Verwaltungsrecht

Zulässige und begründete Anfechtungsklage gegen Bescheid nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, hilfsweiser Verpflichtungsantrag in Bezug auf nationale Abschiebungsverbote hinsichtlich Griechenlands zulässig, Lage in Griechenland für rückkehrende anerkannt Schutzberechtigte: hier: Familie bestehend aus Vater, Mutter und vier minderjährigen Kindern, zwei davon krank, sowie für 20-jährigen kranken ledigen jungen Mann (Sohn) und 18-jährige ledige junge Frau (Tochter), beachtliche Wahrscheinlichkeit einer erniedrigenden und unmenschlichen Behandlung im Falle einer Rückkehr nach Griechenland (bejaht)

Aktenzeichen  AN 17 K 18.50653

Datum:
20.6.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 15947
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2
GRCh Art. 4
EMRK Art. 3
VwGO § 42 Abs. 1 Alt. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Bescheid des Bundeamtes für Migration und Flüchtlinge vom  13. August 2018 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
3. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Gründe

Das Gericht konnte gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt haben.
Die zulässige Klage ist begründet. Über den Hilfsantrag, der für den Fall des Unterliegens mit der Anfechtung der Unzulässigkeitsentscheidung gestellt war, ist mangels Bedingungseintritt nicht mehr zu entscheiden.
1. Die vom Kläger erhobene Anfechtungsklage ist die allein statthafte Klageart gegen die Unzulässigkeitsentscheidung in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids und die Folgeentscheidungen.
Die Zulässigkeit der Anfechtungsklage ergibt sich aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Zuge der Änderung des Asylverfahrensgesetzes infolge des Inkrafttretens des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I Nr. 39 v. 5.8.2016). Danach ist die Anfechtungsklage gegen Bescheide, die die Unzulässigkeit eines Asylantrags nach § 29 Abs. 1 AsylG feststellen, die allein statthafte Klageart. Hintergrund hierfür ist der Umstand, dass die Asylanträge in diesen Fällen ohne Prüfung der materiell-rechtlichen Anerkennungsvoraussetzungen, also ohne weitere Sachprüfung, abgelehnt werden. Insoweit kommt auch kein eingeschränkter, auf die Durchführung eines Asylverfahrens beschränkter Verpflichtungsantrag (vgl. BVerwG, U.v. 20.5.2020 – 1 C 34.19 – juris, U.v. 1.6.2017 – 1 C 9.17 – juris; BayVGH, U.v. 13.10.2016 – 20 B 14.30212 – juris) oder gar auf ein „Durchentscheiden“ des Gerichts in Betracht. Bei einer erfolgreichen Klage führt die isolierte Aufhebung der angefochtenen Regelung zur Fortführung des Asylverfahrens durch die Beklagte und damit zum erstrebten Rechtsschutzziel. Dabei bleibt es auch nach der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137; zuvor schon angelegt in EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris), der lediglich inhaltliche Vorgaben im Hinblick auf den effektiven Rechtsschutz für international Anerkannte im Sinne des Art. 47 GRCh und Art. 46 Verfahrens-RL macht, aber keine prozessualen oder verfahrensrechtlichen Vorgaben, die dem nationalen Recht überlassen sind.
2. Die zulässige Anfechtungsklage ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 13. August 2018 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten. Er ist daher aufzuheben, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
a) Das Bundesamt hat die Asylanträge der Kläger zu Unrecht als unzulässig gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG abgelehnt.
(1) Nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedsstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat. Den Klägern wurde durch Griechenland internationaler Schutz zuerkannt. Die Norm setzt Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Verfahrens-RL 2013/32/EU in nationales Recht um und ist daher richtlinien- und europarechtskonform auszulegen. Nach Art. 33 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a der Verfahrens-RL dürfen die Mitgliedsstaaten einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig ablehnen, wenn ein anderer Mitgliedsstaat internationalen Schutz gewährt hat. Allerdings hat der Europäische Gerichtshof der Vorschrift im Wege der Auslegung noch ein weiteres, negatives Tatbestandsmerkmal entnommen. Nach der Entscheidung vom 13. November 2019 ist es den Mitgliedsstaaten nämlich nicht möglich von der Befugnis des Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Verfahrens-RL Gebrauch zu machen und einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abzulehnen, wenn dem Antragsteller bereits von einem anderen Mitgliedsstaat die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, aber die Lebensverhältnisse, die ihn dort als anerkannter Flüchtling erwarten würden, ihn der ernsthaften Gefahr aussetzen würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh zu erfahren (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137; s.a. schon EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris). Nach Art. 52 Abs. 3 GRCh ist dabei auch die zu Art. 3 EMRK ergangene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu berücksichtigen.
Eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG hat also in richtlinienkonformer Auslegung zu berücksichtigen, ob dem im anderen Mitgliedsstaat Anerkannten nach einer Rücküberstellung eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht.
Dem steht auch nicht der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens im Unionsrecht entgegen, welcher besagt, dass die Mitgliedsstaaten regelmäßig grundlegende Werte der Union, wie sie etwa in Art. 4 GRCh zum Ausdruck kommen, anerkennen, das sie umsetzende Unionsrecht beachten und auf Ebene des nationalen Rechts einen wirksamen Schutz der in der GRCh anerkannten Grundrechte gewährleisten sowie dies gegenseitig nicht in Frage stellen. Dieser Grundsatz gilt auch im Rahmen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems und gerade bei der Anwendung von Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Verfahrens-RL, in dem er zum Ausdruck kommt (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 80 ff.; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 83 ff.; s.a. Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, Art. 4 GRCh Rn. 3).
Der Grundsatz gegenseitigen Vertrauens gilt jedoch nicht absolut im Sinne einer unwiderlegbaren Vermutung, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Gemeinsame Europäische Asylsystem in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedsstaat stößt, so dass ein ernsthaftes Risiko besteht, dass Personen, die internationalen Schutz beantragen (und bekommen), bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat grundrechtswidrig behandelt werden. Dies zu prüfen obliegt den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 83 ff.; EuGH, U.v. 19.3.2019 -Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 86 ff.).
Derartige Funktionsstörungen müssen eine besonders hohe Schwelle an Erheblichkeit erreichen und den Antragsteller tatsächlich einer ernsthaften Gefahr aussetzen, im Zielland eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erfahren, was von sämtlichen Umständen des Falles abhängt (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137 Rn. 36; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C -297/17 u.a. – juris Rn. 89). Nicht ausreichend für das Erreichen dieser Schwelle ist der bloße Umstand, dass die Lebensverhältnisse im Rückführungsstaat nicht den Bestimmungen des Kapitels VII der Anerkennungs-RL 2011/95/EU entsprechen (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137 Rn. 36). Die Schwelle ist jedoch dann erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaates zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befindet, die es ihr nicht erlaubt, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigt oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzt, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137 Rn. 39; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 90). Plakativ formuliert kommt es darauf an, ob der Anerkannte bei zumutbarer Eigeninitiative in der Lage wäre, an „Bett, Brot und Seife“ zu gelangen (VGH BW, B.v. 27.5.2019 – A 4 S 1329/19 – juris Rn. 5). Angesichts dieser strengen Anforderungen überschreitet selbst eine durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichnete Situation nicht die genannte Schwelle, sofern diese nicht mit extremer materieller Not verbunden ist, aufgrund derer sich die betreffende Person in einer solch schwerwiegenden Situation befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137 Rn. 39; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 91). Daher kann auch der Umstand, dass inter-national Schutzberechtigte in dem Mitgliedstaat, der sie anerkannt hat, keine oder im Vergleich zu anderen Mitgliedsstaaten nur in deutlich reduziertem Umfang existenzsichernde Leistungen erhalten, ohne dabei anders als die Angehörigen dieses Mitgliedsstaats behandelt zu werden, nur dann zur Feststellung der Gefahr einer Verletzung des Standards des Art. 4 GRCh führen, wenn der Antragsteller sich aufgrund seiner besonderen Verletzbarkeit unabhängig von seinem Willen und seinen persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not im oben genannten Sinne befände. Dafür genügt nicht, dass in dem Mitgliedstaat, in dem einer neuer Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, höhere Sozialleistungen gewährt werden oder die Lebensverhältnisse besser sind als in dem Mitgliedsstaat, der bereits internationalen Schutz gewährt hat (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 93 f.; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 97). Ebenso wenig ist das Fehlen familiärer Solidarität in einem Staat in Vergleich zu einem anderen eine ausreichende Grundlage für die Feststellung extremer materieller Not. Gleiches gilt für Mängel bei der Durchführung von Integrationsprogrammen (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 94, 96).
Bei dem so definierten Maßstab ist weiter zu berücksichtigen, ob es sich bei der betreffenden Person um eine gesunde und arbeitsfähige handelt oder eine Person mit besonderer Verletzbarkeit (Vulnerabilität), die leichter unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in eine Situation extremer materieller Not geraten kann (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 93; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 95; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 29 AsylG Rn. 26). Damit schließt sich der Europäische Gerichtshof der Tarakhel-Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte an (EGMR, U.v. 4.11.2014 – Tarakhel, 29217/12 – NVwZ 2015, 127), die wegen Art. 52 Abs. 3 GRCh auch im Rahmen des Art. 4 GRCh zu berücksichtigen ist.
Für die demnach zu treffende Prognoseentscheidung, ob dem Kläger eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh droht, ist eine tatsächliche Gefahr („real risk“) des Eintritts der maßgeblichen Umstände erforderlich, d.h. es muss eine ausreichend reale, nicht nur auf bloße Spekulationen gegründete Gefahr bestehen. Die tatsächliche Gefahr einer Art. 4 GRCh zuwiderlaufenden Behandlung muss insoweit aufgrund aller Umstände des Falles hinreichend sicher und darf nicht hypothetisch sein (OVG RhPf, B.v. 17.3.2020 – 7 A 10903/18.OVG – BeckRS 2020, 5694 Rn. 28 unter Verweis auf VGH BW, U.v. 3.11.2017 – A 11 S 1704/17 – juris Rn. 184 ff. m.w.N. zur Rspr. des EGMR). Es gilt der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Die für eine solche Gefahr sprechenden Umstände müssen ein größeres Gewicht als die dagegensprechenden Tatsachen haben (OVG RhPf, a.a.O.; vgl. VGH BW, a.a.O., juris Rn. 187).
(2) Dabei legt das Gericht hinsichtlich der in Griechenland herrschenden Lebensverhältnisse für zurückkehrende, anerkannt Schutzberechtigte folgende Lage zugrunde:
Asylbewerber, die bereits von Griechenland als international Schutzberechtigte anerkannt worden sind, werden im Falle einer Abschiebung dorthin von den zuständigen Polizeidienststellen in Empfang genommen und mit Hilfe eines Dolmetschers umfassend über ihre Rechte aufgeklärt (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 3; anders, aber nur „nach bisheriger Kenntnis“: Stiftung Pro Asyl/RSA, Stellungnahme zur aktuellen Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland, April 2021, S. 5). Die betroffenen Personen erhalten insbesondere Informationen zur nächsten Ausländerbehörde, um dort ihren Aufenthaltstitel verlängern zu können. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels geht jedoch nach jüngeren Berichten mit bürokratischen Hindernissen und zeitlichen Verzögerungen einher. So genügt ein bestandskräftiger Anerkennungsbescheid der griechischen Behörden, mit dem internationaler Schutz zuerkannt wird, für sich genommen nicht, um eine Aufenthaltserlaubnis (ADET) beantragen zu können. Zusätzlich erforderlich ist ein sogenannter ADET-Bescheid, der häufig, aber nicht immer zusammen mit dem Anerkennungsbescheid zugestellt wird. Bei dem ADET-Bescheid handelt es sich um einen Bescheid des zuständigen Regionalbüros der Asylbehörde, durch den die Ausstellung einer Aufenthaltserlaubnis angewiesen wird. Verfügt der Anerkannte über keinen ADET-Bescheid, muss er ihn beim zuständigen Regionalbüro der Asylbehörde zuerst beantragen und kann erst nach Erhalt beim regional zuständigen Passamt der griechischen Polizei einen Termin vereinbaren, um die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zu beantragen (Stiftung Pro Asyl/RSA, Stellungnahme zur aktuellen Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland, April 2021, S. 11 ff.). Zu diesem Termin hat der Schutzberechtigte persönlich zu erscheinen. Mit der dann von der Passbehörde ausgestellten Bescheinigung über die eingereichten Belege kann der Anerkannte die Aufenthaltserlaubnis bei der regionalen Asylbehörde abholen. Bis zur Ausstellung der Aufenthaltserlaubnis vergehen in der Praxis mehrere Monate oder gar ein Jahr (Stiftung Pro Asyl/RSA, Stellungnahme zur aktuellen Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland, April 2021, S. 14 f.; AIDA, Country Report Greece, Update 2020, S. 229 f.). Der Grund für die langen Wartezeiten liegt nach Auskunft der griechischen Polizei in behördlichen Zuständigkeitsverschiebungen im Januar und Juli 2020 und einem damit einhergehenden Bearbeitungsrückstau (Stiftung Pro Asyl/RSA, Stellungnahme zur aktuellen Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland, April 2021, S. 14; AIDA, Country Report Greece, Update 2020, S. 229 f.).
Staatliche Hilfsangebote speziell für Rückkehrer werden vom griechischen Staat nicht zur Verfügung gestellt (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 8). Mit dem Programm „Hellenic Integration Support for Beneficiaries of International Protection“ (HELIOS) existiert ein offizielles Integrationsprogramm für international Schutzberechtigte mit festem Wohnsitz. Die Finanzierung des HELIOS-Programmes erfolgt seit Beginn des Jahres 2022 nicht mehr aus Mitteln des europäischen Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds, sondern durch das griechische Ministerium für Migration und Asyl. Umgesetzt wird es von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in Zusammenarbeit mit verschiedenen NGOs. HELIOS unterstützt u.a. bei der Suche nach einer eigenständigen Unterkunft und Arbeitsstelle. Ebenso werden Mietzuschüsse gewährt und es gibt Hilfe bei der Vernetzung mit Wohnungseigentümern. Auch werden Sprach- und Integrationskurse angeboten. Das Programm endet nach sechs Monaten (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Griechenland, Version 3, 21.4.2022, S. 32 ff.). HELIOS richtet sich aber nur an international Schutzberechtigte, die nach dem 1. Januar 2018 anerkannt wurden, die zum Zeitpunkt der Zustellung ihres Anerkennungsbescheides in einer Flüchtlingsunterkunft, einem Empfangs- und Identifikationszentrum (RIC), einem Hotel des IOM FILOXENIA-Projekts oder in einer Wohnung des ESTIA-Programmes untergebracht waren, dem HELIOS-Programm beigetreten sind und sich innerhalb von 12 Monaten nach Zuerkennung des Schutzstatus angemeldet haben (Stiftung Pro Asyl/RSA, Stellungnahme zur aktuellen Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland, April 2021, S. 7; Deutsche Botschaft Athen, Unterbringung und Sicherung des Existenzminimums anerkannt Schutzberechtigter in Griechenland, Stand Juni 2021, S. 4). Zudem benötigen die Teilnehmer zumindest eine Aufenthaltserlaubnis, Steuernummer, Bankkonto, Sozialversicherungsnummer und einen Wohnungsnachweis. Anerkannte Schutzberechtigte, die aus dem Ausland zurückkehren, profitieren in der Regel von HELIOS somit nicht, da sie schlicht die Voraussetzungen nicht erfüllen (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Griechenland, Version 3, 21.4.2022, S. 33).
Daneben gibt es einen „Helpdesk für soziale Integration“ des Ministeriums für Migration und Asyl, der Personen mit internationalem Schutz bei der Beantwortung von Fragen zur sozialen Integration wie beispielsweise zu Griechisch-Sprachkursen, zu Arbeitsberatung, Wohnungssuche und Erteilung einer Steueridentifikationsnummer unterstützten soll (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Griechenland, Version 3, 21.4.2022, S. 36). In mehreren Städten bestehen sog. Migrantenintegrationszentren (KEMs), die als Zweigstellen der Gemeinschaftszentren dienen und Information und Beratung zu Integrationsfragen und Vernetzungsinitiativen bieten, Anfragen an die zuständigen Institutionen, Dienste und Behörden sowie an spezialisierte Strukturen und lokale Dienste wie Unterkünfte für Obdachlose weiterleiten sowie Kurse der griechischen Sprache, Kultur sowie zur Erlangung von Computerkenntnissen und Hilfe beim Zugang zum Arbeitsmarkt durch Kooperation mit den lokalen Behörden anbieten. Da sich das Programm aber an Asylbewerber, legal aufhältige Drittstaatsangehörige und Personen mit internationalem Schutzstatus, die Inhaber des ADET-Aufenthaltstitels sind, richtet (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Griechenland, Version 3, 21.4.2022, S. 35), profitieren rückkehrende anerkannt Schutzberechtigte mangels Aufenthaltstitel von dem Programm jedenfalls für längere Zeit nach Rückkehr oftmals nicht.
Seit Ende 2021 steht mit dem in Kooperation von UNHCR, Catholic Relief Services (CRS), Caritas Hellas und der UN Refugees Agency geführten Projekt „ADAMA“ in Athen ein weiteres Programm zur Verfügung, dass auch von Personen in Anspruch genommen werden kann, die keinen Zugang zum HELIOS-Programm gefunden oder dieses bereits beendet haben und noch nicht in den Arbeitsprozess integriert werden konnten. Dieses Programm soll Begünstigten helfen, selbständig zu werden und diese bei der Arbeitssuche und bei Behördenwegen zum Erhalt von Sozialversicherungen, Bankkonten, Steuernummer, Wohnungen etc. unterstützen (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Griechenland, Version 3, 21.4.2022, S. 34; UNHCR: ADAMA: A Centre helping refugees to become self-reliant, 31.3.2022). Weiter wird berichtet, dass zivilgesellschaftliche Organisationen, Berufsbildungszentren und Universitäten Sprachkurse anbieten würden und im Speziellen die Athener Stadtverwaltung (ACCORD, Griechenland: Versorgungslage und Unterstützungsleistungen für (nach Griechenland zurückkehrende) Personen mit internationalem Schutzstatus, 26.8.2021, S. 27). Auch würden weitere Anbieter wie GCR-Pyxida, NGO APOSTOLI und das griechische Rote Kreuz Sprach- und Integrationskurse bereitstellen (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Griechenland, Version 3, 21.4.2022, S. 36). In bestehende Lücken stoßen Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die auf verschiedensten Feldern Integrationshilfe leisten (z.B. Hilfestellung bei der Beantragung von Sozialversicherungsnummer und Steuernummer und bei der Arbeitsplatzsuche) und mit denen die griechischen Behörden, insbesondere die lokalen, auch kooperieren (Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Athen, Hilfsorganisationen – Hilfe für Flüchtlinge in Griechenland, Stand Dezember 2019; OVG SH, U.v. 6.9.2019 – 4 LB 17/18 – BeckRS 2019, 22068 Rn. 91 f.; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Schwerin vom 26.9.2018, S. 2; United States Departement of State [USDOS], Greece 2020 Human Rights Report, S. 15). Die Arbeit der NGOs ist jedoch räumlich vorwiegend auf die Ballungsräume Athen und Thessaloniki konzentriert (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Schwerin vom 26.9.2018, S. 2).
Hinsichtlich des Zugangs zu einer Unterkunft gilt für anerkannte Schutzberechtigte der Grundsatz der Inländergleichbehandlung mit griechischen Staatsangehörigen. Da es in Griechenland kein staatliches Programm für Wohnungszuweisungen an Inländer gibt (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Bayreuth vom 21.8.2020, S. 1), entfällt dies auch für anerkannt Schutzberechtigte. Sie sind zur Beschaffung von Wohnraum grundsätzlich auf den freien Markt verwiesen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 3; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 2; Amnesty International, Amnesty Report Griechenland 2020 vom 7.4.2021). Das Anmieten von Wohnungen auf dem freien Markt ist durch das traditionell bevorzugte Vermieten an Familienmitglieder, Bekannte oder Studenten sowie gelegentlich durch Vorurteile gegenüber Flüchtlingen erschwert (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Schwerin vom 26.9.2018, S. 5). Zurückkehrende anerkannt Schutzberechtigte werden nicht in den Flüchtlingslagern oder staatlichen Unterkünften untergebracht. Zwar leben dort auch anerkannt Schutzberechtigte, jedoch nur solche, die bereits als Asylsuchende dort untergebracht waren; diese können über die Anerkennung hinaus für einen Übergangszeitraum von 30 Tagen dort verbleiben (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Griechenland, Version 3, 21.4.2022, S. 36; Deutsche Botschaft Athen, Unterbringung und Sicherung des Existenzminimums anerkannt Schutzberechtigter in Griechenland, Stand Juni 2021, S. 1; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Magdeburg vom 26.11.2020, S. 1 f.).
Zurückkehrende anerkannt Schutzberechtigte haben insbesondere keinen Zugang zu einer Unterbringung im Rahmen des EUfinanzierten, nunmehr von griechischen Ministerium für Migration und Asyl betriebenen ESTIA-Programms (Emergency Support to Accomodation and Integration System). Dieses Programm richtet sich auch an international Schutzberechtigte. Diese können das Programm nur noch 30 Tage nach Zuerkennung des Schutzstatus in Anspruch nehmen, womit das Programm für Rückkehrer tatsächlich nicht zur Verfügung steht (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Griechenland, Version 3, 21.4.2022, S. 31). Auch von HELIOS profitieren rückkehrende Schutzberechtigte, wie bereits ausgeführt, mangels Erfüllung der Voraussetzungen für den Erhalt in der Regel nicht. Ohnehin werden die Zuschüsse, die maximal für 12 Monate gezahlt werden (ACCORD, Griechenland: Versorgungslage und Unterstützungsleistungen für (nach Griechenland zurückkehrende) Personen mit internationalem Schutzstatus, 26.8.2021, S. 32 ff.) nur rückwirkend und erst nach Vorlage eines Mietvertrages gewährt, so dass Berechtigte diesbezüglich in Vorleistung gehen müssen (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Griechenland, Version 3, 21.4.2022, S. 34).
Während einerseits berichtet wird, dass NGOs wie etwa Caritas gemischte Wohnprojekte anbieten (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Griechenland, Version 3, 21.4.2022, S. 37), sind anderen Quellen zufolge, abgesehen von HELIOS, derzeit keine weiteren Programme von NGOs bekannt, die international Schutzberechtigten beim Zugang zu Wohnraum unterstützen (ACCORD, Griechenland: Versorgungslage und Unterstützungsleistungen für (nach Griechenland zurückkehrende) Personen mit internationalem Schutzstatus, 26.8.2021, S. 18; Stiftung Pro Asyl/RSA, Stellungnahme zur aktuellen Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland, April 2021, S. 10 – gestützt auf Mitteilungen der Organisationen Greek Council for Refugees, SolidarityNow, Arsis und PRAKSIS, dass sie derzeit keinen Wohnraum oder Wohnunterstützung außerhalb des HELIOS-Programms anbieten). Neueren Erkenntnismitteln zufolge wird, wie bereits ausgeführt, von einigen Stellen Beratung zur Wohnungssuche angeboten (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Griechenland, Version 3, 21.4.2022, S. 34 ff.).
Eine Unterbringung in Obdachlosenunterkünften für anerkannt Schutzberechtigte ist grundsätzlich möglich. Allerdings sind die Kapazitäten in den kommunalen und durch NGOs betriebenen Unterkünften, etwa in Athen, knapp bemessen und oft chronisch überfüllt (AIDA, Country Report Greece, Update 2020, S. 247; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 3). Die Wartelisten sind entsprechend lang und teils stellen die Unterkünfte weitere Anforderungen an die Interessenten, wie etwa Griechisch- oder Englischkenntnisse und psychische Gesundheit. Ein Rechtsanspruch auf Obdachlosenunterbringung besteht nicht (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Schleswig vom 15.10.2020). Im Hinblick auf die begrenzten Kapazitäten bewerben sich viele Schutzberechtigte erst gar nicht für einen Platz in einer dieser Herbergen. Im Ergebnis bleiben viele anerkannt Schutzberechtigte, die selbst nicht über hinreichende finanzielle Mittel für das Anmieten privaten Wohnraums verfügen oder nicht am HELIOS-Programm teilnehmen können, obdachlos oder wohnen in verlassenen Häusern oder überfüllten Wohnungen (Stiftung Pro Asyl/RSA, Update: Stellungnahme Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland vom 30.8.2018, S. 5 ff.). Obdachlosigkeit ist unter Flüchtlingen in Athen dennoch kein augenscheinliches Massenphänomen, was wohl auf landsmannschaftliche Strukturen und Vernetzung untereinander zurückzuführen ist, die auch informelle Möglichkeiten zur Wohnungssuche eröffnen (Deutsche Botschaft Athen, Unterbringung und Sicherung des Existenzminimums anerkannt Schutzberechtigter in Griechenland, Stand Juni 2021, S. 2 f.; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 3), wobei auch berichtet wird, dass anerkannte Flüchtlinge auf öffentlichen Straßen und Plätzen in Athen schlafen (Wölfl, „Anerkannte Flüchtlinge auf griechischem Festland obdachlos“, Der Standard, 22.1.2021). Die Polizei bringt obdachlose Anerkannte teils wieder in staatlichen Flüchtlingseinrichtungen unter. Auch von Migranten besetzte Häuser werden durch die Polizei immer wieder geräumt und deren Bewohner in Flüchtlingsunterkünfte auf dem Festland verteilt (Deutsche Botschaft Athen, Unterbringung und Sicherung des Existenzminimums anerkannt Schutzberechtigter in Griechenland, Stand Juni 2021, S. 3).
Wohnungsbezogene Sozialleistungen, die das Anmieten einer eigenen Wohnung unterstützen könnten, gibt es seit dem 1. Januar 2019 mit dem neu eingeführten sozialen Wohngeld, dessen Höhe maximal 70,00 EUR für eine Einzelperson und maximal 210,00 EUR für einen Mehrpersonenhaushalt beträgt (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2). Für besonders Vulnerable können zur Vermeidung von Obdachlosigkeit Mietsubventionierungen gezahlt werden (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Schleswig vom 15.10.2020, S. 2). Das soziale Wohngeld bzw. die Mietsubventionierung setzen allerdings einen legalen Voraufenthalt in Griechenland von mindestens fünf Jahren voraus (Auskünfte des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2 und an das VG Schleswig vom 15.10.2020, S. 2), wobei bei international Schutzberechtigten die Aufenthaltsdauer ab Asylantragstellung angerechnet wird (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Bayreuth vom 21.8.2020, S. 1). Auch ist der legale Voraufenthalt von fünf Jahren durch fristgerecht eingereichte Steuererklärungen für die einzelnen Jahre nachzuweisen (vgl. Stiftung Pro Asyl/RSA, Stellungnahme zur aktuellen Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland, April 2021, S. 19). Die Einzelheiten regeln zahlreiche Erlasse. Der tatsächliche Versorgungsumfang ist unklar (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Schleswig vom 15.10.2020, S. 2).
Zugang zu weiteren Sozialleistungen besteht für anerkannt Schutzberechtigte, die nach Griechenland zurückkehren, auch sonst unter den gleichen Voraussetzungen wie für Inländer. Das im Februar 2017 eingeführte System der Sozialhilfe basiert auf drei Säulen. Die erste Säule sieht ein Sozialgeld in Höhe von 200,00 EUR pro Einzelperson vor, welches sich um 100,00 EUR je weiterer erwachsener Person und um 50,00 EUR je weiterer minderjähriger Person im Haushalt erhöht. Alle Haushaltsmitglieder werden zusammen betrachtet, die maximale Leistung beträgt 900,00 EUR pro Haushalt. Die zweite Säule besteht aus Sachleistungen wie einer prioritären Unterbringung in der Kindertagesstätte, freien Schulmahlzeiten, Teilnahme an Programmen des Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen, aber auch trockenen Grundnahrungsmitteln wie Mehl und Reis, Kleidung und Hygieneartikeln. Alles steht jedoch unter dem Vorbehalt der vorhandenen staatlichen Haushaltsmittel. Die dritte Säule besteht in der Arbeitsvermittlung. Neben zahlreichen Dokumenten zur Registrierung für die genannten Leistungen – unter anderem ein Aufenthaltstitel, ein Nachweis des Aufenthalts (z.B. elektronisch registrierter Mietvertrag, Gas-/Wasser-/Stromrechnungen auf eigenen Namen oder der Nachweis, dass man von einem griechischen Residenten beherbergt wird, u.U. genügt eine Obdachlosenbescheinigung), eine Bankverbindung, die Steuernummer, die Sozialversicherungsnummer, (die Arbeitslosenkarte) und eine Kopie der Steuererklärung für das Vorjahr – wird ein legaler Voraufenthalt in Griechenland von zwei Jahren vorausgesetzt (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2 f. und an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 4 ff.; Deutsche Botschaft Athen, Unterbringung und Sicherung des Existenzminimums anerkannt Schutzberechtigter in Griechenland, Stand Juni 2021, S. 5; ACCORD, Griechenland: Versorgungslage und Unterstützungsleistungen für (nach Griechenland zurückkehrende) Personen mit internationalem Schutzstatus, 26.8.2021, S. 12). Teilweise wird angeführt, dass ein Mietvertrag für eine Wohnung, die mindestens sechs Monate vor Antragstellung angemietet wurde, vorzulegen ist (ACCORD, Griechenland: Versorgungslage und Unterstützungsleistungen für (nach Griechenland zurückkehrende) Personen mit internationalem Schutzstatus, 26.8.2021, S. 12). Stiftung ProAsyl/RSA spezifizieren weitergehend, dass nur Haushalte mit einem solchen Mietvertrag anspruchsberechtigt sind, was weitere Personen, die nicht zur Kernfamilie gehören, vom Anspruch ausschließen würde (Stiftung Pro Asyl/RSA, Stellungnahme zur aktuellen Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland, April 2021, S. 18; ACCORD, Griechenland: Versorgungslage und Unterstützungsleistungen für (nach Griechenland zurückkehrende) Personen mit internationalem Schutzstatus, 26.8.2021, S. 12). Das sogenannte Cash-Card System des UNHCR, welches über eine Scheckkarte Geldleistungen je nach Familiengröße zur Verfügung stellt, steht nur Asylbewerbern, nicht aber anerkannt Schutzberechtigten, die zurückkehren, offen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2).
Davon abgesehen gibt es neuerdings eine einmalige Elternprämie von 2.000,00 Euro bei Geburt eines Kindes, allerdings nur für Mütter, die bereits seit 12 Jahren oder bei Geburten von 2020-2023 seit mindestens 2012 in Griechenland leben (Deutsche Botschaft Athen, Unterbringung und Sicherung des Existenzminimums anerkannt Schutzberechtigter in Griechenland, Stand Juni 2021, S. 5). Für Eltern wird zusätzlich ein Kindergeld zwischen 28 und 70 Euro pro Kind – je nach Einkommen und Haushaltsgröße – gewährt, welches einen fünfjährigen ständigen und ununterbrochenen Aufenthalt in Griechenland voraussetzt, was durch Vorlage von Steuererklärungen belegt werden muss (ACCORD, Griechenland: Versorgungslage und Unterstützungsleistungen für (nach Griechenland zurückkehrende) Personen mit internationalem Schutzstatus, 26.8.2021, S. 13).
Es existieren Suppenküchen der NGOs, allerdings ist der Zugang zu Lebensmitteln in der Praxis nur eingeschränkt verfügbar. Einige Suppenküchen nehmen keine neuen Personen auf, andere erfordern eine Anmeldung und verfügen über keine Übersetzungsdienste und wieder andere verlangen eine Steuererklärung, eine registrierte Adresse oder eine Bescheinigung über die Obdachlosigkeit sowie eine Sozialversicherungsnummer (ACCORD, Griechenland: Versorgungslage und Unterstützungsleistungen für (nach Griechenland zurückkehrende) Personen mit internationalem Schutzstatus, 26.8.2021, S. 20; Stiftung Pro Asyl/RSA, Stellungnahme zur aktuellen Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland, April 2021, S. 11). Teilweise existieren kommunale Projekte. Voraussetzungen für den Zugang sind allerdings u.a. das Vorliegen einer Aufenthaltserlaubnis, einer Sozialversicherungs- und Steuernummer (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Griechenland, Version 3, 21.4.2022, S. 37).
Der Zugang zum griechischen Arbeitsmarkt ist für international Schutzberechtigte grundsätzlich gleichermaßen wie für Inländer gegeben. Allerdings sind die Aussichten auf Vermittlung eines Arbeitsplatzes im Allgemeinen als eher schwierig einzuschätzen, da die staatliche Arbeitsverwaltung schon für die griechischen Staatsangehörigen kaum Ressourcen für eine aktive Arbeitsvermittlung hat. Zudem haben sich die allgemeinen Arbeitsmarktbedingungen durch die andauernde Wirtschafts- und Finanzkrise verschlechtert (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Griechenland, Stand 19.3.2020, S. 31), in deren Folge zahlreiche Beschäftigte insbesondere der Dienstleistungsbranche, im Verkauf und in haushaltsnahen Tätigkeiten arbeitslos wurden, wobei Frauen stärker betroffen sind als Männer (Eures, Kurzer Überblick über den Arbeitsmarkt, Stand Juli 2020, S. 1. u. 3). Dazu tritt derzeit noch der wirtschaftliche Einbruch in Folge der Corona-Pandemie mit einer weit überdurchschnittlichen Arbeitslosenquote von 13,0% im September 2021. Für das Jahr 2021 erwartet die Regierung gleichwohl statt eines Zuwachses beim Bruttoinlandsprodukt von 7,5% noch ein Plus von 5,9%. Um den Folgen des Coronabedingten Wirtschaftseinbruchs zu begegnen, stellte der griechische Staat im Jahr 2020 23,9 Milliarden Euro an Hilfen für die Wirtschaft zur Verfügung und plant diese im Jahr 2021 um weitere 7,5 Milliarden Euro zu erhöhen. Trotz der hohen Schuldenquote von 209% des Bruttoinlandsproduktes ist die Finanzierung des griechischen Staates wegen eines Liquiditätspuffers von 30 Milliarden Euro derzeit nicht in Gefahr (Höhler, „Griechenlands Wirtschaft startet durch“ vom 14.9.2021 und „Corona wirft Griechenland weit zurück“ vom 25.12.2020, jeweils Redaktionsnetzwerk Deutschland). Auch sind Anzeichen für eine weitere Erholung der griechischen Wirtschaft erkennbar: Die Einreise nach Griechenland zu touristischen Zwecken ist unter Auflagen wieder möglich und es wird seitens griechischer und ausländischer Investoren vermehrt in Hotel- und Energieprojekte investiert (Germany Trade and Invest [GTAI], Griechenland: Zurück zur Normalität, Stand 28.5.2021). Für das Jahr 2022 wird sodann auch ein weiterer Anstieg des Bruttoinlandsproduktes um 6,2% vorhergesagt. Überdies ist bis zum Jahr 2026 mit Milliardenzahlungen aus dem Corona-Aufbaufonds der EU zu rechnen (Höhler, „Griechenlands Wirtschaft startet durch“ vom 14.9.2021). Rechtmäßig ansässige Drittstaatsangehörige sind allerdings meist im niedrigqualifizierten Bereich und in hochprekären Beschäftigungsverhältnissen oder in der Schattenwirtschaft tätig (Konrad-Adenauer-Stiftung, Integrationspolitik in Griechenland, Stand Juli 2018, S. 9). Erreichbar sind Hilfsarbeiterjobs, insbesondere in der Landwirtschaft (Deutsche Botschaft Athen, Unterbringung und Sicherung des Existenzminimums anerkannt Schutzberechtigter in Griechenland, Stand Juni 2021, S. 6). Erschwerend hinzu treten regelmäßig die Sprachbarriere (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 7) sowie bürokratische Hürden beim Eintritt in den legalen Arbeitsmarkt wie die Erlangung der Steueridentifikationsnummer (Tax Registration Number – AFM) und der Sozialversicherungsnummer (AMKA). Die Ausstellung einer Steueridentifikationsnummer setzt einen Wohnsitznachweis voraus (Stiftung Pro Asyl/RSA, Stellungnahme zur aktuellen Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland, April 2021, S. 15 f.; AIDA, Country Report Greece, Update 2020, S. 248 f.; Respond, Working Papers, Integration – Greece Country Report, Stand Juni 2020, S. 25: zusätzlich „residence permit“ erforderlich). Hinsichtlich der Ausstellung der Sozialversicherungsnummer wird vereinzelt berichtet, dass diese seit Juli 2019 für nicht-griechische Staatsbürger nicht mehr möglich sei (Respond, Working Papers, Integration – Greece Country Report, Stand Juni 2020, S. 26). Neuere Quellen berichten zwar von Schwierigkeiten, nehmen aber keine Unmöglichkeit an (Stiftung Pro Asyl/RSA, Stellungnahme zur aktuellen Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland, April 2021, S. 16 f.; AIDA, Country Report Greece, Update 2020, S. 251 f.; ACCORD, Griechenland: Versorgungslage und Unterstützungsleistungen für (nach Griechenland zurückkehrende) Personen mit internationalem Schutzstatus, 26.8.2021, S. 9 f.). Jedenfalls erfordert die Beantragung einer Sozialversicherungsnummer wiederum u.a. eine gültige Aufenthaltserlaubnis mit den damit verbundenen zeitlichen Verzögerungen (s.o.), eine Korrespondenzadresse (ACCORD, Griechenland: Versorgungslage und Unterstützungsleistungen für (nach Griechenland zurückkehrende) Personen mit internationalem Schutzstatus, 26.8.2021, S. 9 f.) sowie eine Steueridentifikationsnummer (Stiftung Pro Asyl/RSA, Stellungnahme zur aktuellen Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland, April 2021, S. 16 f.). Je nach Ort und zuständiger Behörde schwankt die Ausstellungszeit für die Sozialversicherungsnummer (ACCORD, Griechenland: Versorgungslage und Unterstützungsleistungen für (nach Griechenland zurückkehrende) Personen mit internationalem Schutzstatus, 26.8.2021, S. 9 f.: schnelle Gewährung bis Anforderung zusätzlicher Unterlagen). Eine spezielle Förderung zur Arbeitsmarktintegration anerkannter Schutzberechtigter findet im Rahmen des HELIOS-Programmes statt. Auch die Migrantenintegrationszentren (KEMs) gewähren Hilfe beim Zugang zum Arbeitsmarkt durch Kooperation mit den lokalen Behörden. De facto profitieren Rückkehrer, wie bereits ausgeführt, hiervon nicht (HELIOS) bzw. lange nicht (KEMs). Daneben bietet der „Helpdesk für soziale Integraton“ (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Griechenland, Version 3, 21.4.2022, S. 36) sowie einige Hilfsorganisationen Unterstützung bei der Arbeitssuche (ACCORD, Griechenland: Versorgungslage und Unterstützungsleistungen für (nach Griechenland zurückkehrende) Personen mit internationalem Schutzstatus, 26.8.2021, S. 24), wie das bereits erwähnte Programm ADAMA (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Griechenland, Version 3, 21.4.2022, S. 34). Für gut ausgebildete Schutzberechtigte besteht im Einzelfall auch die Chance auf Anstellung bei einer NGO, etwa als Dolmetscher oder Team-Mitarbeiter (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Schwerin vom 26.9.2018, S. 2 ff. und an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 7).
Der Zugang zu medizinischer Versorgung und zum Gesundheitssystem ist für anerkannt Schutzberechtigte grundsätzlich zu den gleichen Bedingungen wie für griechische Staatsangehörige gegeben. Es besteht Zugang zum regulären öffentlichen Gesundheitssystem. Für Medikamente besteht eine Zuzahlungspflicht (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Griechenland, Version 3, 21.4.2022, S. 38 ff.; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 9). Die Versorgung unterliegt denselben Beschränkungen durch Budgetierung und restriktive Medikamentenausgabe wie für griechische Staatsbürger (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 9; OVG SH, U.v. 6.9.2019 – 4 LB 17/18 BeckRS 2019, 22068 Rn. 141 f.). Von der im Grundsatz kostenfreien staatlichen Gesundheitsfürsorge ist auch die Hilfe bei psychischen Erkrankungen umfasst (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Magdeburg vom 26.11.2020, S. 5). Auch beim Zugang zum Gesundheitssystem sind – vergleichbar mit dem Zugang zum legalen Arbeitsmarkt – bürokratische Hindernisse zu überwinden. Insbesondere muss vor Inanspruchnahme des Gesundheitssystems die Sozialversicherungsnummer (AMKA) ausgestellt sein, was mit den bereits beschriebenen Schwierigkeiten und Wartezeiten verbunden ist (s.o. und Stiftung Pro Asyl/RSA, Stellungnahme zur aktuellen Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland, April 2021, S. 20; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Magdeburg vom 26.11.2020, S. 5; AIDA, Country Report Greece, Update 2020, S. 251 f.), wobei eine vorläufige AMKA genügt (ProAsyl/RSA, Stellungnahme zur aktuellen Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland, April 2021, S. 20). Eine Notfallversorgung einschließlich der erforderlichen Medikamentenabgabe wird jedoch stets und unabhängig vom Rechtsstatus gewährleistet (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Griechenland, Version 3, 21.4.2022, S. 38 f.; ACCORD, Griechenland: Versorgungslage und Unterstützungsleistungen für (nach Griechenland zurückkehrende) Personen mit internationalem Schutzstatus, 26.8.2021, S. 21).
(3) Unter Beachtung des vorstehenden rechtlichen Maßstabes und der tatsächlichen Situation für rückkehrende anerkannt Schutzberechtigte insbesondere auch unter Berücksichtigung der derzeit noch verschärften wirtschaftlichen Lage auch infolge der Corona-Pandemie ergibt sich in Zusammenschau mit dem Vortrag der Kläger im hier zu betrachtenden Einzelfall nach Überzeugung des Gerichts eine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit („real risk“) eintretende erniedrigende und unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh der Kläger bei einer Rückkehr nach Griechenland. Es ist davon auszugehen, dass sie in Griechenland, unabhängig von ihrem Willen und persönlichen Entscheidungen, in eine Situation extremer materieller Not geraten werden und ihre Grundbedürfnisse „Bett, Brot und Seife“ nicht werden befriedigen können.
Hinsichtlich der Rückkehrperspektive ist auf eine gemeinsame der Rückkehr nur des Klägers zu 1), der Klägerin zu 2) und der Kläger zu 5) bis 8), der Kernfamilie, bestehend aus Eltern und minderjährigen Kindern (vgl. BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 45/18 – NVwZ 2020, 158 Ls. 2, 3, Rn. 15 ff., allerdings für § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK), abzustellen. Die volljährigen Kinder, der Kläger zu 3) und die Klägerin zu 4), sind nicht miteinzubeziehen. Hinsichtlich diesen ist auf eine alleinige Rückkehr, unabhängig von der Kernfamilie und auch unabhängig voneinander, abzustellen.
Nach Auffassung des Gerichts (so auch die Kammerrechtsprechung, vgl. etwa VG Ansbach, U.v. 10.7.2020 – AN 17 K 18.50449 – juris) besteht für anerkannt Schutzberechtigte nicht allgemein bzw. für jedweden Personenkreis die ernsthafte Gefahr, dass diese bei einer Rückkehr nach Griechenland eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK und Art. 4 GRCh erfahren. Das Gericht teilt diesbezüglich nicht die Auffassung zahlreicher Oberverwaltungsgerichte bzw. Verwaltungsgerichtshöfe anderer Bundesländer (vgl. etwa SächsOVG, U.v. 27.4.2022 – 5 A 492/21 A – juris; VGH BW, U.v. 27.1.2022 – A 4 S 2443/12 – juris; OVG Berlin-Bbg, U.v. 23.11.2021 – OVG 3 B 53.19 – juris; OVG Bremen, U.v. 16.11.2021 – 1 LB 371/21 – juris; OVG NW, U.v. 21.1.2021 – 11 A 1564/20.A – juris; NdsOVG, U.v. 19.4.2021 – 10 LB 244/20 – juris), die zur Einschätzung kommen, dass in Griechenland, vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalles, die ernsthafte Gefahr von unmenschlichen Lebensverhältnissen für rückkehrende anerkannt Schutzberechtigte, auch nicht vulnerable Personen, besteht. Zwar haben rückkehrende anerkannt Schutzberechtigte nach der Ankunft in Griechenland möglicherweise über einen längeren Zeitraum keinen effektiv gesicherten Zugang insbesondere zu Obdach und sanitären Einrichtungen. Zudem ist es für sie anfangs für einen nicht unerheblichen Zeitraum teilweise praktisch unmöglich, die Voraussetzungen für den Erhalt des sozialen Solidaritätseinkommens zu erfüllen. Bei dieser Sachlage ist nach Überzeugung des Gerichts die Abdeckung der Grundbedürfnisse „Bett, Brot und Seife“ für eine Übergangszeit nach der Rückkehr nach Griechenland durch das eigenverantwortliche Handeln des Einzelnen und die Hilfestellung von NGOs geprägt, die im Bereich der sozialen Unterstützung, Nahrungsmittelhilfe, Bildung, medizinischen Versorgung und teils auch der Unterbringung aktiv sind (s.o.; eine Übersicht der zahlreichen in der Flüchtlingshilfe engagierten Organisationen in Griechenland bietet: Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Athen, Hilfsorganisationen – Hilfe für Flüchtlinge in Griechenland, Stand Dezember 2019). Vor diesem Hintergrund muss der jeweilige rückkehrende anerkannt Schutzberechtigte, damit ihm keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung bei einer Rückkehr droht, nach Überzeugung des Gerichts grundsätzlich in der Lage sein, sich den schwierigen Bedingungen zu stellen und durch eine hohe Eigeninitiative und unter Inanspruchnahme von Hilfsangeboten selbst für seine Unterbringung und seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Ist davon auszugehen, dass er diese Schwierigkeiten bewältigen kann, fehlt es an der ernsthaften Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in Griechenland (so auch: VG Cottbus, B.v. 10.2.2020 – 5 L 581/18.A – juris Rn. 40; VG Düsseldorf, B.v. 23.9.2019 – 12 L 1326/19.A – juris Rn. 43; VG Leipzig B.v. 17.2.2020 – 6 L 50/19 – BeckRS 2020, 2228 Rn. 1, vgl. auch VG München, U.v. 6.12.2021 – M 32 K 18.31577 – juris; anders insbesondere VGH BW, U.v. 27.1.2022 – A 4 S. 24 43/12 – juris; OVG Berlin-Bbg, U.v. 23.11.2021 – OVG 3 B 53.19 – juris; OVG Bremen, U.v. 16.11.2021 – 1 LB 371/21 – juris; OVG NW, U.v. 21.1.2021 – 11 A 1564/20.A – juris; NdsOVG, U.v. 19.4.2021 – 10 LB 244/20 – juris). Es verstößt demnach grundsätzlich nicht gegen Art. 3 EMRK, wenn anerkannt Schutzberechtigte den eigenen Staatsangehörigen gleichgestellt sind und von ihnen erwartet wird, dass sie selbst für ihre Unterbringung und ihren Lebensunterhalt sorgen. Art. 3 EMRK gewährt grundsätzlich keinen Anspruch auf den Verbleib in einem Mitgliedstaat, um dort weiterhin von medizinischer, sozialer oder anderweitiger Unterstützung oder Leistung zu profitieren. Sofern keine außergewöhnlich zwingenden humanitären Gründe vorliegen, die gegen eine Überstellung sprechen, ist allein die Tatsache, dass sich die wirtschaftlichen und sozialen Lebensverhältnisse nach einer Überstellung erheblich verschlechtern würden, nicht ausreichend, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu begründen (VG Düsseldorf, B.v. 23.9.2019 – 12 L 1326/19.A – juris Rn. 39). Soweit es die spezifischen Bedürfnisse anerkannt Schutzberechtigter verlangen, dass ihnen zumindest in einer ersten Übergangsphase nach der Rückkehr ein Mindestmaß an Fürsorge und Unterstützung bei der Integration zukommt, ist zu berücksichtigen, dass grundsätzlich NGOs bei der Integration anerkannter Schutzberechtigter eine wichtige Rolle spielen und diese als Umsetzungspartner der internationalen, von der Europäischen Union finanzierten und vom Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen koordinierten Hilfsprojekte fungieren (VG Cottbus, B.v. 10.2.2020 – 5 L 581/18.A – juris Rn. 23, 25, 36; VG Düsseldorf, B.v. 23.9.2019 – 12 L 1326/19.A – juris Rn. 48 bis 54). Die Projekte der NGOs können in ihrer Gesamtheit das Fehlen eines staatlichen Integrationsplans nach Auffassung des Gerichts zumindest in einer Übergangsphase nach Rücküberstellung des anerkannt Schutzberechtigten, der keine Merkmale besonderer Schutzwürdigkeit aufweist, kompensieren und sicherstellen, dass die elementaren Bedürfnisse von anerkannten Schutzberechtigten für die erste Zeit befriedigt werden können. Sie unterstützen auch bei der Erlangung der sozialen Leistungen des griechischen Staates.
Im Falle des Klägers zu 1), 2), 5) bis 8) als Familie mit im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt, § 77 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AsylG, vier minderjährigen Kindern zwischen vier und 16 Jahren, einer vulnerablen Personengruppe, liegen solche außergewöhnlichen humanitären Gründe, die einer Rückführung nach Griechenland entgegenstehen, vor. Doch auch bezüglich des Klägers zu 3) und der Klägerin zu 4) ergibt sich bei einer Rückkehr nach Griechenland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verelendung.
(a) Hinsichtlich der Kläger zu 1), 2), 5) bis 8) gilt folgendes.
Den Klägern zu 1), 2), 5) bis 8) wird bei einer Rückkehr keine Unterkunft zur Verfügung gestellt. Auch ist mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass eine Anmietung einer ausreichenden Wohnung auf dem privaten Wohnungsmarkt nicht möglich sein wird, nicht zuletzt wegen fehlender finanzieller Mittel der Kläger. Faktisch besteht für die Kläger zu 1), 2), 5) bis 8) aufgrund des geforderten legalen Voraufenthaltes von fünf Jahren im Hinblick auf wohnungsbezogene Sozialleistungen und von zwei Jahren im Hinblick auf das Sozialgeld, auch wenn man die Zeit seit Asylantragstellung in Griechenland bis zur Ausreise, ca. ein Jahr, mitrechnet, für geraume Zeit kein Anspruch auf diese Beihilfen, zumal neben dem Erfüllen der legalen Aufenthaltszeit zum Erlangen dieser Leistungen eine Vielzahl weiterer Dokumente beizubringen und Voraussetzungen zu erfüllen sind. Auch der Bezug von Kindergeld scheidet schon aufgrund des geforderten fünfjährigen ununterbrochenen Aufenthaltes für lange Zeit aus. Die Aussichten auf eine das Existenzminimum der Gesamtfamilie deckende Erwerbstätigkeit des Klägers zu 1) und der Klägerin zu 2) sind als denkbar gering einzustufen angesichts des für anerkannt Schutzberechtigte nur schwer zugänglichen Arbeitsmarktes insbesondere für Berufe, die ein ausreichendes Einkommen zur existenzsichernden Versorgung einer sechsköpfigen Familie generieren könnten, der aufgrund der Corona-Pandemie verschärften Lage auf dem Arbeitsmarkt und der bestehenden Sprachbarriere, zumal es sich bei den Klägern zu 1), 2), 5) bis 8) um eine zu versorgende sechsköpfige Familie mit zudem jedenfalls einem kranken Kind handelt und dies selbst dann, wenn man von einer vollen Erwerbstätigkeit beider Elternteile ausgeht. Dass beide Elternteile voll erwerbstätig sein können, ist angesichts des Alters jedenfalls der Kläger zu 7) und 8) und der Erkrankung der Klägerin zu 5) zudem unrealistisch. Hinsichtlich des Klägers zu 8) wurde nicht mehr substantiiert vorgetragen, ob sich der V.a. Thalassämie major bestätigte. Sollte auch der Kläger zu 8) an der Erkrankung leiden, gelten die Ausführungen umso mehr. Den Klägern zu 1), 2), 5) bis 8) fehlt es aller Voraussicht nach an entsprechenden finanziellen Mitteln, um die Miete und Lebensunterhalt bestreiten zu können, auch wenn der Kläger zu 1) im Heimatland als Metzger und Fahrer gearbeitet hat und damit über berufliche Erfahrung verfügt. Die Klägerin zu 2) als Hausfrau hat dagegen kaum berufliche Expertise vorzuweisen, auch wenn sie in der Landwirtschaft der Familie mitgeholfen hat. Zudem steht Frauen im Vergleich zu Männern in Griechenland nur ein schmalerer Arbeitsmarkt offen, da etwa schwere körperliche Helfertätigkeiten in der Land- und Bauwirtschaft, die häufig den Einstieg in den Arbeitsmarkt für geringqualifizierte Flüchtlinge in Griechenland markieren, jedenfalls mehrheitlich von Männern wahrgenommen werden dürften. Auch hat die Wirtschaftskrise in Griechenland Frauen auf dem Arbeitsmarkt im Durchschnitt härter getroffen als Männer. Da der größte Teil der Beschäftigten Mitarbeiter im Dienstleistungsgewerbe und im Verkauf sind (23,8%), erscheint die Annahme einer geringen Erwerbswahrscheinlichkeit für Frauen plausibel. Anfangs stehen einer (legalen) Tätigkeit des Klägers zu 1) und der Klägerin zu 2) zudem die noch fehlenden Aufenthaltstitel und die weiteren zu erfüllenden formellen Voraussetzungen wie die Erlangung einer Steueridentifikationsnummer und Sozialversicherungsnummer mit den hierfür zu erfüllenden Voraussetzungen im Wege. Dass die Kläger zu 1), 2), 5) bis 8) über existenzsichernde Geldmengen verfügen würden, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Selbst wenn die 2018 noch in Griechenland lebenden Verwandten immer noch dort sind, was realistischerweise nicht anzunehmen ist, erscheint es lebensfremd anzunehmen, diese könnten die Kläger in ausreichendem Maße unterstützen. Selbiges gilt für die Verwandten in Deutschland. Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Kläger zu 1), 2), 5) bis 8), auch unter Berücksichtigung der Hilfsprojekte der NGOs, bei einer Rückkehr nach Griechenland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit verelenden. Sie würden für einen nicht unerheblichen Zeitraum durch jedes soziale Netz fallen und können sich auch nicht aus eigener Kraft und eigenem Engagement heraus ein menschenwürdiges Existenzminimum für ihre Familie erwirtschaften. Ob den erkrankten Klägern zu 5) und 8) in Griechenland eine medizinische Behandlung vergleichbar mit der in Deutschland zukommt, ist nicht mehr entscheidungserheblich.
(b) Auch dem Kläger zu 3) und der Klägerin zu 4) droht prognostisch die Verelendung bei einer Rückkehr nach Griechenland.
Auch ihnen steht bei einer Rückkehr keine Unterkunft zur Verfügung. Auch ist mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass eine Anmietung einer Unterkunft auf dem privaten Wohnungsmarkt nicht möglich sein wird, nicht zuletzt wegen fehlender finanzieller Mittel der Kläger. Faktisch besteht auch für diese aufgrund des geforderten legalen Voraufenthaltes von fünf Jahren im Hinblick auf wohnungsbezogene Sozialleistungen und von zwei Jahren im Hinblick auf das Sozialgeld, auch wenn man die Zeit seit Asylantragstellung in Griechenland bis zur Ausreise mitrechnet, für geraume Zeit kein Anspruch auf diese Beihilfen, zumal neben dem Erfüllen der legalen Aufenthaltszeit zum Erlangen dieser Leistungen eine Vielzahl weiterer Dokumente beizubringen und Voraussetzungen zu erfüllen sind. Schon der zum Erhalt des Sozialgeldes vorzuweisende Nachweis des Aufenthaltes etwa durch Vorlage eines Mietvertrages ist eine erhebliche Hürde für einen zurückkehrenden anerkannten Schutzberechtigten. Mit der selbstständigen Erwirtschaftung wenigstens des eigenen Existenzminimums und damit auch der Finanzierung von Wohnraum ist bei dem Kläger zu 3) und der Klägerin zu 4) nicht zu rechnen.
Der Kläger zu 3), ein 20-jähriger junger und lediger Mann, ist zwar nicht durch familiäre Zwänge oder Verpflichtungen eingeschränkt. Grundsätzlich ist bei einem jungen Mann zu erwarten, dass er in Griechenland jedenfalls Aushilfstätigkeiten etwa in der Bau- oder Landwirtschaft oder in der Gastronomie finden wird. Fehlende Griechischkenntnisse und bürokratische Hindernisse in Bezug auf die Aufnahme einer legalen Tätigkeit sind überwindbar. Zunächst ist auch eine Beschäftigung im informellen Sektor zumutbar. Allerdings ist im speziellen Fall des Klägers zu 3) dieser nach Überzeugung des Gerichts bei einer Rückkehr nach Griechenland nicht fähig, sich den schwierigen Bedingungen zu stellen. Die selbstständige Erwirtschaftung wenigstens seines Existenzminimums durch den Kläger, der an gesundheitlichen Einschränkungen leidet, erscheint angesichts des für rückkehrende anerkannt Schutzberechtigte ohnehin schwer zugänglichen Arbeitsmarktes äußerst unwahrscheinlich. Der Kläger zu 3) braucht regelmäßig Bluttransfusionen und Medikamente. Es handelt sich bei ihm nach Überzeugung des Gerichts um keinen uneingeschränkt arbeitsfähigen jungen Mann. Anerkannte Schutzberechtigte sind in Griechenland meist im niedrigqualifizierten Bereich und in hochprekären Beschäftigungsverhältnissen oder in der Schattenwirtschaft tätig. In Betracht kommen hier vor allem der Tourismusbereich, das Baugewerbe und die Landwirtschaft, wo die körperliche Arbeit im Vordergrund steht und eine entsprechende Belastbarkeit gegeben sein muss. Junge, gesunde und voll arbeitsfähige Arbeitssuchende sind diesbezüglich im Vorteil. Insofern steht dem in seiner körperlichen Belastbarkeit eingeschränkten Kläger faktisch nur ein schmaler Bereich des Arbeitsmarktes offen. Hinzu tritt, dass der 20-jährige Kläger zu 3) nach den dem Gericht vorliegenden Informationen bislang nicht eigenständig, sondern nur im Familienverbund gelebt hat und nicht für sich selbst hat sorgen müssen. Zudem ist bei dem Kläger zu 3), der während seiner Zeit in Griechenland noch minderjährig war, nicht davon auszugehen, dass er bereits einen Überblick über die dort vorhandenen grundlegenden Hilfsstrukturen, insbesondere durch die NGOs, und die Anlaufstellen des griechischen Staates, besitzt. Dass der Kläger zu 3) nach alledem die nötige robuste Eigeninitiative für den Eintritt in den schwierigen griechischen Arbeitsmarkt, für die Inanspruchnahme von Hilfsangeboten und dem Finden einer Unterkunft, insbesondere auch in der schwierigen Anfangsphase, entfaltet, ist nach Überzeugung des Gerichts nicht anzunehmen. Zudem ist eine Unterbringung in Obdachlosenunterkünften angesichts der limitierten Kapazitäten und der teils bestehenden Aufnahmebeschränkungen wie etwa griechischen oder englischen Sprachkenntnissen, für den gesundheitlich beeinträchtigten Kläger zu 3) eine nur vage und unwahrscheinliche Möglichkeit, die die tatsächliche Gefahr der drohenden Obdachlosigkeit nicht zu beseitigen vermag. Selbiges gilt für die wenigen Wohnprojekte der NGOs. Etwaige informelle Möglichkeiten zur Unterkunft, wie leerstehende oder besetzte Gebäude, meist ohne Wasser und Strom, sind dem Kläger zu 3) aufgrund seiner gesundheitlichen Situation nicht zuzumuten. Dass die in Deutschland lebenden Verwandten den Kläger zu 3) in ausreichendem Maße unterstützen könnten und würden, ist nicht zu erwarten. Selbiges gilt für die Verwandten in Griechenland, so sie denn noch dort leben, wovon nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auszugehen ist. Es ist nach alledem damit zu rechnen, dass der Kläger zu 3) bei einer Rückkehr nach Griechenland sein Bedürfnis nach „Brot, Bett und Seife“ nicht wird befriedigen können. Ob dem erkrankten Klägern zu 3) in Griechenland eine medizinische Behandlung vergleichbar mit der in Deutschland zukommt, ist nicht mehr entscheidungserheblich.
Auch die Klägerin zu 4) ist als junge, gesunde, arbeitsfähige und ledige Frau nicht durch familiäre Zwänge oder Verpflichtungen eingeschränkt. Allerdings ist die Klägerin zu 4) nach Überzeugung des Gerichts bei einer Rückkehr nach Griechenland dennoch nicht fähig, sich den schwierigen Bedingungen zu stellen und durch eine hohe Eigeninitiative und ggf. unter Inanspruchnahme von Hilfsangeboten selbst für ihre Unterkunft und ihren Lebensunterhalt, insbesondere auch in der schwierigen Anfangszeit, zu sorgen. Wie bereits zur Klägerin zu 2) ausgeführt, sind die Chancen von Frauen auf dem griechischen Arbeitsmarkt im Vergleich zu Männern deutlich schlechter. Insoweit wird es der Klägerin mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit jeweils an der Möglichkeit fehlen, Miete und Lebensunterhaltskosten selbst zu erwirtschaften. Hinzu tritt, dass die erst 18-jährige Klägerin zu 4) nach den dem Gericht vorliegenden Informationen bislang nur im Familienverbund gelebt hat und bislang nicht für sich sorgen musste. Zudem ist bei der Klägerin zu 4), die während ihrer Zeit in Griechenland noch minderjährig war, nicht davon auszugehen, dass sie bereits einen Überblick über die dort vorhandenen grundlegenden Hilfsstrukturen, insbesondere durch die NGOs, und die Anlaufstellen des griechischen Staates, besitzt. Dass die Klägerin zu 4) nach alledem die nötige robuste Eigeninitiative für den Eintritt in den schwierigen griechischen Arbeitsmarkt, für die Inanspruchnahme von Hilfsangeboten und dem Finden einer Unterkunft, insbesondere auch in der schwierigen Anfangszeit, entfalten wird, ist nach Überzeugung des Gerichts nicht anzunehmen. Zudem ist eine Unterbringung in Obdachlosenunterkünften angesichts der limitierten Kapazitäten und der teils bestehenden Aufnahmebeschränkungen wie etwa griechischen oder englischen Sprachkenntnissen, im Falle der unbedarften erst 18-jährigen Klägerin zu 4) eine nur vage und unwahrscheinliche Möglichkeit, die die tatsächliche Gefahr der drohenden Obdachlosigkeit nicht zu beseitigen vermag. Selbiges gilt für die wenigen Wohnprojekte der NGOs. Etwaige informelle Möglichkeiten zur Unterkunft, wie leerstehende oder besetzte Gebäude, meist ohne Wasser und Strom, sind der Klägerin zu 4) als Frau jedenfalls deshalb nicht zuzumuten, da nach Überzeugung des Gerichts für alleinstehende Frauen in diesem Zusammenhang im Allgemeinen eine größere Gefahr, als dies für alleinstehende Männer der Fall ist, besteht, Opfer von (sexuellen) Übergriffen zu werden. Entsprechende Berichte gibt es bislang zwar nur aus Flüchtlingscamps (AIDA, Country Report Greece, Update 2019, S. 154 f.; United States Department of State, Greece 2019 Human Rights Report, S. 3, 13 f.), in die die Klägerin zu 4) als Anerkannte nicht zurückkehren müsste, gleichwohl lässt sich aus ihnen ableiten, dass, wenn Übergriffe bereits in staatlich oder durch NGOs organisierten Camps auftreten, diese Gefahr in unregulierten Unterkünften oder gar auf der Straße erst recht besteht. Dass die in Deutschland lebenden Verwandten die Klägerin zu 4) in ausreichendem Maße unterstützen könnten und würden, ist nicht zu erwarten. Selbiges gilt für die Verwandten in Griechenland, so sie denn noch dort leben, wovon nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auszugehen ist. Es ist nach alledem beachtlich wahrscheinlich, dass die Klägerin zu 4) bei einer Rückkehr nach Griechenland verelendet.
(4) Die zu erwartenden Lebensumstände in Griechenland beruhen zwar nicht auf der Gleichgültigkeit (so die Formulierung des EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 90) des griechischen Staates, aber auf dessen massiver Überforderung, die trotz Unterstützung des UNHCR und der EU weiterhin besteht. Im europäischen Vergleich muss Griechenland gemessen an seiner Größe überproportionale Lasten bei der Aufnahme von Flüchtlingen schultern und ist mit diesem Ausmaß, insbesondere was die Aufnahme, Unterbringung und Versorgung anbelangt, überfordert. Für die Betroffenen wirkt sich die Überforderung des griechischen Staates im Ergebnis genauso wie Gleichgültigkeit, worauf der Europäische Gerichtshof abgestellt hat (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 90), aus. Rechtlich maßgeblich ist letztlich allein, ob wegen der Defizite mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verletzung des Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK droht, was sich auch aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof ergibt, da dieser an anderer Stelle den „allgemeinen und absoluten Charakter des Verbots in Art. 4 der Charta, das eng mit der Achtung der Würde des Menschen verbunden ist und ausnahmslos jede Form unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung verbietet“, betont (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137 Rn. 37).
Der Annahme einer drohenden erniedrigenden und unmenschlichen Behandlung steht auch nicht entgegen, dass die Kläger als anerkannte Schutzberechtigte freiwillig aus Griechenland ausgereist sind, damit – möglicherweise sogar bewusst – auf die ihnen zustehenden Sozialleistungen verzichtet und ihre eigene Notsituation im Falle einer Rückkehr erst herbeigeführt haben. Zwar stellt der Europäische Gerichtshof grundsätzlich auf eine Notsituation der schutzberechtigten Person „unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen“ ab (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 90). Eine so zu berücksichtigende Eigenverantwortung liegt jedenfalls hinsichtlich der Kläger zu 3) bis 8) nicht vor, da die Entscheidung Griechenland zu verlassen bei lebensnaher Betrachtung von den Eltern getroffen wurde und minderjährige Kinder, auch die Kläger zu 3) und 4) waren zu diesem Zeitpunkt minderjährig), für eine derartige Entscheidung nicht in die Verantwortung genommen werden können. Eine getrennte Betrachtung der Verursachungsanteile dahingehend, dass diese zur Verneinung einer drohenden unmenschlichen Behandlung hinsichtlich der Kläger zu 1) und 2), aber zu deren Bejahung hinsichtlich der Kläger zu 3) bis 8) führen könnte, hat nach Ansicht des Gerichts nicht zu erfolgen. Auch insoweit ist mit Blick auf Art. 7 GRCh und Art. 8 EMRK auf den Kernfamilien-Verbund abzustellen. Zudem kommt Art. 4 GRCh in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs absoluter Charakter zu, sprich Einschränkungen in dessen Gewährleistung sind nicht rechtfertigbar (EuGH, U.v. 24.2.2018 – MP, C-353/16 – ZAR 2018, 395 Rn. 36; Jarass in Jarass, Charta der Grundrechte der EU, 4. Aufl. 2021, Art. 4 Rn. 12). Überdies lässt sich der Europäische Gerichtshof auch so verstehen, dass die Notsituation unabhängig vom Willen und persönlichen Entscheidungen des Anerkannten sich erst auf die Situation ab einer angenommenen Rückkehr nach Griechenland bezieht und deshalb das zeitlich davorliegende Verhalten keine Rolle mehr spielen darf.
Schließlich vermag auch das allgemeine Schreiben des griechischen Ministeriums für Migrationspolitik vom 8. Januar 2018 bezüglich zurückkehrender anerkannter Flüchtlinge nach Griechenland eine drohende unmenschliche Behandlung nicht auszuschließen. In diesem wird zugesichert, dass Griechenland die Anerkennungs-RL 2011/95/EU rechtzeitig in griechische Recht umgesetzt hat und basierend hierauf allen international Schutzberechtigten die Rechte aus der Richtlinie gewährt werden unter Beachtung der Garantien der Europäischen Menschenrechtskonvention. Eine Zusicherung, die die Gefahr einer gegen Art. 4 GRCh und Art. 3 EMRK verstoßenden unmenschlichen Behandlung ausschließen soll, muss nach der Rechtsprechung des EGMR hinreichend konkret und individualisiert, etwa durch detaillierte und zuverlässige Informationen über die materiellen Bedingungen in der Unterkunft mit Bezug zu den Klägern, ausgestaltet sein (EGMR, U.v. 4.11.2014 – Tarakhel, 29217/12 – NVwZ 2015, 127 Rn. 120 ff.). Das Bundesverfassungsgericht betont hinsichtlich der Beurteilung eines Verstoßes gegen Art. 3 EMRK die Notwendigkeit einer „hinreichend verlässlichen, auch ihrem Umfang nachzureichenden tatsächlichen Grundlage“ (BVerfG [2. Senat, 1. Kammer], B.v. 10.10.2019 – 2 BvR 1380/19 – juris Rn. 15 f., wo auch auf die Tarakhel-Entscheidung des EGMR Bezug genommen wird). Gemessen an diesem Maßstab bleibt die Mitteilung Griechenlands vom 8. Januar 2018 zu abstrakt und damit nicht ausreichend. Eine individuelle Zusicherung hat die Beklagte gerade nicht eingeholt.
b) Nachdem Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids aufzuheben ist, sind in deren Folge auch die Ziffern 2 bis 4 aufzuheben.
Die unter Ziffer 2 getroffene Feststellung der Beklagten, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen, ist im Falle der Aufhebung der Unzulässigkeitsentscheidung auf die Anfechtungsklage hin ebenfalls aufzuheben, weil sie verfrüht ergangen ist (BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4/16 – juris Rn. 21, U.v. 25.4.2019 – 1 C 51/18 – juris Rn. 20).
Weiter ist die in Ziffer 3 getroffene Abschiebungsandrohung gemäß §§ 35, 38 AsylG aufzuheben (BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4/16 – juris Rn. 21, U.v. 25.4.2019 – 1 C 51/18 – juris Rn. 20). Nach § 35 AsylG droht das Bundesamt in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG dem Ausländer die Abschiebung in den Staat an, in dem er vor Verfolgung sicher ist. Ein Fall des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG liegt nach Aufhebung der Ziffer 1 nicht vor, s.o., § 29 Abs. 1 Nr. 4 AsylG ist ebenso wenig einschlägig. Von der Aufhebung umfasst ist auch die Feststellung in Ziffer 3 letzter Satz des streitgegenständlichen Bescheids, dass die Kläger nicht nach Syrien abgeschoben werden dürfen. Diese steht ersichtlich in unmittelbarem und untrennbarem Zusammenhang mit der Abschiebungsandrohung und kann ohne diese nicht mit sinnvollem Regelungsgehalt isoliert stehen bleiben. Die Benennung des behaupteten Verfolgerstaats als denjenigen, in den nicht abgeschoben werden darf, erfolgt allein deshalb, weil bei einem unzulässigen Asylantrag nicht inhaltlich geprüft wird und es deshalb auch nicht ausgeschlossen werden kann, dass im Herkunftsstaat des Ausländers eine Verfolgungsgefahr besteht (Pietzsch in Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 29. Edition Stand 1.4.2021, § 35 AsylG Rn. 11).
Die in Ziffer 4 festgelegte Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ist mit dem Wegfall der Abschiebungsandrohung gegenstandslos geworden und ebenfalls aufzuheben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG. Die Entscheidung über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V. m. §§ 708 Nr. 11 ZPO, 711 ZPO.


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