Baurecht

Anfechtung einer straßenrechtlichen Einziehung – Erfolgloser Berufungszulassungsantrag

Aktenzeichen  8 ZB 15.1340

Datum:
3.11.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 54934
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayStrWG Art. 8, Art. 13

 

Leitsatz

1. Art. 8 Abs. 1 S. 1 BayStrWG stellt hinsichtlich der Entscheidung über eine Einziehung ausschließlich auf öffentliche Interessen ab (vgl. VGH München BeckRS 2012, 59607).  (redaktioneller Leitsatz)
2. Es besteht grundsätzlich kein Rechtsanspruch auf Einziehung eines bestimmten Straßenstücks (vgl. VGH München BeckRS 2005, 27235). (redaktioneller Leitsatz)
3. Auch aus dem rechtswirksam durch Widmung belasteten Grundstückseigentum kann sich keine auf Einziehung einer dort vorhandenen öffentlichen Straße gerichtete Rechtsposition ergeben.  (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 1 K 13.442 2015-04-24 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Beigeladene trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Beigeladene wendet sich gegen das erstgerichtliche Urteil und verteidigt eine vor dem Verwaltungsgericht vom Kläger mit Erfolg angefochtene straßenrechtliche Einziehung eines Teilstücks einer Ortsstraße (Grundstück FlNr. 32/1 der Gemarkung …) im Gemeindegebiet der Beklagten.
Das betreffende Straßengrundstück FlNr. 32/1 der Gemarkung … steht im Eigentum der Beigeladenen. Die Beigeladene hat das Straßengrundstück vom Beklagten auf der Grundlage von Notarverträgen vom 4. Juni 1999 und 23. November 2000 erworben. Die Einziehung des Straßenabschnitts erfolgte mit Verfügung des Beklagten vom 1. September 2006 und wurde am 1. Juni 2013 neu bekanntgemacht. Mit Schriftsatz vom 25. Juni 2013 ließ der Kläger gegen die Einziehung Klage erheben.
Der Kläger tritt dem Antrag der Beigeladenen auf Zulassung der Berufung entgegen und verteidigt die erstgerichtliche Entscheidung. Der Beklagte sieht von einer Stellungnahme ab.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Behördenakten verwiesen.
II.
Der Zulassungsantrag der Beigeladenen hat keinen Erfolg. Ungeachtet dessen, dass bereits eine materielle Beschwer der Beigeladenen – und damit die Zulässigkeit des Rechtsmittels – zweifelhaft ist (vgl. hierzu Ziff. 1.2), wurden die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht hinreichend dargelegt und liegen jedenfalls nicht vor (vgl. § 124 Abs. 2 VwGO, § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Aus dem Vorbringen der Beigeladenen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nur, wenn einzelne tragende Rechts-sätze oder erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts durch schlüssige Gegenargumente infrage gestellt werden. Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn der Antragsteller substanziiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (vgl. BVerfG, B. v. 3.3.2004 – 1 BvR 461/03 – BVerfGE 110, 77/83; B. v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546). Dabei kommt es grundsätzlich nicht auf einzelne Elemente der Urteilsbegründung an, sondern auf das Ergebnis der Entscheidung, also auf die Richtigkeit des Urteils nach dem Sachausspruch in der Urteilsformel (vgl. BVerwG, B. v. 10.3.2004 – 7 AV 4/03 – DVBl 2004, 838; BayVGH, B. v. 24.2.2006 – 1 ZB 05.614 – juris Rn. 11; B. v. 19.3.2013 – 20 ZB 12.1881 – juris Rn. 2).
1.1 Die Beigeladene verweist im Zulassungsantrag in materieller Hinsicht insbesondere darauf, dass es der Kläger (durch die Vornahme entsprechender Grundstücksgeschäfte) selbst herbeigeführt habe, dass in dessen Eigentum stehende Grundstücke ausschließlich über das verfahrensgegenständliche Straßengrundstück zugänglich seien. Weiter verweist die Beigeladene darauf, dass der Kläger vom Verkauf des verfahrensgegenständlichen Grundstücks FlNr. 32/1 der Gemarkung … vom Beklagten an die Beigeladene mit Notarverträgen vom 4. Juni 1999 und 23. November 2000 gewusst habe.
Dieser Vortrag der Beigeladenen kann die Ergebnisrichtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nicht in Zweifel ziehen. Die Einziehung einer Straße erfolgt nach Art. 8 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG, wenn die Straße jede Verkehrsbedeutung verloren hat oder überwiegende Gründe des öffentlichen Wohls vorliegen. Das Verwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung nachvollziehbar darlegt, dass die verfahrensgegenständliche Straße ihre Verkehrsbedeutung vorliegend nicht verloren hat und für überwiegende Gründe des öffentlichen Wohls nichts ersichtlich ist (vgl. Urteilsumdruck, S. 8 f.). Dem tritt die Beigeladene mit ihrem Vortrag schon nicht konkret entgegen.
1.2 Dessen ungeachtet ist – wie auch das Verwaltungsgericht bereits zutreffend dargelegt hat (vgl. Urteilsumdruck, S. 8 f.) – darauf zu verweisen, dass Art. 8 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG hinsichtlich der Entscheidung über eine Einziehung ausschließlich auf öffentliche Interessen abstellt (vgl. BayVGH, B. v. 7.11.2012 – 8 ZB 11.1811 – juris Rn. 7). In der Konsequenz besteht grundsätzlich kein Rechtsanspruch auf Einziehung eines bestimmten Straßenstücks (vgl. BayVGH, B. v. 31.3.2005 – 8 ZB 04.2279 – BayVBl 2006, 88/89 m. w. N.). Zugleich kann sich auch aus dem rechtswirksam durch Widmung belasteten Grundstückseigentum keine auf Einziehung einer dort vorhandenen öffentlichen Straße gerichtete Rechtsposition ergeben (vgl. Häußler in Zeitler, BayStrWG, 26. Ergänzungslieferung Oktober 2015, Art. 8 Rn. 55).
Die Beigeladene trägt keine Gesichtspunkte vor, die es denkbar erscheinen lassen, dass deren besondere individuelle Belange für die Entscheidung über die Einziehung hier ausnahmsweise maßgeblich sein könnten (vgl. hierzu BayVGH, B. v. 31.3.2005 – 8 ZB 04.2279 – BayVBl 2006, 88/89 m. w. N.). Namentlich die von der Beigeladenen angeführten Gesichtspunkte, die eine eingeschränkte Schutzbedürftigkeit bzw. Schutzwürdigkeit des Klägers aufzeigen sollen, vermögen eine Ausnahmesituation hinsichtlich der eigenen Belange der Beigeladenen als Eigentümerin des Straßengrundstücks schon im Ansatz nicht aufzuzeigen. Insoweit ist vorliegend zulasten der Beigeladenen keine materielle Beschwer ersichtlich. In der Konsequenz dürfte es bereits an der Zulässigkeit des Rechtsmittels der Beigeladenen fehlen (vgl. nur Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, Vor § 124, Rn. 30 m. w. N.).
Der Eigentümer eines für eine öffentliche Straße wirksam in Anspruch genommenen Grundstücks wird vom öffentlichen Straßenrecht nach Art. 13 BayStrWG grundsätzlich darauf verwiesen, gegebenenfalls die Aufgabe des privaten Eigentums an der Wegefläche zu betreiben. Ob sich darüber hinaus vorliegend (auch) zivilrechtliche (Sekundär-)Ansprüche der Beigeladenen gegen den Beklagten aus den vertraglichen Vereinbarungen über die Grundstücksfläche FlNr. 32/1 der Gemarkung … ergeben könnten, ist nicht Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Rechtsstreits.
1.3 Schließlich hält die Beigeladene das Vorgehen des Klägers namentlich dahingehend für rechtsfehlerhaft bzw. rechtsmissbräuchlich, dass dieser vor dem Verkauf einer bestimmten Grundstücksfläche von Rechtsbehelfen gegen die Einziehung zunächst abgesehen habe. Die damit angesprochenen Fragestellungen hat das Verwaltungsgericht unter den Gesichtspunkten Klagefrist und Verwirkung in seinem Urteil ausführlich erörtert (vgl. Urteilsumdruck, S. 9 f.), ohne dass sich die Beigeladene im Zulassungsverfahren mit den diesbezüglichen gerichtlichen Ausführungen konkret und substanziell auseinandersetzt. Dies genügt den Darlegungsanforderungen nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht. Dessen ungeachtet ist bezüglich eines rechtsmissbräuchlichen Vorgehens des Klägers für den Senat auch nichts ersichtlich (vgl. BayVGH, B. v. 22.10.2015 – 8 ZB 13.647 u. a. – NVwZ-RR 2016, 206 Rn. 12 ff.).
2. Ein Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), namentlich eine Missachtung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) durch das Erstgericht, ist ebenfalls nicht nachvollziehbar dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) und auch sonst nicht erkennbar. Dass das Verwaltungsgericht vorliegend andere Gesichtspunkte für rechtlich ausschlaggebend erachtet als die Beigeladene, begründet keinen Gehörsverstoß.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 sowie § 52 Abs. 1 GKG unter Orientierung an Ziff. 43.3 (Widmung, Einziehung) des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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