Verwaltungsrecht

Zulassung einer Hühnerbraterei zum Oktoberfest – mangelndes Rechtsschutzbedürfnis

Aktenzeichen  4 CE 16.1804

Datum:
15.9.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 135580
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123

 

Leitsatz

Bei unnützer Inanspruchnahme des Rechtsmittels, also dann, wenn sich die Rechtsstellung des Beschwerdeführers durch die Beschwerdeentscheidung schlechterdings nicht verbessern kann, fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

7 E 16.3272 2016-08-19 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird verworfen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert wird unter Abänderung der Nr. III. des Beschlusses des Verwaltungsgerichts für beide Instanzen auf 20.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt, mit ihrer Enten- und Hühnerbraterei anstelle der Beigeladenen zum Münchner Oktoberfest 2016 zugelassen zu werden, das am 17. September beginnt.
Mit Bescheid vom 31. Mai 2016 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass ihre Bewerbung zum Oktoberfest 2016 nicht berücksichtigt werden könne. Sie habe in der Sparte Hühnerbraterei 262 Punkte erhalten. Der letzte zugelassene Bewerber in dieser Sparte habe 266 Punkte erhalten.
Am 29. Juni 2016 erhob die Antragstellerin gegen diese ablehnende Entscheidung Klage zum Verwaltungsgericht München. Zudem stellte sie am 25. Juli 2016 Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO. Mit Schriftsatz vom 15. August 2016 hat die Antragstellerin zudem die Zulassung der Beigeladenen zum Oktoberfest angefochten.
Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren beantragte die Antragstellerin vor dem Verwaltungsgericht zuletzt,
1. die Antragsgegnerin unter Aufhebung des Bescheides vom 31. Mai 2016 zu verpflichten, die Antragstellerin zum Münchner Oktoberfest 2016 mit der im Zulassungsantrag vom 19. Dezember 2015 beschriebenen Enten- und Hühnerbraterei mit Bier-, Wein- und Schnapsausschank zuzulassen und ihr dazu einen Platz für ihr Festzelt auf dem Festgelände zuzuweisen.
Hilfsweise: die Antragsgegnerin zu verpflichten, über den Zulassungsantrag der Antragstellerin zum Münchner Oktoberfest 2016 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
2. die Antragsgegnerin zu verpflichten, die bereits erfolgte Zulassung der Enten- und Hühnerbraterei der Beigeladenen zum Münchner Oktoberfest 2016 aufzuheben.
3. den Vollzug des zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen geschlossenen Vertrags zur Nutzung einer zugeteilten Fläche auf der Festwiese durch eine einstweilige Anordnung gemäß § 123 VwGO so lange auszusetzen, bis das Verwaltungsgericht München über die Klage der Klägerin entschieden hat.
Mit Beschluss vom 19. August 2016 lehnte das Verwaltungsgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Die Antragstellerin habe keinen Anordnungsanspruch glaubhaft machen können. Nach den im gerichtlichen Eilverfahren bei einer Vorwegnahme der Hauptsache zu beachtenden Maßstäben sei bei einer Korrektur der Platzvergabe in Volksfestzulassungen durch das Gericht Zurückhaltung geboten.
Eine solche Korrektur komme nur in Betracht, wenn die beanstandete Bewertung auf der Grundlage der vom Veranstalter festgelegten Vergabekriterien sachwidrig erscheine und die Sachwidrigkeit evident zutage trete. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Es sei auch bei der Überprüfung im Eilverfahren nicht zu beanstanden, dass die Bewerbung der Beigeladenen von der Antragsgegnerin mehr Punkte erhalten habe als die Bewerbung der Antragstellerin.
Diese Entscheidung des Verwaltungsgerichts ging dem Bevollmächtigten der Antragstellerin gegen Empfangsbekenntnis am 19. August 2016 zu. Dieser erhob unter dem 2. September 2016 hiergegen Beschwerde, die er mit weiterem Schriftsatz vom 12. September 2016 begründete. Die Antragstellerin beantragt,
unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 19. August 2016 die Antragsgegnerin unter Aufhebung ihres Bescheids vom 31. Mai 2016 zu verpflichten, die Antragstellerin zum Münchner Oktoberfest 2016 mit der im Zulassungsantrag vom 19. Dezember 2015 beschriebenen Entenund Hühnerbraterei mit Bier-, Wein- und Schnapsausschank zuzulassen und ihr dazu einen Platz für ihr Festzelt auf dem Festgelände zuzuweisen.
hilfsweise: die Antragsgegnerin zu verpflichten, über den Zulassungsantrag der Antragstellerin vom 19. Dezember 2015 zum Münchner Oktoberfest 2016 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Mit Schreiben vom 12. September 2016 wies der Berichterstatter die Beteiligten auf Zweifel am Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses für die Beschwerde hin. Es sei zweifelhaft, ob angesichts des bereits laufenden Aufbaues durch die Beigeladene und der erforderlichen Aufbauzeit für die Antragstellerin vor Festbeginn Betriebsbereitschaft erreicht werden könne. Die Beteiligten wurden gebeten, sich unverzüglich auch zu dieser Frage zu äußern.
Die Antragstellerin vertrat mit Schreiben vom 13. September 2016 die Auffassung, dass ein Rechtsschutzbedürfnis vorliege. Sie könne ihr Zelt auch jetzt noch aufbauen, ein Aufbau sei innerhalb „weniger Tage“ möglich.
Die Antragsgegnerin vertrat mit Schriftsatz vom 14. September 2016 die Auffassung, dass ein Rechtsschutzbedürfnis für die eingelegte Beschwerde fehle. Es seien bereits alle Flächen auf dem Festplatz belegt. In nur noch zweieinhalb Tagen könne eine entsprechende Fläche nicht mehr freigemacht werden. Auch sei ein Aufbau durch einen anderen Betrieb völlig ausgeschlossen. Abgesehen von der Bauausführung könnten die erforderlichen bau- und sicherheitsrechtlichen Genehmigungen (durch Lokalbaukommission und Kreisverwaltungsreferat) nicht mehr erteilt werden. Eine Aufbautätigkeit während des Festbetriebes sei aus Sicherheitsgründen nicht möglich. Der Beschwerdeführer könne deshalb selbst mit einer rechtlich erfolgreichen Beschwerde tatsächlich nichts mehr erreichen.
Dieser Auffassung schloss sich die Beigeladene mit Schriftsatz vom 14. September 2016 an. Sie beantragt,
die Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.
Die Antragstellerin strebe ausweislich der gestellten Anträge in Verbindung mit der Beschwerdebegründung vom 12. September 2016 an, ihr Geschäft auf der für das Geschäft der Beigeladenen vorgesehenen Fläche der Theresienwiese aufzubauen. Dies sei jedoch vor und während des Oktoberfestes 2016 nicht mehr möglich. Die Beigeladene habe seit Montag 22. August 2016 auf der Grundlage des Bescheids der Antragsgegnerin vom 22. August 2016, mit dem die sofortige Vollziehung der Zulassung der Beigeladenen zum Oktoberfest 2016 angeordnet worden sei, ihr Festzelt aufgebaut. Die Aufbauarbeiten seien abgeschlossen. Ein Wiederabbau des Festzelts durch die Beigeladene bis zum Beginn des Oktoberfestes 2016 sei nicht mehr möglich. Die Abbauarbeiten betrügen erfahrungsgemäß mindestens 10 Tage. Der Beigeladenen stünden auch die erforderlichen Mitarbeiter zum Abbau erst wieder ab 4. Oktober 2016 zur Verfügung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Sie ist als unzulässig zu verwerfen, weil der Antragstellerin für ihr Beschwerdebegehren mittlerweile das Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
Das Rechtsschutzbedürfnis ergibt sich in Beschwerdeverfahren aus der Beschwer der Beteiligten. Es fehlt bei unnützer Inanspruchnahme des Rechtsmittels, also dann, wenn sich die Rechtsstellung des Beschwerdeführers durch die Beschwerdeentscheidung schlechterdings nicht verbessern kann (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 146 Rn. 30).
Die Beschwerdeführerin hat unter nahezu vollständiger Ausschöpfung der Beschwerde- und Begründungsfristen und in Kenntnis der Tatsache des Aufbaues der Betriebe der zugelassenen Festteilnehmer ihre Beschwerde erst am 12. September 2016 begründet. Davor konnte eine Entscheidung des Senats mangels Antragstellung und wegen der Vorschrift des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nicht erfolgen. Zum Beschwerdevorbringen der Antragstellerin musste der entscheidende Senat sowohl der Antragsgegnerin als auch der in ihrer Rechtsstellung betroffenen Beigeladenen eine ohnehin nur knapp bemessene Frist zur Stellungnahme und damit zur Gewährung rechtlichen Gehörs geben.
Das Gericht hat die Beteiligten mit Blick auf den unmittelbar bevorstehenden Festbeginn (17. September) mit Schreiben vom 12. September 2016 auf seine bestehenden Zweifel hinsichtlich des Rechtsschutzbedürfnisses hingewiesen. Nach gerichtlicher Erfahrung erscheint ein Abbau eines bereits fertiggestellten Festzeltes der vorliegenden Größenordnung und der Neuaufbau eines entsprechenden Festzeltes durch die Antragstellerin in der kurzen Zeit bis zum Festbeginn nicht mehr möglich. Zwar hat die Antragstellerin mit ihrem Schriftsatz vom 13. September 2016 behauptet, dass sie auch jetzt ihr Zelt noch aufbauen könne, weil es für einen Aufbau innerhalb „weniger Tage“ vorgesehen sei. Selbst wenn man diesen wenig konkreten Vortrag für glaubhaft halten will, übersieht die Antragstellerin jedoch, dass eine entsprechende freie Aufbaufläche vorhanden sein und auch noch Zeit für die erforderlichen behördlichen Prüfungen bestehen muss. Die Antragsgegnerin hat dementsprechend mit ihrem Schriftsatz vom 14. September 2016 darauf hingewiesen, dass alle Flächen auf dem Festplatz bereits belegt seien. In nur noch zweieinhalb Tagen vor Festbeginn könne eine entsprechende Fläche nicht mehr freigemacht werden. Auch sei ein Aufbau durch einen anderen Betrieb (hier der Antragstellerin) völlig ausgeschlossen, weil abgesehen von der reinen Bauausführung auch noch bau- und sicherheitsrechtliche Genehmigungen erforderlich seien und jedenfalls während des Festbetriebes aus Sicherheitsgründen kein Aufbau erfolgen könne.
Die Beigeladene hat mit ihrer Stellungnahme vom 14. September 2016 nachvollziehbar und plausibel darauf hingewiesen, dass jedenfalls auf der von ihr belegten Fläche ein Aufbau durch die Antragstellerin vor Festbeginn nicht möglich sei. Sie habe ihren Betrieb dort bereits seit dem 22. August 2016 aufgebaut, der Aufbau sei abgeschlossen. Ein Abbau dauere mindestens 10 Tage, wobei ihr die hierfür erforderlichen Mitarbeiter erst ab dem 4. Oktober 2016 zur Verfügung stünden.
Diese Ausführungen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zur Frage der zeitlichen Möglichkeit des Ab- und Wiederaufbaues von Festzelten der streitgegenständlichen Größe sind auch vor dem Hintergrund der Erfahrung des erkennenden Senats mit erforderlichen Vorlaufzeiten in anderen Zulassungsverfahren zu gemeindlichen Einrichtungen (Volksfesten) ohne weiteres plausibel und nachvollziehbar. Es ist daher zur Überzeugung des Gerichts ausgeschlossen, dass die Antragstellerin in der jetzt noch zur Verfügung stehenden Zeit auf einer auf dem Festgelände erst noch freizumachenden Fläche ihrerseits vor Festbeginn einen betriebsfähigen Zeltbetrieb mit allen erforderlichen behördlichen Abnahmen einrichten könnte. Konkrete und belastbare Angaben dazu hat die Antragstellerin jedenfalls nicht gemacht.
Daraus folgt, dass sich die Rechtsstellung der Antragstellerin auch bei einer – unterstellt – für sie positiven Beschwerdeentscheidung nicht mehr verbessern kann. Dies gilt sowohl für den Haupt- als auch für den Hilfsantrag, weil auch bei einer erneuten Entscheidung der Antragsgegnerin über den Zulassungsantrag der Antragstellerin ein Aufbau auf einer erst noch freizumachenden Fläche nicht mehr möglich ist.
Im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes kommt auch eine analoge Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO grundsätzlich nicht in Betracht (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 113 Rn. 108). Dies ergibt sich daraus, dass in diesem Verfahren keine abschließende Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns ergeht und deshalb auch keine entsprechende Feststellung nach Erledigungseintritt möglich ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gemäß § 162 Abs. 3 VwGO waren die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen der Antragstellerin aufzuerlegen, weil die Beigeladene einen Antrag gestellt und sich dadurch einem Prozesskostenrisiko ausgesetzt hat. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 1 GKG. Eine Halbierung des Hauptsachestreitwertes war hier nicht angezeigt, da mit der erstrebten Entscheidung eine Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache verbunden gewesen wäre (Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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