Aktenzeichen 1 ZB 21.1005
GG Art. 103 Abs. 1
Leitsatz
1. Auf eine fehlende oder fehlerhafte Nachbarbeteiligung im Genehmigungsverfahren kann sich der Nachbar nicht berufen, da die Verletzung drittschützender materieller Rechte maßgebend ist. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Anspruch auf rechtliches Gehör bezieht sich allein auf das gerichtliche und nicht das behördliche Verfahren. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
M 1 K 20.1291 2021-02-23 Urt VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt.
Gründe
Der Kläger wendet sich als Nachbar gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Eine Verletzung des Klägers in drittschützenden Rechtspositionen liege nicht vor.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die sinngemäß geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), und des Vorliegens eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) sind nicht dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) bzw. liegen nicht vor.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 8.5.2019 – 2 BvR 657/19 – juris Rn. 33; B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838). Der Rechtsmittelführer muss hierfür nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis mit überwiegender Wahrscheinlichkeit falsch ist (vgl. BayVGH, B.v. 8.10.2020 – 1 ZB 17.2320 – juris Rn. 7; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 62 f.). „Darlegen“ bedeutet insoweit „erläutern“, „erklären“ oder „näher auf etwas eingehen“. Erforderlich ist unter ausdrücklicher oder jedenfalls konkludenter Bezugnahme auf einen Zulassungsgrund eine substantiierte Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung, durch die der Streitstoff durchdrungen und aufbereitet wird; der Rechtsmittelführer muss im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (vgl. BayVGH, B.v. 20.4.2016 – 15 ZB 14.2686 – juris Rn. 22).
Diesen Anforderungen genügt das Zulassungsvorbringen nicht. Es erschöpft sich in der Behauptung, dass die Baugenehmigung den Kläger in seinen Rechten verletze, da das Bauvorhaben massiv den Licht- und Sonneneinfall in das Gebäude reduziere und ihm der freie Blick über die Dächer verbaut werde. Es lässt jegliche Auseinandersetzung mit der ausführlichen Begründung des Verwaltungsgerichts hierzu (UA S. 10 f.) vermissen. Soweit der Kläger geltend macht, dass er im Genehmigungsverfahren nicht beteiligt worden sei, vermag dies keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zu begründen. Auf eine fehlende oder fehlerhafte Nachbarbeteiligung im Genehmigungsverfahren kann sich der Nachbar nicht berufen, denn maßgebend ist die Verletzung drittschützender materieller Rechte. Eine unterlassene Nachbarbeteiligung hat allein zur Folge, dass der Baugenehmigungsbescheid gemäß Art. 66 Abs. 1 Satz 6 BayBO (in der bis zum 31. Januar 2021 geltenden Fassung) dem Nachbarn zuzustellen ist, wobei diese Zustellung den Fristlauf für eine Klageerhebung auslöst (BayVGH, B.v. 9.1.2018 – 9 C 17.88 – juris Rn. 3).
2. Verfahrensmängel, auf denen das Urteil beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), liegen nicht vor bzw. werden nicht dargelegt.
Der Kläger macht geltend, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts auf einer Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG beruhe. Er habe durch die Nichtunterzeichnung der Eingabepläne Einwände gegen das Bauvorhaben des Beigeladenen angezeigt. Das Landratsamt habe ihn jedoch im Genehmigungsverfahren nicht einbezogen, insbesondere sei er bei sämtlichen Besprechungen zwischen dem Landratsamt und dem Beigeladenen ausgeschlossen gewesen.
Dies vermag einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG nicht zu begründen. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs soll sicherstellen, dass ein Verfahrensbeteiligter Einfluss auf den Gang des gerichtlichen Verfahrens und dessen Ausgang nehmen kann. Zu diesem Zweck muss er im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens Gelegenheit erhalten, sich zu allen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten zu äußern, die für die Entscheidung erheblich sein können. Da sich Art. 103 Abs. 1 GG auf das gerichtliche Verfahren bezieht, kann ein Gehörsverstoß auf eine fehlende Beteiligung im behördlichen Verfahren zur Erteilung der Baugenehmigung nicht gestützt werden. Einen Gehörsverstoß durch das Verwaltungsgericht hat der Kläger nicht dargelegt.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen, weil sein Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO). Es entspricht der Billigkeit, dass der Beigeladene seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1‚ § 47 Abs. 1 und 3‚ § 52 Abs. 1 GKG und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).