Arbeitsrecht

Schadenersatzanspruch aus Verkehrsunfall

Aktenzeichen  RO 12 K 19.2080

Datum:
3.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 29413
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBG Art. 98 Abs. 2
BayBeamtVG Art. 45 Abs. 4 S. 2

 

Leitsatz

Das Aufsuchen einer Toilette während einer Dienstreise an einem nahegelegenen Ort und wenn der Beamte nicht unnötigerweise eine gefährliche Örtlichkeit aufsucht ist „vom Banne des Dienstes“ umfasst.

Tenor

I. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Landesamtes für Finanzen, Dienststelle Regensburg, vom 23.07.2019 und des Widerspruchsbescheides vom 14.10.2019 verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Schadensersatz für die Beschädigung seines PKW am 23.05.2019 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens tragen der Beklagte und der Kläger je zur Hälfte.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über die Klage konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Die Klage ist zulässig, hat aber nur teilweise Erfolg.
Der Bescheid des Landesamtes für Finanzen vom 23.07.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.10.2019 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat Anspruch auf erneute Verbescheidung seines Antrags auf Sachschadensersatz unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Im Übrigen ist die Klage jedoch nicht begründet, weil dem Kläger kein Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten zur Gewährung des beantragten Schadensersatzes zusteht. Da die Gewährung des Sachschadensersatzes gemäß Art. 98 Abs. 2 BayBG im Ermessen des Beklagten steht und dieses Ermessen vorliegend nicht auf Null reduziert ist, ist die Sache nicht spruchreif (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
I.
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist die Ermessensvorschrift des Art. 98 Abs. 2 Bayerisches Beamtengesetz (BayBG). Art. 98 BayBG gründet auf der Fürsorgepflicht des Dienstherrn für seine Beamten und ihre Familien, die grundsätzlich und in gewissen Grenzen auch den Schutz des Eigentums umfasst. Diese Grenzen hat der Gesetzgeber in Art. 98 BayBG konkretisiert und in dessen Absatz 2 den Ersatz von Sachschäden bei Unfällen geregelt. Das Dienstunfallrecht schließt die Anwendung des Art. 98 BayBG nicht aus, Art. 45 Abs. 4 Satz 2 Bayerisches Beamtenversorgungsgesetz (BayBeamtVG).
Werden demgemäß in Ausübung oder infolge des Dienstes Kleidungsstücke oder sonstige Gegenstände, die üblicherweise oder aus dienstlichem Grund im Dienst mitgeführt werden, durch einen Unfall beschädigt oder verloren, so kann der Dienstherr dafür Ersatz leisten, sofern der Beamte oder die Beamtin den Schaden nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat, Art. 98 Abs. 2 BayBG. Ansprüche auf Ersatzleistungen sind gemäß Art. 98 Abs. 3 Satz 1 BayBG innerhalb von drei Monaten nach dem Eintritt des Schadens bei der Dienststelle oder der für die Entscheidung über die Ersatzleistung zuständigen Behörde schriftlich geltend zu machen.
II.
Die Voraussetzungen liegen allesamt vor.
Der Kläger hat seinen Anspruch auf Ersatzleistung innerhalb von drei Monaten nach dem Eintritt des Schadens bei der Dienststelle oder der für die Ersatzleistung zuständigen Behörde schriftlich geltend gemacht, Art. 98 Abs. 3 Satz 1 BayBG. Er hat das Unfallereignis vom 23.05.2019 mit Formblattantrag vom 09.07.2019, eingegangen beim Landesamt für Finanzen am 12.07.2019, bei der für die Entscheidung zuständigen Behörde schriftlich geltend gemacht. Auf den Zeitpunkt der zuvor bereits erfolgten Geltendmachung des Sachschadens bei der E* … Versicherungsdienst GmbH kommt es entscheidungserheblich daher nicht an (vgl. insoweit VG Würzburg, Urteil v. 28.07.2015 – W 1 K 13.1247, juris Rn. 18).
Das Schadensereignis vom 23.05.2019 erfüllt den Begriff des „Unfalls“ im Sinne des Art. 98 Abs. 2 BayBG. Darunter ist ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Schaden verursachendes Ereignis zu verstehen. Der Begriff der äußeren Einwirkung ist, wie im klassischen Dienstunfallrecht, weit zu ziehen und umfasst auch durch eigenes – allerdings nicht bewusst selbstschädigendes – Handeln ausgelöstes Geschehen, auch wenn dieses Handeln als Ungeschicklichkeit zu werten ist (Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Art. 98 Rn. 11; Kathke, Dienstrecht in Bayern Bd. 3, Art. 98 Rn. 11; BeckOK Beamtenrecht Bayern, 17. Ed. – Stand 30.12.2019, Art. 98 Rn. 13). Das Unfallgeschehen hat sich vorliegend in einem kurzen Zeitraum auf dem Rasthof Kammersteiner Land – und damit örtlich und zeitlich bestimmbar – ereignet. Vorliegend hat der Kläger auch nicht bewusst selbstschädigend gehandelt.
Bei dem privaten PKW des Klägers handelt es sich auch um einen „mitgeführten“ Gegenstand im Rahmen der Dienstreise (Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Art. 98 Rn. 14; Plog/Wiedow, BBG § 32 Rn. 19). Dienstreisen sind Reisen zur Erledigung von Dienstgeschäften außerhalb des Dienstorts, die schriftlich oder elektronisch angeordnet oder genehmigt worden sind (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 BayRKG). Ersatz wird dabei auch für private Gegenstände gewährt, die der Beamte zur Ausübung des Dienstes benötigt und deren Benutzung der Dienstvorgesetzte veranlasst oder ausdrücklich zugestimmt hat. Hierzu gehört auch ein Kraftfahrzeug, das aus triftigen Gründen zur Durchführung einer Dienstreise benutzt wird (VV-BeamtR, Abschnitt 13 Nr. 1.5). Die vom Kläger am 30.04.2019 beantragte Dienstreise nach Triesdorf vom 23.05.2019 bis 23.05.2019 wurde – mit Verkehrsmittel „PKW mit triftigen Gründen“ – am 02.05.2019 genehmigt.
Schließlich ist das maßgebliche Ereignis auch „in Ausübung oder infolge des Dienstes“ eingetreten. Voraussetzung hierfür ist, dass der Beamte den Unfall bei einer Tätigkeit erleidet, die im engen natürlichen Zusammenhang mit seinen eigentlichen Dienstaufgaben oder sonstigen dienstlich notwendigen Verrichtungen oder dem dienstlichen Über- und Unterordnungsverhältnis steht, bei der der Beamte also gewissermaßen „im Banne“ des Dienstes steht. Der danach erforderliche Zusammenhang des Unfalls mit dem Dienst ist im Regelfall gegeben, wenn sich der Unfall während der Dienstzeit am Dienstort ereignet hat (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urteil v. 24.10.1963 – II C 10.62, juris Rn. 27 f.; Urteil v. 03.11.1976 – VI C 203.73, juris Rn. 24 ff.; VG Berlin, Urteil v. 04.05.2016 – 26 K 54.14, juris Rn. 18). Maßgebend ist der Sinn und Zweck der beamtenrechtlichen Dienstunfallfürsorge. Dieser liegt in einem über die allgemeine Fürsorge hinausgehenden besonderen Schutz des Beamten bei Unfällen, die außerhalb seiner privaten (eigenwirtschaftlichen) Sphäre im Bereich der in der dienstlichen Sphäre liegenden Risiken eintreten, also in dem Gefahrenbereich, in dem der Beamte entscheidend aufgrund der Anforderungen des Dienstes tätig wird. Die dienstliche Sphäre wird im Allgemeinen durch die Dienstzeit und den Dienstort begrenzt. Ausgehend vom Zweck der gesetzlichen Regelung und dem Kriterium der Beherrschbarkeit des Risikos der Geschehnisse durch den Dienstherrn kommt dem konkreten Dienstort des Beamten eine herausgehobene Rolle zu. Der Beamte steht bei Unfällen, die sich innerhalb des vom Dienstherrn beherrschbaren räumlichen Risikobereichs ereignen, unter dem besonderen Schutz der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge. Zu diesem Bereich zählt der Dienstort, an dem der Beamte seine Dienstleistung erbringen muss, wenn dieser Ort zum räumlichen Machtbereich des Dienstherrn gehört. Risiken, die sich hier während der Dienstzeit verwirklichen, sind dem Dienstherrn zuzurechnen, unabhängig davon, ob die Tätigkeit, bei der sich der Unfall ereignet hat, dienstlich geprägt ist. Eine Ausnahme gilt nur für den Fall, dass diese Tätigkeit vom Dienstherrn verboten ist oder dessen wohlverstandenen Interessen zuwiderläuft (BVerwG, Urteil v. 17.11.2016 – 2 C 17/16, juris Rn. 15 m.w.N.). Die Grundsätze tragen dem Umstand Rechnung, dass auch bei der Dienstausübung regelmäßig dienstliche und private Aspekte nicht streng voneinander zu trennen sind und es nur darum gehen kann, wann und unter welchen Voraussetzungen die auch bei der Ausübung des Dienstes naturgegebene „Gemengelage“ eindeutig dem privaten Bereich des Beamten zuzurechnen ist. Der Beamte ist kein „Dienstausübungsautomat“, sondern er bleibt auch im Dienst und auch bei der Ausübung des Dienstes ein Mensch mit seinen persönlichen Bedürfnissen, Gedanken und Empfindungen. Sein Verhalten schwankt – auch im Rechtssinne – nicht von Minute zu Minute zwischen Dienstausübung und außerdienstlichem Verhalten hin und her. Eine einengende, wörtliche Interpretation, die darauf abstellte, ob der Beamte gerade im Augenblick der Einwirkung des Ereignisses auf seinen Körper mit einer spezifisch dienstlichen Verrichtung befasst war, ginge deshalb an der Lebenswirklichkeit vorbei und risse Vorgänge, die bei lebensnaher Betrachtung nur als Gesamtverhalten gewertet werden können, auseinander (BVerwG, Urteil v. 16.11.2016 – 2 C 17/16, juris Rn. 16; Urteil v. 24.10.1963 – II C 10.62). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts umfasst der Dienstunfallschutz grundsätzlich auch den Aufenthalt in einem Toilettenraum des Dienstgebäudes (BVerwG, Urteil v. 17.11.2016 – 2 C 17/16, juris Rn. 14).
Soweit dem Beamten Aufgaben zugewiesen werden, die er an einem anderen Ort als seinem üblichen Dienstort zu erledigen hat, wird dieser Ort zum vorübergehenden Dienstort. Weist der Dienstherr einen Beamten an, die Dienstleistung für eine bestimmte Zeit in einem räumlich abgrenzbaren Bereich außerhalb des eigenen Machtbereichs zu erbringen, so wird dieser räumlich anderweitige Bereich der Risikosphäre des Dienstherrn zugerechnet. Eine solche Anweisung darf nämlich hinsichtlich des Unfallschutzes des Beamten nicht zu einer Verschlechterung, insbesondere zu einer Erhöhung der Anforderungen für die Anerkennung des schädigenden Ereignisses als Dienstunfall führen (Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder – Stand 146. UPD August 2020, § 31 BeamtVG, 8.1.1.2 Dienstort). Dienstausübung im Sinne des Art. 98 Abs. 2 BayBG ist auch die Dienstreise und der Dienstgang im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 5 Bayerisches Reisekostengesetz (BayRKG). Die Dauer einer Dienstreise richtet sich grundsätzlich nach der Abreise und der Ankunft an der Wohnung (Art. 7 BayRKG). Die Reise selbst gilt als Dienst im Sinne des Art. 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BayBeamtVG.
Das Aufsuchen einer Toilette während einer Dienstreise an einem nahe gelegenen Ort – wie vorliegend gegeben – und wenn der Beamte nicht unnötigerweise eine gefährliche Örtlichkeit aufsucht, gehört nach Ansicht der Kammer nach den Umständen des Einzelfalles unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung jedenfalls im zu Grunde liegenden Fall einer (unvorhergesehenen) Pause zur Verrichtung der Notdurft zu einer Tätigkeit, die ebenfalls vom Banne des Dienstes erfasst ist (in diesem Sinne auch: Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder – Stand 146. UPD August 2020, § 31BeamtVG, 8.1.4.4 Eigenwirtschaftliche Tätigkeit; Plog/Wiedow, BBG § 31 Rn. 95; Fürst, GKÖD, § 31 Rn. 91). Für dieses Ergebnis spricht auch der Umstand, dass auch das Aufsuchen einer Toilette im Dienstgebäude zu den unfallgeschützten Tätigkeiten des Beamten gehört (BVerwG, Urteil v. 17.11.2016 – 2 C 17/16).
Darüber hinaus ergibt sich vorliegend, die Kriterien des Wegeunfalls zu Grunde gelegt und unter Berücksichtigung, dass die Dienstreise einen unmittelbaren dienstlichen Zusammenhang aufweist und nicht durch private Interessen des Beamten veranlasst ist, dass ganz kurzfristige und geringfügige Unterbrechungen des Weges den Zusammenhang mit dem Dienst selbst dann nicht beeinträchtigen, wenn sie eigenwirtschaftlicher Natur sind. Geringfügig ist eine Unterbrechung des Weges regelmäßig, wenn der öffentliche Verkehrsraum nicht verlassen wird und die Handlung ohne nennenswerte zeitliche Verzögerung im Vorbeigehen erledigt werden kann (Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, 143. AL, § 31 Rn. 191). Schadensereignisse auf Verkehrsflächen, über deren Nutzung ein Dritter alleinverantwortlich entscheidet, können hingegen nicht als Wegeunfall angesehen werden (BVerwG, Beschluss v. 22.04.2020 – 2 B 52/19, juris Rn. 12). Private Parkplätze, unabhängig davon, ob sie der Verfügungsberechtigte für jedermann oder einen beschränkten Nutzerkreis geöffnet hat, aber auch sonstige Flächen, die von Fußgängern oder Fahrzeugen auf Grund ausdrücklicher oder stillschweigender Duldung des Eigentümers benutzt werden können, sind vom Dienstunfallschutz ausgeschlossen. Auf diesen Flächen findet kein allgemeiner Verkehr statt (BVerwG, Beschluss v. 22.04.2020 – 2 B 52/19, juris Rn. 12; Plog/Wiedow, BBG § 31 Rn. 87).
Es ist aber geboten, auf öffentlichen Verkehrsflächen auch den Weg zur Verrichtung der Notdurft auf dem Heimweg vom Dienst dem Dienstunfallschutz zu unterstellen, da der Zusammenhang mit dem Dienst bestehen bleibt, wenn das Bedürfnis zum Verrichten der Notdurft auf dem Heimweg auftritt und der Beamte aus diesem Grund gezwungen ist, den Weg zu unterbrechen, um sich an einem geeigneten Ort seines Bedürfnisses zu entledigen (VG München, Urteil v. 20.03.2012 – M 5 K 11.5039, juris Rn. 15 ff.). Gestatten es die Umstände, dass die Notdurft unmittelbar am Wegrand verrichtet werden kann, so ist Dienstunfallschutz schon deshalb gegeben, weil der Weg nach oder von der Dienststätte nicht unterbrochen wird. Die Rechtslage kann aber im Ergebnis nicht anders sein, wenn ein Beamter, dessen Weg über eine verkehrsreiche oder bewohnte Straße führt, in Beachtung des allgemeinen Anstandsgefühls zum Verrichten seiner Notdurft eine nahegelegene uneingesehene Örtlichkeit, insbesondere eine neben der Straße befindliche Bedürfnisanstalt, aufsucht (VG München, Urteil v. 20.03.2012 – M 5 K 11.5039, juris Rn. 15 ff.).
Im vorliegenden Fall hat sich das Unfallereignis auf der Fahrbahn in Richtung zurück auf die Autobahn – und damit im allgemeinen Verkehrsraum (§§ 1 Abs. 4 Nr. 5, 15 Bundesfernstraßengesetz – FStrG) – ereignet. Gemäß § 15 Abs. 1 FStrG sind Raststätten Nebenbetriebe im Sinne des § 1 Abs. 4 Nr. 5 FStrG und gehören zu den Bundesfernstraßen, so dass es entscheidungserheblich vorliegend auch nicht darauf ankommt, ob das Aufsuchen der Toilettenräumlichkeit selbst vorwiegend eigenwirtschaftlich und nicht mehr von den Erfordernissen der Dienstreise geprägt ist (zum Verlassen des allgemeinen Verkehrsraums vgl. BayVGH, Urteil v. 16.10.2019 – 3 B 18,827; BVerwG, Beschluss v. 22.04.2020 – 2 B 52/19). Jedenfalls die Straßen auf dem Rasthof gehören zum öffentlichen Verkehrsraum. Während einer unbeachtlichen Unterbrechung des unmittelbaren Weges bleibt der Wegeschutz (für eine private Verrichtung) im allgemeinen Verkehrsraum bestehen (vgl. zum Dienstunfallrecht BVerwG, Urteil v. 10.12.2013 – 2 C 7/12). Der Kläger war zum Verrichten der Notdurft, eine regelmäßig unaufschiebbar notwendige Handlung, vorliegend – schon aus Gründen der eigenen Sicherheit auf der Autobahn und auch, um nicht fremden Blicken ausgesetzt zu sein – gezwungen, den Rasthof anzusteuern. Der Rasthof stellt im vorliegenden Fall auch eine vernünftige und vertretbare Möglichkeit für die Verrichtung der Notdurft dar. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass das Verrichten der Notdurft nicht unvorhersehbar notwendig geworden ist. Vielmehr geht aus der Unfallbeschreibung des Klägers hervor, dass er am Nachmittag seiner Dienstreisetätigkeit auf einem Feld war und dort an einer Feldvorführung teilgenommen hat und sich danach zu seinem Auto begeben hat, um die Heimreise anzutreten.
Es bestehen vorliegend auch keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Toilettenbesuch des Klägers dem Interesse seines Dienstherrn zuwidergelaufen wäre; im Gegenteil erscheint es offensichtlich, dass die von einem Beamten erwartete pflichtbewusste und effiziente Diensttätigkeit gerade auch derartige Pausen zur Erfüllung eines persönlichen, natürlichen Bedürfnisses voraussetzt (VG Berlin, Urteil v. 04.05.2016 – 26 K 54.14, juris Rn. 19).
Der Rechtsprechung der Sozialgerichte zur Auslegung von § 8 SGB VII ist für den Bereich des Dienstunfallschutzes nicht zu folgen. Diese sozialgerichtliche Rechtsprechung beruht auf einer anderen gesetzlichen Regelung. § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII definiert Arbeitsunfälle als Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Für die Feststellung eines Arbeitsunfalls im Sinn von § 8 Abs. 1 SGB VII kommt es nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auf den inneren (sachlichen) Zusammenhang zwischen der konkreten Verrichtung zum Zeitpunkt des Unfalls und der versicherten Tätigkeit an. Dieser Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht. In Abgrenzung hierzu setzt Art. 98 Abs. 2 BayBG für ein Unfallereignis an dem vom Dienstherrn vorgegebenen Dienstort nur voraus, dass es „in Ausübung oder infolge des Dienstes“ eingetreten ist. Beamtenrechtliche Unfallfürsorge knüpft damit grundsätzlich abstrakt an die Dienstausübung im räumlichen Machtbereich des Dienstherrn an, während sozialversicherungsrechtlicher Unfallschutz einen inneren Zusammenhang zwischen der konkreten Verrichtung zum Unfallzeitpunkt und der versicherten Tätigkeit erfordert (so BVerwG ausdrücklich zu § 31 Abs. 1 Satz 1 LBeamtVG Berlin – Urteil v. 16.11.2016 – 2 C 17/16, juris Rn. 17 f.).
III.
Auf der Rechtsfolgenseite sieht Art. 98 Abs. 2 BayBG vor, dass der Dienstherr dafür Ersatz leisten „kann“, sofern der Beamte oder die Beamtin den Schaden nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat. Vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten ist für das Gericht weder erkennbar noch vom Beklagten in den Raum gestellt worden („Streitig ist allein die Frage, ob der Kläger zum Zeitpunkt und am Ort des Unfalls gem. Art. 98 Abs. 2 BayBG unter Schutz stand und dementsprechend Anspruch auf Sachschadensersatz besteht.“; Schriftsatz vom 27.01.2020, Seite 2). Nach diesem Wortlaut obliegt dem Dienstherrn im Rahmen des Sachschadensersatzes eine Ermessensentscheidung hinsichtlich der Frage, ob eine solche erfolgt und in einem weiteren Schritt in welcher Höhe die Erfüllung übernommen wird. Bei einem Unfall, der nur Sachschaden auslöst, ist im Rahmen der Kann-Regelung ein Leistungsausschluss durch Abschnitt 13 Nr. 1.3 Satz 2 VV-BeamtR (Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Beamtenrecht, Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen über die Verwaltungsvorschriften zum Beamtenrecht vom 13. Juli 2009 (FMBl. S. 190, StAnz. Nr. 35), zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 19. Oktober 2017 (FMBl. S. 510)) angeordnet, wenn der Unfall nicht auch mit einer körperlichen Gefährdung verbunden war und der Schaden nicht an einem Arbeitsmittel entstanden ist. Gemäß Nr. 1.5 Satz 2 Halbsatz 2 VV-BeamtR gehört auch ein Kraftfahrzeug, das aus triftigen Gründen zur Durchführung einer Dienstreise oder eines Dienstganges benutzt wird, zu diesen Arbeitsmitteln. Der Beklagte hat hier noch keinerlei Ermessensentscheidung getroffen, da er schon zu Unrecht das Vorliegen eines Unfalls „in Ausübung oder infolge des Dienstes“ verneint hat. Die Ermessensentscheidung hinsichtlich des Ob und auch der Höhe einer Ersatzleistung hat der Beklagte noch vorzunehmen (vgl. Abschnitt 13, Nr. 2.6 Satz 1 VV-BeamtR: „bis zur Höhe der notwenigen Reparaturkosten“).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht gemäß §§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO liegen nicht vor.


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