Baurecht

Aussetzung der Vollziehung einer wasserrechtlichen Erlaubnis – Faktischer Vollzug

Aktenzeichen  8 CS 18.1129

Datum:
27.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 14551
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5, § 80a Abs. 3 S. 2, § 146 Abs. 4

 

Leitsatz

1. In den Fällen des sog. faktischen Vollzugs, d.h. wenn eine Klage aufschiebende Wirkung hat, eine Behörde aber gleichwohl den Verwaltungsakt vollzieht oder der begünstigte Dritte davon Gebrauch macht, kann entsprechend § 80 Abs. 5 VwGO Rechtsschutz gewährt werden; dies mit dem Ziel festzustellen, dass der Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung zukommt. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein faktischer Vollzug liegt nur vor, wenn Behörden oder Dritte Vollzugsmaßnahmen getroffen haben oder treffen, ohne dass die Voraussetzungen der sofortigen Vollziehung vorlagen bzw. vorliegen, oder wenn solche Maßnahmen drohen. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 17 S 18.595 2018-05-02 Ent VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die W. GbR, vertreten durch F., K. Straße wird zum Verfahren beigeladen.
II. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
III. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
IV. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Aussetzung der Vollziehung einer wasserrechtlichen Erlaubnis zum Einleiten von Niederschlagswasser bzw. die vorläufige Einstellung der Bauarbeiten zur Herstellung eines Regenwasserkanals sowie einer Anliegerstraße.
Der Antragsteller ist Eigentümer des Anwesens „M …mühle“, M …  in … … Er betreibt am dortigen Triebwerkskanal der G … (Grundstück FlNr. … Gemarkung G …) eine Wasserkraftanlage. Die Grundstücke liegen im vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebiet der G …
Mit Bescheid vom 3. März 2016, dem Antragsteller nachträglich bekannt gegeben mit Schreiben vom 28. Februar 2018, erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen zu 1 die widerrufliche, beschränkte Erlaubnis zur Einleitung von Niederschlagswasser von den Grundstücken FlNr. …, …, … und … in den Triebwerkskanal. Die Erlaubnis geht nach ihrer Nr. II.2 auf den jeweiligen Rechtsnachfolger über; die Beigeladene zu 2 ist insoweit Rechtsnachfolgerin der Beigeladenen zu 1.
Der Antragsteller hat gegen diesen Bescheid am 27. März 2018 Klage zum Verwaltungsgericht Ansbach erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Den am gleichen Tag eingegangenen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 2. Mai 2018 abgelehnt. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Rechtsschutzbegehren weiter.
II.
1. Die Beigeladene zu 2 ist als neue Inhaberin der angegriffenen wasserrechtlichen Erlaubnis beizuladen, weil die Entscheidung über die Aussetzung von deren Vollziehung auch ihr gegenüber nur einheitlich ergehen kann (§ 65 Abs. 2 VwGO; vgl. auch Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 65 Rn. 20).
2. Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, auf das sich die Prüfung des Verwaltungsgerichtshofs beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigt keine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung.
2.1 Die Auffassung des Verwaltungsgerichts‚ der Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung der gegen den wasserrechtlichen Bescheid vom 3. März 2016 gerichteten Anfechtungsklage sei mangels faktischer Vollziehung unzulässig, erweist sich auch in Ansehung der vom Antragsteller innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegten Gründe als zutreffend.
In den Fällen des sog. faktischen Vollzugs, d.h. wenn eine Klage aufschiebende Wirkung hat, eine Behörde aber gleichwohl den Verwaltungsakt vollzieht oder der begünstigte Dritte davon Gebrauch macht, gewährt die herrschende Meinung Rechtsschutz entsprechend § 80 Abs. 5 VwGO mit dem Ziel festzustellen, dass der Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 13.10.2010 – 14 CS 10.2198 – juris Rn. 18; B.v. 28.7.1982 – 20 AS 82 D.34 – BayVBl 1983, 399; vgl. auch Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2017, § 80 Rn. 356; A. Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 80 Rn. 164). Eine faktische Vollziehung liegt aber nur vor, wenn Behörden oder Dritte Vollzugsmaßnahmen getroffen haben oder treffen, ohne dass die Voraussetzungen der sofortigen Vollziehung vorlagen bzw. vorliegen, oder wenn solche Maßnahmen drohen (vgl. BayVGH, B.v. 27.3.2014 – 8 CS 13.1013 – juris Rn. 20; vgl. auch Kopp/Schenke, VwGO 23. Aufl. 2017, § 80 Rn. 181; Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 80 Rn. 352).
Für eine solche gerichtliche Entscheidung besteht vorliegend kein Rechtschutzbedürfnis mehr. Auch der Antragsteller bestreitet nicht, dass aktuell keine weiteren Arbeiten zur Einleitung des Niederschlagswassers stattfinden (vgl. S. 19 der Gerichtsakte). Vollzugsmaßnahmen drohen nicht allein deshalb, weil der angefochtene Bescheid (noch) nicht widerrufen wurde oder weil auf Grundlage überarbeiteter Antragsunterlagen mit der erneuten Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis zu rechnen ist. Maßgeblich ist vielmehr, dass die verfügte Einstellung der Bauarbeiten für Maßnahmen zum Einleiten des Niederschlagswassers (vgl. Schreiben der Antragsgegnerin vom 13.3.2018, S. 141 der Behördenakte) bislang eingehalten wird (vgl. Vermerk über die Ortseinsicht am 23.4.2018, S. 282 der Behördenakte).
2.2 Auch betreffend die Herstellung der Anliegerstraße hat das Verwaltungsgericht die Gewährung von Eilrechtsschutz zutreffend abgelehnt. Dass diese Maßnahmen im Zusammenhang mit der wasserrechtlichen Erlaubnis stehen, ist nicht erkennbar. Das Beschwerdevorbringen, durch die Geländeerhöhung werde die Einleitung des Niederschlagswassers erst ermöglicht, ist durch nichts belegt; hiergegen spricht auch, dass die Antragsgegnerin einen eigenen wasserrechtlichen Genehmigungsantrag betreffend die Anliegerstraße verlangt hat (S. 282 der Behördenakte), der ihr inzwischen vorliegt (S. 39 der Gerichtsakte).
Gegenwärtig gibt es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Abflussverhältnisse auf dem Anwesen des Antragstellers durch noch anstehende Baumaßnahmen verschlechtern. Die Zufahrtsstraße war am 23. April 2018 fast fertiggestellt (vgl. Vermerk über die Ortseinsicht, S. 282 der Behördenakte), was der Antragsteller nicht bestreitet. Soweit er sich darauf beruft, dass am 21. März 2018 erst ein „Schotterhaufen“ erkennbar gewesen sei, verkennt er, dass das Verwaltungsgericht sein Aussetzungsinteresse nach § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu Recht auf Grundlage der Sachlage im Zeitpunkt seiner Entscheidung beurteilt hat (vgl. A. Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, § 80 Rn. 162; Schmidt in Eyermann, VwGO, § 80 Rn. 83; Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 80 Rn. 418). Die Wertung des Erstgerichts, es sei nicht zu erwarten, dass Niederschlagswasser von den Grundstücken in die G … abfließe, weil die Baufläche südlich der Anliegerstraße unterhalb des Höhenniveaus des M … liege, stellt die Beschwerde nicht infrage. Auf den vorgelegten Lichtbildern (S. 24 der Gerichtsakte) ist nicht zu erkennen, dass die Erdoberfläche der Grundstücke inzwischen auf die Geländehöhe ihrer Zufahrtsstraßen erhöht worden wäre; auf beiden Fotos ist insbesondere der Höhenunterschied zum nördlich angrenzenden Anliegerweg klar dokumentiert (vgl. auch Foto der Antragsgegnerin vom 23.4.2018, S. 286 der Behördenakte).
2.3 Die Frage, ob und inwieweit die Grundstücke FlNr. …, …, … und … im Zuge der Errichtung der Bauvorhaben aufgefüllt werden sollen, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Solche Einwände müssten im Eilverfahren gegen die Vollziehung der jeweiligen Baugenehmigung geltend gemacht werden.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG unter Orientierung an Nr. 51.1 i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit; sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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