Medizinrecht

Kein Aufwendungsersatz auf Beihilfeleistungen für wissentschaftlich nicht allgemein anerkannte Arzneimittel

Aktenzeichen  Au 2 K 15.1838

Datum:
25.2.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBhV BayBhV § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 5 Nr. 1

 

Leitsatz

1 Eine medizinische Notwendigkeit iSd § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BayBhV liegt regelmäßig nur bei wissenschaftlich anerkannten Heilmethoden vor (ebenso VGH München BeckRS 2010, 36908). (redaktioneller Leitsatz)
2 Für eine wissenschaftliche Anerkennung ist nicht ausreichend, dass einzelne Ärzte die Wirksamkeit der Krankheitsbehandlung bejahen. Vielmehr muss die Therapieform überwiegend von solchen Personen als geeignet und wirksam eingeschätzt werden, die an Hochschulen oder anderen Forschungseinrichtungen als Wissenschaftler in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätig sind (ebenso VGH München BeckRS 2015, 43023). (redaktioneller Leitsatz)
3 Es ist nicht davon auszugehen, dass es sich bei der Regeneresen-Therapie um eine wissenschaftlich anerkannte Heilmethode handelt (ebenso VGH München BeckRS 2015, 49727). (redaktioneller Leitsatz)

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht Augsburg
Au 2 K 15.1838
Im Namen des Volkes
Urteil
vom 25. Februar 2016
2. Kammer
Sachgebiets-Nr. 1335
Hauptpunkte: Recht der Landesbeamten; Beihilfe; Regeneresen-Therapie; allgemeine wissenschaftliche Anerkennung der Heilmethode (verneint)
Rechtsquellen:
In der Verwaltungsstreitsache

– Kläger –
bevollmächtigt: …
gegen

– Beklagter –
wegen Beihilfe
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg, 2. Kammer, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht …, den Richter am Verwaltungsgericht …, den Richter am Verwaltungsgericht …, den ehrenamtlichen Richter …, den ehrenamtlichen Richter … ohne mündliche Verhandlung am 25. Februar 2016 folgendes Urteil:
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Der am … 1942 geborene Kläger ist Versorgungsempfänger des Beklagten und begehrt die Gewährung von Beihilfe zu den Aufwendungen für die Präparate „Nebennierenrinde – Rezeptur nach D.“ und „Hypophyse total – Rezeptur nach D.“.
Mit Beihilfeantrag vom 14. Oktober 2015 machte der Kläger u. a. Aufwendungen für die Mittel „Nebennierenrinde – Rezeptur nach D.“ in Höhe von 680 Euro und „Hypophyse total – Rezeptur nach D.“ in Höhe von 1.020 Euro geltend. Dem Antrag beigefügt ist ein Rezept von …, Praxis für Ganzheitsmedizin und Naturheilverfahren, Heilpraktiker, …, vom 1. Oktober 2015 für „Regeneresen Nebennierenrinde (20 Amp.)“ und „Regeneresen Hypophyse (20 Amp.)“ sowie eine an diesen adressierte Rechnung der …, …, vom 12. Oktober 2015 für die vorgenannten Mittel.
Mit Bescheid vom 21. Oktober 2015 lehnte der Beklagte die Erstattung der Aufwendungen hierfür ab.
Hiergegen legte der Kläger am 1. November 2015 Widerspruch ein und trug vor, aus welchen medizinischen Gründen ihm die streitgegenständlichen Präparate verschrieben worden seien.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13. November 2015, zugestellt am 18. November 2015, zurückgewiesen. Zur Begründung führte das Landesamt für Finanzen, Dienststelle …, aus, dass nach Art. 96 Abs. 5 Nr. 2 BayBG i. V. m. § 7 Abs. 5 BayBhV i. V. m. Anlage 2 Nr. 1 Aufwendungen für eine Regeneresen-Therapie als wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen seien. Ferner sei die Apothekenrechnung nicht an den Kläger persönlich adressiert gewesen.
Mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2015 ließ der Kläger Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erheben. Für ihn ist sinngemäß beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 21. Oktober 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. November 2015 zu verpflichten, dem Kläger Beihilfe in Höhe von weiteren 1.190 Euro zzgl. 5% Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu gewähren.
Zur Begründung wurde unter Bezugnahme auf ein Schreiben von …, Praxis für Ganzheitsmedizin und Naturheilverfahren, Heilpraktiker, …, vom 3. Dezember 2015 an den … Krankversicherungsverein a. G. im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger seit vielen Jahren Schmerzpatient und bei ihm ein extrem niedriger Cortisol-Spiegel festgestellt worden sei, was auf eine chronische Nebennierenrindenschwäche hindeute. Zudem habe eine Untersuchung einen niedrigen ACTH-Spiegel ergeben, was auf eine zusätzliche Insuffizienz hindeute und ebenfalls die chronischen Schmerzen erkläre. Den Rechnungsbetrag für die streitgegenständlichen Präparate habe der Kläger überwiesen.
Der Beklagte trat unter dem 29. Dezember 2015 der Klage entgegen. Für ihn ist beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wird auf den gesetzlichen Ausschluss sowie auf eine Darstellung im Online-Lexikon Wikipedia verwiesen, wonach Regeneresen ab 2012 in Deutschland nicht mehr zugelassen seien. Ihre Wirkung sei umstritten gewesen bzw. wissenschaftlich nicht bewiesen. Eine Doppelblindstudie habe keinen Wirksamkeitsnachweis im wissenschaftlichen Sinne erbringen können. Im Übrigen sei die Rechnung nicht auf den Kläger ausgestellt. Es würde aber nur Beihilfe gewährt für Aufwendungen, die durch Belege nachgewiesen seien. Ferner erklärte sich der Beklagte mit einer Entscheidung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung einverstanden.
Mit Schriftsätzen vom 16. und 17. Februar 2016 erklärte der Kläger ebenfalls den Verzicht auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Er führte ergänzend aus, dass bestritten werde, dass es sich bei der bei ihm durchgeführten Therapie um die von der Erstattung ausgeschlossene Regeneresen-Therapie handle. Nach telefonischer Auskunft der Fa. … Pharma würde diese seit 2012 nur noch die Wirkstoffe an Apotheken verkaufen, die jene individuell verarbeiteten. Demnach handle es sich bei diesen Rezepturen nicht mehr um das gleiche Produkt, wie es vor 2012 unter dem Begriff „Regeneresen“ hergestellt und vertrieben worden sei. Im Übrigen habe beim Kläger die Behandlung zu einer vollständigen Beseitigung der Beschwerden geführt.
Hierauf entgegnete der Beklagte mit Schreiben vom 22. Februar 2016, dass das Rezept ausdrücklich von „Regeneresen“ spreche und damit davon auszugehen sei, dass im Falle des Klägers die Regeneresen-Therapie auch angewandt worden sei. Im Übrigen sei das Bestreiten mit Nichtwissen unzulässig, weil es sich hier um Wahrnehmungen bzw. Vorgänge im eigenen Verantwortungsbereich handle.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Über die Klage konnte aufgrund des Einverständnisses der Parteien gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Beihilfeleistungen für die Aufwendungen für die streitgegenständlichen Präparate „Nebennierenrinde – Rezeptur nach D.“ und „Hypophyse total – Rezeptur nach D.“. Der Bescheid des Beklagten vom 21. Oktober 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. November 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach § 7 Abs. 5 Nr. 1 BayBhV sind Aufwendungen für Untersuchungen oder Behandlungen nach wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Methoden einschließlich der hierbei verordneten Arznei- und Verbandmittel und Medizinprodukte, die in Anlage 2 Nr. 1 aufgeführt sind, nicht beihilfefähig (Ausschluss). Hierunter fällt auch die sog. Regeneresen-Therapie.
Regeneresen wurden als „Arzneimittel der D. Pharma GmbH & Co. KG mit dem Wirkstoff Ribonucleinsäuren-Natriumsalz aus Organen vom Rind und aus Hefe“ vertrieben und „sind seit dem Jahr 2012 in Deutschland nicht mehr im Handel“ (siehe Glossar der Internetseite der D. Pharma GmbH & Co. KG, http://www.d…de…; vgl. auch VG Regensburg, U. v. 7.1.2015 – RO 8 K 14.1696 – juris Rn. 14). Entgegen der Auffassung der Klägerseite ist der Ausschluss der Regeneresen-Therapie im Sinne von § 7 Abs. 5 Nr. 1 BayBhV i. V. m. Nr. 1 der Anlage 2 nicht beschränkt auf die Anwendung der seit 2012 nicht mehr zugelassenen Präparate nach der Methode des Prof. Dr. H. D., sondern bezieht sich in weitem Sinne auch auf vergleichbare Therapieansätze mit vergleichbaren Folgepräparaten (VG Regensburg, a. a. O. Rn. 15). Folglich kommt es auch nicht weiter darauf an, ob es sich bei dem für den Kläger hergestellten Rezepturen um exakt das gleiche Mittel handelt, wie es vor 2012 unter dem Begriff „Regeneresen“ hergestellt und vertrieben worden ist, oder lediglich um vergleichbare Präparate, wovon nach dem vom Kläger eingereichten Rezept jedenfalls auszugehen ist.
Ungeachtet dessen fehlt es mangels einer allgemeinen wissenschaftlichen Anerkennung der Regeneresen-Therapie zumindest an der medizinischen Notwendigkeit der hierfür erfolgten Aufwendungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayBhV.
Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist die medizinische Notwendigkeit regelmäßig nur bei wissenschaftlich anerkannten Heilmethoden der Fall anzunehmen (U. v. 13.12.2010 – 14 BV 08.1982 – juris Rn. 52 ff.). Insofern reicht es hierfür nicht aus, dass einzelne Ärzte, selbst wenn sie in dem entsprechenden Fachbereich tätig sind, die Wirksamkeit der Krankheitsbehandlung bejahen. Vielmehr muss einer Behandlungsmethode, um „anerkannt“ zu sein, von dritter Seite – also von anderen als dem oder den Urhebern – attestiert werden, zur Heilung einer Krankheit oder zur Linderung von Leidensfolgen geeignet zu sein und wirksam eingesetzt werden zu können. Um „wissenschaftlich“ anerkannt zu sein, müssen Beurteilungen von solchen Personen vorliegen, die an Hochschulen oder anderen Forschungseinrichtungen als Wissenschaftler in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätig sind. Um „allgemein“ anerkannt zu sein, muss die Therapieform zwar nicht ausnahmslos, aber doch überwiegend in den fachlichen Beurteilungen als geeignet und wirksam eingeschätzt werden (BayVGH, B. v. 18.2.2015 -14 ZB 13.1022 – juris Rn. 7 m. w. N.). Für eine allgemeine wissenschaftliche Anerkennung der Regeneresen-Therapie liegen nach dem insofern unwidersprochenen Vortrag der Beklagtenseite keine Anhaltspunkte vor. Es ist daher auch im Einklang mit der hierzu ergangenen Rechtsprechung nicht davon auszugehen, dass es sich bei der Therapie um eine wissenschaftlich anerkannte Heilmethode handelt (vgl. BayVGH, B. v. 24.7.2015 – 14 ZB 15.372 – juris Rn. 6 f.; VG Regensburg, a. a. O. Rn. 16; VG Köln, U. v. 24.1.2006 – 7 K 6804/03 – juris Rn. 45 ff. m. w. N.).
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Regelungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeben sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 124a Abs. 1, § 124 Abs. 2 VwGO).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg,
Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder
Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstr. 23, 80539 München, oder
Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, München,
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind die in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO genannten Personen vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf Euro 1.190,- festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,- Euro übersteigt oder die Beschwerde zugelassen worden ist.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg,
Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder
Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg,
schriftlich einzureichen oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Der Mitwirkung eines Bevollmächtigten bedarf es hierzu nicht.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.

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