Medizinrecht

Normenkontrolle; Schließung von Gaststätten im April 2020 wegen der Coronapandemie

Aktenzeichen  3 K 72/20

Datum:
30.6.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt 3. Senat
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:OVGST:2022:0630.3K72.20.00
Normen:
Art 20 Abs 3 GG
Art 80 Abs 1 GG
Art 3 Abs 1 GG
§ 47 VwGO
§ 6 Abs 1 CoronaV4V ST
Spruchkörper:
undefined

Leitsatz

1. Zum berechtigten Interesse an der (nachträglichen) Feststellung der Rechtsunwirksamkeit außer Kraft getretener Verordnungsregelungen aufgrund schwerwiegender Beeinträchtigungen grundrechtlich geschützter Freiheiten durch Schutzmaßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2.(Rn.25)
2. Die infektionsschutzrechtliche Generalklausel des § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 IfSG bot jedenfalls im Frühjahr 2020 eine hinreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für das Verbot der Öffnung von Gaststätten für den Publikumsverkehr.(Rn.34)
3. Die vorübergehende Schließung von Gaststätten im April 2020 war unter Berücksichtigung des dem Verordnungsgeber in Bezug auf Maßnahmen zur Verhinderung der weiteren Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 eingeräumten Einschätzungs- und Prognosespielraums ein verhältnismäßiger Grundrechtseingriff.(Rn.61)
4. Für die zugleich gestattete Öffnung von Betriebskantinen war ein sachlicher Grund gegeben.(Rn.78)

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Antragsgegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Antragstellerin, die im Hoheitsgebiet des Antragsgegners eine gastronomische Einrichtung („…“) betreibt, begehrt die Feststellung, dass eine bereits außer Kraft getretene Verordnungsregelung des Antragsgegners, die zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 die Schließung von Gaststätten für den Publikumsverkehr vorsah, unwirksam war.
Am 16. April 2020 erließ die Landesregierung des Antragsgegners die Vierte Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Sachsen-Anhalt (Vierte SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung – 4. SARS-CoV-2-EindV, GVBl. LSA S. 190), die am 20. April 2020 in Kraft trat. Die Verordnung wurde mit der Verordnung zur Änderung der Vierten Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Sachsen-Anhalt vom 21. April 2020 (GVBl. LSA S. 205) geändert. Die 4. SARS-CoV-2-EindV in der Fassung der Änderungsverordnung sah unter anderem folgende Regelung vor:
„§ 6 Gaststätten
(1) Gaststätten im Sinne des Gaststättengesetzes des Landes Sachsen-Anhalt vom 7. August 2014 (GVBl. LSA S. 386, 443), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 8. Dezember 2016 (GVBl. LSA S. 360), sind für den Publikumsverkehr zu schließen.
(2) […]
(3) […]“
Die 4. SARS-CoV-2-EindV ist mit Ausnahme einer Großveranstaltungen betreffenden Regelung mit Ablauf des 3. Mai 2020 außer Kraft getreten (vgl. § 24 Abs. 2 und 3 der 4. SARS-CoV-2-EindV).
Bereits am 28. April 2020 hat die Antragstellerin bei dem erkennenden Gericht eine Normenkontrollklage erhoben. Am 24. April 2020 beantragte sie, die betreffende Regelung im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig außer Vollzug zu setzen. Diesen Antrag hat der Senat mit Beschluss vom 30. April 2020 abgelehnt (Az.: 3 R 69/20).
Zur Begründung ihrer Normenkontrollklage trägt die Antragstellerin im Wesentlichen vor:
Das IfSG stelle für die streitigen Eingriffe in Art. 12 Abs. 1 und 14 GG keine taugliche Ermächtigungsgrundlage zur Verfügung. Das IfSG habe in der zum maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Fassung im Pandemiefall nur Regelungen vorsehen wollen, die bei einem regulären Betrieb von Unternehmen zu treffen seien, um eine Infektionsgefahr der Beschäftigten zu vermeiden bzw. möglichst zu unterbinden. Weitergehende Einschränkungen seien nur auf der Grundlage des insoweit gegenüber den Regelungen des IfSG als spezielleres Gesetz vorrangigen Katastrophenschutzgesetzes (KatSG-LSA) möglich, was die Ausrufung des Katastrophenfalls voraussetze. Auf dessen Grundlage seien auch allgemeingültige, also nicht betriebsbezogene Anordnungen möglich. Mit der Änderung des IfSG vom 27. März 2020 habe der Gesetzgeber keine abweichende Regelung vorgesehen. Vielmehr zeige § 5 IfSG in der damals geltenden Fassung, dass für den Fall der Feststellung einer epidemischen Lage nationaler Tragweite durch den Bundestag nur die in Absatz 2 der Bestimmung enumerativ aufgeführten Maßnahmen gegenüber der Allgemeinheit durch eine Bundesrechtsverordnung festgelegt werden könnten. Danach seien Betriebsuntersagungen nur gegenüber Beförderungsunternehmen möglich (vgl. § 5 Abs. 2 Nr. 2 IfSG). Dass die mit der angegriffenen Verordnungsregelung verbundenen Grundrechtsbeeinträchtigungen nur bei Erfüllung des Katastrophenbegriffs als Notmaßnahmen zulässig seien, werde auch in § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG deutlich. Diese Norm stelle eine Art Standardregelung für Eingriffe in die Berufsfreiheit nur für Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen dar. Darüber könne eine auf § 32 IfSG gestützte Verordnung nicht hinausgehen. Nach Art. 80 Abs. 1 GG müssten Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Verordnungsermächtigung im Gesetz bestimmt sein. Über die in § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG hinausgehende Grundrechtsbeeinträchtigungen seien indes nicht vorgesehen. Ebenso wenig ermächtige § 28 IfSG zu einer Inanspruchnahme eines Nichtstörers. Ein Nichtstörer könne nur in einer konkreten Gefahrenlage zum Selbstschutz in Anspruch genommen werden. Nach dem ordnungsrechtlichen Grundprinzip seien Maßnahmen primär gegen Störer, hier also Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige und Ausscheider, zu richten. Auch das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 GG sei verletzt, da das IfSG keine expliziten Ermächtigungen für Eingriffe in Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 GG vorsehe.
Da die Verordnung auf die unzutreffende Ermächtigungsgrundlage gestützt sei, verletze sie auch das Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG, wonach eine Verordnung die- richtige – Ermächtigungsgrundlage benennen müsse.
Ungeachtet dessen, dass die Voraussetzungen der im KatSG zu suchenden Ermächtigungsgrundlage (polizeiliche Gefahr und Feststellung des Katastrophenfalls) nicht gegeben gewesen seien, habe bereits am 20. März 2020 keine Gefahr mehr vorgelegen, die Maßnahmen nach § 28 IfSG hätte rechtfertigen können. Der Reproduktionsfaktor des Coronavirus habe zu diesem Zeitpunkt unter 1 gelegen. Dies sei auch schon zwei Wochen vor dem streitigen Grundrechtsentzug der Fall gewesen. Damit dränge sich auf, dass die vom Verordnungsgeber ergriffenen Maßnahmen keinerlei Einfluss auf das saisonale Geschehen gehabt hätten, sondern ungeeignet bzw. nicht erforderlich gewesen seien. Das Coronavirus sei weder aggressiver noch gefährlicher als die jährlich mit jeder Grippewelle aufkommenden, relativ milde verlaufenden Infektionen mit Coronaviren. Das Risiko einer Pneumonie sei nicht höher als bei einer Infektion mit Grippeviren. Zum damaligen Zeitpunkt hätten gerade einmal 22-26 % der Bürger überhaupt Krankheitssymptome gezeigt, die in ihrer Schwere mit einer Grippe vergleichbar seien. Bei einer Neuinfektionsquote von damals 0,7 seien Maßnahmen gegen die Infizierten – auch organisatorisch – durchführbar gewesen. Zudem hätten die schutzwürdigen Gruppen vorrangig in Anspruch genommen werden müssen. Auch die Zahlen in Schweden hätten zu dieser Zeit bewiesen, dass die gleiche Lage auch ohne die einschneidenden Grundrechtseingriffe vorhanden gewesen sei. Dessen ungeachtet sei das Infektionsgeschehen zum maßgeblichen Zeitpunkt von staatlicher Seite erheblich überzeichnet worden.
Außerdem habe der Verordnungsgeber selbst nicht die notwendigen Maßnahmen i. S. d. § 28 IfSG zur Unterbindung einer konkreten Infektionsgefahr treffen wollen, sondern lediglich zur Verlangsamung einer Infektionswelle, um das Gesundheitswesen zu entlasten und somit die erforderlichen Behandlungskapazitäten für Erkrankte, aber auch sonstige Krankheitsfälle bereithalten zu können. Insoweit habe es auch der Bestimmung eines Katastrophengebietes bedurft.
Schließlich sei kein sachlicher Grund dafür zu erkennen, weshalb im fraglichen Zeitraum Betriebskantinen, die mitunter 1.000 Betriebsangehörige versorgten, hätten unter Auflagen öffnen dürfen, während Gaststätten einem Öffnungsverbot unterlagen.
Nach dem zwischenzeitlichen Außerkrafttreten der angegriffenen Regelung beabsichtige sie, die Antragstellerin, gegen den Antragsgegner Amtshaftungsansprüche geltend zu machen. Durch das mit der sie betreffenden Verordnungsregelung verbundene gewerberechtliche Totalverbot habe sie hohe fünfstellige Gewinneinbußen erlitten. Ferner bestehe ein berechtigtes Interesse an der gerichtlichen Feststellung der Unwirksamkeit der Verordnungsregelung unter dem Gesichtspunkt des durch die Regelung während ihrer Geltungsdauer bewirkten Grundrechtstotalentzuges.
Nachdem die Antragstellerin mit ihrer Normenkontrollklage zunächst die gerichtliche Unwirksamkeitserklärung des § 6 Abs. 1 der 4. SARS-CoV-2-EindV begehrt hat, beantragt sie nunmehr,
festzustellen, dass § 6 Abs. 1 der Vierten Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Sachsen-Anhalt vom 16. April 2020 in der Fassung der Änderungsverordnung vom 21. April 2020 unwirksam war.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er tritt dem Antrag entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen. Sie ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

I. Der Antrag ist zwar zulässig (1.), aber unbegründet (2.).
1. a) Bei der angegriffenen Verordnungsregelung handelt es sich um eine im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift, über deren Gültigkeit das Oberverwaltungsgericht gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i. V. m. § 10 AG VwGO LSA entscheidet.
b) Die Antragstellerin ist antragsbefugt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Sie kann jedenfalls geltend machen, durch die angegriffene Verordnungsregelung, aufgrund welcher es der Antragstellerin untersagt war, ihre im Hoheitsgebiet des Antragsgegners betriebene Kneipe für den Publikumsverkehr zu öffnen, in ihrem Recht aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzt zu sein (allgemein zur Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO: Beschluss des Senates vom 19. November 2020 – 3 R 234/20 – juris Rn. 54 ff. m.w.N.).
c) Der Zulässigkeit des Normenkontrollantrags steht auch nicht entgegen, dass die streitgegenständliche Regelung mit Ablauf des 3. Mai 2020 außer Kraft getreten ist.
Das Außerkrafttreten der zur Prüfung gestellten Norm nimmt dem Normenkontrollantrag zwar grundsätzlich seinen Gegenstand. § 47 Abs. 1 VwGO geht von dem Regelfall einer noch gültigen Norm als Gegenstand des Normenkontrollantrags aus. Ein Normenkontrollantrag kann allerdings auch trotz Außerkrafttretens der angegriffenen Rechtsnorm zulässig bleiben, wenn in der Vergangenheit liegende Sachverhalte noch nach ihr zu entscheiden sind oder wenn während des Normenkontrollverfahrens eine auf kurzfristige Geltung angelegte Norm, durch die oder durch deren Anwendung der Antragsteller einen Nachteil erlitten hat, außer Kraft getreten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2001 – 6 CN 1.01 – juris Rn. 10). Der Antragsteller muss nach Außerkrafttreten der angegriffenen Norm allerdings ein berechtigtes Interesse an der (nachträglichen) Feststellung ihrer Ungültigkeit haben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Juni 2018 – 3 BN 1.17 – juris Rn. 19 m.w.N.).
Ein berechtigtes – individuelles – Interesse an der Fortführung des Normenkontrollverfahrens kann sich etwa aus einer Wiederholungsgefahr ergeben, d. h. wenn der Erlass vergleichbarer Rechtsvorschriften durch den Antragsgegner in absehbarer Zeit hinreichend wahrscheinlich ist (vgl. BVerwG, Urteil von 17. Mai 2017 – 8 CN 1.16 – juris Rn. 13; Urteil vom 11. November 2015 – 8 CN 2.14 – juris Rn. 19), oder aus der präjudiziellen Wirkung der begehrten Feststellung für die Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit eines auf die Norm gestützten behördlichen Verhaltens und daran anknüpfende Entschädigungs- oder Schadensersatzansprüche, deren Durchsetzung der Antragsteller ernsthaft beabsichtigt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Mai 2005 – 4 BN 22.05 – juris Rn. 5; Urteil vom 19. Februar 2004 – 7 CN 1.03 – juris Rn. 14).
Außerdem ist ein berechtigtes Feststellungsinteresse an einer Rechtsklärung anzuerkennen bei schwerwiegenden Beeinträchtigungen grundrechtlich geschützter Freiheiten des Antragstellers durch die angegriffene Rechtsvorschrift, insbesondere dann, wenn die Rechtsvorschrift typischerweise auf kurze Geltung angelegt ist mit der Folge, dass sie regelmäßig außer Kraft tritt, bevor ihre Rechtmäßigkeit in einem Normenkontrollverfahren abschließend gerichtlich geklärt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2001 – 6 CN 1.01 – juris Rn. 10; Beschluss vom 2. September 1983 – 4 N 1.83 – juris Rn. 9). Dies gilt unabhängig davon, ob der Antragsteller hinsichtlich der angegriffenen Rechtsnorm um vorläufigen Rechtsschutz nachsuchen konnte. Art. 19 Abs. 4 GG gewährt nach Maßgabe der jeweiligen Sachentscheidungsvoraussetzungen grundsätzlich einen Anspruch auf Rechtsschutz in der Hauptsache und nicht nur auf Rechtsschutz in einem Eilverfahren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 – 1 BvR 461/03 – juris Rn. 29 ff. m.w.N.). Schwerwiegende Grundrechtsbeeinträchtigungen sind im Allgemeinen insbesondere bei Eingriffen in Grundrechte anzunehmen, die das Grundgesetz selbst – wie in den Fällen der Art. 13 Abs. 2 und Art. 104 Abs. 2 und 3 GG – unter den Richtervorbehalt gestellt hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Dezember 2001 – 2 BvR 527/99 u. a. – juris Rn. 36), oder bei Beeinträchtigungen spezieller Freiheitsgrundrechte (vgl. z. B. zum Grundrecht auf Versammlungsfreiheit BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004, a. a. O. Rn. 28 sowie Beschluss vom 7. Dezember 1998 – 1 BvR 831/89 – juris Rn. 25 f.). Aber auch im Hinblick auf sonstige Grundrechte kann ein Feststellungsinteresse aufgrund der schwerwiegenden Auswirkungen des erledigten Hoheitsaktes bestehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Januar 2021 – 2 BvR 673/20 – juris Rn. 37).
Im Fall der Antragstellerin ist von einem schwerwiegenden Grundrechtseingriff in ihre durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit auszugehen. Aufgrund der angegriffenen Regelung war der Antragstellerin der Betrieb ihrer Kneipe im Zeitraum der Geltungsdauer der Norm nicht mehr möglich. Hinzu tritt, dass die Antragstellerin ihre Kneipe aufgrund der Regelungen in den Vorgängerverordnungen der 4. SARS-CoV-2-EindV im Zeitpunkt des Inkrafttretens der 4. SARS-CoV-2-EindV schon seit fast einem Monat nicht betreiben durfte. Aufgrund der §§ 4 und 21 Abs. 1 der Zweiten Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Sachsen-Anhalt vom 24. März 2020 (GVBl. LSA S. 54) und des § 4 der Dritten Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Sachsen-Anhalt vom 2. April 2020 (GVBl. LSA S. 112) waren gastronomische Einrichtungen seit dem 25. März 2020 für den Publikumsverkehr zu schließen. Lediglich die Belieferung, die Mitnahme und der Außer-Haus-Verkauf waren unter bestimmten Voraussetzungen noch gestattet. Die aufgrund sich gegenseitig ablösender Verordnungsregelungen bewirkte Fortsetzung eines Eingriffs verstärkt die Eingriffswirkung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. März 2022 – 1 BvR 1295/21 – juris Rn. 25).
Die Corona-Eindämmungsverordnungen des Antragsgegners waren aufgrund der fortlaufenden Evaluierung und Anpassung der Maßnahmen auch intendiert und damit typischerweise auf so kurze Geltung angelegt, dass eine Überprüfung der Rechtsverordnungen ohne die Annahme eines berechtigten Feststellungsinteresses in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren nahezu ausgeschlossen wäre (ein nachträgliches Rechtsklärungsinteresse in Bezug auf zwischenzeitlich außer Kraft getretene Schließungen und Beschränkungen des Einzelhandels während der Corona-Pandemie ebenfalls annehmend: OVG Brem, Urteil vom 19. April 2022 – 1 D 104/20 – BeckRS 2022, 9393 Rn. 32; SächsOVG, Urteil vom 17. Mai 2022 – 3 C 16/20 – juris Rn. 35; ebenso in Bezug auf Eingriffe in Art. 12 Abs. 1 GG in anderen Bereichen als dem Einzelhandel NdsOVG, Urteil vom 23. November 2021 – 13 KN 389/20 – juris Rn. 24 f.; differenzierend SaarlOVG: im Urteil vom 31. März 2022 – 2 C 182/20 – juris Rn. 29 ein Feststellungsinteresse trotz schwerwiegenden Grundrechtseingriffs verneinend in Bezug auf vorübergehende Betriebsverbote, von denen inländische juristische Personen betroffen seien, da hier die erwerbswirtschaftliche Seite im Vordergrund stehe und der persönlichkeitsrechtliche Aspekte der Grundrechtsverwirklichung fehle; dagegen in Bezug auf eine GbR ein Feststellungsinteresse wegen eines in einer Betriebsuntersagung liegenden schwerwiegenden Grundrechtseingriffs annehmend im Urteil vom 31. Mai 2022 – 2 C 319/20 – juris Rn. 21). Vor diesem Hintergrund und betonend, dass die in den infektionsschutzrechtlichen Verordnungen wie der hier streitgegenständlichen enthaltenen Ge- und Verbote die grundrechtliche(n) Freiheit(en) häufig schwerwiegend beeinträchtigten, erachtet auch das Bundesverfassungsgericht es als „naheliegend“, dass die Vereinbarkeit dieser Verordnungen mit Grundrechten nachträglich im Verfahren der verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle überprüft werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Februar 2022 – 1 BvR 1073/21 – juris Rn. 24 f.; Beschluss vom 15. Juli 2020 – 1 BvR 1630/20 – juris Rn. 9; Beschluss vom 3. Juni 2020 – 1 BvR 990/20 – juris Rn. 8).
Besteht bereits aus den vorstehenden Gründen ein berechtigtes Interesse der Antragstellerin an der begehrten gerichtlichen Feststellung, bedarf es keiner Erörterung der Frage, ob ein besonderes Feststellungsinteresse (auch) unter dem von der Antragstellerin angeführten Gesichtspunkt der präjudiziellen Wirkung einer nachträglichen Feststellung der Ungültigkeit der angegriffenen Verordnungsregelung für die Geltendmachung von Entschädigungs- oder Schadensersatzansprüchen anzunehmen ist oderob dem eine offensichtliche Aussichtslosigkeit eines etwaigen Entschädigungs- oder Schadensersatzprozesses (vgl. insoweit BVerwG, Beschluss vom 26. Mai 2005 – 4 BN 22.05 – juris Rn. 5; Urteil vom 19. Februar 2004, a. a. O. Rn. 14; Beschluss vom 2. September 1983 – 4 N 1.83 – juris Rn. 12) entgegensteht, weil es an einer Anspruchsgrundlage für eine Entschädigung oder einen Schadensersatz wegen flächendeckender Betriebsschließungen im Rahmen von Infektionsschutzmaßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie fehlt (so SaarlOVG, Urteil vom 31. März 2022 – 2 C 182/20 – juris Rn. 16 ff. unter Bezugnahme auf BGH, Urteil vom 17. März 2022 – III ZR 79/21 – juris Rn. 16 ff.).
2. Der Normenkontrollantrag ist aber unbegründet. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung, dass § 6 Abs. 1 der Vierten Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Sachsen-Anhalt vom 16. April 2020 in der Fassung der Änderungsverordnung vom 21. April 2020 unwirksam war.
a) Die angegriffenen Regelungen der 4. SARS-CoV-2-EindV beruhten auf einer hinreichenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Der Senat hat in seinem die Antragstellerin betreffenden Beschluss vom 30. April 2020 (Az. 3 R 69/20) ausgeführt, dass die streitgegenständliche Verordnungsregelung in § 32 Satz 1 IfSG eine ausreichende Rechtsgrundlage gefunden haben. Hieran hält der Senat nach erneuter Prüfung fest.
aa) Durch § 32 Satz 1 IfSG in der für die Beurteilung der Rechtswirksamkeit der 4. SARS-CoV-2-EindV maßgeblichen Fassung der Änderung durch das Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 27. März 2020 (BGBl. 2020 I S. 587 ff.) – im Folgenden a. F. – wurden die Landesregierungen ermächtigt, unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 31 IfSG maßgebend sind, durch Rechtsverordnungen entsprechende Ge- und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG a. F. enthielt eine dem geltenden § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 IfSG, zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. März 2022 (BGBl. I S. 473), entsprechende Generalklausel, wonach die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen trifft, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war. Nach dem mit Gesetz vom 27. März 2020 neu eingefügten 2. Halbsatz der Vorschrift kann sie insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten. Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG a. F. kann die zuständige Behörde unter den Voraussetzungen von Satz 1 Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten und Badeanstalten oder in § 33 genannte Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon schließen.
Die als Ermächtigungsgrundlage für die streitgegenständlichen Verordnungsregelungen herangezogenen §§ 32 Satz 1 IfSG i. V. m. 28 Abs. 1 IfSG a. F. entsprachen jedenfalls im Hinblick auf den hier maßgeblichen Zeitraum (April 2020 bis Anfang Mai 2020) den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Wesentlichkeitsgrundsatzes in dessen Ausprägung als Parlamentsvorbehalt (1) und des Bestimmtheitsgebots (2).
(1) Der Vorbehalt des Gesetzes verlangt im Hinblick auf Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot, dass der Gesetzgeber in grundlegenden normativen Bereichen alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen hat und nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive überlassen darf. Dabei betrifft die Normierungspflicht nicht nur die Frage, ob ein bestimmter Gegenstand überhaupt gesetzlich geregelt sein muss, sondern auch, wie weit diese Regelungen im Einzelnen zu gehen haben (sog. „Wesentlichkeitsdoktrin“, vgl. BVerfG, Urteil vom 19. September 2018 – 2 BvF 1/15 u.a. – juris Rn. 199; Urteil vom 3. März 2009 – 2 BvC 3/07 – juris Rn. 132; Beschluss vom 21. April 2015 – 2 BvR 1322/12 – juris Rn. 54). Wesentliche Fragen des Gemeinwesens, deren Regelung dem unmittelbar demokratisch legitimierten Parlament vorbehalten sind, sind in der Regel solche des grundrechtsrelevanten Bereichs, also solche, die wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. Dezember 1977 – 1 BvL 1/75 – juris Rn. 26; Beschluss vom 27. November 1990 – 1 BvR 402/87 – juris Rn. 39; Beschluss vom 21. April 2015, a. a. O. Rn. 53; Beschluss vom 24. März 2021 – 1 BvR 2656/18 – juris Rn. 260). Je intensiver sich die Maßnahme auf die Verwirklichung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirkt, desto höher ist die erforderliche parlamentsgesetzliche Regelungsdichte (BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 – 1 BvR 1314/12 – juris Rn. 182). Wann es einer Regelung durch den parlamentarischen Gesetzgeber bedarf, lässt sich letztlich nur mit Blick auf den jeweiligen Sachbereich und die Eigenart des betroffenen Regelungsgegenstandes beurteilen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. April 2014 – 2 BvF 1/12 – juris Rn. 102; BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 – 2 BvR 1436/02 – juris Rn. 67 f. m.w.N.).
§ 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG a. F. ermächtigen zweifellos zu Grundrechtseingriffen mit einer erheblichen Reichweite und Intensität, was grundsätzlich dafür spricht, dass die Entscheidungen darüber dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten sind. Zugleich ist aber zu berücksichtigen, dass sich die Bandbreite an Schutzmaßnahmen, die bei Auftreten einer übertragbaren Krankheit in Frage kommen können, im Vorfeld nicht (abschließend) bestimmen lässt. Der Sinn gefahrenabwehrrechtlicher Generalklauseln besteht gerade darin, auf kaum bzw. schwer vorhersehbare – in diesem Sinne atypische, weil nicht abschließend in typisierenden Standardbefugnissen abbildbare – Gefahrenlagen reagieren zu können (vgl. Rixen, NJW 2020, 1097, 1099; OVG Brem, Urteil vom 23. März 2022 – 1 D 349/20 – juris Rn. 52 f.). Die Regelungsmaterie der Gefahrenabwehr, zu der auch das Infektionsschutzgesetz gehört, erfordert geradezu grundsätzlich eine solche Generalklausel, die der Exekutive einen weiten Gestaltungsspielraum einräumt und eine flexible Handhabung des ordnungsbehördlichen Instrumentariums ermöglicht (vgl. ThürVerfGH, Beschluss vom 19. Mai 2021 – 110/20 – juris Rn. 42 f. m.w.N.; NdsOVG, Urteil vom 25. November 2021 – 13 KN 389/20 – juris Rn. 36; Beschluss des Senates vom 27. April 2020 – 3 R 52/20 – juris Rn. 31). Dies gilt umso mehr bei neuen, vom Gesetzgeber bisher nicht in den Blick genommene Gefahrenlagen, die mit erheblichen prognostischen Unsicherheiten behaftet sind. Es können theoretisch immer wieder neue oder gegenüber ihrer bisherigen Erscheinungsform und Wirkungsweise veränderte Krankheitserreger auftreten, deren Ansteckungsrisiken und gesundheitliche Folgen nicht oder nicht vollständig bekannt sind. Es liegt in der Natur übertragbarer – insbesondere neu auftretender – Krankheiten, dass sich die Art und Fülle der Schutzmaßnahmen, die sich im konkreten Fall als notwendig erweisen, nicht von vornherein vorhersehen und dementsprechend durch (standard-)gesetzliche Ermächtigungsnormen für das Handeln der Exekutive erfassen lassen. Der Rückgriff auf eine Generalklausel, die um der effizienten Gefahrenabwehr willen gerade auch in atypischen oder schlicht nicht vorhersehbaren Situationen zu intensiven Grundrechtseingriffen, ggf. gegenüber einer Vielzahl von Personen, ermächtigt, kann aber unzulässig werden, wenn eine Gefahrenlage bzw. Situation von einer atypischen zu einer typischen geworden ist und sich für die Maßnahme Standards entwickelt haben (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 8. November 2012 – 1 BvR 22/12 – juris Rn. 25; BVerwG, Beschluss vom 24. Oktober 2001 – 6 C 3.01 – juris Rn. 53 f. m.w.N.; OVG Brem, Urteil vom 23. März 2022, a. a. O. Rn. 53; siehe auch BVerwG, Beschluss vom 31. Januar 2019 – 1 WB 28.17 juris Rn. 35). Jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt ist es aus übergeordneten Gründen des Gemeinwohls geboten, ggf. entstehende, aufgrund der sich aus dem Parlamentsvorbehalt ergebenden Anforderungen nicht hinnehmbare Regelungslücken für einen Übergangszeitraum auf der Grundlage von Generalklauseln zu schließen und auf diese Weise selbst sehr eingriffsintensive Maßnahmen, die an sich einer besonderen gesetzlichen Regelung bedürfen, vorübergehend zu ermöglichen (vgl. ThürVerfGH, Urteil vom 1. März 2021 – 18/20 – juris Rn. 384; Beschluss vom 19. Mai 2021, a. a. O. Rn. 44 mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der Literatur; OVG Brem, Urteil vom 19. April 2022 – 1 D 104/20 – BeckRS 2022, 9393 Rn. 51; siehe auch NdsOVG, Urteil vom 25. November 2021 – 13 KN 389/20 – a. a. O. Rn. 37, der § 28 Abs. 1 IfSG über einen Übergangszeitraum hinaus als ausreichende Ermächtigungsgrundlage für Infektionsschutzmaßnahmen im Rahmen der COVID-19-Pandemie ansieht und das Überschreiten einer Grenze hierfür allenfalls dann in Betracht zieht, wenn derartige Maßnahmen dauerhaft in die Rechtsordnung implementiert würden).
Ob und ab welchem Zeitpunkt im Hinblick auf die zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie im Wege von Länderverordnungen ergriffenen Schutzmaßnahmen von einer den Rückgriff auf die Generalklausel des § 28 Abs. 1 IfSG a. F. ausschließenden Lage auszugehen war, bedarf für das vorliegende Verfahren keiner weiteren Erörterung. Jedenfalls in dem hier maßgeblichen Geltungszeitraum der von der Antragstellerin angegriffenen Regelungen der 4. SARS-CoV-2-EindV im April bis Anfang Mai 2020 war keine Situation gegeben, in welcher nicht mehr von einer atypischen Infektionslage gesprochen werden konnte. Vielmehr standen die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung gerade erst am Anfang. Die streitgegenständliche Maßnahme war Teil der Lockerungsschritte nach dem ersten sogenannten „Lockdown“ in Deutschland, durch die die Infektionszahlen weiter kontrolliert und ein erneuter Anstieg verhindert werden sollten. Typisierende Standards für die in Betracht kommenden Maßnahmen hatten sich zu diesem frühen Zeitpunkt der Pandemie noch nicht entwickelt. Auf die Erfahrungen mit vergleichbaren Maßnahmen im Ausland konnte ebenfalls noch nicht verlässlich zurückgegriffen werden. Die weltweite Ausbreitung von COVID-19 war erst kurz zuvor – am 11. April 2020 – von der WHO zu einer Pandemie erklärt worden. Die Entwicklung und Verbreitung des Virus gestaltete sich dynamisch und unvorhersehbar. Bis zum Erlass und selbst bis zum Auslaufen der streitgegenständlichen Regelungen der 4. SARS-CoV-2-EindV waren nur wenige Wochen vergangen, in denen noch kein signifikanter Erkenntnisgewinn der Infektionsschutzbehörden und des Gesetzgebers verzeichnet werden konnte. Von dem Bundesgesetzgeber konnte daher nicht erwartet werden, in diesem kurzen Zeitraum bereits eine spezielle Ermächtigungsgrundlage, hielte man eine solche für notwendig, für Maßnahmen wie die streitgegenständliche geschaffen zu haben, so dass ein Rückgriff auf die Generalklausel in § 28 Abs. 1 IfSG a. F. gerechtfertigt war (vgl. NdsOVG, Urteil vom 25. November 2021 – 13 KN 62/20 – juris Rn. 73; SaarlOVG, Urteil vom 31. März 2022 – 2 C 182/20 – juris Rn. 30 unter Bezugnahme auf SaarlOVG, Beschluss vom 27. April 2020 – 2 B 134/20 – juris Rn. 13; OVG NRW, Beschluss vom 6. April 2020 – 13 B 398/20.NE- juris Rn. 61; zweifelnd, letztlich aber offen gelassen durch den VGH BW, Beschluss vom 9. April 2020 – 1 S 925/20 – juris Rn. 37 ff.).
Auch aus dem Umstand, dass am 3. November 2020 der Entwurf eines Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite (BT-Drs. 19/23944) in den Bundestag eingebracht wurde, der vorsah, in einem neuen § 28a IfSG einen nicht abschließenden Beispielskatalog für notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG zu regeln, lässt sich nicht schließen, dass § 28 Abs. 1 IfSG a. F. bis dahin keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage dargestellt hätte. Abgesehen davon, dass bis November 2020 deutlich mehr Zeit verstrichen war als bis zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt, wurde in der Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 28a IfSG ausgeführt, dass „die Regelbeispiele in § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG speziell für die SARS-CoV-2-Pandemie klarstellend erweitert“ würden (BT-Drs. 19/23944, S. 31; vgl. OVG Brem, Urteil vom 23. März 2022 – 1 D 349/20 – juris Rn. 40).
(2) Die Verordnungsermächtigung in § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 IfSG a. F. entsprach auch dem Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG.
Nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG müssen Gesetze, die zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigen, Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmen. Dieses Bestimmtheitsgebot stellt eine notwendige Ergänzung und Konkretisierung des Gesetzesvorbehalts und des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung dar. Es soll gewährleisten, dass das Parlament, wenn es einen Teil der Gesetzgebungsmacht der Exekutive überträgt, das Ziel und die Grenzen dieser Kompetenzen bedenkt und diese nach Tendenz und Programm so genau umreißt, dass der Normunterworfene schon aus der gesetzlichen Ermächtigung erkennen und vorhersehen kann, was ihm gegenüber zulässig sein soll und welchen möglichen Inhalt die aufgrund der Ermächtigung erlassenen Verordnungen haben können (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. September 2018, a. a. O. Rn. 202). Hierdurch wird der staatliche Eingriff durch die Exekutive nachvollziehbar auf eine parlamentarische Willensäußerung zurückgeführt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. April 2015, a. a. O. Rn. 55 und Urteil vom 19. September 2018, a. a. O. Rn. 199).
Allerdings muss die Ermächtigungsnorm in ihrem Wortlaut nicht so genau wie irgend möglich gefasst sein. Sie hat von Verfassungs wegen nur hinreichend bestimmt zu sein. Dazu genügt es grundsätzlich, dass sich die gesetzlichen Vorgaben mit Hilfe allgemeiner Auslegungsregeln erschließen lassen, insbesondere aus dem Zweck, dem Sinnzusammenhang und der Entstehungsgeschichte der Norm (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. September 2016 – 2 BvL 1/15 – juris Rn. 55; Beschluss vom 11. März 2020 – 2 BvL 5/17 – juris Rn. 101). Welche Anforderungen an das Maß der erforderlichen Bestimmtheit im Einzelnen zu stellen sind, lässt sich daher nicht allgemein festlegen. Zum einen kommt es auf die Intensität der Auswirkungen der Regelung für die Betroffenen an. So muss die Bestimmtheit der Ermächtigungsnorm der Grundrechtsrelevanz der Regelung entsprechen, zu der ermächtigt wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. März 2020, a. a. O. Rn. 102). Die Anforderungen an die Bestimmtheit sind umso höher, je tiefer die Norm in verfassungsrechtlich geschützte Positionen eingreift und je eindeutiger, abgrenzbarer und vorhersehbarer die Materie ist, die sie regelt (vgl. ThürVerfGH, Beschluss vom 19. Mai 2021, a. a. O. Rn. 34 m.w.N.). Zum anderen hängen die Anforderungen an Inhalt, Zweck und Ausmaß der gesetzlichen Determinierung von der Eigenart des zu regelnden Sachverhalts ab, insbesondere davon, in welchem Umfang der zu regelnde Sachbereich einer genaueren begrifflichen Umschreibung überhaupt zugänglich ist. Dies kann es auch rechtfertigen, die nähere Ausgestaltung des zu regelnden Sachbereichs dem Verordnungsgeber zu überlassen, der die Regelungen rascher und einfacher auf dem neuesten Stand zu halten vermag als der Gesetzgeber (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. September 2016, a. a. O. Rn. 57; ThürVerfGH, Urteil vom 1. März 2021, a. a. O. Rn. 387; NdsOVG, Urteil vom 25. November 2021 – 13 KN 62/20 – a. a. O. Rn. 68).
Nach diesen Maßstäben verstößt § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 IfSG in der im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen Verordnungsregelung gültigen Fassung nicht gegen das Bestimmtheitsgebot aus Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG.
Der Bundesgesetzgeber hat mit § 28 Abs. 1 IfSG a. F. eine allgemeine Ermächtigungsgrundlage für grundrechtsrelevante Maßnahmen geschaffen, um den zuständigen Behörden – und über § 32 Satz 1 IfSG dem Verordnungsgeber – ein breites Spektrum von zum Infektionsschutz notwendigen Schutzmaßnahmen zu eröffnen (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 – 3 C 16.11 – juris Rn. 24). Ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien hat der Gesetzgeber den Begriff „notwendige Schutzmaßnahmen“ bewusst gewählt, um ein möglichst breites Spektrum gefahrenabwehrender Reaktionsmöglichkeiten im Fall einer Ausbreitung übertragbarer Krankheiten zu eröffnen (vgl. zur Vorgängerregelung Begründung des Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Seuchengesetzes, BT-Drs. 8/2468, S. 27, zu § 34 Abs. 1 Satz 1 des Bundes-Seuchengesetzes; hierauf verweisend auch BayVerfGH, Entscheidung vom 9. Februar 2021 – Vf. 6-VII-20 – juris Rn. 45; OVG Brem, Urteil vom 23. März 2022, a. a. O. Rn. 43). In der Gesetzesbegründung wird ausgeführt, dass sich die Fülle der Schutzmaßnahmen, die bei Ausbruch einer übertragbaren Krankheit in Frage kommen könne, von vornherein nicht übersehen lasse. Man müsse eine generelle Ermächtigung in das Gesetz aufnehmen, wolle man für alle Fälle gewappnet sein. Nicht zuletzt ergibt sich aus der Gesetzesbegründung, dass nicht allein Schutzmaßnahmen gegenüber Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen oder Ausscheidern in Betracht kommen, sondern dass ebenso Regelungen gegenüber „Nichtstörern“ sowie gegenüber der Allgemeinheit ermöglicht werden (BT-Drs. 8/2468, S. 27 f.; vgl. weiter BVerwG, Urteil vom 22. März 2012, a. a. O. Rn. 26; NdsOVG, Urteil vom 25. November 2021 – 13 KN 62/20 – a. a. O. Rn. 71 m.w.N.; SaarlOVG, Urteil vom 31. März 2022, a. a. O. Rn. 31). Dies wird bestätigt durch die Gesetzesänderung vom 28. März 2020, da der Wortlaut von § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 IfSG nunmehr ausdrücklich gestattete, dass sogar allgemeine Ausgangs- und Betretungsverbote auf Grundlage der Vorschrift erlassen werden, und nach Satz 2 der Vorschrift explizit Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränkt oder verboten werden können (vgl. ThürVerfGH, Urteil vom 1. März 2021, a. a. O. Rn. 389).
Soweit demgegenüber das Landesverfassungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt mit Urteil vom 26. März 2021 (- LVG 25/20 – juris Rn. 63 f.) angenommen hat, § 28 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 IfSG a. F. stellten keine taugliche Grundlage für Verhaltensgebote oder -verbote gegenüber der Allgemeinheit dar, kann hieraus nichts im Hinblick auf die Rechtswirksamkeit der hier streitgegenständlichen 4. SARS-CoV-2-EindV hergeleitet werden. Die Entscheidung betraf die 8. SARS-CoV-2-EindV vom 15. September 2020 (GVBl. LSA S. 432) in der Fassung der Zweiten Verordnung zur Änderung der 8. SARS-CoV-2-EindV vom 30. Oktober 2020 (GVBl. LSA S. 624) sowie der Dritten Verordnung zur Änderung der 8. SARS-CoV-2-EindV vom 27. November 2020 (GVBl. LSA S. 668). Das Landesverfassungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt hat es dahinstehen lassen, ob innerhalb einer engen Frist nach dem Auftreten einer völlig neuen Gefahrenlage Ausnahmen von den Anforderungen an die Regelungsdichte einer Verordnungsermächtigung begründet werden können, so dass in einer Übergangszeit auch solche unmittelbaren Gefahren effektiv durch die Regelung von Maßnahmen auf dem Verordnungswege abgewehrt werden können, bis der Gesetzgeber darauf zu reagieren in der Lage ist. Denn es hat diese Reaktionszeit zum Zeitpunkt, als die dort streitgegenständlichen Regelungen erlassen wurden, bereits als überschritten angesehen (LVerfG LSA, Urteil vom 26. März 2021, a. a. O. Rn. 65). Dies war – wie ausgeführt – in Bezug auf die im vorliegenden Normenkontrollverfahren von der Antragstellerin angegriffenen Regelung der 4. SARS-CoV-2-EindV, die in einem wesentlich früheren Stadium der COVID-19-Pandemie erlassen worden ist, indes nicht der Fall.
An der beschriebenen Grundkonzeption mit einer Generalklausel, welche die zuständigen Behörden zu einem breiten Spektrum von zum Infektionsschutz notwendigen Schutzmaßnahmen ermächtigt, wurde für das Infektionsschutzgesetz festgehalten (vgl. Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung seuchenrechtlicher Vorschriften, BR-Drs. 566/99, S. 169 und BT-Drs. 14/2530, S. 74 f.). Der Infektionsschutz zählt zur Regelungsmaterie der Gefahrenabwehr, die gerade durch sich ständig wandelnde Umstände geprägt ist, weil immer wieder Krankheitserreger auftreten können, deren Ansteckungsrisiken und gesundheitlichen Folgen nicht oder nicht vollständig bekannt sind. Mit Blick auf diese konkrete Eigenart des betroffenen Regelungsgegenstandes ist es dem Verordnungsgeber schneller als dem Gesetzgeber möglich, das Bedürfnis nach erforderlichen Regelungen zu erkennen und diese auf dem neuesten Stand zu halten. Insoweit statuierte der parlamentarische Gesetzgeber einerseits eine Pflicht der Exekutive, notwendige Schutzmaßnahmen zu ergreifen, und eröffnete ihr andererseits hierfür einen umfassenden Ermessensspielraum im Hinblick auf die Mittel, die zur Umsetzung des Gesetzeszieles ergriffen werden (siehe BR-Dr. 566/99, S. 169 sowie unter Verweis hierauf ThürVerfGH, Beschluss vom 19. Mai 2021, a. a. O. Rn. 34).
Diese als offene Generalklausel ausgestaltete Regelung stellte sich nicht als unzulässige Globalermächtigung dar (OVG Brem, Urteil vom 23. März 2022, a. a. O. Rn. 45; ThürVerfGH, Urteil vom 1. März 2021, a. a. O. Rn. 388; NdsOVG, Urteil vom 25. November 2021 – 13 KN 389/20 – a. a. O. Rn. 34 und SächsOVG, Urteil vom 21. April 2021 – 3 C 8/20 – juris Rn. 23). Inhalt, Zweck und Ausmaß der vom Gesetzgeber erteilten Verordnungsermächtigung waren als hinreichend bestimmt anzusehen. So hat der Gesetzgeber bereits mit der nur beispielhaften Aufzählung in § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG a. F., wonach unter den Voraussetzungen von Satz 1 Veranstaltungen und sonstige Ansammlungen von Menschen beschränkt oder verboten und Badeanstalten oder in § 33 genannte Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon geschlossen werden können, deutlich gemacht, dass in Konkretisierung der mit der Generalklausel eröffneten Handlungsmöglichkeiten auch weitreichende Maßnahmen gegenüber der Allgemeinheit in Betracht kommen. Dabei standen § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 und Satz 2 IfSG a. F. nach dem Willen des Gesetzgebers nicht in einem Spezialitätsverhältnis. Vielmehr konntenalle notwendigen Schutzmaßnahmen auf die Generalklausel des § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 IfSG a. F. gestützt werden (vgl. BayVGH, Beschluss vom 30. März 2020 – 20 CS 20.611 – juris Rn. 16; OVG Brem, Urteil vom 23. März 2022, a. a. O. Rn. 45).
Dass auch die Schließung von gastronomischen Einrichtungen nach Inhalt und Zweck der Ermächtigung in § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 IfSG a. F. grundsätzlich als mögliche Schutzmaßnahme ergriffen werden konnte, ist vor diesem Hintergrund nicht zweifelhaft. Dem Gesetzgeber ging es bei der Schaffung der Ermächtigungsgrundlage gerade darum, keine sich später möglicherweise als notwendig erweisende Handlungsoption für die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten einschließlich weitreichender – und damit auch die von der Antragstellerin angesprochenen wesentlichen – Maßnahmen gegenüber der Allgemeinheit auszuschließen (zu Ausgangsbeschränkungen BayVerfGH, Entscheidung vom 9. Februar 2021, a. a. O. Rn. 46; OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 17. April 2020 – OVG 11 S 23/20 – juris Rn. 15). Folglich war auch die Schließung von Einrichtungen der Gastronomie eine mögliche Schutzmaßnahme im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG a. F. Denn Gastronomie mit Publikumsverkehr ähnelt den ausdrücklich genannten Veranstaltungen und sonstigen Zusammenkünften insoweit, als dass sie ebenso wie diese Anziehungspunkt für Menschen an einen begrenzten Ort ist und damit ein besonderes Risiko für die Verbreitung einer von Mensch zu Mensch übertragenen Krankheit darstellen kann. Abgesehen davon hatte der Gesetzgeber auch mit der kürzlich vorgenommenen Anfügung des 2. Halbsatzes in § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG a. F., wonach sogar allgemeine Ausgangs- und Betretungsverbote auf Grundlage der Vorschrift erlassen werden können, klargestellt, dass die Vorschrift auch als Ermächtigungsgrundlage für Maßnahmen diente, die in besonders erheblichem Maß in Grundrechte eingreifen (vgl. OVG Brem, Beschluss vom 9. April 2020, a. a. O. Rn. 34 m.w.N.).
Ein Verstoß gegen den Wesentlichkeitsgrundsatz folgt auch nicht daraus, dass nur die ausdrücklich in § 32 Satz 3 IfSG genannten Grundrechte wesentlich eingeschränkt werden dürften. Die ausdrückliche Nennung dieser Grundrechte geht auf das Zitiergebot in Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG zurück, wonach ein grundrechtseinschränkendes Gesetz das eingeschränkte Grundrecht ausdrücklich benennen muss. Das Zitiergebot war vorliegend nicht verletzt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dient es der Sicherung derjenigen Grundrechte, die aufgrund eines speziellen, vom Grundgesetz vorgesehenen Gesetzesvorbehaltes über die im Grundrecht selbst angelegten Grenzen hinaus eingeschränkt werden könnten. Indem das Gebot den Gesetzgeber zwingt, solche Eingriffe im Gesetzeswortlaut auszuweisen, will es sicherstellen, dass nur wirklich gewollte Eingriffe erfolgen; auch soll sich der Gesetzgeber über die Auswirkungen seiner Regelungen für die betroffenen Grundrechte Rechenschaft geben. Von derartigen Grundrechtseinschränkungen werden in der Rechtsprechung andersartige grundrechtsrelevante Regelungen unterschieden, die der Gesetzgeber in Ausführung der ihm obliegenden, im Grundrecht vorgesehenen Regelungsaufträge, Inhaltsbestimmungen oder Schrankenbeziehungen vornimmt. Hier erscheint die Warn- und Besinnungsfunktion des Zitiergebotes von geringerem Gewicht, weil dem Gesetzgeber in der Regel ohnehin bewusst ist, dass er sich im grundrechtsrelevanten Bereich bewegt. Durch eine Erstreckung des Gebots auf solche Regelungen würde es zu einer die Gesetzgebung unnötig behindernden leeren Förmlichkeit kommen. Zu diesen grundrechtsrelevanten Regelungen zählen sowohl inhalts- und schrankenbestimmende Normen im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG als auch berufsregelnde Gesetze im Sinne von Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. April 2020, a. a. O. Rn. 63 m.w.N.; ThürOVG, Beschluss vom 8. April 2020 – 3 EN 245/20 – juris Rn. 37; OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 17. April 2020, a. a. O. Rn. 16), so dass aus der unterbliebenen Benennung dieser Grundrechte in § 32 Abs. 3 IfSG bzw. § 28 Abs. 1 Satz 4 IfSG nicht geschlossen werden kann, dass sie nicht „wesentlich“ eingeschränkt werden durften (s. Beschluss des Senates vom 27. April 2020, a. a. O. Rn. 35).
Schließlich hat der Bundesgesetzgeber auch das Ausmaß der dem Verordnungsgeber erteilten Rechtsmacht bestimmt. Diese beschränkte sich auf „notwendige Schutzmaßnahmen“. Innerhalb des dem Verordnungsgeber hierdurch zuwachsenden Regelungsermessens war damit eine Normierung zulässig, soweit und solange diese zur Verhinderung der (Weiter-)Verbreitung einer übertragbaren Krankheit geboten ist und gegenüber den Betroffenen nicht unverhältnismäßig wirkt (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. März 2012, a. a. O. Rn. 24; BayVGH, Beschluss vom 4. Oktober 2021 – 20 N 20.767- juris Rn. 48).
bb) Die infektionsschutzrechtliche Generalklausel des § 28 Abs. 1 IfSG i. V. m. § 32 Satz 1 IfSG a. F. schied auch nicht deshalb als hinreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die von der Antragstellerin angegriffene Regelung der 4. SARS-CoV-2-EindV aus, weil es an einer gesetzlichen Ausgleichs- und Entschädigungsregelung zur vollständigen oder zumindest teilweisen Kompensation schwerwiegender Grundrechtseingriffe infolge infektionsschutzrechtlicher Maßnahmen, die auf der Grundlage der Generalklausel ergriffen werden, fehlte (hierzu bereits tendierend, im Ergebnis aber offen lassend Beschluss des Senates vom 8. Januar 2021 – 3 R 297/20 – juris Rn. 35 ff.).
Es kann offenbleiben, ob auf der Grundlage der Generalklausel getroffene vorübergehende Betriebsschließungen einen Eingriff in das grundrechtlich durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentumsrecht darstellen (dies ablehnend SächsOVG, Beschluss vom 10. Dezember 2021 – 3 B 421/21 – juris Rn. 65 m.w.N.; HmbOVG, Beschluss vom 20. Januar 2021 – 5 Bs 228/20 – juris Rn. 13 ff.; OVG Brem, Beschluss vom 15. April 2021 – 1 B 127/21 – juris Rn. 59). Zwar ist das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als sonstiges Recht gemäß § 823 Abs. 1 BGB anerkannt. Das Bundesverfassungsgericht hat es aber in seiner Rechtsprechung bisher offengelassen, ob diese einfachrechtlich anerkannte Position auch vom Schutzumfang des Art. 14 Abs. 1 GG erfasst wird (zuletzt BVerfG, Beschluss vom 23. März 2022 – 1 BvR 1295/21 – juris Rn. 16 m.w.N.; dagegen eine Schutzwirkung des Art. 14 Abs. 1 GG in Bezug auf das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb offenbar annehmend: BGH, Urteil vom 17. März 2022, a. a. O. Rn. 59). Jedenfalls kann der Schutz des Gewerbebetriebs nicht weiter gehen als der Schutz, den seine wirtschaftliche Grundlage genießt. Er erfasst nur den konkreten Bestand an Rechten und Gütern; bloße Umsatz- und Gewinnchancen oder tatsächliche Gegebenheiten werden hingegen auch unter dem Gesichtspunkt des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes nicht geschützt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. Juni 2020 – 1 BvR 1679/17 – juris Rn. 86; Beschlüsse des Senates vom 19. November 2020 – 3 R 234/20 – juris Rn. 64 und vom 16. Juli 2020 – 3 R 126/20 – juris Rn. 23). Sie sind vielmehr über die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG geschützt, die durch die hier in Rede stehenden Betriebsschließungen in erster Linie betroffen ist (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15. April 2020 – 13 B 440/20.NE – juris Rn. 119; OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 3. März 2021 – 11 S 22/21 – juris Rn. 43; BVerfG, Beschluss vom 11. November 2020 – 1 BvR 2530/20 – juris Rn. 11). Art. 14 Abs. 1 GG schützt und gewährleistet den Betrieb allenfalls in seiner Existenz (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Oktober 1991 – 1 BvR 314/90 – juris Rn. 2 f.). Erst bei einem existenzbedrohenden Eingriff in die Substanz eines Gewerbebetriebes wäre in Betracht zu ziehen, ob es nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen gesetzlicher Normen bedarf, die Art und Umfang eines finanziellen Ausgleichs andernfalls unverhältnismäßiger oder gleichheitswidriger Belastungen des Unternehmers näher regeln (vgl. BayVGH, Beschluss vom 23. Februar 2021 – 20 NE 21.367 – juris Rn. 13; BVerfG, Beschluss vom 2. März 1999 – 1 BvL 7/91 – juris Rn. 93 f.; zumindest daran zweifelnd, dass das Instrument der ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmungen auf infektionsschutzrechtliche Tätigkeitsbeschränkungen im Rahmen einer Pandemiebekämpfung anwendbar ist: HmbOVG, Beschluss vom 20. Januar 2021 – 5 Bs 228/20 – juris Rn. 17; BGH, Urteil vom 17. März 2022, a. a. O. Rn. 61). Insoweit sind insbesondere die Dauer der Maßnahme und die Auswirkungen auf den konkreten Betrieb zu beurteilen (vgl. BayVGH, Beschluss vom 23. Februar 2021, a. a. O.).
Im Zeitpunkt der hier streitgegenständlichen Verordnungsregelung war nicht zuletzt aufgrund der von staatlicher Seite zur Verfügung gestellten wirtschaftlichen Hilfen nicht ohne Weiteres davon auszugehen, dass die ergriffenen, fraglos schwerwiegenden Schutzmaßnahmen im Regelfall zwangsläufig die betriebliche Existenz der betroffenen Wirtschaftsteilnehmer vernichten werden. Zudem ist zu berücksichtigen, dass sich – wie ausgeführt – die Corona-Pandemie zu dieser Zeit noch in einer sehr frühen Phase befunden hat. Bis zum Beginn der Pandemie musste der Gesetzgeber auch nicht damit rechnen, dass eine Situation eintreten wird, in der sich die Exekutive gehalten sehen könnte, auf der Grundlage der bestehenden infektionsschutzrechtlichen Regelungen weitreichende Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor möglicherweise schweren Gesundheitsgefahren zu ergreifen. Es ist dementsprechend nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber bereits im Vorhinein anhand klar definierter Maßstäbe die Voraussetzungen und den Umfang eines Entschädigungsanspruchs wegen mit solchen Schutzmaßnahmen möglicherweise einhergehender substanzieller Eigentumsbeeinträchtigungen hätte festlegen können. Unmöglich kann der Gesetzgeber des Infektionsschutzgesetzes in der Vorausschau auf nicht erkennbare hypothetische Seuchenereignisse die jeweils angemessene Entschädigung für die jeweilige unzumutbare Maßnahme planen und in eine Entschädigungsregelung fassen, zumal eine unkalkulierbare, die öffentlichen Haushalte potenziell überfordernde Geldleistungsverpflichtung grundrechtlich nicht geboten sein kann (so BGH, Urteil vom 17. März 2022, a. a. O. Rn. 61). Eine andere Frage ist demgegenüber, ob und ab welchem Zeitpunkt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz den Gesetzgeber wegen der Bedeutung des Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG, dessen Schutzbereichseröffnung einmal unterstellt, zur Nachbesserung verpflichtet, rechtliche Regelungen für eine existenzsichernde, nicht im freien staatlichen Belieben stehende Entschädigungsgewährung zu schaffen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. April 1981 – 1 BvL 11/78 – juris Rn. 28). Diese Frage ist für die hier in Rede stehenden Schließungen der Gastronomie aus den genannten Gründen jedoch ohne rechtliche Relevanz.
cc) Durfte der Verordnungsgeber die streitgegenständliche Regelung somit auf die infektionsschutzrechtliche Generalklausel des § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 IfSG a. F. stützen, verfängt der Einwand der Antragstellerin nicht, Schutzmaßnahmen wie die (vorübergehende) Schließung von gastronomischen Einrichtungen hätten allenfalls auf der Grundlage der Regelungen des Katastrophenschutzgesetzes (KatSG-LSA) ergriffen werden können. Es ist bereits nicht ersichtlich, dass und weshalb die Regelungen des IfSG a. F., auf welche sich die 4. SARS-CoV-2-EindV stützt, durch die Bestimmungen des KatSG-LSA, bei dem es sich um ein Landesgesetz handelt, im Fall einer Pandemie verdrängt sein sollen. Nach § 1 Abs. 2 KatSG-LSA ist Katastrophenfall im Sinne dieses Gesetzes ein Notstand, bei dem Leben, Gesundheit oder die lebenswichtige Versorgung einer Vielzahl von Personen oder erhebliche Sachwerte gefährdet oder wesentlich beeinträchtigt werden und zu dessen Abwehr oder Eindämmung der koordinierte Einsatz der verfügbaren Kräfte und Mittel unter einer gemeinsamen Gesamtleitung erforderlich ist. Es liegt nicht auf der Hand, dass ein WHO-Pandemiealarm pauschal mit einem Katastrophenfall i. S. d. KatSG-LSA gleichzusetzen ist. Vielmehr ist die Anwendung des Katastrophennotstandsrechts auf der Grundlage des KatSG-LSA erst dann in Betracht zu ziehen, wenn die Auswirkungen einer Pandemie die Schwelle zu einer Katastrophe im Rechtssinne überschreiten, weil massenhafte Erkrankungen die Gesundheitsbehörden überfordern oder der pandemiebedingte Personalausfall die Infrastruktur gefährdet (vgl. Walus, DÖV 2010, 127, 130) und die Überwindung oder Eindämmung derartiger Zustände eine Bündelung der vorhandenen Kräfte und des verfügbaren Materials in einer bereichsübergreifenden Gesamtleitung erforderlich macht. Mit den in der 4. SARS-CoV-2-EindV vorgesehenen Maßnahmen sollte der Eintritt einer solchen Lage – gewissermaßen als vorgestufte Maßnahmen – gerade verhindert werden.
b) Die angegriffene Vorschrift des § 6 Abs. 1 der 4. SARS-CoV-2-EindV hielt sich im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage des § 32 Satz 1 IfSG i. V. m. § 28 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 IfSG a. F.
aa) Die Anordnung von Maßnahmen im infektionsschutzrechtlichen Sinn setzt voraus, dass Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war. Dies war nach der zum Zeitpunkt des Verordnungserlasses aktuellen Einschätzung des vom Gesetzgeber durch § 4 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 IfSG hierzu vorrangig berufenen Robert-Koch-Instituts im Hinblick auf Infektionsfälle mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 bundesweit und damit auch im Land Sachsen-Anhalt der Fall (vgl. den Täglichen Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 vom 16. April 2020, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/2020-04-16-de.pdf?__blob=publicationFile; aufgerufen am 27. Juni 2022). Folglich waren die notwendigen Schutzmaßnahmen zu treffen, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Die Befugnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG a. F. stand damit – wie dargestellt – sowohl inhaltlich („soweit“) als auch zeitlich („solange“) unter einem strengen Verhältnismäßigkeitsvorbehalt, an den der Verordnungsgeber gebunden war.
Zu den von der Verordnungsermächtigung nach § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 IfSG a. F. umfassten Maßnahmen, die eine Verbreitung einer übertragbaren Krankheit verhindern sollten und damit der Bekämpfung der Krankheit dienten, gehörten auch solche, die einen notwendigen Zwischenschritt zur Verhinderung der Verbreitung darstellten (vgl. hierzu die Gesetzesbegründung zur Vorgängerregelung in § 34 BSeuchG: Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Seuchengesetzes, BT-Drs. 8/2468, S. 27, in welcher die Verhinderung der Weiterverbreitung explizit als ein Element der Bekämpfung der Krankheit angesehen wird). Somit ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch der Zweck, die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Coronavirus SARS-CoV-2 zu verringern und damit in der Folge Neuinfektionen mit dem Virus und Neuerkrankungen an COVID-19 zu reduzieren und zugleich eine Überlastung des Gesundheitswesens zu verhindern, von der Verordnungsermächtigung nach § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 IfSG a. F. umfasst worden (vgl. ThürVerfGH, Urteil vom 1. März 2021, a. a. O. Rn. 424; OVG MV, Beschluss vom 9. April 2020 – 2 KM 293/20 OVG – juris Rn. 30). Die in der 4. SARS-CoV-2-EindV angeordneten Maßnahmen hatten nach der Begründung des Verordnungsgebers das Ziel, besonders vulnerable Personengruppen vor einer Ansteckung zu schützen und die Ansteckung einer größeren Anzahl von Menschen wenigstens zu verzögern (vgl. S. 2 der Verordnungsbegründung, abrufbar auf der Internetseite https://ms.sachsen-anhalt.de/themen/gesundheit/aktuell/coronavirus/verordnungen-erlasse-und-empfehlungen/; aufgerufen am 27. Juni 2022).
bb) Der Verordnungsgeber ist mit seiner Regelung zur Schließung von Gaststätten auch auf der Rechtsfolgenseite dem ihm zustehenden Verordnungsermessen gerecht geworden.
(1) Die Maßnahme war im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG a. F. geeignet, die Verbreitung übertragbarer Krankheiten wie den Coronavirus SARS-CoV-2 zu verhindern.
Die Regelungen der 4. SARS-CoV-2-EindV bezweckten zuvorderst die fortgesetzte Eindämmung weiterer Ansteckungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 und damit den Erhalt der Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens und insbesondere der Krankenhäuser zur Behandlung schwer und schwerstkranker Menschen und damit den Schutz von Leben und Gesundheit (im Einzelnen: vgl. Begründung der 4. SARS-CoV-2-EindV, a. a. O.). Die Epidemie war trotz der Verlangsamung der Infektionsketten nicht bewältigt, sondern dauerte weiter an. Es war daher weiterhin wichtig, soziale Kontakte mit dem Ziel der Vermeidung von Infektionen im privaten, beruflichen und öffentlichen Bereich zu beschränken, um die Ausbreitung des sich besonders leicht von Mensch zu Mensch zu übertragenden Coronavirus zu verlangsamen (vgl. S. 8 f. des Täglichen Lageberichts des RKI vom 16. April 2020, a. a. O.; hierauf auch abstellend BVerfG, Beschluss vom 10. April 2020 – 1 BvQ 28/20 – juris Rn. 13 f.; OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 17. April 2020, a. a. O. Rn. 18).
Hat der Verordnungsgeber – wie hier mit der durch zahlreiche Unsicherheiten geprägten epidemischen Lage – eine komplexe Gefährdungslage für die Allgemeinheit zu beurteilen, kommt ihm bei der Festlegung der von ihm ins Auge gefassten Regelungsziele und der Beurteilung dessen, was er zur Verwirklichung der Ziele für geeignet, erforderlich und angemessen halten darf, ein weiter – gerichtlich nur begrenzt überprüfbarer – Einschätzungs- und Prognosespielraum zu (vgl. BVerfG, Urteil vom 16. März 2004 – 1 BvR 1778/01 – juris Rn. 66; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 – 1 BvR 781/21 u. a. – juris Rn. 171, 185 ff., 204 f., 217). Dieser Spielraum ist erst dann überschritten, wenn die Erwägungen des Verordnungsgebers so offensichtlich fehlsam sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für die angegriffenen Maßnahmen sein können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. September 2010 – 1 BvR 1789/10 – juris Rn. 18). Sind wegen Unwägbarkeiten der wissenschaftlichen Erkenntnislage die Möglichkeiten begrenzt, sich ein hinreichend sicheres Bild zu machen, genügt es, wenn sich der Verordnungsgeber an einer sachgerechten und vertretbaren Beurteilung der ihm verfügbaren Informationen und Erkenntnismöglichkeiten orientiert (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021, a. a. O. Rn. 171). Erweist sich eine Prognose nachträglich als unrichtig, stellt dies jedenfalls die ursprüngliche Eignung der Regelung nicht in Frage. Die Eignung setzt also nicht voraus, dass es zweifelsfreie empirische Nachweise der Wirkung oder Wirksamkeit der Maßnahmen gibt. Allerdings kann eine zunächst verfassungskonforme Regelung später mit Wirkung für die Zukunft verfassungswidrig werden, wenn ursprüngliche Annahmen des Verordnungsgebers nicht mehr tragen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021, a. a. O. Rn. 186).
In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Infektionsschutzrecht der im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht geltende Grundsatz heranzuziehen ist, nach welchem an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. März 2012, a. a. O. Rn. 32). Dies rechtfertigt die Überlegung, dass die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit im Falle eines besonders schweren Schadens entsprechend zurückgenommen werden können. Dies gilt auch im Fall des Coronavirus SARS-CoV-2, weil die durch das Virus hervorgerufene Infektion eine schwere Lungenentzündung auslösen kann, die zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt des Verordnungserlasses nicht zuletzt mangels vorhandener wirksamer Medikamente zur Bekämpfung der Infektion in nicht wenigen Fällen auch bei intensivmedizinischer Betreuung zum Tod geführt hat (vgl. OVG MV, Beschluss vom 9. April 2020 – 2 KM 293/20 OVG – juris Rn. 35 f.).
Ausweislich der Verordnungsbegründung diente auch die Schließung von Gaststätten der Eindämmung einer weiteren Ausbreitung des Virus. Mit dieser plausiblen Erwägung hielt sich der Verordnungsgeber im Rahmen des ihm eingeräumten Einschätzungsspielraums. Denn nach den im maßgeblichen Zeitpunkt des Verordnungserlasses wissenschaftlichen Erkenntnissen erfolgte die Übertragung des Virus überwiegend durch Tröpfchen-Infektion zwischen Menschen und über in der Luft befindliche infektiöse Partikel, sog. Aerosole (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021, a. a. O. Rn. 193 f.). Dazu kommt es insbesondere bei körperlicher Nähe von Menschen im privaten und beruflichen Umfeld unabhängig von direktem Körperkontakt. Die Schließung von Gastronomieeinrichtungen begrenzte in nicht nur unerheblichem Maße solche physischen Kontaktmöglichkeiten. Der Zweck solcher Einrichtungen besteht in der Darreichung von Getränken (Schankwirtschaft) und/oder von vor Ort zubereiteten Speisen (Speisewirtschaft) zum Verzehr an Ort und Stelle (vgl. § 1 Abs. 1 GastG LSA). Dabei geht es häufig nicht ausschließlich um den reinen Verzehr. Vielmehr kommen in Gastronomiebetrieben Menschen häufig zusammen, um in „geselliger Runde“ Speisen und Getränke zu sich zu nehmen, sich hierbei also auch kommunikativ auszutauschen. Die Antragstellerin führt diesen Zweck selbst als für ihre Gastronomieeinrichtung(en) wesentlich an. Gerade in Anbetracht dieser sozialen Bedeutung von Gaststätten war die vorübergehende Schließung dieser Einrichtungen nicht unwesentlich für die vom Verordnungsgeber bezweckte Verhinderung weiterer Infektionsketten. Die Schließung von Gaststätten war insoweit eine spezifische Form der Kontaktbeschränkungen (so BVerfG, Beschluss vom 23. März 2022 – 1 BvR 1295/21 – juris Rn. 22).
Ohne Erfolg sucht die Antragstellerin die Eignung der hier in Rede stehenden Schutzmaßnahmen des Verordnungsgebers zur Erreichung des mit ihnen verfolgten Zwecks mit der Begründung in Abrede zu stellen, der zur damaligen Zeit von der Bundesregierung angestrebte Reproduktionsfaktor von unter 1,0 habe bereits vor dem „Lockdown“ vorgelegen. Belastbare wissenschaftliche, insbesondere epidemiologische Erkenntnisse dafür, dass ohne jegliche Einschränkungen des öffentlichen Lebens keine weitere bzw. erneute exponentielle Ausbreitung des als hoch infektiös eingestuften Virus stattgefunden hätte, lagen im maßgeblichen Zeitpunkt des Verordnungserlasses nicht vor und werden von der Antragstellerin auch nicht substantiiert dargetan. Vielmehr war es ebenso wenig ausgeschlossen, dass sich der Reproduktionsfaktor vor den ergriffenen weitreichenden Schutzmaßnahmen auf das von der Antragstellerin angesprochene Niveau abgesenkt hat, weil sich weite Teile der Bevölkerung angesichts der medialen Berichterstattung über die rapide steigenden Infektions- und Todeszahlen in anderen europäischen Ländern wie Italien, Spanien und Frankreich bereits von sich aus vorsichtig, insbesondere Kontakte vermeidend, verhalten haben. Außerdem haben schon einige Zeit vor dem „Lockdown“ keine bzw. kaum noch Veranstaltungen mit größeren Teilnehmerzahlen stattgefunden. Auch dies dürfte bereits entscheidend zu einem Absinken des Reproduktionsfaktors geführt haben. Jedenfalls ist es vor dem Hintergrund der im April 2020 unsicheren Erkenntnislage sowie der nicht zuletzt fehlenden gesicherten und belastbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den Eigenarten des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 und dessen Verbreitungswegen nicht als offensichtliche Fehleinschätzung des Verordnungsgebers anzusehen, dass er weitreichende Schutzmaßnahmen wie in der 4. SARS-CoV-2-EindV und deren Vorgängerverordnungen als geeignet angesehen hat, die Ausbreitung des Virus einzudämmen.
(2) Die von der Antragstellerin angegriffene Regelung war auch erforderlich.
Aufgrund der fehlenden spezifischen Medikamente und mangels vorhandener Impfstoffe bestand aus der insoweit maßgeblichen damaligen nachvollziehbaren Einschätzung des Verordnungsgebers die Gefahr, dass uneingeschränkte Kontaktmöglichkeiten – wie z. B. durch die Gestattung der Öffnung von Gastronomieeinrichtungen – zu einer Steigerung des Ansteckungsgeschehens führen und das Gesundheitswesen und der öffentliche Gesundheitsdienst überlastet werden (vgl. Begründung der 4. SARS-CoV-2-EindV, a. a. O.). Die Vermeidung körperlicher Nähe zwischen Menschen und die Einhaltung bestimmter Hygieneregeln war nach dem damaligen – und auch gegenwärtigen – Wissenstand die gebotene Methode, die Verbreitung des Virus zu verlangsamen oder gar zu hemmen. Dazu gehörte die Begrenzung der Bewegungsfreiheit und der Kontaktmöglichkeiten der Menschen untereinander. Andere Methoden, wie z. B. eine Impfung, standen seinerzeit nicht zur Verfügung. Ob sämtliche Beschränkungen kumulativ erforderlich waren, unterlag der Einschätzungsprärogative des Verordnungsgebers (vgl. OVG MV Beschluss vom 9. April 2020, a.a.O. Rn. 32; s.a. SaarlOVG, Beschluss vom 22. April 2020 – 2 B 128/20 – juris Rn. 24).
Mit ihrem Einwand, das Influenzavirus und die Grippe seien demgegenüber gefährlicher für den Menschen, lässt die Antragstellerin außer Acht, dass gegen die Influenza bereits seit langem Impfstoffe und Medikamente zur Verfügung standen, gegen das neuartige Coronavirus im maßgeblichen Zeitpunkt des Verordnungserlasses hingegen noch nicht. Impfungen können weite Teile der Bevölkerung auch noch zu einem Zeitpunkt schützen, in dem eine Epidemie bereits ausgebrochen ist. Davon abgesehen war bei vernünftiger Betrachtung der globalen Entwicklung des pandemischen Geschehens im Frühjahr 2020 – nicht zuletzt aufgrund fehlender Instrumente der Prävention, Linderung oder gar Heilung sowie mangelnder umfassender Kenntnisse über das tatsächliche Risiko und die Langzeitfolgen einer Erkrankung an COVID-19 – die Situation mit anderen viralen Erkrankungen nicht gleichzusetzen (ThürVerfGH, Urteil vom 1. März 2021, a. a. O. Rn. 436). Kennzeichnend für das Coronavirus SARS-CoV-2 war und ist dessen außergewöhnlich hohe Infektiosität, seine rasante pandemische Ausbreitung und die von ihm jedenfalls in der damaligen Variante hervorgerufene hohe Zahl an schwerwiegenden Krankheitsverläufen mit einer beachtlichen Hospitalisierungsrate (vgl. HessVGH, Beschluss vom 14. April 2020 – 2 B 985/20 – juris Rn. 43).
Im Übrigen ist es rechtlich unerheblich, ob es auch andere Gefahren gibt, welche die Gesundheit und das Leben der Bevölkerung nachhaltig bedrohen, jedoch zu weniger belastenden staatlichen Maßnahmen führen oder in der Vergangenheit geführt haben. Bereits aus tatsächlichen Gründen kann der Staat seine Schutzpflichten nicht auf die Abwehr aller nur denkbaren gesundheitlichen Gefahren erstrecken. So unterliegt es ebenfalls der grundsätzlichen Einschätzungsprärogative der dafür von Verfassungs wegen verantwortlichen staatlichen Organe, welche Bedrohung von einem so hohen Gewicht ist, dass sie besondere Maßnahmen erfordert (SaarlVerfGH, Beschluss vom 28. August 2020 – Lv 15/20 – juris Rn. 52 f.; ThürVerfGH, Urteil vom 1. März 2021, a. a. O. Rn. 436).
Der Verordnungsgeber hat sich innerhalb des ihm eingeräumten Spielraums bewegt, indem er nur schrittweise die vormaligen Beschränkungen der 3. SARS-CoV-2-EindV gelockert bzw. nach und nach aufgelöst hat. Es ist aus der maßgeblichen Sicht ex ante nachvollziehbar, dass jedes überschießende Handeln die konkrete Gefahr beinhalten konnte, dass die erreichte Verlangsamung der Ausweitung der Pandemie verlustig geht und erneut Schutzmaßnahmen zu ergreifen sind, die das Niveau der eingriffsintensiveren 3. SARS-CoV-2-EindV erreichen oder gar übersteigen. Um den messbar erzielten – an Hand nur zeitversetzter Daten nachvollziehbaren – Erfolg nicht zunichte zu machen, war ein vorsichtiges Handeln und herantastendes Verhalten des Verordnungsgebers bei der Lockerung der Beschränkungen – in der vorliegenden Art und Weise – zumindest plausibel. Hiervon ging auch die Bundesregierung in ihrer beratenden Funktion aus. In der Telefonschaltkonferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 15. April 2020 wurde der Beschluss gefasst, dass i n k l e i n e n S c h r i t t e n daran gearbeitet werden solle, das öffentliche Leben wieder zu beginnen, den Bürgerinnen und Bürgern wieder mehr Freizügigkeit zu ermöglichen und gestörte Wertschöpfungsketten wiederherzustellen. Dies müsse jedoch gut vorbereitet werden und in jedem Einzelfall durch Schutzmaßnahmen so begleitet werden, dass das Entstehen neuer Infektionsketten bestmöglich vermieden werde. Der Maßstab bleibe dabei, dass die Infektionsdynamik so moderat bleiben müsse, dass unser Gesundheitswesen jedem Infizierten die bestmögliche Behandlung ermöglichen könne und die Zahl der schweren und tödlichen Verläufe minimiert werde (vgl. https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/coronavirus/bund-laender-beschluss-1744224; aufgerufen am 27. Juni 2022). Hierdurch sollte nachvollziehbar beobachtet werden können, inwieweit die schrittweise Lockerung der strengen Kontaktverbote bzw. Schließungsanordnungen zu einem Rückfall und einer neuerlichen schnellen Ausbreitung des Virus führt bzw. das staatliche Handeln der epidemischen Lage gerecht wird.
Dass trotz der weiterhin bestehenden Pandemielage die auch schon vormals nach der 3. SARS-CoV-2-EindV geltenden Beschränkungen für Gaststätten vollständig mit Ablauf des 19. April 2020 hätten entfallen können, ist nicht ersichtlich. Dem Verordnungsgeber war bei einer epidemischen Lage zum damaligen Zeitpunkt der Entwicklung eine Einschätzungsprärogative im Hinblick auf das gewählte Mittel einzuräumen, soweit und solange sich nicht andere Maßnahmen eindeutig als gleich geeignet und weniger belastend darstellten. Eine derartige eindeutige Feststellung konnte hier jedoch nicht getroffen werden. Insbesondere erscheint es nicht als offensichtlich fehlsam, dass der Verordnungsgeber eine Öffnung von Gaststätten unter strengen Abstands- und Hygienemaßnahmen als kein milderes und ebenso geeignetes Mittel angesehen hat. Zwar hätte hierdurch eine unkontrollierte Interaktion unter Gästen verhindert und der empfohlene Mindestabstand zwischen Servicepersonal und Gästen eingehalten und damit die Ansteckungsgefahr innerhalb der Gastronomieeinrichtung minimiert werden können. Es besteht aber die Besonderheit, dass z. B. gerade die als für den Infektionsschutz wirksam anerkannte Maßnahme des Tragens von Mund-Nase-Bedeckungen in gastronomischen Betrieben nicht durchgängig befolgt werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. März 2022, a. a. O. Rn. 23). Außerdem lässt die Betrachtung unberücksichtigt, dass eine Öffnung von Gastronomieeinrichtungen zusätzlich zu den teilweise bereits wieder geöffneten Einzelhandelsgeschäften zwangsläufig ein deutlich höheres Bevölkerungsaufkommen in den betreffenden räumlichen Bereichen zur Folge gehabt hätte und nicht zuletzt die zeitliche Verweildauer der Besucherströme in diesen Bereichen gestiegen wäre, was es nach der Beurteilung des Verordnungsgebers noch zu verhindern galt. Es ist bei der gebotenen ex-ante-Betrachtung nicht zu beanstanden, dass der Verordnungsgeber eine Lockerung in sämtlichen Bereichen des öffentlichen Lebens noch nicht als vertretbar angesehen hat, weil er daran ein erhebliches Risiko anschwellender Infektionszahlen gegenüber dem Schutz von Leben und Gesundheit geknüpft hat. Für eine Verletzung des dem Verordnungsgeber eingeräumten Einschätzungsspielraums ist danach nichts ersichtlich, zumal der notwendigen Risikoeinschätzung ein vielschichtiges Spannungsverhältnis unterschiedlicher Grundrechtspositionen zugrunde lag, die in einen angemessenen Ausgleich zu bringen waren. Dies bedeutet gerade nicht, dass der Berufsausübungsfreiheit in jedem Fall Vorrang bei Lockerungsmaßnahmen einzuräumen war.
(3) Die von der Antragstellerin beanstandete Regelung der 4. SARS-CoV-2-EindV lag auch in einem angemessenen Verhältnis zu deren Schutzzweck. Sie war also verhältnismäßig im engeren Sinne.
Zwar musste die Antragstellerin neben einer Vielzahl anderer Gastronomiebetriebe einen empfindlichen Eingriff in ihre Berufsausübung und massive Einkommenseinbußen mit der Gefahr existentieller Folgen hinnehmen. Es wurde jedoch durch eine Reihe von flankierenden staatlichen Maßnahmen versucht, diese Eingriffe und Folgen aufzufangen, wenn möglich zu vermeiden bzw. zu kompensieren (vgl. zu dieser Erwägung OVG MV, Beschluss vom 9. April 2020 – 2 KM 267/20 OVG – juris Rn. 34). Dieses private, vorwiegend wirtschaftliche Interesse der Betroffenen einschließlich der Antragstellerin bleibt jedoch hinter dem öffentlichen Interesse an Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit der Bevölkerung zurück. Denn der Gesundheitsschutz, insbesondere die Verlangsamung der Ausbreitung der hoch infektiösen Viruserkrankung zwecks Gewährleistung ausreichender Kapazitäten des Gesundheitssystems zur Behandlung der schwer Erkrankten, rechtfertigte in der damaligen epidemischen Lage auch einschneidende Maßnahmen. Die Verbreitung des Coronavirus war nach der jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt nicht offensichtlich fehlsamen Einschätzung des Verordnungsgebers ohne drastische staatliche Maßnahmen nicht aufzuhalten und hätte in diesem Fall möglicherweise binnen weniger Monate zum Kollaps des staatlichen Gesundheitssystems geführt, wie es beispielsweise in anderen europäischen Staaten sowie teilweise in den USA bereits der Fall gewesen zu sein schien (zum Ganzen: vgl. OVG Brem, Beschluss vom 9. April 2020, a. a. O. Rn. 50). Bei der streitgegenständlichen Schließung der Gaststätten handelte es sich demgegenüber um eine auf einen überschaubaren Zeitraum – nämlich bis zu 3. Mai 2020 (vgl. § 24 Abs. 2 der 4.SARS-CoV-2-EindV) – befristete Regelung.
(4) Der Verordnungsgeber ist auch in zeitlicher Hinsicht den Anforderungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG („solange“) gerecht geworden, indem er durch ständige Beobachtung der epidemischen Lage seine Risikoeinschätzungen entsprechend angepasst (vgl. S. 2 der Verordnungsbegründung, a. a. O.), mithin überprüft hat, ob die mit dieser Verordnung verbundenen Grundrechtsbeschränkungen – unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten – weiter Bestand haben durften. Auch angesichts der hier streitbefangenen Verordnung, die bereits eine Vielzahl von Lockerungen gegenüber der Vorgängerregelung vorsah, stand nicht zu befürchten, dass die Risikoeinschätzung des Verordnungsgebers nicht fortlaufend – sowohl bei Verbesserung als auch bei Verschlechterung der epidemischen Lage – angepasst wird, mithin zum frühestmöglichen Zeitpunkt notwendige Anpassungen erfolgen. In der Pressekonferenz am 28. April 2020 hatte der Ministerpräsident bereits weitere Lockerungen angekündigt (vgl. https://www.mz-web.de/sachsen-anhalt/kitas–friseure–kontaktbeschraenkung-das-plant-sachsen-anhalt-ab-dem-4–mai-36615306; aufgerufen am 27. Juni 2022).
cc) Die streitgegenständliche Regelung war auch nicht mit Blick auf den allgemeinen Gleichheitssatz rechtsunwirksam.
Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Februar 2012 – 1 BvL 14/07 – juris Rn. 40; Beschluss vom 15. Juli 1998 – 1 BvR 1554/89 u. a. – juris Rn. 63). Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. Februar 2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09 – juris Rn. 72 m.w.N.). Dieser Maßstab gilt für die normsetzende Exekutive entsprechend, wenn auch der dem Verordnungsgeber zukommende Gestaltungsspielraum enger ist, weil nur in dem von der gesetzlichen Ermächtigungsnorm abgesteckten Rahmen gegeben (Art. 80 Abs. 1 GG). In diesem Rahmen muss er nach dem Gleichheitssatz im wohlverstandenen Sinn der ihm erteilten Ermächtigung handeln und hat sich von sachfremden Erwägungen freizuhalten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 1985 – 2 BvL 17/83 – juris Rn. 39 m.w.N.).
Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen reichen die Grenzen für die Normsetzung vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse. Insoweit gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 2012 – 1 BvL 16/11 – juris Rn. 30 m.w.N.; Beschluss vom 21. Juni 2011 – 1 BvR 2035/07 – juris Rn. 65 m.w.N.). Für Rechtsbereiche der Gefahrenabwehr, wie das Infektionsschutzrecht, ist zu berücksichtigen, dass die Verwaltung ihre Entscheidungen hier oftmals – wie in der vorliegenden Pandemie – unter Zeitdruck und unter Bedingungen einer sich ständig verändernden Lage zu treffen hat. Hiernach sind die sich aus dem Gleichheitssatz ergebenden Grenzen weniger streng (vgl. OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 17. April 2020 – OVG 11 S 22/20 – juris Rn. 25). Auch kann die strikte Beachtung des Gebots innerer Folgerichtigkeit nicht eingefordert werden (vgl. OVG Brem, Beschluss vom 4. Januar 2022 – 1 B 479/21 juris Rn. 54; HmbOVG, Beschluss vom 26. März 2020 – 5 Bs 48/20 – juris Rn. 13; ThürOVG, Beschluss vom 25. Februar 2021, a. a. O. Rn. 142; NdsOVG, Beschluss vom 11. März 2021, a. a. O. Rn. 65). Zudem ist die sachliche Rechtfertigung nicht allein anhand des infektionsschutzrechtlichen Gefahrengrades der betroffenen Tätigkeit zu beurteilen. Vielmehr sind auch alle sonstigen relevanten Belange zu berücksichtigen, etwa auch öffentliche Interessen an der uneingeschränkten Aufrechterhaltung bestimmter unternehmerischer Tätigkeiten (vgl. OVG Brem, Urteil vom 23. März 2022 – 1 D 349/20 – a. a. O. Rn. 91).
Hiervon ausgehend bewegte sich der Verordnungsgeber nach der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich innerhalb des ihm eingeräumten Spielraums, indem er nur schrittweise die vormaligen Beschränkungen der früheren Verordnungen gelockert bzw. nach und nach aufgelöst hat. Dem Verordnungsgeber war es bei der Entscheidung, welche Betriebe und Einrichtungen wieder geöffnet werden dürfen, auch gestattet, an typisierende, pauschalierende Merkmale anzuknüpfen. Dabei waren Ungleichbehandlungen grundsätzlich zulässig und unvermeidbar (so auch NdsOVG, Beschluss vom 11. März 2021, a. a. O. Rn. 70). Sie mussten jedoch von sachlichen Gründen getragen sein (vgl. etwa Beschluss des Senates vom 8. Mai 2020 – 3 R 77/20 – juris Rn. 40; Beschluss des Senates vom 16. Juni 2020 – 3 R 90/20 – juris Rn. 5).
Dies zugrunde gelegt ist nicht deshalb ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG anzunehmen, weil – was die Antragstellerin einwendet – Betriebskantinen anders als gastronomische Einrichtungen wie die der Antragstellerin weiter öffnen durften. Der Verordnungsgeber hat sich insoweit von der Erwägung leiten lassen, dass Kantinen, die allein für die Belegschaft zugänglich sind, gerade in Unternehmen der chemischen Industrie oftmals als Pausen- und Sozialräume dienten und der Verzehr von Speisen am Arbeitsplatz aus Gesundheitsschutzgründen nicht zulässig sei (vgl. S. 9 der Begründung der 4. SARS-CoV-2-EindV, a. a. O.). Hierin liegt ein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung von anderen gastronomischen Einrichtungen, die nach der angegriffenen Regelung nicht – für den Publikumsverkehr – öffnen durften. Es ist ausgehend von der Einschätzungsprärogative des Verordnungsgebers unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten rechtlich nicht zu erinnern, wenn sich der Verordnungsgeber dafür entschieden hat, das Wirtschaftsleben weitgehend aufrechtzuerhalten, wozu auch die Sicherstellung einer Versorgung der Arbeitnehmer gehörte, um die Folgen der Epidemie auf die Volkswirtschaft möglichst gering zu halten. Diese Erwägung hat es auch gerechtfertigt, dass der Verordnungsgeber Gefahrenquellen, die mit der Fortführung des Arbeitslebens verbunden sind, in einem gewissen Umfang in Kauf genommen und andere Lebensbereiche zum Zweck des Gesundheitsschutzes vordringlich geschlossen bzw. eingeschränkt hat (vgl. Beschluss des Senates vom 10. November 2020 – 3 R 223/20 – juris Rn. 68 ff.).
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
III. Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt (ebenso in Bezug auf den hier maßgeblichen Zeitraum im April und Mai 2020 OVG Brem, Urteil vom 19. April 2020, a. a. O. Rn. 102).
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
Gründe:
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 40, 52 Abs. 2 GKG. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte bemisst der Senat die sich aus dem Antrag für die Antragstellerin ergebende (wirtschaftliche) Bedeutung der Sache mit dem sog. Auffangstreitwert.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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