Bankrecht

Fehlerhafte Widerspruchsbelehrung

Aktenzeichen  25 U 2695/18

Datum:
17.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 53867
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 522 Abs. 2, § 543 Abs. 2
AVB § 5
VVG § 8
BGB § 818 Abs. 1

 

Leitsatz

Verfahrensgang

10 O 3684/17 Ver 2018-06-29 Urt LGMUENCHENII LG München II

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 29.06.2018, Az. 10 O 3684/17 Ver, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

Nach einstimmiger Auffassung des Senats hat das Landgericht die Klage zu Recht und – soweit es die Klage deswegen abgewiesen hat, weil die Rechtsausübung vorliegend unzulässig sei und es der Klagepartei nach Treu und Glauben verwehrt sei, sich auf die Unwirksamkeit des Vertrages zu berufen – mit zutreffender Begründung abgewiesen.
1. Der Senat erachtet – wie das Landgericht – die streitgegenständlich erteilte Widerspruchsbelehrung (Muster Anlage K 9) als ausreichend.
Ob eine Widerspruchsbelehrung oder auch eine Rücktrittsbelehrung inhaltlich und formal den gesetzlichen Anforderungen genügt, hat der Tatrichter im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 21.03.2018 – Az. IV ZR 201/16, r+s 2018, 363; BGH, Beschluss vom 17. Mai 2017 – Az. IV ZR 501/15 -, Rn. 12, juris; Senat, Beschluss vom 22.11.2017 – Az. 25 U 4262/16).
Die vorliegend erteilte Widerspruchsbelehrung genügt sowohl dem Gesetzeswortlaut als auch dem Zweck einer „Belehrung“. Die Belehrungspflicht bezweckt, dass der Versicherungsnehmer in die Lage versetzt wird, sein Widerspruchsrecht form – und fristgerecht ausüben zu können. Diesem Sinn und Zweck des Gesetzes ist vorliegend Genüge getan.
1.1. Die Form der Belehrung entspricht der maßgeblichen gesetzlichen Regelung. Die Belehrung erfolgte schriftlich, war drucktechnisch deutlich gestaltet und enthält den Hinweis auf das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer.
Die Widerspruchsbelehrung auf Seite 1 des nur 2 seitigen Anschreibens ist formell und inhaltlich ordnungsgemäß. Der Senat nimmt auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in den Entscheidungsgründen hierzu (unter Ziffer 2.5.1.) Bezug. An der hinreichenden drucktechnischen Hervorhebung hat der Senat bei der vorliegenden Gestaltung überhaupt keine Bedenken. Der Absatz mit der Widerspruchsbelehrung befindet sich in einem kurzen Dokument und ist als einziger Abschnitt durch eine Umrahmung hervorgehoben. Die Belehrung fällt einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer auch bei nur flüchtigem Lesen sofort ins Auge.
1.2. Die Belehrung ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden.
Die Belehrung dahingehend, dass die Frist ab Erhalt bzw. Zugang der Unterlagen zu laufen beginnt genügt (ständige Rechtsprechung des Senats z.B. Beschluss vom 23.04.2012 – Az. 25 U 3887/11, die Nichtzulassungsbeschwerde hiergegen wurde vom BGH mit Beschluss vom 22.07.2015 – Az. IV ZR 173/12 zurückgewiesen; Beschluss vom 20.02.2014 – Az. 25 U 1522/13, die Nichtzulassungsbeschwerde hiergegen wurde vom BGH mit Beschluss vom 21.07.2015 – Az. IV ZR 102/14 zurückgewiesen; Beschlüsse vom 16.07.2015 – Az. 25 U 1593/15, 25 U 3245/14 und 25 U 3266/14; OLG Hamm, Urteil vom 21.11.2014 – Az. 20 U 8/14; OLG Köln, Urteil vom 16.05.2014 – Az. 20 U 31/14; Saarländisches Oberlandesgericht, Urteil vom 18.10.2013 – Az. 5 U 364/12). Für den Beginn der Widerspruchsfrist stellt die vorliegende Belehrung auf den Erhalt der Unterlagen ab. Der maßgebliche Text lautet insoweit wie folgt: „… ab Erhalt dieser Unterlagen…“. Als Unterlagen sind im Anschreiben vorher genannt der Versicherungsschein, die Allgemeinen und Besonderen Bedingungen und die weiteren Informationen (vgl. im einzelnen Anlage K 9).
Unerheblich ist, dass die Verbraucherinformationen nicht als solche bezeichnet sind. So ist es schon gar nicht erforderlich die Unterlagen im Einzelnen in der Belehrung selbst aufzuzählen; eine Bezugnahme auf vorgenannte oder beigefügte Unterlagen kann beispielsweise durch Verwendung der Formulierung die „oben genannten Unterlagen“ bzw. „diese Unterlagen“ erfolgen. Das OLG Köln hält in den Urteilen vom 06.12.2013 – Az. I-20 U 144/13, vom 25.09.2015 – Az. 20 U 97/15, vom 29.04.2016 – Az. 20 U 184/15 und vom 03.05.2016 – Az. 20 U 18/16 eine Widerspruchsbelehrung, die nicht ausdrücklich erwähnt, dass dem Versicherungsnehmer neben dem Versicherungsschein und den Versicherungsbedingungen auch die Verbraucherinformationen vorliegen müssen, damit die Widerspruchsfrist beginnt, für wirksam, da sich das aus der Formulierung „Überlassung der Unterlagen“ und den überlassenen Unterlagen ergebe. Der Bundesgerichtshof hat diese Rechtsauffassung mit Beschlüssen vom 30. Juni 2015 – Az. IV ZR 16/14, vom 29.06.2016 – Az. IV ZR 492/15, vom 21.03.2017 – Az. IV ZR 138/16 und vom 08.12.2016 – Az. IV ZR 144/16 gebilligt. Der Senat schließt sich dem in ständiger Rechtsprechung – vom Bundesgerichtshof gebilligt – an (vgl. z.B. Beschluss vom 20.04.2015 – Az. 25 U 4040/14, die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 11.11. 2015 – Az. IV ZR 264/15 zurückgewiesen, in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde vom 28.04.2015 wurde die Problematik der ordnungsgemäßen Belehrung über den Beginn der Widerspruchsfrist ausdrücklich angesprochen und gerügt und darauf hingewiesen, dass das Policenbegleitschreiben nur vom Erhalt dieser Unterlagen spricht und dass (insoweit im behaupteten Widerspruch dazu) erst in der Belehrung auf S. 21 des Versicherungsscheins auf die Überlassung der im Gesetz genannten Unterlagen abgestellt wurde; Beschluss vom 20.04.2015 – Az. 25 U 237/15, die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 11.11. 2015 – Az. IV ZR 267/15 zurückgewiesen; Beschluss vom 20.04.2015 – Az. 25 U 4235/14, die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 11.11. 2015 – Az. IV ZR 263/15 zurückgewiesen; Urteil vom 24.01.2014 – Az. 25 U 2705/13, die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 30.07.2015 – Az. IV ZR 75/14 zurückgewiesen; Beschluss vom 23.04.2012 – Az. 25 U 3887/11, die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 22.07.2015 – Az. IV ZR 173/12 zurückgewiesen; Beschluss vom 20.02.2014 – Az. 25 U 1522/13, die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 21.07.2015 – Az. IV ZR 102/14 zurückgewiesen; Beschluss vom 20.02.2014 – Az. 25 U 1522/13, die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde vom BGH mit Beschluss vom 21.07.2015 unter Az. IV ZR 102/14 zurückgewiesen; Beschluss vom 06.03.2013 – Az. 25 U 4780/12, die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde vom BGH mit Beschluss vom 28.11.2013 unter Az. IV ZR 144/13 zurückgewiesen; Beschluss vom 02.11.2017 – Az. 25 U 4262/16; Beschluss vom 18.07.2017 – Az. 25 U 1934/17; Beschluss vom 30.06.2017 – Az. 25 U 1996/17; Beschluss vom 11.05.2016 – Az. 25 U 1821/16). Auch das OLG Hamm ist dieser Auffassung: Eine Belehrung über das Widerspruchsrecht nach § 5 a VVG a. F. ist auch dann wirksam, wenn sie die notwendigen Bestandteile der Verbraucherinformation nicht auflistet (OLG Hamm – Beschlüsse vom 26.06.2015 und 30.07.2015 – Az. 20 U 48/15, VersR 2016, 777). Die Verbraucherinformationen müssen nicht als solche bezeichnet sein (BGH, Beschluss vom 12. Juli 2016 – Az. IV ZR 558/15). Die Belehrung genügt daher sowohl dem Gesetzeswortlaut als auch dem Zweck einer „Belehrung“. Es wurden auch alle erforderlichen Unterlagen übersandt.
2. Entgegen der Ansicht der Klägerin sind die streitgegenständlichen Verbraucherinformationen nicht wegen fehlender „Angaben über die Frist, während den Antragsteller an den Antrag gebunden sein soll“ unvollständig. Denn für den in Aussicht genommenen Vertragsschluss nach dem Policenmodell ist es charakteristisch, dass der Antrag den (zu dieser Zeit noch nicht hinreichend informierten) Antragsteller gerade noch nicht bindet, sondern dieser sich bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist jederzeit von dem in Aussicht genommenen Vertragsschluss lösen kann; der Vertrag war bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist schwebend unwirksam, vorher also nicht bindend (vgl. Römer in Römer/ Langheid, VVG, 2. Aufl., § 5a, Rn. 20 – 22, 25 Prölss in Prölss/ Martin, VVG, 27. Aufl., § 5a, Rn. 33, 55). Nr. 1 Buchst. f des Abschnitts I der Anlage D zum VAG verlangt aber schon nach dem Wortlaut nur eine Belehrung über eine bestehende Bindungsfrist. Zudem ergibt sich inzident, aber für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne Weiteres verständlich, schon aus der Belehrung über das Widerspruchsrecht, dass der Versicherungsnehmer bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist an seinen vorangegangenen Antrag gerade nicht gebunden ist (vgl. auch OLG Köln, Urteil vom 27.11.2015 – Az. I-20 U 143/15, 20 U 143/15 -, juris, Rn. 24 – die dagegen eingelegte Revision hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 13.07.2016 – Az. IV ZR 541/15 – zurückgewiesen OLG Hamm – Beschlüsse vom 26.06.2015 und 30.07.2015 – Az. 20 U 48/15, VersR 2016, 777; Senat, Beschluss vom 17.04.2018 – Az. 25 U 373/18; Senat, Beschluss vom 12.01.2018 – Az. 25 U 3174/17; Beschluss vom 02.11.2016 – Az. 25 U 4229/16, Beschluss vom 13.03.2017 – Az. 25 U 13/17). Die Entscheidung des BGH vom 18.07.2018, Az. IV ZR 68/17, steht nicht entgegen, nachdem der streitgegenständliche Vertrag, anders als im BGH entschiedenen Fall, nach dem Policenmodell und nicht, wie dort, nach dem Antragsmodel abgeschlossen wurde.
Zur Angabe des Mindestversicherungsbeitrags (vgl. Abschnitt 1, Ziffer 2 c der Anlage D zum VAG) hat die Beklagte zutreffend auf §§ 5 und 15 der AVB und zum Ausmaß der Garantie (vgl. Abschnitt 1, Ziffer 2 d der Anlage D zum VAG) auf die der Klägerin bei Vertragsschluss übersandte Anlage verwiesen (Schriftsatz vom 05.12.2017, Bl. 42 d.A.). Den Erhalt dieser Informationen hat die Klägerin nicht bestritten, sondern nur ausgeführt, dass sich die nach Abschnitt 1, Ziffer 2 d der Anlage D zum VAG erforderliche Information nicht in § 5 der AVB der Beklagten befindet (Bl. 90 d.A.), was unstreitig, allerdings auch unerheblich ist.
3. Wie bereits dargelegt, ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Klagepartei eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung und ordnungsgemäße Verbraucherinformationen erteilt wurden. Der Vertrag ist vorliegend über einen Zeitraum von mehr als 12 Jahren durchgeführt worden; der Widerspruch erfolgte mehr als 21 Jahre nach Vertragsschluss, so dass es der Klagepartei nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt ist, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten. Der Senat schließt sich in ständiger Rechtsprechung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes an (z. B. Urteil vom 16.07.2014 – Az. IV ZR 73/13, VersR 2014,1065; Entscheidungen vom 08.03.2017 – Az. IV ZR 98/16, 10.06.2015 – Az. IV ZR 105/13, VersR 2015,876, vom 17.08.2015 – Az. IV ZR 310/14 und vom 16.09.2015 – Az. IV ZR 142/13, BeckRS 2015, 16559), bestätigt durch das Bundesverfassungsgericht (Entscheidung vom 02.02.2015 – Az. 2 BvR 2437/14, VersR 2015, 693; Beschluss vom 04.03.2015 – Az. 1 BvR 3280/14; Beschluss vom 23.05.2016 – Az. 1 BvR 2230/15 und 1 BvR 2231/15), dass ein Bereicherungsanspruch des Versicherungsnehmers – bei ordnungsgemäßer Widerspruchsbelehrung und längerer Durchführung des Vertrages – schon wegen widersprüchlichen Verhaltens ausgeschlossen ist (vgl. z.B. Beschluss vom 11.01.2018 – Az. 25 U 3916/17; Beschlüsse vom 22.11.2017 – Az. 25 U 4262/16, 18.07.2017 – Az. 25 U 1934/17, 20.04.2015 – Az. 25 U 237/15, vom 01.06.2015 – Az. 25 U 3379/14, vom 15.06.2015 – Az. 25 U 812/15, Endurteile vom 28.08.2015 – Az. 25 U 1671/14 und 25 U 1931/14). Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Der Vertrag wurde im Januar 1996 abgeschlossen, die Klagepartei hat vereinbarungsgemäß Prämien in Höhe von insgesamt 173.712,96 € bezahlt; den Widerspruch hat sie erst 2017 erklärt. Da die Beklagte die Prämien entgegennahm und erkennbar von einem bestehenden Versicherungsvertrag ausging, konnte die Klagepartei bis zur Kündigung erwarten, Versicherungsschutz zu genießen, der zweifelsfrei bei Eintritt eines Versicherungsfalls in Anspruch genommen worden wäre. Durch das Verhalten der Klagepartei wurde bei der Beklagten auch schutzwürdiges Vertrauen auf die Beständigkeit der vertraglichen Bindung begründet. Die Beklagte muss sich grundsätzlich für ihre gesamte Kalkulation – insbesondere in Hinblick auf Rückstellungen für die Überschussbeteiligung – darauf verlassen können, dass langfristig angelegte Vertragsbeziehungen nicht plötzlich nach vielen Jahren rückabgewickelt werden müssen. Daneben ist außerdem das Vertrauen der Beklagten in den grundsätzlichen Bestand des vom deutschen Gesetzgeber gesetzten Rechts – auch bei etwaigen Zweifeln an der Europarechtskonformität – schutzwürdig und entsprechend zu berücksichtigen (vgl. Allgemein zum Vertrauensschutz in Hinblick auf das Urteil des BGH vom 07.05.2014 – Az. IV ZR 76/11 – auch Bürkle in VersR 2015, 398). Schließlich liegen noch weitere Umstände vor, die es der Klagepartei nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehren, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten. Insoweit wird auf die Ausführungen unter 4. Bezug genommen.
4. Selbst, wenn – wie nicht – die Widerspruchsbelehrung die beanstandeten Mängel enthalten sollte, wäre es der Klägerin nach den vorliegenden Umständen der Klägerin nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten.
Grundsätzlich kann der Versicherer bei nicht ordnungsgemäßer Belehrung kein schutzwürdiges Vertrauen für sich in Anspruch nehmen, da er die Situation selbst herbeigeführt hat (BGH, Urteil vom 26.09.2018 – Az. IV ZR 304/15; BGH, Urteil vom 01.06.2016 – Az. IV ZR 343/15). Darauf, ob der Versicherungsnehmer im Einzelfall trotz nicht ordnungsgemäßer Belehrung von seinem Widerspruchsrecht gleichwohl zutreffend Kenntnis hatte, kommt es nicht an. Die Frage der Ordnungsgemäßheit der Belehrung ist abstrakt zu beurteilen (BGH, Urteil vom 01.06.2016 – Az. IV ZR 343/15, Rn. 19, juris). Die Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens kommt allerdings auch bei nicht ordnungsgemäßer Belehrung in Betracht (BGH, Beschluss vom 27.01.2016 – Az. IV ZR 130/15; BGH, Urteil vom 29.07.2015 – Az. IV ZR 384/14, r+s 2015, 435: offengelassen für nur marginale Fehler in der Widerspruchsbelehrung OLG Hamm, Urteil vom 13.01.2017 – Az. 20 U 159/16 – die Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom BGH am 06.12.2017 unter Az. IV ZR 51/17 zurückgewiesen; OLG Hamm, Beschluss vom 19.09.2018 -Az. I -20 U 102/18 OLG Karlsruhe, Urteil vom 30.05.2018 – Az. 12 U 14/18 OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.12.2016 – Az. 12 U 137/16 OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24.10.2016 – Az. I-4 U 131/16; KG, Urteil vom 12.04.2016 – Az. 6 U 102/15 – rechtskräftig; OLG Köln, Urteil vom 26.02.2016 – Az. 20 U 178/15; OLG Dresden, Beschluss vom 20.08.2018 – Az.4 U 644/18 OLG Dresden, Urteil vom 26.08.2015 – Az. 7 U 146/15, VersR 2015,1498; OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 19.10.2015 – Az. 3 U 49/15; OLG Stuttgart, Urteil vom 06.11.2014 – Az. 7 U 147/10 – VersR 2015, 878; LG Wiesbaden, Urteil vom 12.02.2015 – Az. 9 O 116/14, bestätigt durch OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 19.11.2015 – Az. 3 U 49/15 BGH, Beschlüsse vom 11.11.2015 und 13.01.2016 – Az. IV ZR 117/15, BeckRS 2016, 02174, NJW 2016, 375 für die Belehrung nach § 8 VVG a.F.; BGH, Beschluss vom 23.01.2018 – Az. XI ZR 298/17, Rn. 16, juris, zu Belehrungen in Verbraucherdarlehensverträgen).
Vorliegend veranlassen folgende besondere Umstände den Senat, davon auszugehen, dass sich die Klagepartei rechtsmissbräuchlich auf ihr Widerspruchsrecht beruft:
4.1. Der Vertrag wurde hier wie bereits dargelegt über einen langen Zeitraum, nämlich über 12 Jahre, durchgeführt; der Widerspruch erfolgte über 21 Jahre nach Vertragsschluss.
Je länger der Zeitablauf bis zur Ausübung des Widerspruchsrechts ist, umso höher ist das schutzwürdige Vertrauen des Vertragspartners in den Bestand des Vertrages und umso mehr Gewicht erhält dieses Vertrauen, während umgekehrt der gesetzliche Schutzzweck für die Einräumung des Widerspruchsrechts, dem Vertrag (in zeitlichem Zusammenhang mit seinem Abschluss) widersprechen zu können, mit zunehmendem Zeitablauf immer mehr verblasst und in den Hintergrund tritt. Der Bundesgerichtshof hat zur Frage der (einen Unterfall des Rechtsmissbrauchs darstellenden) Verwirkung entschieden: Zwischen diesen Umständen und dem erforderlichen Zeitablauf besteht eine Wechselwirkung insofern, als der Zeitablauf umso kürzer sein kann, je gravierender die sonstigen Umstände sind, und dass umgekehrt an diese Umstände desto geringere Anforderungen gestellt werden, je länger der abgelaufene Zeitraum ist (BGH, Urteil vom 19. 10. 2005 – Az. XII ZR 224/03, NJW 2006, 219).
Sofern – wie im Fall einer nicht ordnungsgemäßen Belehrung – noch besondere Umstände vorhanden sein müssen, damit sich die Ausübung des Widerspruchsrechts als rechtsmissbräuchlich darstellt, kommt diesen Umständen mit zunehmendem Zeitablauf immer weniger Bedeutung zu. Bei (vorliegend) besonders langem Zeitablauf zwischen Vertragsschluss und Widerspruch kommt die Annahme eines Rechtsmissbrauchs deshalb schon dann in Betracht, wenn an sich eher gering zu gewichtende Umstände für eine solche Annahme vorhanden sind.
4.2. Solche Umstände liegen hier ohne weiteres vor:
4.2.1. Der behauptete Belehrungsfehler ist nicht gravierend. Die Belehrung ist drucktechnisch hervorgehoben und kaum zu übersehen; der Versicherungsnehmer ist ohne Weiteres in der Lage die Widerspruchsfrist richtig zu berechnen.
4.2.2. Der Vertrag ist am 01.02.2008 abgelaufen und wurde einvernehmlich abgewickelt; die Klagepartei hat sich den aus der vertraglichen Vereinbarung ergebenden Rückkaufswert von 216.555,78 € auszahlen lassen (Anlage K 2) und dann noch bis Mai 2017 gewartet, bis sie den Widerspruch erklärt hat.
Zwar schließt beispielsweise eine Kündigung und eine darauf folgende einvernehmliche Auszahlung des Rückkaufswertes einer Lebensversicherung – wenn der Versicherungsnehmer nicht ausreichend belehrt wurde oder auf andere Weise Kenntnis von seinem Widerrufsrecht hatte – den späteren Widerspruch/Widerruf des Vertrages nicht aus (BGH, Urteil vom 13.09.2017 – Az. IV ZR 445/14, zfs 2017, 629; BGH, Urteil vom 17.05.2017 – Az. IV ZR 499/14 BGH, Entscheidung vom 16.10.2013 – Az. IV ZR 52/12). Entsprechendes ist auch für eine Vertragsabwicklung nach vereinbarungsgemäßem Ende des Vertrages anzunehmen.
Das verbietet aber nicht, die einvernehmliche Vertragsabwicklung bei der Würdigung, ob die Ausübung des Widerspruchsrechts im Einzelfall rechtsmissbräuchlich ist, zu berücksichtigen. Der Zeitablauf zwischen Vertragsablauf und Widerspruch ist in die Bewertung miteinzubeziehen. Für Verbraucherdarlehensverträge hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die maßgebliche Frist für das Zeitmoment mit dem Zustandekommen des Verbraucherdarlehensvertrags anläuft, dagegen der Zeitraum zwischen der (einvernehmlichen – im entschiedenen Fall vorzeitigen) Beendigung des Verbraucherdarlehensvertrags und dem Widerruf nicht (nur) das Zeit-, sondern das Umstandsmoment betrifft; hierbei kann gerade bei beendeten Verbraucherdarlehensverträgen das Vertrauen des Unternehmers auf ein Unterbleiben des Widerrufs schutzwürdig sein, auch wenn die von ihm erteilte Widerrufsbelehrung ursprünglich den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprach und er es in der Folgezeit versäumt hat, den Verbraucher nachzubelehren (BGH, Beschluss vom 23.01.2018 – Az. XI ZR 298/17, BeckRS 2018, 3224). Eine solche Konstellation ist vorliegend aufgrund der langjährigen Vertragsdurchführung, der erfolgten einvernehmlichen Abwicklung und des langen Zeitraums zwischen Abwicklung und Widerspruch gegeben. Die Beklagte konnte insbesondere auch nach Ablauf der regulären Verjährungsfrist erwarten, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden.
4.2.3. Die Klagepartei hat den Vertrag zur Finanzierung ihres Neubaus verwendet und wollte auch während der Vertragslaufzeit versichert sein (vgl. Anhörung der Klägerin vor dem Landgericht vom 23.05.2018, Bl. 96 d.A.); das zeigt, dass die – über ihr Widerspruchsrecht informierte – Klägerin, die selbst einen (wirksamen) Vertrag erstrebt und benötigt hat am Vertrag festhalten wollte.
4.2.4. Zutreffend weist das Landgericht auch darauf hin, dass der Vertrag im Rahmen eines Steuersparmodells abgeschlossen wurde. Auch die steuerliche Geltendmachung der Beiträge setzt einen wirksamen Vertrag voraus und bringt zum Ausdruck, dass die Klagepartei am Vertrag festhalten will. Andernfalls hätte sie ggfs. über Jahre hinweg ungerechtfertigte Steuervorteile in Anspruch genommen. Soweit die Klägerin im Schriftsatz vom 08.01.2018 vorträgt, sie habe Prämienzahlungen nicht steuerlich geltend machen können (Bl. 61 d.A.), ist dieser Vortrag nicht hinreichend substantiiert, da er im Widerspruch zu der Angabe steht, der Vertrag sei im Rahmen eines Steuersparmodells abgeschlossen worden. Nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast wäre insoweit von der Klägerin konkret vorzutragen, auf welche Weise Steuern gespart werden sollten, ob der Vertrag in den Steuererklärungen angegeben wurde und aus welchen Gründen es im konkreten Fall nicht zu einer Steuerersparnis gekommen ist.
5. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist eine Vorlage an den EuGH in Hinblick auf eine etwaige Europarechtswidrigkeit des Policenmodells ist nicht veranlasst. Denn darauf kommt es nicht entscheidungserheblich an. Ohne Entscheidungserheblichkeit besteht weder eine Vorlagepflicht, noch ein Vorlagerecht. Der Klagepartei ist auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten. Auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen.
6. Der Senat folgt der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Beschlüsse vom 12.10.2015 – Az. IV ZR 293/14, vom 30.07.2015 – Az. IV ZR 63/13, vom 17.08.2015 und 19.10.2015 – Az. IV ZR 310/14 Urteil vom 10.06.2015 – Az. IV ZR 105/13 Urteil vom 16.07.2014 – Az. IV ZR 73/13), dass auch in Hinblick auf die Annahme eines Rechtsmissbrauchs eine Vorlage an den EuGH nicht geboten ist, da ein „acte éclairé“ vorliegt, in ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. Beschluss vom 02.11.2016 – Az. 25 U 4229/16; Beschluss vom 01.06.2015 – Az. 25 U 3379/14; Beschluss vom 15.07.2015 – Az. 25 U 3266/14; Beschluss vom 16.07.2015 – Az. 25 U 416/14; Endurteile vom 28.08.2015 – Az. 25 U 1671/14 und 25 U 1931/14). Das entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Nichtannahmebeschluss vom 02.02.2015- Az. 2 BvR 2437/14).
Der EuGH hat das Rechtsmissbrauchsverbot als allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts im Urteil vom 05.07.2007, Kofoed, C-321/05, Slg. 2007, I-5795, Rn. 37, 38, ausdrücklich anerkannt. In anderen Entscheidungen, wie den vom BVerfG im oben genannten Nichtannahmebeschluss zitierten vom 02.05.1996, Paletta, C-206/94, Slg. 1996, I-2357, Rn. 25, oder vom 21.07.2011, Oguz, C-186/10, Slg. 2011, I-6957, Rn. 24, 25 m.w.N., hat der EuGH wiederholt klargestellt, dass aus seiner Rechtsprechung hervorgehe, dass die betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf die Normen des Unionsrechts nicht gestattet ist und dass die nationalen Gerichte in jedem Einzelfall dem missbräuchlichen oder betrügerischen Verhalten der Betroffenen auf der Grundlage objektiver Kriterien Rechnung tragen können, um ihnen gegebenenfalls die Berufung auf das einschlägige Unionsrecht zu verwehren. Bei der Beurteilung eines solchen Verhaltens hätten diese Gerichte allerdings die Ziele der fraglichen unionsrechtlichen Bestimmungen zu beachten.
In der Rechtssache „Diamantis“ lautet der dortige Leitsatz zu 1 wie folgt: „1 Die missbräuchliche oder betrügerische Berufung auf Gemeinschaftsrecht ist nicht gestattet. Es kann daher nicht als gemeinschaftsrechtswidrig angesehen werden, dass nationale Gerichte eine Bestimmung des nationalen Rechts anwenden, um zu beurteilen, ob ein sich aus einer Gemeinschaftsbestimmung ergebendes Recht missbräuchlich ausgeübt wird. Jedoch darf die Anwendung einer solchen nationalen Rechtsvorschrift nicht die volle Wirksamkeit und die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts in den Mitgliedstaaten beeinträchtigen.“ (EuGH, Urteil vom 23.03.2000, Diamantis, C-373/97, Slg. 2000, I-1705).
Wie der BGH im Urteil vom 16.07.2014 (aaO., Rn. 42) zutreffend unter Berufung auf eben diese Entscheidung des EuGH (aaO., Rn. 35) ausgeführt hat, obliegt die Anwendung dieser Grundsätze auf den konkreten Einzelfall dem nationalen Gericht.
Die grundsätzliche Zuständigkeit des nationalen Gerichts für die Entscheidung derartiger Fragen hat der EuGH im Jahr 2014 erneut bestätigt. Er hat in einem Vorabentscheidungsverfahren zum Geschmacksmusterrecht, Urteil vom 13.02.2014, C-479/12, GRUR 2014, 368, das u.a. zur Frage der Möglichkeit der Verwirkung eines (nach deutschem Recht begründeten) Unterlassungsanspruchs vorgelegt worden war, ausdrücklich klargestellt, dass – sofern die zugrundeliegende europarechtliche Regelung dazu schweigt – neben der Verjährung auch die Verwirkung dem nationalen Recht unterliege, das unter Beachtung des Äquivalenz- und des Effektivitätsgrundsatzes angewendet werden müsse (vgl. dortiger Tenor Ziffer 4. sowie Rn. 23, 45 ff, 49).
Im streitgegenständlichen Fall beeinträchtigt die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben nach dem deutschen Recht weder die Wirksamkeit noch die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts. Die Zweite und Dritte Richtlinie Lebensversicherung enthalten in den einschlägigen Bestimmungen und Erwägungsgründen zu den zu erteilenden Informationen und zum Rücktrittsrecht (vgl. Urteil des EuGH vom 19. Dezember 2013, C-209/12, VersR 2014, 225, zu § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F.) keine Regelungen zur Frage des Rechtsmissbrauchs, sondern schweigen insoweit. Vergleichbar dem vom BGH entschiedenen Fall wird auch hier der vom EuGH in diesem Urteil (aaO., Rn. 25) dargelegte Zweck der Dritten Richtlinie Lebensversicherung, eine genaue Belehrung des Versicherungsnehmers über sein Rücktrittsrecht vor Abschluss des Vertrages sicherzustellen, nicht berührt, wenn im Einzelfall einem Versicherungsnehmer, nach jahrelanger Durchführung des Vertrages die Geltendmachung eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs unter Berufung auf ein gemeinschaftsrechtswidriges Zustandekommen des Vertrages verwehrt wird. Ebensowenig wird der weitere in der genannten EuGH-Entscheidung angesprochene Zweck einer hinreichenden Auswahlmöglichkeit aufgrund ausreichender Information (aaO., Rn. 24) berührt. Diese Zielsetzung ist nach über 21 Jahren ohnehin nicht mehr erreichbar. Eine trotz der hier gegebenen Umständen und trotz eines Ablaufs wie hier noch eingeräumte Lösungsmöglichkeit würde dem Versicherungsnehmer vielmehr die Möglichkeit eröffnen, seine – als Kapitalanlage stets in gewissem Umfang spekulative – Entscheidung für eine bestimmte Lebens- oder Rentenversicherung nachträglich mit dem Wissensvorsprung um die zwischenzeitlichen Entwicklung des Zinsniveaus zu revidieren – wobei er daneben über viele Jahre den vorgesehenen Versicherungsschutz genossen hätte. Eine derartige Zweckbestimmung enthalten die zugrundeliegenden Richtlinien ganz offensichtlich nicht; eine solche Zielsetzung ist auch nicht schützenswert.
Selbst wenn das Policenmodell wegen der „Widerspruchslast“ nicht vollumfänglich europarechtskonform sein sollte, so hat die Klagepartei mit dem Versicherungsschein jedenfalls alle notwendigen Informationen erhalten und von dem ihr bekanntgegebenen Recht, mit dem minimalem Aufwand eines Widerspruchsschreibens an die Beklagte den Vertrag nicht zustande kommen zu lassen, gerade keinen Gebrauch gemacht. Das europarechtlich eingeräumte Recht des Versicherungsnehmers, sich vom Vertrag zu lösen, wird insoweit auch deshalb durch die Anwendung dieser Grundsätze nicht unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert, da der Gesichtspunkt von Treu und Glauben keineswegs stets bei ordnungsgemäßer Belehrung greift, sondern nur in Fällen jahrelanger Durchführung des Vertrages (vgl. auch BGH, aaO., Rn. 41).
Im streitgegenständlichen Fall ist im Übrigen ergänzend zu berücksichtigen, dass er auch eine subjektive Missbrauchskomponente enthält. Denn die Klage zielt nicht auf Beitragsrückerstattung ab – es wurde weit mehr als die einbezahlten Beiträge ausbezahlt -, sondern allein darauf, über das nationale Bereicherungsrecht, das gemäß § 818 Abs. 1 BGB auch eine Herausgabepflicht für gezogene Nutzungen vorsieht, eine höhere Verzinsung aller Beitragszahlungen als ursprünglich erwartbar zu erreichen – sei es bei der vereinbarten oder einer entsprechenden Alternativanlage. Ziel der Klägerin ist ersichtlich nicht, die damalige Auswahlentscheidung ungeschehen zu machen, sondern die Maximierung ihrer Rendite – der Rückkaufswert liegt über dem Einzahlungsbetrag – zu Lasten der Versichertengemeinschaft.
Über all diese Erwägungen hinaus ist außerdem anzumerken, dass – worauf auch das BVerfG im Nichtannahmebeschluss vom 02.02.2015, 2 BvR 2437/14, Rn. 47, hingewiesen hat – weder der EuGH noch das neuere europäische Richtlinienrecht dem Verbraucherschutz einen absoluten Vorrang gegenüber anderen Zielen und Zwecken einräumen, sondern diesem durchaus Grenzen setzen. So führt der EuGH in seinem Urteil vom 10.04.2008, Hamilton, C-412/06, Slg. 2008, I-2383, Rn. 39, 40, wie folgt aus:
„39 Im Übrigen zeigt der Begriff „geeignete“ in dieser Bestimmung, dass die entsprechenden Maßnahmen nicht auf einen absoluten Schutz des Verbrauchers abzielen. Das Ermessen, über das die Mitgliedstaaten verfügen, ist nämlich im Einklang sowohl mit dem Hauptzweck der Richtlinie über Haustürgeschäfte als auch mit den anderen Bestimmungen dieser Richtlinie auszuüben.
40 Zwar bezweckt die Richtlinie über Haustürgeschäfte, wie in Rn. 32 des vorliegenden Urteils ausgeführt, hauptsächlich den Schutz des Verbrauchers, doch deuten sowohl das allgemeine System dieser Richtlinie als auch der Wortlaut einiger ihrer Bestimmungen darauf hin, dass für diesen Schutz bestimmte Grenzen gelten.“
Die RL 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher, durch die der Verbraucherschutz für Fernabsatz- und Haustürgeschäfte reformiert wurde, sieht in Artikel 10 Abs. 1 nunmehr ausdrücklich selbst bei mangelhafter Belehrung eine zeitliche Befristung des Widerrufsrechts auf 12 Monate nach Ablauf der ursprünglichen Widerrufsfrist vor. Dies wird – vgl. Vorbemerkung (43) – explizit mit der Gewährleistung der Rechtssicherheit begründet. Daneben werden auch Ausnahmen für das Widerrufsrecht insbesondere für Verträge spekulativer Art vorgesehen – vgl. Vorbemerkung (49) und Art. 16 b).
7. Ebensowenig besteht Anlass für eine Zulassung der Revision. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Hinsichtlich der entscheidungserheblichen Problematik des Rechtsmissbrauchs mit seinen europarechtlichen Bezügen folgt der Senat gerade den neuesten Rechtsprechungsgrundsätzen des BGH und wendet diese auf den hier zur Entscheidung stehenden konkreten Einzelfall an. Eine Revisionszulassung zur Klärung der „streitgegenständlichen Widerspruchsbelehrung“ kommt ebenfalls nicht in Betracht. Eine Zulassung der Revision setzt voraus, dass der Zulassungsgrund für alle das Urteil tragenden Erwägungen besteht; ist das Urteil auf mehrere selbständig tragende Gründe gestützt, ist es erforderlich, dass hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Zulassungsgrund gegeben ist (BGH, Beschluss vom 29. Mai 2002 – Az. V ZB 11/02, BGHZ 151, 42-46, Rn. 8 bei juris; so auch Senat, Beschluss vom 20.07.2018 – Az. 25 U 1090/18; Senat, Beschluss vom 01.08.2018 -Az. 25 U 563/18; Senat, Urteil vom 31.08.2018 – Az. 25 U 607/18; Krüger in Münchner Kommentar zur ZPO, 5.Auflage 2016, § 544 Rn.14). Wie oben dargestellt, kann, selbst wenn die gerügten Mängel der Widerspruchsbelehrung vorliegen würden, die Klage trotzdem keinen Erfolg haben. Schon deshalb kommt eine Revisionszulassung zur Klärung der „streitgegenständlichen Widerspruchsbelehrung“ nicht in Betracht. Ausserdem ist die Bewertung der Widerspruchserklärung das Ergebnis einer Einzelfallbetrachtung(BGH, Beschluss vom 21.03.2018 – Az. IV ZR 201/16, r+s 2018, 363; BGH, Beschluss vom 17. Mai 2017 – Az. IV ZR 501/15 -, Rn. 12, juris; Senat, Beschluss vom 22.11.2017 – Az. 25 U 4262/16).
Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt der Senat aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).


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