Baurecht

Antrag auf Abänderung eines Beschlusses im einstweiligen Rechtsschutzverfahren, Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung, baurechtliche Nachbarklage, Neubau eines SB-Marktes inklusive Backshop, Verkürzung der Abstandsflächen in vorhabenbezogenem Bebauungsplan, Änderung der Rechtslage aufgrund der Novellierung der Vorschrift zum Abstandsflächenrecht in der Bayerischen Bauordnung

Aktenzeichen  W 5 S 21.877

Datum:
27.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 31009
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 7 S. 2
VwGO § 80a Abs. 3
VwGO § 80 Abs. 5
BayBO Art. 68 Abs. 1 S. 1
BayBO Art. 60
Art. 6 Abs. 5 S. 1 BayBO a.F. und n.F.
BayBO a.F. Art. 6 Abs. 7 Nr. 2
BauNVO § 15 Abs. 1 S. 2
BauGB § 35 Abs. 2
BauGB § 35 Abs. 3 Nr. 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 15. Juni 2020 (Az. W 5 S 20.705) wird der Antrag des Antragsgegners auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die der Antragstellerin erteilte Baugenehmigung vom 17. Dezember 2019 abgelehnt.
II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 6.250,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt die Abänderung eines Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg, in welchem dieses die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragsgegners gegen eine der Antragstellerin erteilte Baugenehmigung angeordnet hat.
1. Der Antragstellerin wurde mit Bescheid vom 17. Dezember 2019 eine Baugenehmigung für den Neubau eines SB-Marktes auf den Grundstücken mit den Fl.Nrn. *4, *4/3 und *5 der Gemarkung M* … erteilt. Der Antragsgegner ist Eigentümer der nordöstlich angrenzenden Grundstücke Fl.Nrn. *2 und *3 der Gemarkung M* … Diese Grundstücke sind überwiegend unbebaut. Im östlichen Teil des Grundstücks Fl.Nr. *3 befinden sich Bestandsgebäude, für die zuletzt im Jahr 2017 ein Vorbescheid zur Nutzungsänderung des bestehenden Stalles und der Scheune in gewerbliche Nutzung erteilt wurde. Für den Bereich der Grundstücke Fl.Nrn. *2 und *3 existiert kein Bebauungsplan. Der Flächennutzungsplan R* …-M* … (4. Gesamtänderung i.d.F. vom 4.3.2005) weist hier eine Wohnbaufläche aus. Die Grundstücke Fl.Nrn. *2 und *3 liegen zum größten Teil im amtlich festgesetzten Überschwemmungsgebiet der P* … Das direkt an das Bauvorhaben angrenzende Grundstück Fl.Nr. *3 wird zum überwiegenden Teil landwirtschaftlich genutzt.
Für das Bauvorhaben gibt es einen in Aufstellung befindlichen vorhabenbezogenen Bebauungsplan Sondergebiet „großflächiger Einzelhandel“ des Marktes R* … i.d.F. vom 12. Dezember 2019 (Satzungsbeschluss des Marktgemeinderats R* … vom 12.12.2019 über den Bebauungsplan i.d.F. vom 5. September 2019). Der Bebauungsplan trifft unter Ziffer 1.2.2. („Abstandsflächen“) die Regelung, dass bei allen zu errichtenden Gebäuden gemäß Art. 6 Abs. 7 der Bayerischen Bauordnung (BayBO) Abstandsflächen von 0,4 H, mindestens jedoch drei Meter einzuhalten sind. Der Satzungsbeschluss wurde bisher nicht bekannt gemacht.
2. Mit Bescheid vom 17. Dezember 2019 erteilte das Landratsamt Würzburg der Antragstellerin die Baugenehmigung für den Neubau eines SB-Marktes inklusive Backshop mit 50 Gastplätzen auf den Grundstücken mit den Fl.Nrn. *4, *4/3 und *5 der Gemarkung M* … (A* …, M* …*). Von den Festsetzungen des Bebauungsplans wurden Befreiungen bezüglich der Höheneinstellung, der Dachform (Anbauten), der privaten Grünfläche und der Art der Dacheindeckung erteilt. In den Auflagen zur Baugenehmigung findet sich unter Ziffer „5. Auflagen“ u.a. die Regelung, dass an den auf dem Grundstück Fl.Nr. *3 gelegenen Immissionsorten die Beurteilungspegel infolge des regulären Betriebs des SB-Marktes mit Backshop die gemäß TA Lärm an WA-Gebieten geltenden Immissionsrichtwerte von tagsüber 55 dB(A) und nachts 40 dB(A) nicht überschreiten dürfen. Nach Ziffer 5.1.3 ist das Gutachten des TÜV Hessen vom 18. Dezember 2018 (Gutachten Nr. T 1276 über die zu erwartende Geräuschbelastung durch einen geplanten Netto-Markt in der A* … in … R* …*) nach den Festsetzungen des (vorhabenbezogenen Bebauungsplans) mit Ergänzung des Gutachtens vom 11. Dezember 2019 Bestandteil der Genehmigung.
Gegen die Baugenehmigung vom 17. Dezember 2019 ließ der Antragsgegner durch seine Bevollmächtigte am 16. Januar 2020 bei Gericht Klage erheben (Az. W 5 K 20.133). Mit Schriftsatz vom 20. Mai 2020 beantragte er, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, woraufhin mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 15. Juni 2020 dem Antrag stattgegeben wurde (Az. W 5 S 20.705). Es wurde in dem Beschluss ein Verstoß gegen das Abstandsflächenrecht festgestellt, soweit der Markt R* …r im vorhabenbezogenen Bebauungsplan eine Verkürzung der Abstandsflächen auf 0,4 H aufgrund des Art. 6 Abs. 7 Nr. 2 BayBO (a.F.) geregelt hat.
3. Am 24. September 2020 beschloss der Markt R* …, ein neues Bauleitplanverfahren durchzuführen. Das eingeleitete Änderungsverfahren ist nach Auskunft des Marktes R* … aktuell zurückgestellt und wird gegebenenfalls abhängig vom laufenden Rechtsstreit auch förmlich eingestellt. Es existieren keine Beschlüsse des Marktgemeinderats R* … zur Fortführung des ursprünglichen Bauleitplanverfahrens und zur Beendigung des zweiten Bebauungsplanverfahrens.
4. Mit Schriftsatz vom 28. Juni 2021, eingegangen bei Gericht am 1. Juli 2021, beantragte der Bevollmächtigte der Antragstellerin:
Unter Abänderung des Beschlusses vom 15. Juni 2020 (Az. W 5 S 20.705) wird der Antrag abgewiesen.
Zur Begründung wurde vorgebracht, dass der Beschluss vom 15. Juni 2020 abzuändern und der Antrag abzulehnen sei, weil infolge der seit 1. Februar 2021 geltenden neuen Abstandsflächenregelungen das Suspensivinteresse des Antragsgegners entfallen sei. Seine anhängige Klage habe infolge der Rechtsänderung keine Erfolgsaussichten mehr. Nach ständiger Rechtsprechung seien die Abstandsflächenregelungen der Bayerischen Bauordnung zugunsten der angrenzenden Nachbarn drittschützend. Mit Verkürzung der Abstandsflächen durch die Novelle der Bayerischen Bauordnung habe dies zur Folge, dass ein Nachbar sich nunmehr nur noch auf die Einhaltung des verkürzten Abstandsflächenrechts berufen könne. Bereits daraus folge, dass das streitgegenständliche Bauvorhaben nunmehr nicht mehr zu einer Rechtsverletzung des Antragsgegners führen könne. Ob sich der Drittschutz auch dann verkürze, wenn durch Bebauungsplan längere Abstandsflächen festgesetzt worden seien, könne hier, weil nicht entscheidungserheblich, offenbleiben. Auch soweit das Gericht davon ausgegangen sei, dass der bislang beschlossene Bebauungsplan in rechtswidriger Anwendung der Experimentierklausel des Art. 6 Abs. 7 BayBO in der bis zum 1. Februar 2021 geltenden Fassung die Abstandsflächen verkürzt habe und damit insoweit unwirksam sei, habe sich dies durch die inzwischen in Kraft getretene Änderung des Abstandsflächenrechts überholt. Es könne dabei dahinstehen, ob der Bebauungsplan noch einer förmlichen Streichung der Festsetzungen unter Ziffer 1.2.2. bedürfe. Durch eine Streichung würde jedenfalls keine materielle Änderung der anzuwendenden Abstandsflächen eintreten. Sollte das Gericht der Auffassung sein, dass der Bebauungsplan infolge der damals rechtswidrigen Abstandsflächenregelung insgesamt unwirksam sei, so wäre zwar objektiv der Markt R* … angehalten, den bereits als Satzung beschlossenen Bebauungsplan nochmals durch Streichung der Festsetzungen unter Ziffer 1.2.2. zu ändern. Für die Rechtsstellung des Antragsgegners könne sich dies aber nicht auswirken, weil dieser durch die Baugenehmigung nunmehr nicht mehr in eigenen Rechten verletzt sein könne. Er könne sich nämlich nur noch auf die Einhaltung der seit 1. Februar 2021 geltenden gesetzlichen Abstandsflächen berufen. Auch wenn es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Baugenehmigung und damit auch einer etwaigen Rechtsverletzung des Antragsgegners grundsätzlich auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung ankomme, sei in ständiger Rechtsprechung bestätigt, dass solche Änderungen der Sach- und Rechtslage, die zugunsten des Bauherrn wirkten, bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung zu berücksichtigen seien. Mithin wirke sich die Änderung des Abstandsflächenrechts, die hier zu Gunsten der Antragstellerin wirke, auch auf das Klageverfahren in der Hauptsache aus. Da weitere Gründe für eine etwaige Rechtsverletzung des Antragsgegners weder in dem Beschluss vom 15. Juni 2020 angeführt noch sonst ersichtlich seien, sei die Abänderung geboten.
5. Der Antragsgegner stellte den Antrag:
Der Antrag auf Abänderung des Beschlusses vom 15. Juni 2020 (Az. W 5 S 20.705) wird abgelehnt.
Zur Begründung wurde vorgetragen: Soweit die Antragstellerin im Hinblick auf die Änderung des Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO zum 1. Februar 2021 davon ausgehe, dass die Baugenehmigung rechtmäßig sei, werde dem entgegengetreten. Die Antragstellerin übersehe, dass die Voraussetzung für die Genehmigung des Bauantrags für das Landratsamt Würzburg am 17. Dezember 2019 die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens gemäß § 33 Abs. 1 BauGB gewesen sei. Der Gemeinderat des Marktes R* … habe am 11. Februar 2020 den maßgeblichen vorhabenbezogenen Bebauungsplan als Satzung beschlossen. Eine Bekanntmachung sei jedoch in der Folgezeit nicht erfolgt. Der im Zeitpunkt der Genehmigung in Aufstellung befindliche Bebauungsplan sei daher nicht in Kraft getreten. Stattdessen habe der Markt R* … nach dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 15. Juni 2020 in Abstimmung mit dem Landratsamt am 24. September 2020 eine Neuaufstellung des Bebauungsplans beschlossen. In der Folgezeit sei das Aufstellungsverfahren durchgeführt worden; insbesondere sei die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit gemäß § 3 Abs. 1 BauGB erfolgt. Wie die Antragstellerin ausgeführt habe, habe der Markt R* … nunmehr die Fortführung des Verfahrens zur Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans gestoppt. Stattdessen solle – so die Antragstellerin – „in der bisherigen Weise auf Grundlage des bereits als Satzung beschlossenen vorhabenbezogenen Bebauungsplans das Vorhaben weiter verwirklicht werden“. Hierbei übersehe die Antragstellerin, dass der Markt R* … am 24. September 2020 den ausdrücklichen Beschluss gefasst habe, ein neues Bauleitplanverfahren durchzuführen. Mit diesem Verfahren sei aber das bisherige, erste Verfahren zur Aufstellung des Bebauungsplans, dessen räumlicher Geltungsbereich identisch sei, beendet. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin könne der im Dezember 2019 beschlossene Bebauungsplan, der unstreitig nicht in Kraft getreten sei, nicht wieder aufleben. Nach den Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts, die sich aus § 10 Abs. 3 BauGB herleiteten, habe die Gemeinde, wenn sie das Planverfahren nicht weiterverfolge, den Satzungsbeschluss aufzuheben. Hierauf habe die Kommunalaufsicht hinzuwirken. Es sei daher davon auszugehen, dass für die verfahrensgegenständliche Genehmigung des Vorhabens vom 17. Dezember 2019 kein rechtskräftiger Bebauungsplan vorhanden sei. Selbst wenn sich der Antragsgegner nur auf die Verletzung eigener Rechte in Baugenehmigungsverfahren berufen könne, führe dies nicht dazu, dass dieser Mangel nicht zu berücksichtigen sei. Es handele sich bei dem geplanten SB-Markt vielmehr um ein Außenbereichsvorhaben gemäß § 35 BauGB, das planungsrechtlich unzulässig sei. Die vom Landratsamt Würzburg am 17. Dezember 2019 erteilte Baugenehmigung sei damit zum jetzigen Zeitpunkt objektiv rechtswidrig. Dies sei jedenfalls seitens des Landratsamts Würzburg zu berücksichtigen und verpflichte zum Einschreiten. Das Landratsamt könne angesichts der objektiven Rechtswidrigkeit der erteilten Baugenehmigung nicht untätig bleiben und zulassen, dass der Markt entgegen den Regelungen im BauGB errichtet werde, vgl. Art. 54 Abs. 2 BayBO.
Das Vorhaben beeinträchtige darüber hinaus auch weitere schutzwürdige Interessen des Antragsgegners. Der Antragsgegner habe vor einigen Monaten eine Bauvoranfrage für eine Wohnbebauung auf den Grundstücken Fl.Nrn. *2 und *3 beim Markt R* … eingereicht. Eine Hochwasserfreilegung der Grundstücke sei möglich und vom Markt R* … auch bereits geplant. Diese Belange des Antragsgegners habe der Markt R* … in der Beschlussfassung zur Aufstellung des vorhabenbezogenen Bebauungsplans nicht ausreichend und zutreffend gewürdigt. Mit der Bauvoranfrage zur Zulässigkeit einer Wohnbebauung und der damit verbundenen Hochwasserfreilegung in Eigeninitiative liege eine Rechtsposition des Antragsgegners vor, die im Rahmen des Genehmigungsverfahrens für den Netto-Markt zu beachten sei. Überdies werde durch die geplante Bebauung des Nachbargrundstücks der Anspruch des Antragstellers auf Wahrung der gebotenen Rücksichtnahme gegenüber seinem Grundstück Fl.Nr. *3 verletzt. Der geringe Abstand des massiven Vorhabens auf der Südwestseite zum Grundstück Fl.Nr. *3 führe zu einer Verschattung und zu der Beeinträchtigung der Lichtzufuhr möglicher Wohnräume. Auch die landwirtschaftliche Nutzung sei durch das Heranrücken des massiven Gebäudes erheblich beeinträchtigt. Die geplante Ausbildung der Böschung auf weit über 50 m Länge bis an die Grenzlinie bringe es mit sich, dass ein Randstreifen des Grundstücks von mindestens 1 m dauerhaft nicht bzw. nicht ohne Einschränkung angebaut werden könne. Selbst wenn die Tiefe der Abstandsfläche nunmehr lediglich 0,4 H betrage, sei aus dem Abstandsflächenplan nicht klar ersichtlich, inwieweit die Tiefe der Abstandsfläche richtig berechnet sei und tatsächlich eingehalten werde. Die für die Berechnung der Abstandsfläche maßgebliche Wandhöhe sei nicht bemaßt. Der Antragsgegner gehe davon aus, dass der Fußpunkt des vorhandenen Geländes nicht richtig bestimmt sei. Darüber hinaus habe die Antragstellerin sich gegenüber dem Antragsgegner ausdrücklich dazu verpflichtet, zu seinem Grundstück Fl.Nr. *3 eine Abstandsfläche von 9 m einzuhalten. Schließlich stelle sich die Frage, inwieweit die seit dem 1. Februar 2021 gültige Regelung des Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG, Art. 103 BV vereinbar sei.
Angesichts der Tatsache, dass aktuell kein rechtskräftiger Bebauungsplan für das geplante Vorhaben vorliege und dieses damit als Außenbereichsvorhaben nach § 35 BauGB zu beurteilen sei, sei eine Änderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 7 VwGO nicht gerechtfertigt. Das Interesse der Antragstellerin, die Baugenehmigung sofort zu vollziehen, müsse unter Berücksichtigung dieser Umstände hinter dem Interesse des Antragsgegners an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage zurückstehen, dies schon deshalb, weil eine Aufhebung des Beschlusses und eine damit mögliche Bauausführung den Antragsgegner vor vollendete Tatsachen stelle.
6. Das Landratsamt Würzburg nahm für den Beigeladenen wie folgt Stellung: Nach Rücksprache mit dem Markt R* … habe sich die bauplanungsrechtliche Grundlage seit Klageeinreichung bzw. ursprünglicher Antragstellung nicht geändert. Ein eingeleitetes neues, zweites Bebauungsplanverfahren werde seitens des Marktes R* … nicht mehr weiterbetrieben. Das streitgegenständliche Bauvorhaben solle vielmehr auf Grundlage des ursprünglichen Bebauungsplans in Verbindung mit dem geänderten Abstandsflächenregime des Art. 6 BayBO n.F. umgesetzt werden.
7. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag nach § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO ist begründet.
1. Der Änderungsantrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO ist zulässig. Demnach können die Beteiligten die Aufhebung oder Änderung von Beschlüssen nach § 80 Abs. 5 VwGO wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen. Darunter fällt insbesondere eine Änderung der Rechtslage durch eine Gesetzesänderung, die für die Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren relevant ist (Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 80 Rn. 197).
Vorliegend war für die stattgebende Entscheidung im Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 15. Juni 2020 (Az. W 5 S 20.705) ausschlaggebend, dass der Abstand von 1 H nach Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO (a.F.) nicht eingehalten war. Diese Regelung fand nach Auffassung der Kammer Anwendung, da die auf Art. 6 Abs. 7 Nr. 2 BayBO a.F. gestützte Verkürzung der Abstandsflächen auf 0,4 H in Ziffer 1.2.2. im vorhabenbezogenen Bebauungsplan nicht wirksam ist. Die rechtliche Grundlage für die Beurteilung des Abstands nach Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO hat sich jedoch infolge der Änderung der Bayerischen Bauordnung mit Gesetz vom 23. Dezember 2020 (GVBl. S. 663) mit Wirkung zum 1. Februar 2021 dahingehend geändert, als Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO n.F. nunmehr die Tiefe der Abstandsfläche mit 0,4 H, aber mindestens 3 m, angibt. Die Anforderungen an die gesetzlich vorgegebene Abstandsfläche haben sich folglich aufgrund einer Rechtsänderung nach dem Beschluss vom 15. Juni 2020 geändert, so dass die darin getroffene Abwägungsentscheidung möglicherweise anders zu treffen ist.
Die Antragsbefugnis und damit die Zulässigkeit des Antrags folgen somit daraus, dass sich die Antragstellerin auf eine Rechtsänderung beruft, die es grundsätzlich möglich erscheinen lässt, dass die frühere Entscheidung änderungsbedürftig geworden ist (vgl. Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 133).
2. Der Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO hat in der Sache Erfolg.
Die Voraussetzungen für die Entscheidung nach § 80 Abs. 7 Satz 2 Alt. 1 VwGO sind verwirklicht, wenn tatsächlich veränderte Umstände vorliegen, die zu einem von der betroffenen Entscheidung abweichenden Ergebnis führen. Ein erfolgreicher Änderungsantrag setzt dementsprechend voraus, dass neben dem in den veränderten Umständen liegenden Abänderungsgrund auch im Übrigen die Voraussetzungen für eine von der Ausgangsentscheidung abweichende Bewertung der Rechtslage gegeben sind (Schoch/Schneider, VwGO, 39. EL Juli 2020, § 80 Rn. 584). Als veränderte Umstände i.S.v. § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO kommen insbesondere Änderungen der entscheidungserheblichen Rechtslage in Betracht.
2.1. Wie bereits unter 1. dargelegt, hat sich die Rechtslage hinsichtlich der Abstandsflächen in Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO durch die Änderung der Bayerischen Bauordnung mit Gesetz vom 23. Dezember 2020 (GVBl. S. 663) mit Wirkung zum 1. Februar 2021 geändert. Die gesetzlich vorgesehene Tiefe der Abstandsfläche beträgt im vorliegenden Fall daher nicht mehr 1 H, sondern 0,4 H (aber mindestens 3 m).
2.2. Aufgrund dieser veränderten Umstände nimmt die ursprünglich im Beschluss vom 15. Juni 2020 (Az. W 5 S 20.705) getroffene Interessenabwägung einen anderen Ausgang.
Der Prüfungsmaßstab im Rahmen des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO entspricht demjenigen für die Ausgangsentscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO (BVerwG, B.v. 21.7.1994 – 4 VR 1/94 – BVerwGE 96, 239; Gersdorf in BeckOK VwGO, Posser/Wolff, 57. Ed. Stand: 1.10.2019, § 80 Rn. 198). Somit kommt es auch für die hiesige Entscheidung nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO auf die nach §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung an, nämlich darauf, ob das Interesse des Antragsgegners an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs oder das Interesse der Antragstellerin am sofortigen Gebrauch der Baugenehmigung überwiegt (vgl. zur Stellung der Beteiligten im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO BVerwG, B.v. 7.1.2016 – 4 VR 3/15 – juris). Entscheidendes Kriterium sind somit die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache. Erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtswidrig und wird der Antragsgegner hierdurch in seinen rügefähigen Rechten verletzt, weshalb er im Hauptsacheverfahren voraussichtlich einen Aufhebungsanspruch erfolgreich wird durchsetzen können, überwiegt regelmäßig das Aussetzungsinteresse das Vollzugsinteresse. Stellt der Verwaltungsakt sich demgegenüber als offensichtlich rechtmäßig dar, weshalb der vom Antragsgegner eingelegte Rechtsbehelf mit erheblicher Wahrscheinlichkeit in der Hauptsache erfolglos bleiben wird, überwiegt in der Regel das Vollzugsinteresse. Bei offenem Ausgang in der Hauptsache sind die beteiligten Interessen abzuwägen.
Vorliegend überwiegt nunmehr das Vollzugsinteresse. Das Interesse des Antragsgegners, von der Vollziehung der angegriffenen Entscheidung abzusehen, folgt nicht mehr aus einer Verletzung des nachbarschützenden Abstandsflächenrechts.
2.2.1. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts ist im Rahmen der baurechtlichen Nachbarklage der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung. Hat sich – wie hier – nach Erteilung der angefochtenen Baugenehmigung die Rechtslage geändert, so ist das für das verwaltungsgerichtliche Verfahren nur von Bedeutung, wenn die Änderung für den Bauherrn günstig ist. Bei der Beurteilung der angefochtenen Baugenehmigung sind inzwischen zu Gunsten des Bauherrn und zu Lasten des Nachbarn eingetretene Änderungen der Sach- und Rechtslage zu berücksichtigen (BVerwG in st. Rspr., so schon U.v. 5.10.1965 – IV C 58/65 – NJW 1966, 901; Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, 141. EL März 2021, Art. 66 Rn. 591).
Das bedeutet, dass im vorliegenden Fall die Änderung des Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO zu Gunsten der Bauherrin, der Antragstellerin, wirkt, da die (verringerte) Abstandsfläche von 0,4 H anstelle von ursprünglich 1 H als gesetzliche Regelung festgeschrieben wird. Andererseits kann nicht zu Lasten der Antragstellerin angenommen werden, dass aktuell die Voraussetzungen des § 33 BauGB wohl nicht mehr gegeben wären und eine Genehmigung zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts auf der Grundlage des § 33 BauGB nicht mehr erlassen werden könnte. Die Anwendung von § 33 BauGB ist nur möglich, wenn die Voraussetzungen für das Inkrafttreten des Bebauungsplans nach Durchführung des Planaufstellungsverfahrens von der planenden Gemeinde unverzüglich geschaffen werden. Ist dieser zeitliche Rahmen überschritten und der Bebauungsplan nicht nach § 10 Abs. 3 BauGB bekanntgemacht worden, scheidet eine Inanspruchnahme des § 33 BauGB aus (BVerwG, U.v. 1.8.2002 – 4 C 5/01 – juris Rn. 37 ff.). Da hier die planende Gemeinde nach dem Vortrag der Beteiligten im Verfahren den Bebauungsplan nicht bekannt gemacht hat und zwischenzeitlich ein Verfahren zur Planänderung initiiert hatte, ist derzeit § 33 Abs. 1 BauGB (wohl) nicht anwendbar. Darauf kommt es vorliegend jedoch nicht streitentscheidend an. Denn es handelt sich um eine Tatsache, die anlässlich der gerichtlichen Prüfung der streitgegenständlichen Baugenehmigung vom 17. Dezember 2019 im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 7 VwGO außer Betracht zu bleiben hat, da sie sich als für die Bauherrin ungünstig erweist. Derartige Änderungen der Sach- und Rechtslage finden keine Berücksichtigung, auch dann nicht, wenn die Baugenehmigung objektiv rechtswidrig würde und den Nachbarn in seinen Rechten verletzte. Denn der Bauherr hat durch die Genehmigungserteilung eine gesicherte Rechtsposition erlangt, die ihm nachträglich nicht ohne ausdrückliche Rechtsgrundlage entzogen werden kann (BVerwG in st. Rspr., vgl. U.v. 14.4.1978 – 4 C 96/76 – NJW 1979, 995; Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, 141. EL März 2021, Art. 66 Rn. 592 m.w.N.). Es kann daher dahingestellt bleiben, ob aktuell aufgrund des Vorliegens eines Außenbereichsvorhabens auf § 35 BauGB abzustellen wäre. Eine Aufhebung der Baugenehmigung käme in diesem Fall allenfalls auf der Grundlage der Art. 48 und 49 BayVwVfG in Betracht.
Etwas anderes gilt auch nicht im Hinblick auf § 33 BauGB als quasi „plan-ersetzender“ Norm, die der Regelung durch einen wirksamen Bebauungsplan vorausgreift. Auch in diesem Zusammenhang ist bei der baurechtlichen Nachbarklage bezüglich der Beurteilung der Planreife auf die letzte Behördenentscheidung abzustellen. Ist zu diesem Zeitpunkt die Prognose gerechtfertigt, dass der Bebauungsplan in Kraft treten wird, liegt die Planreife vor. Nur wenn zu diesem Zeitpunkt die Prognose nicht gerechtfertigt, also offen wäre, ob der Plan in Kraft treten werde, läge keine Planreife vor und müsste die Baugenehmigung, falls sich die Sach- und Rechtslage nicht zwischenzeitlich zu Gunsten des Bauherrn geändert hat, nicht an der zukünftigen, sondern an der gegenwärtigen bauplanungsrechtlichen Lage gemessen und bei einem Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des geltenden Bebauungsrechts aufgehoben werden (OVG Berlin, U.v. 19.4.1991 – 2 B 11/88 – NVwZ 1992, 897, 898). Im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier bei Erlass der Baugenehmigung im Dezember 2019, war die Prognose, dass der Bebauungsplan „Sondergebiet großflächiger Einzelhandel“ zeitnah bekannt gemacht wird, ohne weiteres gerechtfertigt. Insofern kann umfänglich auf die Ausführungen im Beschluss vom 15. Juni 2020 verwiesen werden (VG Würzburg, B.v. 15.6.2020 – W 5 S 20.705 – juris Rn. 30).
2.2.2. Im Übrigen ergibt eine summarische Prüfung unter Berücksichtigung des gegenwärtigen Erkenntnisstandes nach Aktenlage keine überwiegende Wahrscheinlichkeit mehr dafür, dass der Antragsgegner im Hauptsacheverfahren mit seinem Rechtsschutzbegehren Erfolg haben wird. Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage unter Berücksichtigung der von der Antragstellerin angeführten veränderten Umstände wird die Klage des Antragsgegners mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben, da die Baugenehmigung vom 17. Dezember 2019 den Antragsgegner nicht in drittschützenden Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Bezüglich der Prüfung der bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen wird auf die Ausführungen im Beschluss vom 15. Juni 2020, insbesondere zu § 33 BauGB, verwiesen (vgl. zu Art. 60 Satz 1 Nr. 1 BayBO VG Würzburg, B.v. 15.6.2020 – W 5 S 20.705 – juris Rn. 28 ff.). An diesen Feststellungen wird festgehalten. Insbesondere ist nicht davon auszugehen, dass die von der Kammer geäußerten Bedenken im Hinblick auf die Wirksamkeit der Abstandsflächenregelung in Ziffer 1.2.2. des Bebauungsplans den ganzen Bebauungsplan erfassen. Abwägungsmängel, die einzelnen Festsetzungen eines Bebauungsplans anhaften, führen dann nicht zur Gesamtunwirksamkeit, wenn – erstens – die übrigen Festsetzungen für sich betrachtet noch eine sinnvolle städtebauliche Ordnung im Sinn des § 1 Abs. 3 BauGB bewirken können und – zweitens – die Gemeinde nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen auch eine Satzung dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte (vgl. BVerwG, U.v. 14.9.2017 – 4 CN 6/16 – juris Rn. 29). Gemessen an diesen Grundsätzen ist allenfalls eine Teilunwirksamkeit des Bebauungsplans betreffend die Abstandsflächenregelung angezeigt, keinesfalls eine Gesamtunwirksamkeit des vorhabenbezogenen Bebauungsplans.
Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ist nicht gegeben. Ein solches kann insbesondere nicht im Verhältnis zum Grundstück Fl.Nr. *3 des Antragsgegners erkannt werden, soweit dieser eine Verschattung und Beeinträchtigung der Lichtzufuhr möglicher Wohnräume geltend macht. Die Schutzbedürftigkeit des Antragsgegners im Hinblick auf das Grundstück Fl.Nr. *3 ist dabei nicht ausgehend von einem Grundstück mit Wohnbebauung zu betrachten. Die Ausweisung im Flächennutzungsplan als Wohnbaufläche ändert hieran nichts. Eine Wohnnutzung ist nicht genehmigt; eine solche Genehmigung steht auch nicht unmittelbar bevor. Vielmehr handelt es sich um ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück im Außenbereich, welches zudem teilweise im amtlich festgesetzten Überschwemmungsgebiet der P* … liegt. Zwar mag der Antragsgegner bestrebt sein, die Fläche langfristig einer Wohnbebauung zuzuführen (vgl. Bauvoranfrage und Aussage des Planungsbüros vom 29. Juni 2021 zu einer möglichen Hochwasserfreilegung). Dieses Vorhaben hat sich jedoch noch in keinster Weise verfestigt und konkretisiert, so dass eine schützenswerte Rechtsposition des Antragsgegners derzeit nicht besteht. Unter diesem Gesichtspunkt kann auch eine erdrückende Wirkung des Bauvorhabens in Bezug auf das Grundstück Fl.Nr. *3 nicht erkannt werden. Soweit eine Beeinträchtigung der landwirtschaftlichen Nutzung geltend gemacht wird, ist eine unzumutbare Einschränkung des Antragsgegners nicht dargetan. Eine eingeschränkte Bewirtschaftung des Randbereichs des Grundstücks stellt eine hinnehmbare Konsequenz der zulässigen Bebauung auf den Baugrundstücken dar. Dass das Grundstück Fl.Nr. *3 nicht mehr wirtschaftlich sinnvoll landwirtschaftlich genutzt werden kann, ist nicht ersichtlich.
Ein Verstoß gegen die Vorgaben des Abstandsflächenrechts, welches nach Art. 60 Satz 1 Nr. 2 BayBO zu prüfen ist, ist nach der Änderung des Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO nicht mehr zu verzeichnen. Im Verfahren W 5 S 20.705 hat das Verwaltungsgericht ausführlich dargelegt, unter welchen Gesichtspunkten es die Regelung im vorhabenbezogenen Bebauungsplan „Sondergebiet großflächiger Einzelhandel“ zur Verkürzung der Abstandsflächen unter Ziffer 1.2.2. als unwirksam betrachtet hat (VG Würzburg, B.v. 15.6.2020 – W 5 S 20.705 – juris Rn. 36 ff.). Abzustellen war in der Folge auf die gesetzliche Regelung in Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO (a.F.). Der dort vorgesehene Abstand von 1 H (vorliegend 9,18 m) konnte jedoch nicht eingehalten werden. Nach der nunmehr geltenden Regelung in Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO beträgt die Tiefe der Abstandsfläche im Regelfall 0,4 H, mindestens aber 3 m. Diese Anforderung ist hier erfüllt, da tatsächlich ein Abstand von ca. 4,50 m eingehalten wird (vgl. Abstandsflächenplan; Bl. 328 d.A.). Bedenken gegen die Aussagekraft der Planzeichnungen, insbesondere hinsichtlich der Bemaßung und der Bestimmung des Fußpunktes des vorhandenen Geländes, sieht die Kammer insofern nicht.
Eine Rechtsverletzung des Antragsgegners ergibt sich auch nicht daraus, dass die Antragstellerin im weiteren Verfahren ihre Bereitschaft erklärt hatte, die Abstandsfläche von 1 H einzuhalten (vgl. E-Mail vom 8. Januar 2021 mit den abgeänderten Planunterlagen im Anhang; Bl. 66 ff. der Gerichtsakte). Abgesehen davon, dass hierin ein Rechtsverzicht der Antragstellerin nicht zu sehen ist, galt diese Erklärung – wie aus dem Gesamtzusammenhang ersichtlich ist – nur im Rahmen der beabsichtigten Planänderung. Dieses Verfahren ist aber – was alle Beteiligten übereinstimmend dargelegt haben – angesichts der aktuellen Entwicklung und der Rechtsänderung der BayBO nicht weitergeführt worden. Die Erklärung zeitigt daher im vorliegenden Verfahren keine Rechtswirkungen.
Eine Verletzung anderweitiger nachbarschützender Vorschriften ist nicht dargetan und auch nicht ersichtlich. Insbesondere wäre eine solche selbst dann nicht verwirklicht, wenn man, wie die Bevollmächtigte des Antragsgegners, von der Unzulässigkeit der Heranziehung des § 33 BauGB und von einem Außenbereichsvorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB ausginge. Ein solches wäre zwar unter Umständen objektiv rechtswidrig; eine Beeinträchtigung nachbarschützender Belange ist aber nicht gegeben. Es gehen von dem streitgegenständlichen Vorhaben keine schädlichen Umwelteinwirkungen gemäß § 35 Abs. 3 Nr. 3 BauGB aus, die der Antragsgegner geltend machen könnte. Diesbezüglich kann insbesondere zu den Beeinträchtigungen zur Lärmbelastung und zur möglichen Verschattung auf die obigen Ausführungen zu § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO und die Darstellung im Beschluss vom 15. Juni 2020 verwiesen werden (VG Würzburg, B.v. 15.6.2020 – W 5 S 20.705 – juris Rn. 32).
2.3. Die nach § 80a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 VwGO und § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung fällt mithin zugunsten der Antragstellerin aus, weil die Klage des Antragsgegners keine hinreichenden Erfolgsaussichten hat.
Es liegen auch keine anderweitigen Aspekte zugunsten des Antragsgegners vor, die eine hiervon abweichende Beurteilung der Interessenabwägung rechtfertigen würden. Zwar wird durch die Fortführung der Bauarbeiten unter Umständen das Vorhaben im Rahmen des tatsächlichen Baufortschritts verfestigt. Hierbei muss zugunsten der Bauherrin aber zunächst berücksichtigt werden, dass die Klage nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit § 212a Abs. 1 BauGB keine aufschiebende Wirkung hat (vgl. auch OVG NRW, B.v. 22.3.2016 – 7 B 1083/15 – juris Rn. 12). § 212a Abs. 1 BauGB verschiebt die Gewichte bei der Interessenabwägung daher zugunsten des Bauherrn. Dies bedeutet zwar nicht, dass sich in den von § 212a Abs. 1 BauGB erfassten Fällen das Vollzugsinteresse des Bauherrn gegenüber dem Aufschubinteresse des Nachbarn regelmäßig durchsetzt. Ein gesetzgeberischer Wille, dass dem Vollzugsinteresse gegenüber den Interessen Dritter generell der Vorrang einzuräumen ist, lässt sich § 212a BauGB nicht entnehmen. Die Vorschrift soll aber – was auch vorliegend zutrifft – Investitionen und das Entstehen von Arbeitsplätzen fördern. Die nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO erforderliche Abwägung wird deshalb von § 212a Abs. 1 BauGB in der Weise vorstrukturiert, dass dem Vollzugsinteresse ein erhebliches Gewicht beizumessen ist, obwohl die Abwägung nicht präjudiziert wird. Die Belange eines Dritten haben dagegen bei der Abwägung umso mehr Gewicht, je schwerwiegender die ihm auferlegte Belastung wiegt und je mehr die Maßnahme der Verwaltung Unabänderliches bewirkt (zum Ganzen unter Rekurs auf die Gesetzesmaterialien vgl. BayVGH, B.v. 23.11.2016 – 15 CS 16.1688 – juris Rn. 76 ff. m.w.N.; B.v. 20.3.2018 – 15 CS 17.2523 – juris Rn. 47).
Bei dieser Ausgangslage – den fehlenden Erfolgsaussichten der Klage des Antragsgegners in der Hauptsache, der Wertung des § 212a Abs. 1 BauGB und dem wirtschaftlichen Anliegen der Antragstellerin – ist im Ergebnis ein Zurücktreten der Interessen des Antragsgegners bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache gerechtfertigt. Die gilt umso mehr, als angesichts der Lage des betroffenen Grundstücks Fl.Nr. *3 im Außenbereich, welches aktuell keine schützenswerte Wohnbebauung zulässt, keine überwiegenden Interessen des Antragsgegners erkennbar sind.
3. Nach alldem war dem Antrag der Antragstellerin zu entsprechen.
Der Kostenausspruch folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Unterlegene Partei ist der Antragsgegner, da er mit seinem Begehren auf Aufrechterhaltung der aufschiebenden Wirkung gescheitert ist. Der Beigeladene trägt billigerweise seine außergerichtlichen Kosten selbst, weil er keinen Antrag gestellt und sich damit auch keinem Prozesskostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 63 Abs. 2 GKG. Nachbarklagen werden nach Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 mit 7.500,00 EUR bis 15.000,00 EUR im Hauptsacheverfahren bewertet. Die Kammer hält im vorliegenden Fall in der Hauptsache einen Streitwert von 12.500,00 EUR als angemessen, der für das vorliegende Sofortverfahren zu halbieren ist (Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs).


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