Baurecht

Antrag des Beigeladenen auf Zulassung der Berufung (abgelehnt), Nachbarklage, Gebietserhaltungsanspruch, Gebot der Rücksichtnahme

Aktenzeichen  15 ZB 22.610

Datum:
23.5.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 13358
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO §§ 124 Abs. 2 Nrn. 1 und 2, 124a Abs. 4 S. 4 und Abs. 5 S. 2
BauGB § 34
BauNVO § 4

 

Leitsatz

Verfahrensgang

RO 7 K 19.388 2022-01-20 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Beigeladene trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Beigeladene wendet sich im Berufungszulassungsverfahren gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 20. Januar 2022. Mit diesem wurde auf die Nachbaranfechtungsklage des Klägers eine dem Beigeladenen mit Bescheid des Landratsamts N. vom 28. Januar 2019 erteilte Baugenehmigung in der Fassung des Änderungsbescheids vom 19. August 2019 für das Vorhaben „Errichtung einer Freischankfläche und einer Außentreppe an der südwestlichen Giebelseite; Änderung des Fluchtwegs für den Gastraum im OG (Einbau eines Fensters anstatt einer Treppe)“ auf dem Baugrundstück (FlNr. …, Gemarkung K.) aufgehoben. Der Kläger ist Miteigentümer eines unmittelbar östlich an das Baugrundstück angrenzenden Grundstücks (FlNr. …), das mit einem Wohnhaus bebaut ist. Beide Grundstücke liegen nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.
1. Aus dem Vorbringen des Beigeladenen, auf das sich die Prüfung des Verwaltungsgerichtshofs beschränkt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO), ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Solche sind anzunehmen, wenn der Rechtsmittelführer einen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (BayVGH, B.v. 19.4.2022 – 11 ZB 21.1079 – juris Rn. 10 m.w.N.).
Die Richtigkeit der Annahme des Verwaltungsgerichts, dass das streitgegenständliche Vorhaben des Beigeladenen in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet liegt, dort hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung gem. § 34 Abs. 2 BauGB i.V. mit § 4 BauNVO unzulässig ist und deshalb den Kläger in seinem Gebietserhaltungsanspruch verletzt (hierzu grundlegend BVerwG, U.v. 16.9.1993 – 4 C 28.91 – BVerwGE 94, 151 = juris Rn. 11 ff.; vgl. auch BVerwG, B.v. 18.12.2007 – 4 B 55.07 – NVwZ 2008, 427 = juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 24.2.2020 – 15 ZB 19.1505 – juris Rn. 6 m.w.N.; B.v. 10.2.2022 – 15 ZB 21.2428 – juris Rn. 12), wird durch die Antragsbegründung nicht ernstlich in Zweifel gezogen. Das Verwaltungsgericht hat insofern angenommen, die Nachbaranfechtungsklage sei schon deshalb begründet, weil die Eigenart der näheren Umgebung einem faktischen allgemeinen Wohngebiet entspreche, in dem das Vorhaben hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nicht gem. § 34 Abs. 2 BauGB i.V. mit § 4 BauNVO zulässig sei. Dem hat die Antragsbegründung des Beigeladenen nichts Substantielles entgegengesetzt.
a) Soweit sich der Beigeladene gegen die örtliche Eingrenzung der prägenden Umgebung wendet, genügt die Antragsbegründung nicht den Anforderungen an die Darlegung des Berufungszulassungsgrunds.
In den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils stellt das Verwaltungsgericht nach den im Augenscheintermin gewonnenen Eindrücken und unter Berücksichtigung der dabei angefertigten Lichtbilder sowie unter Berücksichtigung der Luftbilder und des topographischen Kartenmaterials aus dem BayernAtlas hinsichtlich der räumlichen Reichweite der näheren Umgebung „auf die vorhandene Bebauung innerhalb der A. Straße im Osten, der Kreuzung M. Weg / G. Straße / A. Straße im Norden, entlang der östlichen Grundstücksgrenzen der Grundstücke Fl. Nrn. … … und … im Westen und der B. straße im Süden“ ab. Dies wird im Einzelnen wie folgt begründet (UA S. 7): Bei der A. Straße handele es sich um eine Kreisstraße, die gem. Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 BayStrWG dem überörtlichen Verkehr innerhalb eines Landkreises, dem Verkehr zwischen benachbarten Landkreisen und kreisfreien Gemeinden oder dem erforderlichen Anschluss von Gemeinden an das überörtliche Verkehrsnetz diene bzw. zu dienen bestimmt sei. Aufgrund dessen und aufgrund ihrer Breite und Frequentierung komme ihr trennende Wirkung zu. Ebenso verhalte es sich mit den Freiflächen FlNrn. … und … sowie dem Wegegrundstück FlNr. … im Westen und der B. straße im Süden. Der Bereich jenseits der A. Straße / Kreuzungsbereich G. Straße sei nicht mehr in den Umgriff mit einzubeziehen, da sich aufgrund der Entfernung weder das Vorhaben – insbesondere hinsichtlich seiner Lärmimmissionen – prägend auf die außerhalb des vorgenannten Umgriffs liegende, benachbarte Bebauung noch die außerhalb des vorgenannten Umgriffs liegende, benachbarte Bebauung prägend auf das Vorhabengrundstück auswirkten. Zudem werde das Ende der wechselseitigen Prägung auch durch die topographische Zäsur in Form einer Anhöhe Richtung G. Straße sowie den kurvigen Straßenverlauf der A. Straße Richtung M2.platz im Norden deutlich. Abgesehen davon führe allein die – aufgrund der vorgenannten Anhöhe bestehende – Sichtbeziehung zwischen dem Vorhabengrundstück und einer bestehenden Schank- und Speisewirtschaft auf dem Grundstück FlNr. … (= Gaststätte … .) nicht dazu, dass sich diese Grundstücke noch bodenrechtlich wechselseitig prägten.
Die nach § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO geforderte Darlegung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung des Erstgerichts erfordert eine konkret fallbezogene und hinreichend substantiierte Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung; es muss konkret dargelegt werden, dass und weshalb das Verwaltungsgericht entscheidungstragende Rechts- und / oder Tatsachenfragen unrichtig entschieden hat. Eine schlichte, unspezifizierte Behauptung der Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung genügt nicht. Der Rechtsmittelführer muss vielmehr konkret bei der Berufung auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis mit überwiegender Wahrscheinlichkeit falsch ist. „Darlegen“ bedeutet insoweit „erläutern“, „erklären“ oder „näher auf etwas eingehen“. Erforderlich ist eine substantiierte – und auch in sich schlüssige – Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung, durch die der Streitstoff durchdrungen und aufbereitet wird; der Rechtsmittelführer muss im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen. Mit bloßer Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens wird dem Gebot der Darlegung im Sinn von § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO ebenso wenig genügt wie mit der schlichten Darstellung der eigenen Rechtsauffassung (BayVGH, B.v. 15.10.2019 – 15 ZB 19.1221 – BayVBl 2020, 273 = juris Rn. 10 m.w.N.; B.v. 10.2.2022 – 15 ZB 21.2428 – juris Rn. 18).
Diesen Anforderungen wird der Beigeladene nicht gerecht. Die Antragsbegründung im Zulassungsverfahren beschränkt sich insofern auf folgende Äußerungen: „Das Erstgericht hat den Umgriff für den Bebauungszusammenhang viel zu eng gezogen und somit dem Baugrundstück vergleichbare Schank- und Speisewirtschaften ausgeschlossen. Der Bebauungszusammenhang muss eben gerade nicht an der A. Straße enden. Vielmehr sollten auch noch andere Wirtschaften, insbesondere die ‚Gaststätte … …‘ in den Bebauungszusammenhang aufgenommen werden.“ Mit der pauschalen Ausführung eines zu eng gezogenen Umgriffs wird lediglich ein anderes Subsumtionsergebnis vorgetragen. Eine substantiierte Auseinandersetzung mit den Argumenten des Erstgerichts – insbesondere zu der Frage der trennenden Wirkung von Straßen bzw. Straßenkreuzungen sowie zu den topografischen Verhältnissen und deren Folgen für die Gebietsabgrenzung i.S. von § 34 Abs. 1, Abs. 2 BauGB – und eine nähere Erläuterung, warum genau die diesbezüglichen Erwägungen des Verwaltungsgerichts falsch seien, finden sich in der Antragsbegründung nicht.
b) Die Einwendungen des Beigeladenen gegen die Richtigkeit der Einordnung der so [vgl. a) ] abgesteckten näheren Umgebung als faktisches allgemeines Wohngebiet (§ 34 Abs. 2 BauGB i.V. mit § 4 BauNVO), in dem das streitgegenständliche Erweiterungsvorhaben am Maßstab von § 34 Abs. 2 BauGB i.V. mit § 4 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 2 BauNVO weder regelzulässig noch ausnahmsweise zulässig sei, vermögen ebenfalls eine Berufungszulassung gem. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht zu begründen.
aa) Entgegen den Ausführungen der Beschwerdebegründung sind die Ausführungen des Verwaltungsgerichts in den Entscheidungsgründen diesbezüglich nicht widersprüchlich. Das Verwaltungsgericht hat nicht einerseits ausgeführt, dass die auf dem Baugrundstück vorgefundenen Bestandsnutzungen der Versorgung des Gebiets dienten, und andererseits dem widersprechend festgestellt, dass das genehmigte Bauvorhaben nicht mehr der Gebietsversorgung diene. Vielmehr geht das Verwaltungsgericht – in sich widerspruchsfrei – davon aus, dass weder eine gebietsunverträgliche Nutzung auf dem Baugrundstück noch auf der FlNr. … dazu führten, dass das qualitativ und quantitativ nahezu ausschließlich von Wohnnutzung geprägte Gebiet nach seiner Eigenart als faktisches Mischgebiet einzustufen wäre (UA S. 8 f.): Das Erstgericht hat es zunächst ausdrücklich dahinstehen gelassen, ob die auf dem Baugrundstück bestehenden Nutzungen (Gaststätte mit Biergarten sowie Brauerei mit Direktverkauf) im allgemeinen Wohngebiet nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO regelzulässig und / oder gem. § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ausnahmsweise zulässig seien oder ob es sich hierbei um im allgemeinen Wohngebiet grundsätzlich unzulässige Nutzungen handele. Wenn Letzteres der Fall sei – so die Entscheidungsgründe der vom Beigeladenen angegriffenen Entscheidung weiter -, handele es sich in der Gesamtschau insbesondere hinsichtlich der Lärmbelastung sowie des Zu- und Abfahrtsverkehrs um einen Fremdkörper („Ausreißer“), der bei der Bestimmung des Gebietscharakters außer Acht zu lassen sei. Die auf dem Vorhabengrundstück befindliche Anlage mit einer regulären Aufnahmekapazität von über 100 Gästen im Innen- und Außenbereich und einer Frequentierung mit bis zu 100 Personen im Freischankbereich anlässlich Musikantentreffen, Brauerei- und Kirchweihfesten stehe im Vergleich zu der in der Umgebung dominanten und im wesentlichen homogenen Wohnnutzung in einem auffälligen Kontrast. Die vorhandenen Umgebungsnutzungen wiesen keinen bzw. keinen vergleichbaren überregionalen Bezug und insoweit kein vergleichbares relevantes Störpotenzial auf. Die Gastwirtschaft des Beigeladenen erscheine insbesondere hinsichtlich des Lärms durch die Gäste und den Zu- und Abgangsverkehr als Fremdkörper und müsse bei der Frage des Prägens der Eigenart der näheren Umgebung deshalb außer Acht gelassen werden. Ebenso könne dahinstehen, ob die FlNr. … als Veranstaltungsort für z.B. Erntedankfeste, Hochzeiten, Familienfeiern oder „Bulldogtreffen“ genutzt werde, was angesichts der Tatsache, dass dem Landratsamt weder einschlägige baurechtliche Genehmigungen noch Gewerbeanmeldungen vorlägen, eher unwahrscheinlich erscheine. Selbst wenn ein derartiger Betrieb nach seiner typischen Nutzungsweise nicht gem. § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO als sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb ausnahmsweise zulässig sein sollte, so komme ihm jedenfalls hinsichtlich seiner geringen gewerblichen Nutzungsfrequentierung kein hinreichend prägendes städtebauliches Gewicht zu. Nach den Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung, die weder von der Beklagten- noch von der Beigeladenenseite substantiiert in Zweifel gezogen worden seien, fänden auf dem Grundstück Fl. Nr. … nur etwa drei bis vier Mal im Jahr Veranstaltungen statt. Ausgehend hiervon gelangt das Verwaltungsgericht im weiteren Verlauf der Entscheidungsgründe (UA S. 9 – 11) zu dem Ergebnis, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Bauvorhaben in der Gesamtschau um ein in einem (faktischen) allgemeinen Wohngebiet gebietsunverträgliches und damit unzulässiges Vorhaben handele: Die zur Genehmigung gestellte Freischankfläche stehe in untrennbar funktionalem Zusammenhang mit der Bestandsgaststätte und liege örtlich unmittelbar auf dem Betriebsgelände. Die streitgegenständliche Freischankfläche sei nach dem Betriebskonzept des Beigeladenen Teil eines einheitlichen baugenehmigungspflichtigen Gesamtvorhabens. Der fehlende gebietsversorgende Charakter ergebe sich in der Gesamtschau mit den 142 Gastplätzen aus dem erkennbaren Betriebskonzept des Beigeladenen, der in erheblichem Umfang Personen außerhalb der näheren Umgebung erreichen wolle. Zum einen werbe der Beigeladene (auch) überregional für seinen Gastronomiebetrieb und für musikalische Veranstaltungen im größeren Stil (Homepage und Facebook) und ziele erkennbar insbesondere anlässlich der zahlreichen Musikveranstaltungen auf eine überregionale Kundschaft – auch in Form von Wanderern oder Radfahrern – ab. Zum anderen werde der Gaststättenbetrieb laut den vorliegenden Auszügen aus der Homepage und aus Facebook in erheblichem Umfang von Personenkreisen außerhalb des Gebiets besucht. Des Weiteren spreche die Lage des Vorhabens unweit einer Bundesstraße an einer frequentierten Kreisstraße in Zusammenschau mit der exponiert angebrachten großen Fahne vor dem Gebäude dafür, dass die Gaststätte auf einen gebietsübergreifenden Besucherkreis ausgerichtet sei. Zuletzt deuteten auch die amtlichen Kennzeichen der entlang der A. Straße parkenden auswärtigen Personenkraftwagen auf den gebietsübergreifenden Bezug der Gaststätte und die durch Anund Abfahrtsverkehr verbundenen gebietsinadäquaten Begleiterscheinungen hin. Die zur Genehmigung gestellte Freischankfläche könne in Zusammenschau mit dem Bestandsbetrieb auch nicht ausnahmsweise als sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zugelassen werden. Denn Schank- und Speisewirtschaften, die nicht der Versorgung des Gebiets dienten, würden von § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO nicht erfasst, da diese speziellere Nutzungsart abschließend in § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO geregelt sei. Selbst wenn man dies rechtlich anders bewertete, würde eine ausnahmsweise Zulassung bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise daran scheitern, dass eine Gaststätte mit Freischankflächen unzweifelhaft im Hinblick auf Lärm sowie An- und Abfahrtsverkehr abstrakt störend und nicht verträglich in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet sei.
bb) Da das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen (entgegen der Behauptung der Antragsbegründung) gerade nicht positiv festgestellt hat, dass die Bestandsnutzungen auf dem Baugrundstück aufgrund eines gebietsversorgenden Charakters im allgemeinen Wohngebiet gebietsverträglich seien, und es im Übrigen zur Begründung seines Subsumtionsergebnisses (Gebietsunverträglichkeit eines Gaststättenbetriebs mit der beantragten Erweiterung am Maßstab von § 4 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 2 BauNVO) auf die o.g. Gesamtschau abgestellt hat, kommt es auf die weitere Einwendung des Beigeladenen, wonach (gemeint: isoliert betrachtet) das streitgegenständliche Vorhaben für sich „zu unbedeutend“ sei, als dass es gerade nicht mehr nur der Versorgung des Gebiets dienen könnte“, nicht streitentscheidend an.
cc) Insbesondere mit seinen Einwänden gegen die Erwägungen des Verwaltungsgerichts zur (nicht prägenden) Fremdkörpereigenschaft des Bestands und seiner Nutzungen auf dem Baugrundstück sowie auf dem benachbarten Grundstück FlNr. … vermag der Beigeladene keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils zu begründen.
Für die Beurteilung der Eigenart der näheren Umgebung im Sinne des § 34 Abs. 1 und Abs. 2 BauGB ist grundsätzlich alles an Bebauung in den Blick zu nehmen, was tatsächlich vorhanden ist und nach außen wahrnehmbar in Erscheinung tritt. Außer Acht gelassen werden muss dabei allerdings, was die Bebauung nicht prägt, weil es nicht die Kraft hat, die Eigenart der näheren Umgebung zu beeinflussen, oder in ihr aufgrund ihrer Singularität gar als Fremdkörper erscheint. Ob dies der Fall ist, ist im jeweiligen Einzelfall auf Basis einer komplexen Bewertung anhand einer mehrstufigen Prüfung zu entscheiden (grundlegend BVerwG, U.v. 15.2.1990 – 4 C 23.86 – BVerwGE 84, 322 = juris Rn. 13 ff.; vgl. auch BVerwG, B.v. 11.2.2000 – 4 B 1.00 – BRS 63 Nr. 102 = juris Rn. 44; U.v. 7.12.2006 – 4 C 11.05 – BVerwGE 127, 231 = juris Rn. 9; B.v. 16.6.2009 – 4 B 50.08 – ZfBR 2009, 693 = juris Rn. 6; U.v. 8.12.2016 – 4 C 7.15 – BVerwGE 157, 1 = juris Rn. 13; U.v. 6.6.2019 – 4 C 10.18 – NVwZ 2019, 1456 = juris Rn. 15; BayVGH, B.v. 23.11.2012 – 22 ZB 12.2120 – BauR 2013, 928 = juris Rn. 14; U.v. 27.9.2021 – 15 B 20.828 – juris Rn. 37 m.w.N.). Die Antragsbegründung zieht die vom Verwaltungsgericht vorgenommene und begründete Einstufung der gastwirtschaftlichen Nutzung auf dem Baugrundstück als nicht prägender „Fremdkörper“ [zu den Argumenten des Erstgerichts s.o. aa) ] nur pauschal in Zweifel. Mit den Ausführungen, dass die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Einordnung „nicht zwingend“ sei und wonach „dafür (…) die Bestandsgebäude im Vergleich zu dem genehmigten Bauvorhaben einen zu großen Einzugsbereich und Umfang“ aufwiesen, werden die gem. § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO bestehenden Anforderungen an die Darlegung des Zulassungsgrunds erstinstanzlicher Zweifel i.S. von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht erfüllt [s.o. a) ]. Mit diesem unsubstantiierten Vorbringen in der Antragsbegründung stellt der Beigeladene keinen tragenden Rechtssatz oder eine diesbezüglich erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten ernstlich in Frage. Dies gilt auch für den ergänzenden Hinweis auf die Bestandsnutzungen auf dem in der Nähe liegenden Grundstück FlNr. … Hier begrenzt sich die Antragsbegründung auf die nicht näher untermauerte Behauptung, dass für dieses Grundstück dasselbe wie für die Bestandsgebäude auf dem Baugrundstück gelte und dass zudem „dort wesentlich mehr Veranstaltungen“ stattfänden. Eine konkrete, argumentativ untermauerte Begründung, weswegen die Erwägungen des Verwaltungsgerichts (s.o.: keine Baugenehmigungen bzw., keine Gewerbeanmeldungen für dortige gewerbliche / gaststättenähnliche Nutzungen; allenfalls drei bis vier Veranstaltungen im Jahr) falsch seien unterbleibt aber ebenso wie eine nähere Darlegung, welche konkreten gewerblichen / gaststättenähnlichen Nutzungen in welcher konkreten Häufigkeit auf der FlNr. … stattfinden.
dd) Soweit der Beigeladene auf der letzten Seite der Antragsbegründung vom 31. März 2022 vortragen lässt, dass der vorbereitende Bauleitplan für das Baugrundstück und seine Umgebung ein Mischgebiet vorsehe und dass die Standortgemeinde „auch künftig eine wachsende Durchmischung gerade auch mit Gewerbebetrieben“ vorsehe, ist dies für die Frage der Richtigkeit der Rechtsanwendung durch das Erstgericht von vornherein irrelevant. Die Darstellungen des Flächennutzungsplans sind für die Zulassung von Vorhaben im unbeplanten Innenbereich unerheblich; für die Anwendung des § 34 BauGB kommt es nur auf den sich aus der vorhandenen Bebauung ableitbaren Maßstab an (BVerwG, B.v. 20.8.1998 – 4 B 79.98 – NVwZ-RR 1999, 105 = juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 23.11.2012 – 22 ZB 12.2120 – juris Rn. 9; Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15. Aufl. 2022, § 34 Rn. 22). Es ist zudem weder ersichtlich noch vom Beigeladenen vorgebracht worden, dass die Standortgemeinde bereits ein Verfahren der Bauleitplanung betreibt, das den Stand der Planreife gem. § 33 BauGB erreicht hat.
c) Der im Zulassungsverfahren erhobene weitere Einwand des Beigeladenen, dass entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichts auch bei einer Kleingemengeanlage eine Erhöhung der Immissionsrichtwerte in Betracht komme, ist nicht mehr entscheidungserheblich. Dieser Einwand betrifft ausschließlich die ergänzende Erwägung des Verwaltungsgerichts, wonach das genehmigte Vorhaben auch unabhängig vom Gebietserhaltungsanspruch (im Sinne eines zusätzlichen, weiteren Nachbarrechtsverstoßes) das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme verletze (UA S. 11 ff., insbes. S. 13).
2. Die Berufung ist auch nicht aufgrund von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten im Sinne dieser Vorschrift weist eine Rechtssache dann auf, wenn die Beantwortung der für die Entscheidung erheblichen Fragen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten bereitet, wenn sie sich also wegen der Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren heraushebt (vgl. BayVGH, B.v. 10.4.2017 – 15 ZB 16.673 – juris Rn. 42 m.w.N.; B.v. 14.9.2021 – 15 ZB 21.463 – juris Rn. 22). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt bzw. nicht substantiiert dargelegt, wie sich aus den voranstehenden Ausführungen zu 1. ergibt. Insbesondere genügt die unterschiedliche Bewertung des Sachverhalts einerseits durch das Verwaltungsgericht, andererseits durch den rechtsmittelführenden Beigeladenen nicht für die hinreichende Darlegung des Berufungszulassungsgrunds des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (BayVGH, B,v, 14.4.2022 – 15 ZB 21.2827 – juris Rn. 19; B.v. 6.5.2022 – 15 ZB 22.732 – BeckRS 2022, 10638 Rn. 18).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47, § 52 Abs. 1 GKG. Sie orientiert sich an Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt als Anhang bei Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019) und folgt in der Sache der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben worden sind.
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben