Arbeitsrecht

Kein Aufschub der Zahlung der Übergangsgebührnisse bei fehlendem Eingliederungsvorhaben

Aktenzeichen  M 21 K 15.5039

Datum:
27.6.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 114 S. 1, § 121
SVG SVG § 11 Abs. 6 S. 2

 

Leitsatz

1 Hat das Verwaltungsgericht die Behörde bereits im vorausgehenden Verfahren zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verpflichtet, steht mit der Bindungswirkung dieses rechtskräftigen Urteils fest, dass die Tatbestandsvoraussetzungen der Norm vorliegen. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2 Fehlt es völlig an einem Wiedereingliederungsvorhaben, kann eine Aufschiebung von Übergangsgebührnissen (§ 11 Abs. 6 S. 2 SVG) in der Regel ermessensfehlerfrei abgelehnt  werden, ohne dass es einer einzelfallbezogenen Würdigung der Umstände in der Sphäre des Zeitsoldaten bedarf. (Rn. 31 und 38) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über die Klage wird mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Gegenstand der Klage ist nach Maßgabe gemäß § 88 VwGO gebotenen Auslegung neben der Aufhebung der angefochtenen Bescheide im Hauptantrag die Verpflichtung der Beklagten, die Übergangsgebührnisse entsprechend dem Antrag vom 7. März 2012 bis 1. April 2014 aufzuschieben und (zusätzlich) dem Kläger die Übergangsgebührnisse, beginnend ab dem 1. April 2014, auszuzahlen. Dem Kläger geht es um die ungekürzte Auszahlung der Übergangsgebührnisse ab 1. April 2014. Hierfür ist zunächst eine Verpflichtung der Beklagten zur Aufschiebung der Übergangsgebührnisse erforderlich, eine Leistungsklage in analoger Anwendung von § 113 Abs. 4 VwGO knüpft zwingend an die Vornahme der begehrten Verpflichtung an.
Die mit diesem Inhalt zulässige Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Bescheid vom 13. Oktober 2014 und der Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 2015 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf die beantragte Aufschiebung der Zahlung der Übergangsgebührnisse (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO) und eine daran anknüpfende Auszahlung ungekürzter Übergangsgebührnisse ab 1. April 2014 noch nach Maßgabe des Hilfsantrags auf erneute Entscheidung über seiner Anträge vom 7. März 2012 und 1. April 2014 (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO), da mit den angefochtenen Bescheiden der Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung nach Maßgabe des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 17. März 2014 bereits erfüllt ist.
Nach § 11 Abs. 6 Satz 2 Soldatenversorgungsgesetz (SVG) in der bis 22. Mai 2015 geltenden Fassung des Bundeswehrreform-Begleitgesetzes vom 21. Juli 2012 (BGBl. 2012 I S. 1583 ff.), die nach der Übergangsregelung in § 102 Abs. 1 Satz 4 SVG auch für Soldaten anzuwenden ist, die vor dem Inkrafttreten des Bundeswehrreform-Begleitgesetzes in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen worden sind, kann die Zahlung von Übergangsgebührnissen nach § 11 Abs. 1 SVG auf Antrag längstens für sechs Jahre aufgeschoben oder unterbrochen werden, wenn dadurch Nachteile für die Umsetzung eines Förderungsplans oder für die Eingliederung vermieden werden können.
§ 11 Abs. 6 Satz 2 SVG 2012 räumt als Kann-Regelung nicht nur eine Entscheidungsbefugnis ein, von der bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen Gebrauch zu machen wäre, sondern begründet eine Ermessensentscheidung auf der Rechtsfolgenseite.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die zu treffende Ermessensentscheidung liegen vor. Das ergibt sich nach Maßgabe von § 121 VwGO bereits aus der Bindungswirkung des rechtskräftigen Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 17. März 2014. Über den Streitgegenstand entschieden im Sinne dieser Regelung ist dabei allein durch den Entscheidungssatz bzw. den Subsumtionsschluss, den das Gericht aus der Anwendung der maßgeblichen Rechtssätze auf den festgestellten Sachverhalt gewinnt (vgl. Clausing in Schoch/Schneider/Bier/Clausing, VwGO, Stand Oktober 2016, § 121 Rn. 45 m.w.N.). Bei einem Bescheidungsurteil führt der Subsumtionsschluss des Gerichts mangels Spruchreife nicht zur Bejahung des Anspruchs auf Erlass eines bestimmten Verwaltungsakts, sondern er beinhaltet nur den Anspruch auf Neubescheidung. Die Direktiven, die der Behörde für das weitere Verfahren vorzugeben sind, sind dabei aber nicht lediglich Begründung, sondern Teil des auf Eingrenzung der behördlichen Entscheidungsalternativen zielenden Entscheidungssatzes selbst. Deshalb nehmen sie entsprechend den allgemeinen Grundsätzen an der Rechtskraftwirkung des Urteils teil (vgl. Clausing in Schoch/Schneider/Bier/Clausing, VwGO a.a.O., § 121 Rn. 53 m.w.N.).
Entsprechend diesen Grundsätzen steht aufgrund des Urteils vom 17. März 2014 fest, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung nach § 11 Abs. 6 Satz 2 SVG vorliegen, die Beklagte über den Antrag des Klägers vom 7. März 2012 eine Ermessensentscheidung zu treffen hatte und diese nicht getroffen hat.
Die Beklagte hat die geforderte Ermessensentscheidung in den angefochtenen Bescheiden getroffen und ihr Ermessen rechtskonform ausgeübt. Bei der Überprüfung einer Ermessensentscheidung beschränkt sich die gerichtliche Prüfung gemäß § 114 Satz 1 VwGO darauf, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind, von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist oder die Behörde verkannt hat, dass ihr ein Ermessen zusteht.
Entsprechend diesem Maßstab ist die von der Beklagten getroffene Ermessensentscheidung nicht zu beanstanden. Das ergibt sich unabhängig voneinander aus den Erwägungen der Beklagten (1) zum Fehlen eines konkreten Eingliederungsvorhabens sowie (2) der angestellten Gesamtbetrachtung des öffentlichen Interesses an einer unverzüglichen Eingliederung in das zivile Erwerbsleben und des privaten Interesses des Klägers an einer Aufschiebung der Übergangsgebührnisse.
(1) Die Beklagte hat das vollständige Fehlen eines konkreten Eingliederungsvorhabens nach Maßgabe der zulässigen ermessenseinschränkenden Vorgaben des BMVg vom 8. Mai 2014 (jedenfalls auch) als maßgebliches Ermessenskriterium berücksichtigt und durfte den Antrag auf Aufschiebung der Übergangsgebührnisse mangels besonderer Umstände schon deswegen ermessensfehlerfrei ablehnen.
Bei § 11 Abs. 6 Satz 2 SVG handelt es sich um eine Vorschrift, bei der das Ermessen auf der Rechtsfolgenseite und ein unbestimmter Rechtsbegriff, die „Vermeidung von Nachteilen für die Umsetzung des Förderungsplans oder für die Eingliederung“ auf der Tatbestandsseite, nebeneinander stehen. Inwieweit bei solchen Vorschriften eine Kopplung dergestalt stattfindet, dass die Rechtsfolgenseite durch die Tatbestandsseite beeinflusst wird, kann nur nach dem Sinn und Zweck der jeweiligen Vorschrift entschieden werden (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, B.v. 19.10.1971 – GmS-OGB 3/70 – BVerwGE 39, 355 = juris Rn. 24).
Die Möglichkeit zur Aufschiebung von Übergangsgebührnissen nach § 11 Abs. 6 Satz 2 SVG in der maßgeblich Fassung wurde durch das Einsatzversorgungs-Verbesserungsgesetz vom 5. Dezember 2011 (BGBl. 2011 I, S. 2458 ff.) geschaffen. Die Gesetzesbegründung (BR-Drs. 17/7143, S. 15) führt dazu Folgendes aus:
„Übergangsgebührnisse dienen vornehmlich dazu, die Zeiten der in einem Förderungsplan festgelegten Maßnahmen der zivilberuflichen Bildung und Qualifikation sowie die anschließende Beschäftigungssuche finanziell abzusichern. Nach § 11 Absatz 1 Satz 1 entsteht der Anspruch auf Zahlung der Übergangsgebührnisse im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Wehrdienst. Teilweise beginnen die im Förderungsplan vorgesehenen Maßnahmen jedoch nicht unmittelbar nach der Beendigung der Wehrdienstzeit oder müssen verschoben oder unterbrochen werden. Dies hat zur Folge, dass Ausbildungs- oder Qualifizierungszeiträume nicht oder nicht mehr vollständig von den Übergangsgebührnissen abgedeckt werden können. Um sicherzustellen, dass die Übergangsgebührnisse ihrem Zweck entsprechend den Soldatinnen auf Zeit und Soldaten auf Zeit in den Zeiträumen einer Ausbildung oder beruflichen Qualifizierung oder einer sonstigen Eingliederungsmaßnahme zur Absicherung ihres Lebensunterhalts zur Verfügung stehen, kann auf Antrag die Zahlung verschoben oder unterbrochen werden. Die Frist von längstens sechs Jahren orientiert sich an der Regelung in § 16 Absatz 5 der Berufsförderungsverordnung.“
Im Hinblick auf den Regelungszweck des § 11 Abs. 6 Satz 2 SVG kommt eine Ermessensentscheidung zu Lasten des Soldaten auf Zeit regelmäßig nicht mehr in Betracht, soweit die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Aufschiebung zur Vermeidung von Nachteilen für einen Förderungsplan oder die Eingliederung eindeutig vorliegen – etwa bei den im Erlass des BMVg vom 7. Mai 2012 für die Variante eines Förderungsplans benannten Fällen (Elternzeit, fest terminierter und vom Dienstzeitende abweichender Bildungsbeginn).
Dagegen bedarf es in anderen Konstellationen auf der Ermessensebene einer Abgrenzung zwischen einer dem Regelungszweck entsprechenden Aufschiebung von Übergangsgebührnissen zu einer zweckwidrigen Zurückstellung von Übergangsgebührnissen „auf Vorrat“ mit Nachteilen für die Eingliederung, die vorrangig oder ausschließlich der Umgehung der Ruhensvorschrift in § 53 Abs. 9 SVG über die Anrechnung von Erwerbseinkommen auf Übergangsgebührnisse dienen.
Übergangsgebührnisse sollen im Zusammenhang mit den Besonderheiten der Zeitsoldatenverhältnisse den Übergang aus einem solchen Verhältnis in das zivile Erwerbsleben erleichtern und vornehmlich Maßnahmen der zivilberuflichen Bildung und Qualifikation sowie die anschließende Beschäftigungssuche finanziell absichern. Der Beginn von Eingliederungsmaßnahmen und dementsprechend die Zahlung der Übergangsgebührnisse unmittelbar nach Dienstzeitende ist dabei die Regel. Eine Aufschiebung bzw. Unterbrechung verschlechtert die Aussicht auf Eingliederung in den Arbeitsmarkt – die Aufschiebung zur Vermeidung von Nachteilen ist daher als Ausnahme nur nach Maßgabe des Regelungszwecks von Übergangsgebührnissen zu erteilen. Dem liegt die Erwägung des Gesetzgebers zugrunde, die Soldaten auf Zeit nach Ende der Dienstzeit gewährte Versorgung solle der beruflichen Förderung dienen. Er hat die Berufsförderung und die befristete Dienstzeitversorgung von Soldaten auf Zeit miteinander verknüpft und als Ganzes angesehen. Nach seiner Vorstellung soll die Fachausbildung grundsätzlich unmittelbar im Anschluss an die Wehrdienstzeit bei weitgehender wirtschaftlicher Absicherung durch die Zahlung von Übergangsgebührnissen durchgeführt werden (BVerwG, U.v. 28.7.2011 – 2 C 42/10 – juris Rn. 9). Die durch das Einsatzversorgungs-Verbesserungsgesetz eingeführte Möglichkeit einer Aufschiebung der Übergangsgebührnisse in Ausnahmefällen hat an dem insoweit bestehenden Grundsatz ebenso wenig etwas geändert wie das Bundeswehrreform-Begleitgesetz, das vorsieht, die Leistungen der Berufsförderung aus der aktiven Dienstzeit in die Zeit nach Dienstzeitende zu verlagern, um die Verwendungsdauer der Soldaten auf Zeit auf Dienstposten zu erhöhen (vgl. dazu BR-Drs. 17/9340, S. 25). Letztlich zeigt auch die Neufassung von § 11 Abs. 6 Satz 3 SVG durch das Bundeswehr-Attraktivitätssteigerungsgesetz, wonach die Zahlung von Übergangsgebührnissen auf Antrag für sechs Jahre aufgeschoben oder unterbrochen werden kann, wenn dadurch Nachteile für die Eingliederung ausgeschlossen werden können, die anders nicht zu vermeiden wären, und die Gesetzesbegründung dazu, wonach die Änderung lediglich eine Vereinfachung der Regelungen zum Aufschub der Zahlung der Übergangsgebührnisse beinhalte, dass auch der Gesetzgeber weiterhin davon ausgeht, dass eine Aufschiebung von Übergangsgebührnissen die Ausnahme zur unmittelbaren Zahlung im Anschluss an das Dienstzeitende darstellt.
Die Abgrenzungsproblematik stellt sich vor allem für solche Eingliederungsvorhaben, die nicht auf der Grundlage eines Förderungsplans erfolgen. Die Vielzahl und Inhomogenität derartiger Maßnahmen bedingt erhebliche Unschärfen und wirft mangels Strukturierung durch einen Förderungsplan regelmäßig Abgrenzungsfragen zwischen einer vom Regelungszweck des § 11 Abs. 6 Satz 2 SVG gedeckten Aufschiebung der Übergangsgebührnisse für ein späteres konkretes Eingliederungsvorhaben gegenüber einer zweckwidrigen Aufschiebung der Übergangsgebührnisse für unbestimmte, überflüssige oder nur vorgeschobene Eingliederungsmaßnahmen auf. Die Abgrenzungsproblematik stellt sich umso mehr im Hinblick auf den erheblichen Zeitraum von sechs Jahren, der für die Aufschiebung der Übergangsgebührnisse zur Verfügung steht. Im Hinblick auf die unvermeidlichen Unschärfen bei der Beurteilung, ob eine Aufschiebung von Übergangsgebührnissen für eine nicht unmittelbar nach Dienstzeitende aufgenommene Eingliederungsmaßnahme ohne Förderungsplan dem Regelungszweck von Übergangsgebührnissen entspricht, erfolgt die Beurteilung nicht im Rahmen der tatbestandlichen Voraussetzungen, sondern § 11 Abs. 6 Satz 2 Alt. 2 SVG eröffnet der Behörde in diesen Grenzen Ermessen.
Im Rahmen der Ermessensentscheidung sind grundsätzlich in einer Gesamtbetrachtung einerseits das öffentliche Interesse an einer möglichst zeitnahen Eingliederung des Soldaten auf Zeit entsprechend den Zielen der Berufsförderung und der befristeten Dienstzeitversorgung und andererseits das private Interesse des Zeitsoldaten und die in seiner Sphäre liegenden Umstände zu berücksichtigen (VG München, U.v. 17.3.2014 a.a.O. – juris Rn. 34). Je stärker aber die mit den Übergangsgebührnissen bezweckte Eingliederung durch eine Aufschiebung der Übergangsgebührnisse beeinträchtigt wird, umso höher sind Anforderungen an das private Interesse des Zeitsoldaten, die für eine Aufschiebung der Übergangsgebührnisse streiten. Fehlt es völlig an einem Wiedereingliederungsvorhaben, so kann eine Aufschiebung von Übergangsgebührnissen beim Fehlen besonderer Umstände ermessensfehlerfrei ausgeschlossen werden, ohne dass es einer einzelfallbezogenen Würdigung der Umstände in der Sphäre des Zeitsoldaten bedarf.
Die Beklagte hat entsprechend diesen Grundsätzen und nach Maßgabe des Schreibens des BMVg vom 8. Mai 2014 (P III 3 Az 20-05-03) zulässigerweise maßgeblich auf das Erfordernis eines konkreten Eingliederungsvorhabens und dessen vollständiges Fehlen beim Kläger abgestellt.
Die Beklagte geht zu Recht davon aus, dass der Begriff der Eingliederung ein zielgerichtetes Vorgehen zum Inhalt hat. Übergangsgebührnisse dienen zwar nicht nur dazu, die Zeit der in einem Förderungsplan festgelegten Maßnahmen der zivilberuflichen Bildung und Qualifikation, sondern auch die anschließende Beschäftigungssuche finanziell abzusichern (vgl. VG München, U.v. 17.3.2014 – M 21 K 12.5647 – juris Rn. 33). Das ändert jedoch nichts daran, dass auch eine Eingliederung ohne Förderungsplan auf eine berufsspezifische Unterstützung bei der Aufnahme einer bestimmten Erwerbstätigkeit abzielt. § 11 Abs. 6 Satz 2 Alt. 2 SVG stellt insofern einen Auffangtatbestand dar, der für die Unterstützung berufsspezifischer Maßnahmen zur Anwendung kommt, für die kein Förderplan möglich ist. Das Vorliegen eines konkreten Eingliederungsvorhabens ist das zentrale Kriterium für die erforderliche Abgrenzung einer vom Regelungszweck gedeckten Nutzung der Übergangsgebührnisse zu einem späteren Zeitpunkt zu einer unzulässigen Zurückstellung der Übergangsgebührnisse „auf Vorrat“ zur Umgehung der Ruhensregelung nach § 53 Abs. 9 SVG. Zwar kann die Umgehung der Ruhensvorschrift des § 53 SVG als solches der Aufschiebung von Übergangsgebührnissen nicht entgegengehalten werden. Denn die Nichtanrechnung von Erwerbseinkommen auf die Übergangsgebührnisse als Folge einer Aufschiebung von Übergangsgebührnissen für ein konkretes Eingliederungsvorhaben zur Vermeidung von Nachteilen für die Eingliederung ist gerade der Regelungszweck von § 11 Abs. 6 Satz 2 SVG (VG München, U.v. 17.3.2014 a.a.O. – juris Rn. 33; U.v. 14.4.2014 – M 21 K 13.2820 – juris Rn. 27). Das gilt aber nur, soweit die Aufschiebung der Übergangsgebührnisse dem Regelungszweck des § 11 Abs. 6 Satz 2 SVG, der Vermeidung von Nachteilen für die Wiedereingliederung in das zivile Erwerbsleben, dient. Nachteile für die Eingliederung, die darauf beruhen, dass der Zeitsoldat im Anschluss an sein Dienstzeitende seine Wiedereingliederung durch ein befristetes Beschäftigungsverhältnis eigenverantwortlich verzögert, ohne ein konkretes Wiedereingliederungsvorhaben nach Ablauf des Beschäftigungsverhältnisses vorzuweisen oder zumindest ernsthaft anzustreben, sind jedoch nicht vom Regelungszweck des § 11 Abs. 6 Satz 2 SVG gedeckt.
Bei der Frage, ob eine konkrete Wiedereingliederung ernsthaft angestrebt wird, kommt dem Berufsförderungsdienst auch außerhalb von Maßnahmen, für die ein Förderungsplan erstellt werden kann, eine zentrale Bedeutung zu. Der Erlass vom 8. Mai 2014 nennt als mögliche konkrete Eingliederungsvorhaben ohne Förderungsplan die Gründung eines Gewerbebetriebs oder einer Arztpraxis. Diese Beispiele sind sicherlich nicht abschließend, denkbar ist etwa auch ein Promotionsstudium, das die Eingliederung in das zivile Erwerbsleben verbessert (vgl. VG München, U.v. 2.12.2016 – M 21 K 14.2441 – zur Veröffentlichung in juris vorgesehen). Wendet sich der Zeitsoldat im Zusammenhang mit seiner Wiedereingliederung nach Ablauf einer befristeten Tätigkeit im Anschluss an sein Dienstzeitende nicht mit dem Wunsch konkreter Wiedereingliederungsmaßnahmen an den Berufsförderungsdienst, so kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass er einer Wiedereingliederung nicht bedarf. Eine nach Ablauf der befristeten Beschäftigung drohende Beschäftigungslosigkeit ist mit dem Erfordernis einer Wiedereingliederung nicht gleichzusetzen. Denn Übergangsgebührnisse stellen keine erweiterte allgemeine soziale Absicherung für Zeitsoldaten dar, sondern sind zweckgebunden und auf eine gezielte Eingliederung in den Arbeitsmarkt gerichtet. Der Zeitsoldat, der mit einer eigenverantwortlichen Verzögerung seiner Eingliederung ohne konkretes Wiedereingliederungsvorhaben die Aussichten für einen Einstieg ins Berufsleben ohne sachlichen Grund verschlechtert, gibt zu erkennen, dass er zur Integration in den Arbeitsmarkt ohne Eingliederungsmaßnahmen in der Lage ist bzw. hieran kein Interesse hat und Übergangsgebührnisse für eine Eingliederung nicht benötigt. Mit der Aufschiebung der Übergangsgebührnisse für die Zeit eines befristeten Arbeitsverhältnisses „auf Vorrat“ ohne konkretes Eingliederungsvorhaben wird damit lediglich auf eine vom Regelungszweck des § 11 Abs. 6 Satz 2 SVG nicht erfasste Verbesserung der finanziellen Situation und eine Vermeidung der Ruhensvorschriften nach § 53 SVG abgezielt.
Die Beklagte ist nach Maßgabe der eingeholten Auskünfte des Personalamtes der Bundeswehr zu Recht davon ausgegangen, dass ein konkretes Eingliederungsvorhaben, für das der Kläger Übergangsgebührnisse benötigt, weder im Zeitpunkt des Antrags auf Aufschiebung der Zahlung der Übergangsgebührnisse noch bis zum Ende der Beschäftigung bei der NETMA bzw. dem beantragten Beginn der Zahlung der Übergangsgebührnisse zum 1. April 2014 vorlag.
Der Heranziehung des fehlenden konkreten Eingliederungsvorhabens als maßgeblicher Ablehnungsgrund steht nach Maßgabe der materiellen Rechtskraft gemäß § 121 VwGO auch nicht die Bindungswirkung des Urteils vom 17. März 2014 entgegen. Ohne Auswirkungen bleibt der Umstand, dass das Fehlen eines konkreten Eingliederungsvorhabens im Ausgangsbescheid als Tatbestandsvoraussetzung behandelt wurde. Zum einen wurden auch im Ausgangsbescheid ergänzende Ermessenserwägungen hierzu angestellt, zum anderen wurde das Fehlen eines konkreten Eingliederungsvorhabens jedenfalls im Widerspruchsbescheid umfassend als Anknüpfungspunkt für das Ermessen geprüft. Die Beklagte hat ihr Ermessen ausgeübt und ist der Frage, ob durch die Verschiebung der Übergangsgebührnisse Nachteile für die Eingliederung in das zivile Berufsleben vermieden werden können, auf der Grundlage der aktualisierten Ermessensvorgaben im Schreiben des BMVg vom 8. Mai 2014 und der eingeholten Stellungnahmen des Personalamtes der Bundeswehr nachgegangen. Der Umstand, dass dem Fehlen eines Wiedereingliederungsvorhabens für § 11 Abs. 6 Satz 2 Alt. 2 SVG keine Bedeutung auf der Tatbestandsebene zukommt, steht einer – auch allgemeinen – Ermessensausübung dergestalt, dass beim vollständigen Fehlen eines konkreten Wiedereingliederungsvorhabens eine Aufschiebung von Übergangsgebührnissen regelmäßig nicht in Betracht kommt, nicht entgegen.
(2) Darüber hinaus hat die Beklagte im Rahmen des Ermessens ergänzend eine Gesamtbetrachtung unter Einbeziehung des privaten Interesses des Klägers mit einer einzelfallbezogenen Würdigung der Umstände in seiner Sphäre angestellt, die nach Maßgabe von § 114 Satz 1 VwGO nicht zu beanstanden ist, wobei nach Sinn und Zweck der Aufschiebung von Übergangsgebührnissen die Anforderungen an die Abwägung bei einem vollständigen Fehlen eines konkreten Eingliederungsvorhabens sehr gering sind.
Die Beklagte durfte in diesem Zusammenhang im Hinblick auf den Regelungszweck von Übergangsgebührnissen und die grundsätzlich angestrebte unverzügliche Wiedereingliederung eines Soldaten auf Zeit nach dem Dienstzeitende insbesondere auch die vom Kläger nicht bestrittene Tatsache berücksichtigen, dass die Tätigkeit bei der NETMA freiwillig und auch vor Ablauf der vorgesehenen Vertragslaufzeit kurzfristig kündbar gewesen wäre – eine einseitige Inanspruchnahme durch die Beklagte liegt insofern nicht vor. Der Umstand, dass die Tätigkeit während der Dienstzeit im dienstlichen Interesse stand und der Kläger hierfür im Rahmen von Sonderurlaub freigestellt war, tritt demgegenüber nach dem Dienstzeitende in den Hintergrund. Auch der Umstand, dass die Beschäftigung bei der NETMA befristet ist, ihrerseits noch keine Wiedereingliederung darstellt und sich die Frage der Wiedereingliederung absehbar erst nach dem Ende der Beschäftigung bei der NETMA stellt, spielt bei einem völligen Fehlen eines Wiedereingliederungsvorhabens keine Rolle. Schließlich kann der Beklagten auch nicht vorgehalten werden, faktisch die Übergangsgebührnisse aufgeschoben zu haben. Abgesehen davon, dass sich aus Streitigkeiten um die Auszahlung der Übergangsgebührnisse unter Berücksichtigung anzurechnenden Einkommens eine Wille der Beklagten zur Aufschiebung der Übergangsgebührnisse nicht herleiten ließe, hat die Beklagte in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass eine Auszahlung gekürzter Übergangsgebührnisse im Einvernehmen mit dem Kläger sowie vor dem Hintergrund einer noch fehlenden Verdienstbescheinigung zum anzurechnenden Einkommen unterblieben ist.
Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO


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