
Die Einwendungen der Klägerin, in tatsächlicher Hinsicht sei die Frage der Notwendigkeit eines Beschlusses im Jahr 1935 und des Vorliegens eines entsprechenden Beschlusses vom Verwaltungsgericht nicht geklärt worden, in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht seien die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, wonach aufgrund der damaligen Kommentarliteratur vieles dafür spräche, dass es überhaupt keines Beschlusses bedurft hätte, besonders schwierig und durch das Verwaltungsgericht nicht geklärt worden sowie in rechtlicher Hinsicht beständen besondere Schwierigkeiten, weil die Rechtsgrundsätze der Art. 54 ff. BayVwVfG entsprechend der Auffassung des nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgerichts zu § 59 VwVfG auch auf vor dem Inkrafttreten des Verwaltungsverfahrensgesetzes abgeschlossene öffentlich-rechtliche Verträge Anwendung fänden, greifen nicht durch. Die Beantwortung der Frage der Notwendigkeit eines jagdgenossenschaftlichen Beschlusses vor Abschluss einer Abrundungsvereinbarung im Geltungszeitraum des Reichsjagdgesetzes bereitet keine das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitenden Schwierigkeiten. Der Sachverhalt ist übersichtlich und die entscheidungserheblichen Rechtsfragen lassen sich ohne weiteres an Hand der anzuwendenden Rechtsvorschriften klären (vgl. die Ausführungen zu Nr. 1). Die Frage der Anwendbarkeit der in § 59 VwVfG enthaltenen Nichtigkeitsgründe bei der Beurteilung öffentlich-rechtlicher Verträge, die vor dem Inkrafttreten des VwVfG abgeschlossen worden sind, stellt sich – mangels Nichtigkeitsgrundes – vorliegend nicht (vgl. die Ausführungen zu Nr. 1).
3. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), die der Kläger ihr zumisst.
Um den auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, ausführen, weshalb diese Frage entscheidungserheblich ist, erläutern, weshalb die vorformulierte Frage klärungsbedürftig ist, und darlegen, warum der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (stRspr vgl. z.B. BayVGH, B.v. 17.12.2015 – 10 ZB 15.1394 – juris Rn. 16 m.w.N.).
Die vom Kläger aufgeworfene Frage, „ob für eine Abrundungsvereinbarung aus dem Jahr 1935 unter Geltung des Reichsjagdgesetzes die Vorschriften des BayVwVfG jedenfalls wertungsmäßig heranzuziehen sind“, rechtfertigt die Zulassung der Berufung mangels Entscheidungserheblichkeit nicht. Ein Nichtigkeitsgrund nach Art. 59 BayVwVfG liegt bereits nicht vor (vgl. die Ausführungen zu Nr. 1).
4. Ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO liegt ebenfalls nicht vor.
4.1 Der Kläger rügt, das Verwaltungsgericht verletze im Rahmen der Beweiswürdigung die bestehenden Beweislastregeln zulasten der Klägerin, weil es im Falle einer non-liquet-Entscheidung von einem fehlenden Beschluss der Klägerin im Jahr 1935 hätte ausgehen müssen.
Ob ein Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) vorliegt, kann dahinstehen, da sich ohne den Aufwand eines Berufungsverfahrens zuverlässig sagen lässt, dass das Verwaltungsgericht die Rechtssache (jedenfalls) im Ergebnis richtig entschieden hat (vgl. die Ausführungen zu Nr. 1).
4.2 Sollte die Klägerin mit ihren (im Rahmen der Darlegung des Zulassungsgrundes gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO getätigten) Ausführungen, das Verwaltungsgericht verletze ihren Anspruch auf rechtliches Gehör, weil es den klägerischen Vortrag zur Notwendigkeit eines Beschlusses der Klägerin als pauschal und unsubstantiiert und die klägerische Behauptung, es habe kein wirksamer Beschluss vorgelegen, unter Verweis auf fehlende Anhaltspunkte in den Behördenakten als Behauptung ins Blaue angesehen habe, die Erhebung einer Gehörsrüge beabsichtigt haben, greift diese nicht durch.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist vorliegend nicht verletzt, weil dem klägerischen Zulassungsvorbringen weder zu entnehmen ist, dass die angefochtene Entscheidung auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt wird, zu denen sich die Klägerin nicht äußern konnte (§ 108 Abs. 2 VwGO), noch dass das erkennende Gericht das (entscheidungserhebliche) tatsächliche oder rechtliche Vorbringen der Beteiligten nicht zur Kenntnis genommen und nicht erwogen hat (BVerfG, B.v. 25.3.2010 – 1 BvR 2446/09 – juris Rn. 10). Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor, wenn das Verwaltungsgericht dem Tatsachenvortrag oder der Rechtsauffassung der Klägerin in der Sache nicht folgt (vgl. BVerwG, B.v. 8.2.2010 – 8 B 126/09, 8 B 76/09 – juris Rn. 2 m.w.N.; BayVGH, B.v. 10.3.2010 – 2 CS 10.222 – juris).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 47 Abs. 3, Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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