Bankrecht

Berufung: Anspruch auf Schadensersatz nach einer fehlgeschlagenen Kapitalanlage

Aktenzeichen  1 U 16/19

Datum:
5.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 54717
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StGB § 17, § 263 Abs. 1
BGB § 305c, § 823 Abs. 2, § 826
KWG § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, § 4, § 32 Abs. 1 S. 1, § 54 Abs. 1
RDG § 10 Abs. 1 S. 1
ZPO §§ 511ff., § 522 Abs. 2
RVG § 13, § 14
VV RVG Nr. 2300

 

Leitsatz

Verfahrensgang

1 U 16/19 2019-04-03 Hinweisbeschluss OLGBAMBERG OLG Bamberg

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Schweinfurt vom 14.12.2018, Az. 21 O 761/16, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte zu 1) vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

I.
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche nach einer fehlgeschlagenen Kapitalanlage.
1.
Der Beklagte zu 1) war als alleiniger Aktionär und Verwaltungsrat Hauptentscheidungsträger der in der Schweiz ansässigen und in Deutschland tätigen S. Die S. bot in den Jahren 2009 bis 2012 ein als „Cash select“ bezeichnetes Anlagemodell an. Danach sollten Anleger ihre Ansprüche aus Versicherungen, Bausparverträgen und ähnlichen Kapitalanlagen an die S. abtreten, diese sollte die Verträge kündigen und die Auszahlungen vereinnahmen. Die Höhe des von der S. an den jeweiligen Anleger zu zahlenden Kaufpreises hing vom jeweils erzielten Rückkaufswert, der Laufzeit und dem Auszahlungsmodus ab. Die Gewinne der S. sollten durch Investitionen im Bereich der erneuerbaren Energien erwirtschaftet werden. Die S. verfügte weder über eine Bankerlaubnis nach dem Schweizer Bankgesetz noch über eine Erlaubnis nach § 32 Abs. 1 Kreditwesengesetz (KWG) noch war sie registrierte Person im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG).
Im September 2010 hatte sich die S. mit anwaltlichem Schreiben unter Vorlage der diesbezüglichen, dem oben genannten „Kauf- und Abtretungsvertrag“ entsprechenden Vertragsunterlagen an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) mit der Frage gewandt, ob ihr Geschäftsmodell der Erlaubnispflicht des § 32 Abs. 1 KWG unterliege. Die BaFin verneinte dies im Januar 2011 und begründete dies in ihrem Antwortschreiben mit der Erwägung, aufgrund des in § 6 des übersandten Kauf- und Abtretungsvertrages vereinbarten qualifizierten Rangrücktritts erfülle das Produkt den Tatbestand des Einlagengeschäftes im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG nicht. Weiter wies die BaFin in einem Merkblatt vom 04.08.2011 darauf hin, dass für einen den Tatbestand des Einlagengeschäfts ausschließende Regelung die Vereinbarung eines Rangrücktritts notwendig sei.
Am 27.02.2012 unterzeichnete der Kläger ein Formular der S., das ein Angebot zur Abtretung aller Rechte und Ansprüche aus einer vom Kläger gehaltenen Lebensversicherung bei der V. (Vertragsnummer …, erwarteter Rückkaufswert 54.437,00 €) an die S. enthielt. Hinsichtlich der Einzelheiten des Vertrags wird auf den Tatbestand des Endurteils vom 14.12.2018 sowie die Anlage K8 verwiesen.
Am 05.03.2012 ließ die Schweizer Bankenaufsicht die Räume der S. in der Schweiz durchsuchen. Nachfolgend gründete der Beklagte zu 1) die L. GmbH, um die Geschäftstätigkeit der S. in die neue Gesellschaft zu überführen. Am 30.04.2012 unterschrieb der Kläger einen Übernahmevertrag, in dem die L. GmbH die Verpflichtungen der S. gegenüber dem Kläger übernahm. Am 05.07.2012 wurde der Kläger unterrichtet, dass aus der von ihm zuvor gehaltenen Lebensversicherung 52.241,70 € an die L. GmbH weitergeleitet worden seien.
Am 24.08.2012 untersagte die Schweizer Bankenaufsicht der S. den weiteren Vertrieb ihrer Produkte. Am 22.02.2013 wurde der Konkurs über das Vermögen der S. eröffnet, am 14.06.2013 der Konkurs über das Vermögen der zwischenzeitlich in T. GmbH umfirmierten L. GmbH.
Der Kläger hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, die Beklagten hätten ein erlaubnispflichtiges Einlagengeschäft ohne die erforderliche Erlaubnis betrieben. Der vertragliche vereinbarte qualifizierte Rangrücktritt sei unwirksam. Die Beklagten hätten eine vorsätzliche Tat gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 32, 54 KWG begangen und seien auch nicht durch einen unvermeidbaren Verbotsirrtum entlastet.
Mit seiner Klage hat der Kläger von dem Beklagten zu 1) den Ersatz der Differenz aus den von der S. vereinnahmten Rückkaufswerten und den erfolgten Zahlungen in Höhe von 60.186,18 € verlangt Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte aus dem Vertrag über den Ankauf der Rückkaufswerte sowie Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten, jeweils nebst Zinsen. Soweit sich die Klage auf die weiteren an der Geschäftsführung der S. beteiligten Beklagten zu 2) bis 4) bezog, ist das Verfahren durch Klagerücknahme bzw. vergleichsweise Streitbeilegung erledigt worden.
Der Beklagte zu 1) hat sich gegen die Annahme eines erlaubnispflichtigen Einlagengeschäfts gewandt. Zumindest habe er jedoch in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum gehandelt, nachdem die BaFin das Geschäftsmodell genehmigt habe.
2.
Das Landgericht hat die Klage mit Endurteil vom 14.12.2018 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass letztlich dahinstehen könne, ob aufgrund des qualifizierten Rangrücktritts kein genehmigungspflichtiges Einlagengeschäft vorliege, da in jedem Fall von einem unvermeidbaren Verbotsirrtum auszugehen sei. Die Regelung in § 7 des streitgegenständlichen Vertrags entspreche der durch die BaFin überprüften Rangrücktrittsklausel. Der Beklagte habe Rechtsrat eingeholt und sich auf die Auskunft der BaFin verlassen dürfen.
3.
Hiergegen hat sich der Kläger mit seiner Berufung gewendet. Er hat zunächst die Annahme eines unvermeidbaren Verbotsirrtums in Frage gestellt. Nachdem am 03.04.2019 der Senat insoweit einen Hinweisbeschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO erlassen hat, ist durch den Kläger mit Schriftsatz vom 17.04.2019 (Bl. 341) ergänzend vorgetragen worden, dass der Beklagte mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts München vom 25.10.2018 wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden sei. Der Senat hat mit Verfügung vom 23.04.2019 (Bl. 343) darauf hingewiesen, dass vor diesem Hintergrund die Voraussetzungen eines Anspruchs gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB nicht ausgeschlossen erscheinen, das Strafurteil allerdings den Zeitraum 2009/2010 betreffe, so dass es weiteren Vortrags zu den Voraussetzungen deliktischen Handelns bedürfe.
Der Kläger hat sich auf die Feststellungen im Strafurteil zu einem betrügerischen Handeln des Beklagten berufen und erklärt, dass der Beklagte zu 1) auch nach 2010 weiterhin ein „Schneeball-System“ betrieben habe. Das Geschäftsmodell der streitgegenständlichen S. sei identisch fortgeführt worden.
Er hat beantragt,
Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Schweinfurt vom 14.12.2018 zum Aktenzeichen 21 O 761/16
a) wird der Beklagte verurteilt, an die Klägerseite 60.186,18 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.06.2016, ZugumZug gegen Übertragung der Rechte aus dem am 27.02.2012 von der Klägerseite unterzeichneten Vertrag über den Ankauf von Rückkaufswerten aus Vermögensanlagen mit der S. in Konkursliquidation, übernommen von der L. GmbH mit Übernahmevertrag vom 30.04.2012 zur Vertragsnummer: X, zu zahlen,
b) wird der Beklagte weiterhin verurteilt, an die Klägerseite die außergerichtlich angefallene Geschäftsgebühr gemäß §§ 13, 14 Nr. 2300 VV RVG in Höhe von 766,36 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
c) wird festgestellt, dass sich der Beklagte im Hinblick auf den Antrag zu a) im Verzug mit der Annahme befindet,
d) wird festgestellt, dass die Schadensersatzpflicht des Beklagten zu 1) aus einer vorsätzlich begangenen deliktischen Handlung herrührt.
Der Beklagte zu 1) hat beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt die erst gerichtliche Entscheidung und bestreitet ein deliktisches Handeln.
II.
Die gemäß §§ 511 ff. ZPO zulässige Berufung ist nicht begründet. Dem Kläger ist nicht der Nachweis der Voraussetzungen eines Anspruchs gemäß §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 32 Abs. 1 S. 1, 54 Abs. 1 KWG, § 826 BGB auf Schadensersatz im Zusammenhang mit dem vorliegenden Vertrag vom 27.02.2012 gelungen, da es aufgrund eines vom Landgericht zutreffend angenommenen unvermeidbaren Verbotsirrtums des Beklagten zu 1) an einer schuldhaften unerlaubten Handlung bzw. der Verletzung des Schutzgesetzes fehlt (1.). Gleichfalls scheidet ein Anspruch gemäß §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB aus, da ein betrügerisches Verhalten des Beklagten bezogen auf den streitgegenständlichen Zeitpunkt der Anlageentscheidung des Klägers im Jahr 2012 nicht dargelegt ist (2.).
1.
Hinsichtlich der Annahme eines unvermeidbaren Verbotsirrtums sieht der Senat auch unter Berücksichtigung des Vortrags des Klägers keine Veranlassung, von seiner bisherigen Rechtsprechung in dieselbe Gesellschaft (S.) betreffenden vergleichbaren Fällen abzuweichen.
a.
Im Verfahren 1 U 133/15 (Endurteil vom 01.12.2016) hat der Senat insoweit ausgeführt:
„Das Landgericht hat das Schreiben der BaFin vom 10.01.2011 (B9) auch zu Recht als
ausreichende Grundlage für die Prüfung des Verbotsirrtums herangezogen. Sowohl hieraus als auch aus dem von der Klägerseite vorgelegten späteren Schreiben der BaFin vom 19.11.2012 (K9) und dem Schreiben des Bevollmächtigten der S. vom 30.9.2010 (K12) ergibt sich, dass der BaFin Vertragsunterlagen übersandt wurden und dass diese insbesondere den in § 6 des Vertragsmodells vorgesehenen qualifizierten Rangrücktritt zur Beurteilung heranzog. Für die Prüfung des Gesamtcharakters des Geschäftes war die Vorlage eines Musters des Kauf- und Abtretungsvertrages, in dem der qualifizierte Rangrücktritt enthalten war, ausreichend. Vertriebsunterlagen waren für die Prüfung indessen nicht erforderlich. Die S. hatte auch keinen Anlass, an der Richtigkeit der Rechtsauffassung der BaFin zu zweifeln. Es handelte sich nicht lediglich um eine abstrakte Rechtsauskunft über eine hypothetische Fallkonstellation, sondern um die – wenn auch unverbindliche – Rechtsauskunft der zuständigen Erlaubnisbehörde über ein von der S. angewendetes Vertragsmodell.“
Der Senat erachtet diese Zuordnung auch nach erneuter Sachprüfung als zutreffend. Dem steht nicht entgegen, dass das vorliegend zu beurteilende Vertragsmuster nicht der konkreten Prüfung durch die BaFin zugrunde lag. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts entspricht das streitgegenständliche Anlagemodell (“C.“) hinsichtlich der äußeren Gestaltung wie auch Form und Inhalt des enthaltenen Rangrücktritts weitestgehend dem von der BaFin geprüften „Produkt 1“.
b.
Dem hat sich nachfolgend auch der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Bamberg (Urteil vom 31.05.2017, Az. 8 U 15/16) angeschlossen und zur Frage der Vermeidbarkeit es Verbotsirrtums überzeugend ausgeführt:
„Der in diesem Fall bestehende Irrtum des Beklagten betrifft die Erlaubnispflichtigkeit des Geschäftsmodells als (unterstelltes) Bankgeschäft im Sinne von § 32 Abs. 1 KWG, das in diesem Falle auch dem mit der Klägerin geschlossenen Vertrag zu Grunde liegen würde.
Ein Verbotsirrtum im Sinne von § 17 StGB führt dann zu einem Entfallen der Strafbarkeit, wenn er sich als unvermeidbar erweist (vgl. BGH, Urteil vom 24.09.1953, Az.: 5 StR 225/53; Urteil vom 15.05.2012, Az.: VI ZR 166/11, Rz. 23; Schwennicke/Auerbach, KWG, 2. Aufl., § 54, Rn. 15; Lindemann in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, 4. Aufl, § 54, Rn. 13). Die Unvermeidbarkeit eines Verbotsirrtums setzt voraus, dass der Täter alle seine geistigen Erkenntniskräfte eingesetzt und etwa aufkommende Zweifel durch Nachdenken oder erforderlichenfalls durch Einholung verlässlichen und sachkundigen Rechtsrats beseitigt hat. Dabei müssen sowohl die Auskunftsperson als auch die Auskunft aus Sicht des Täters verlässlich sein; die Auskunft selbst muss zudem einen unrechtsverneinenden Inhalt haben. Eine Auskunft ist in diesem Sinne nur dann verlässlich, wenn sie objektiv, sorgfältig, verantwortungsbewusst und insbesondere nach pflichtgemäßer Prüfung der Sach- und Rechtslage erteilt worden ist. Bei Auskunftspersonen ist dies der Fall, wenn sie die Gewähr für eine diesen Anforderungen entsprechende Auskunftserteilung bieten. Hinzu kommt, dass der Täter nicht vorschnell auf die Richtigkeit eines ihm günstigen Standpunkts vertrauen und seine Augen nicht vor gegenteiligen Ansichten und Entscheidungen verschließen darf. Maßgebend sind die jeweils konkreten Umstände des Einzelfalls (vgl. BGH, Urteile vom 4. April 2013 – 3 StR 521/12, NStZ 2013, 461; vom 21. Dezember 2016 – 1 StR 253/16 – juris Rn. 58 f.). Das Vertrauen auf eingeholten rechtsanwaltlichen Rat vermag somit nicht in jedem Fall einen unvermeidbaren Verbotsirrtum des Täters zu begründen. Wendet sich dieser an einen auf dem betreffenden Rechtsgebiet versierten Anwalt, so hat er damit zwar vielfach das zunächst Gebotene getan. Jedoch ist weiter erforderlich, dass der Täter auf die Richtigkeit der Auskunft nach den für ihn erkennbaren Umständen vertrauen darf (BGH, Urteil vom 22.02.2017, Az. 2 StR 573/15 -, Rn. 24, juris). Die Berufung auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum ist dann abzulehnen, wenn sich der Betreiber von Einlagegeschäften bei seinen Erkundigungen bewusst nicht an die BaFin gewendet hatte (OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 08.10.2012, Az.: 2 U 178/12, Rz.6). Eine Unvermeidbarkeit ist nach der Rechtsprechung des BGH damit anzunehmen, wenn der Betreiber des Geschäfts den Umständen nach genügend Erkundigungen über eine Erlaubnispflicht eingeholt hat, vorzugsweise durch Einholung einer Auskunft der Erlaubnisbehörde selbst (BGH, Urteil vom 15.05.2012, Az.: VI ZR 166/11; ebenso Lindemann in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, a.a.O.).
Gemessen an diesen Maßstäben ist dem Beklagten der Nachweis eines unvermeidbaren Verbotsirrtums gelungen. Führt nämlich – wie hier – eine konkrete Anfrage an die BaFin zu einer (unterstellt) falschen Rechtsauskunft, so ist aus Sicht eines Gewerbetreibenden von einem unvermeidbaren Verbotsirrtum auszugehen (Janssen in MüKo-StGB, § 54 KWG, Rn.62; Lindemann in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, a.a.O.).
Dem steht nicht entgegen, dass es sich bei der Auskunft vom 10.01.2011 lediglich um eine unverbindliche schriftliche Mitteilung der BaFin handelte und nicht um ein Negativtestat nach § 4 KWG. Diesem Schreiben ging nämlich ein sehr umfangreiches Anfrageschreiben des Rechtsanwalts V. an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vom 30.09.2010 voraus, in dem die vielfältigen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte zum beabsichtigten / betriebenen Geschäftsmodell der S. aufgezeigt wurden. Anfrage- und Antwortschreiben wurden vom Senat zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Dem Anfrageschreiben vom 30.09.2010 beigefügt waren die von Rechtsanwälten für die S. entworfenen Vertragsformulare, darunter auch jenes, welches im Vertragsverhältnis zur Klägerin Verwendung gefunden hatte. Aus dem Antwortschreiben der BaFin vom 10.01.2011 ergibt sich zweifelsfrei, dass die BaFin auch die gegenständlich verwandten Vertragsunterlagen zur Kenntnis genommen und geprüft hat, denn sie hat explizit auch zu dem in § 6 des Vertragsmodells vorgesehenen qualifizierten Rangrücktritt Stellung genommen. Ausdrücklich hat die Aufsichtsbehörde hierzu ausgeführt, dass dieses Produkt „aufgrund des in § 6 des übersandten Kauf- und Abtretungsvertrages vereinbarten qualifizierten Rangrücktrittes nicht den Tatbestand des Einlagengeschäftes im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG erfüllt“.
Zur Überzeugung des Senats bestand deshalb für den Beklagten kein Anlass, an der Richtigkeit dieser Auskunft zu zweifeln. Selbst wenn also – entgegen der Bewertung der BaFin – von einem Bankgeschäft auszugehen wäre, so unterlag der Beklagte insoweit einem unvermeidbaren Verbotsirrtum.
Der Senat teilt damit ausdrücklich nicht die Rechtsauffassung des Landgerichts Würzburg. Zwar ist es zutreffend, dass auch dem Beklagten die Anforderungen des § 305c BGB bekannt sein mussten, das Erstgericht verkennt jedoch, dass es vorliegend nicht um die Frage einer Kenntnis oder eines Kennenmüssens der allgemeinen Voraussetzungen des § 305c BGB gehen kann, sondern um die Frage, ob die konkret in § 6 geregelte Rangrücktrittsvereinbarung „überraschend“ im Sinne von § 305c BGB war. Das Landgericht setzt in diesem Zusammenhang rechtsfehlerhaft seine eigene Überzeugung einem vom Beklagten zu fordernden Kennenmüssen gleich. Erst recht verbietet sich eine solche Gleichsetzung, wenn, worauf das Erstgericht sogar ausdrücklich hinweist, die Frage einer „überraschenden Klausel“ auch in der Rechtsprechung höchst kontrovers beurteilt wird. Auf dem aufgezeigten Fehler beruht es auch, wenn das Landgericht vom Beklagten fordert, dass er die entwickelten Musterverträge noch einer weiteren Prüfung durch rechtkundige Personen, insbesondere im Hinblick auf § 305c BGB, hätte unterziehen müssen.
Tatsächlich waren an den Beklagten keine weiteren Anforderungen zu stellen. Der Beklagte hat das getan, was von ihm zu fordern gewesen war. Er hat nicht nur die Verträge von Rechtsanwälten entwickeln und prüfen lassen, sondern hat die fertiggestellten Vertragsmuster auch der BaFin zur Prüfung vorgelegt. Selbst wenn man – mit dem Landgericht Würzburg – aus einer ex post-Betrachtung zu einem anderen Ergebnis (als die beauftragten Rechtsanwälte und die BaFin) kommen sollte, wenn man also annehmen wollte, dass die Rangrücktrittsvereinbarung als überraschende Klausel unwirksam wäre, es sich bei dem Vertrag mithin doch um ein erlaubnispflichtiges Bankgeschäft gehandelt hätte, so kann dies doch für die insbesondere bezüglich der Schuldfrage maßgebliche ex ante-Sicht keine Relevanz entfalten.“
c.
Der erkennende Senat schließt sich diesen Ausführungen vollumfänglich an und macht sie sich zu eigen (vgl. auch BGH, Urteil vom 10. Juli 2018, Az. VI ZR 263/17). Die Berufung stellt letztlich aufgrund einer expost-Betrachtung der weiteren Entwicklung der Behandlung des streitgegenständlichen Anlagemodells durch die BaFin überhöhte Anforderungen an die Erkundigungspflicht des Beklagten zu 1). So kann die angeführte „bereits“ mit Bescheid vom 22.08.2012 erfolgte Untersagung des Geschäftsmodells der G. durch die BaFin (Berufungsbegründung S. 6) kein Maßstab für Pflichten des Beklagten zu 1) in Zusammenhang mit einem hier bereits am 27.02.2012 erfolgten Vertragsschluss mit dem Kläger sein.
2.
Der Kläger hat die Voraussetzungen eines Anspruchs gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB nicht hinreichend substantiiert dargelegt.
a.
Zwar verkennt der Senat nicht, dass es Umstände gibt, die unter Berücksichtigung der rechtskräftigen Verurteilung des Beklagten zu 1) durch Urteil des Landgerichts München I vom 25.10.2018 (Az. 4 KLs 324 Js 129882/11) wegen bandenmäßigen Betrugs dafür sprechen, dass dem Kläger im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Rentabilität seiner Anlage vorgespiegelt bzw. wesentliche gegen die Anlage sprechende Umstände verschwiegen wurden. So handelte sich um ein identisches Anlageprodukt, wie es der strafrechtlichen Verurteilung zugrunde lag. Es liegt nahe, dass in dem Anlageprodukt auch noch die geschädigten Altanleger umfasst waren, so dass ein sehr hohes Risiko bestand, dass deren Ansprüche aus den Einlagen des Klägers befriedigt werden würden. Aus dem Strafurteil (S. 62) ergibt sich ferner, dass bei Konkurseröffnung über das Vermögen der S. am 22.02.2013 (ein Jahr nach der Anlage) Aktiva von 700.000,00 CHF Gläubigerforderungen von 100.000.000,00 CHF gegenüber standen.
b.
Allerdings ist dem Kläger nicht der erforderliche Vollbeweis der Voraussetzungen eines Betrugs durch den Beklagten zu 1) bezogen auf den Zeitpunkt der Anlage im Februar 2012 gelungen. Es fehlt diesbezüglich bereits an hinreichend substantiiertem klägerischem Sachvortrag.
Eine zivilrechtliche Verurteilung wegen § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB würde voraussetzen, dass in dem vom Kläger ins Feld geführten Strafurteil zumindest annähernd vergleichbare Feststellungen auch für den streitgegenständlichen Anlagezeitpunkt getroffen worden wären, um den Sachvortrag für die hier vorliegende Fallkonstellation auf eine Verweisung auf dieses Urteil beschränken zu können. Dies war aber ersichtlich nicht der Fall.
Unstreitig gab keinen direkten Kontakt zwischen den Parteien, sondern der Vertragsschluss erfolgte über einen zwischengeschalteten Anlagevermittler. Es hätte entsprechenden Sachvortrags zu einer konkreten Täuschungshandlung wie auch zu deren Gegenstand bedurft. Gleichfalls fehlt an der Darstellung der Voraussetzungen des subjektiven Tatbestands des Betrugs, nämlich unter anderem der umfassenden Kenntnis des Beklagten von der konkreten wirtschaftlichen Lage der S. und von deren Liquidität im Zeitpunkt der Anlage. Ferner erfolgte gemäß den Feststellungen im Strafurteil ein Wechsel des Geschäftsmodells der S. nach Abschluss des der Verurteilung zugrunde liegenden Zeitraums ab Mai 2010, so dass die Feststellungen zur wirtschaftlichen Tätigkeit der Gesellschaft im Strafurteil nicht ohne Weiteres für die hier notwendige Streitentscheidung unter Betrugsaspekten zu übernehmen sind. Für eine Haftung des Beklagten aus Ingerenz fehlt indes jeder Vortrag in dem Sinne, dass bei der dem Beklagten obliegenden Aufklärung über die Umstände aus den Jahren 2009/2010, wegen derer eine Verurteilung wegen bandenmäßigen Betrugs erfolgte, der Kläger die Anlageentscheidung nicht getroffen hätte und Zahlungen nicht vorgenommen haben würde.
c.
Der Senat hat den Kläger mit Verfügung vom 23.04.2010 sowie 22.07.2019 darauf hingewiesen, dass es einer einzelfallbezogenen Darstellung zu den Voraussetzungen der behaupten Ansprüche aus §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB bzw. aus § 826 BGB bedarf und der bloße Verweis auf das Strafurteil vom 25.10.2018 im Verfahren des Landgerichts München I, Az. 4 KLs 324 Js 129882/11, nicht ausreichend ist, nachdem dort die Voraussetzungen eines bandenmäßigen Betrugs bezogen auf Zeiträume in den Jahren 2009/2010, also einen anderen Zeitraum als den hier maßgeblichen betreffend, angenommen wurden und eine Änderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der S. aufgrund eines möglichen Wechsels des Geschäftsmodells ab Mai 2010 in Betracht kam, die strafrechtliche Verurteilung mithin auf anderen, für die vorliegende Streitentscheidung nicht maßgeblichen Tatsachenfeststellungen beruhte.
Weiterer diesbezüglicher Sachvortrag des Klägers bezogen auf den Zeitpunkt des hier entscheidungserheblichen Vertragsschlusses im Februar 2012 erfolgte indes nicht.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgt gemäß § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. 


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