Baurecht

Beitragspflicht eines Grundstücks hinsichtlich gemeindlicher Abwasserentsorgungsanlage

Aktenzeichen  AN 1 K 17.00823

Datum:
3.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 34997
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKAG Art. 5
BayWG Art. 63 Abs. 3
BayVwVfg Art. 38 Abs. 1 S. 1
VwGO § 82 Abs. 1 S. 3, § 86

 

Leitsatz

Die Entscheidung darüber, wie die Ableitung und Klärung von anfallenden Abwässern im Einzelnen durchgeführt werden soll, liegt grundsätzlich im weiten Ermessen des Einrichtungsträgers, das nur in engen Grenzen einer gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Zum umlegungsfähigen Aufwand zählt hierbei alles, was zur sachgerechten Herstellung der Einrichtung aus der Sicht einer sparsam wirtschaftenden und zugleich vorausschauend planenden Gemeinde zum Zeitpunkt der Planung und Herstellung der Anlage erforderlich erscheint. Jede innerhalb dieses Rahmens bleibende Entscheidung des Ortsgesetzgebers ist der gerichtlichen Überprüfung entzogen (Anschluss an VGH München BeckRS 2004, 34114). (Rn. 52) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Beitragsbescheid des Beklagten vom 2. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landratsamtes . – . vom 31. März 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der Beklagte konnte Beiträge zur Deckung des Aufwandes für die Herstellung der Entwässerungseinrichtung erheben, weil durch Art. 5 Abs. 1 KAG in der maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 4. April 1993, zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. März 2014 (GVBl. S. 70), sowie die Bestimmungen der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung für den Gemeindeteil . (BGS/EWS) des Beklagten vom 16. Juni 2014, in Kraft getreten am 1. Januar 2014, eine Rechtsgrundlage gegeben war und die dort genannten Voraussetzungen für die Beitragserhebung vorlagen.
Gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG können Gemeinden zur Deckung des Aufwands für die Herstellung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtung einen besonderen Vorteil bietet.
Der Beklagte betreibt je eine getrennte öffentliche Einrichtung zur Abwasserbeseitigung (Entwässerungseinrichtung) für die Gemeindeteile ., ., .,
., ., . und . (§ 1 Abs. 1 EWS). Das Grundstück des Klägers liegt unstreitig im Geltungsbereich der genannten Entwässerungssatzung und ist durch die öffentliche Entwässerungseinrichtung des Beklagten erschlossen.
Bedenken gegen die Rechtswirksamkeit der BGS/EWS wurden weder geltend gemacht noch sind solche für die erkennende Kammer ersichtlich.
Insbesondere ist es seitens der erkennenden Kammer nicht zu beanstanden, dass der Ortsteil . mit einer selbständigen Entwässerungseinrichtung erschlossen wurde.
Die Entscheidung darüber, wie die Ableitung und Klärung von anfallenden Abwässern im Einzelnen durchgeführt werden soll, liegt grundsätzlich im weiten Ermessen des Einrichtungsträgers, das nur in engen Grenzen einer gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Allerdings darf neben der auf jeden Fall erforderlichen Notwendigkeit und Geeignetheit der beabsichtigten Maßnahmen deren Verwirklichung nicht mit einem sachlich nicht mehr zu vertretenden Mittelaufwand verbunden sein. Was zum umlegungsfähigen Aufwand konkret zählt, wird im Kommunalabgabengesetz nicht näher bestimmt. Man wird hierzu aber alles rechnen müssen, was zur sachgerechten Herstellung der Einrichtung aus der Sicht einer sparsam wirtschaftenden und zugleich vorausschauend planenden Gemeinde zum Zeitpunkt der Planung und Herstellung der Anlage erforderlich erscheint. Jede innerhalb dieses Rahmens bleibende Entscheidung des Ortsgesetzgebers ist der gerichtlichen Überprüfung entzogen (BayVGH, U.v. 18.3.2004 – 23 B 03.2843 – BeckRS 2004, 34114). Die Rechtmäßigkeit der Entscheidung für eine zentrale Abwasserentsorgung mit Anschluss- und Benutzungszwang ist dabei weder von vorherigen intensiven Kostenvergleichen und -analysen noch von einer objektbezogenen Einzelkalkulation hinsichtlich der betroffenen Grundstücke abhängig (Nitsche/Baumann/Mühlfeld, Satzungen zur Abwasserbeseitigung, Stand 06/2019, § 1 BGS 20.01, Nr. 22, Buchst. a)).
Der Beklagte hat vorliegend eine Kostenvergleichsrechnung nach LAWA erstellen lassen, in deren Rahmen ein Vergleich von einer dezentralen Abwasserentsorgung über Kleinkläranlagen und einer zentralen Abwasserentsorgung erfolgte (Bl. 66 der Gerichtsakte). Auf zweimalige Anforderung des Wasserwirtschaftsamtes . (Bl. 84 und 95 der Gerichtsakte) wurde zudem eine Überleitung des Schmutzwassers zu der bereits bestehenden Kläranlage in . betrachtet (Bl. 104 f. der Gerichtsakte). Das Wasserwirtschaftsamt ., dessen Einschätzung als Fachbehörde für wasserwirtschaftliche Fragen besonderes Gewicht zukommt (Art. 63 Abs. 3 BayWG; BayVGH, B.v. 26.1.2010 – 20 ZB 09.3046 – juris Rn. 12), stellte in seiner baufachlichen Stellungnahme vom 14. Mai 2010 (Bl. 108 f. der Gerichtsakte) fest, dass die Maßnahme wirtschaftlich und sparsam ausgeführt werde, und hat dabei auch die Möglichkeit der Abwasserentsorgung über Kleinkläranlagen bzw. der Überleitung in die Kläranlage . betrachtet und die Planung des Beklagten fachlich nicht beanstandet. Vor diesem Hintergrund kann die fachliche Einschätzung des Wasserwirtschaftsamtes . nicht mit der schlichten Behauptung erschüttert werden, dass die Überleitung in die Kläranlage . auch aus anderen Gründen unterblieb, insbesondere weil ein Marktgemeinderatsmitglied oder ein einflussreicher Bürger aus . dies nicht gewollt habe und man daher die Kosten zu hoch angesetzt habe.
Das Wasserwirtschaftsamt . hat in seiner baufachlichen Stellungnahme ferner festgestellt, dass die zunächst von dem Beklagten vorgesehene Ausbaugröße mit 80 EW zu groß gewählt erscheine und daher als förderfähige Ausbaugröße lediglich 60 EW anzusetzen seien. Der Beklagte hat dies nach unbestrittenem Vortrag in der mündlichen Verhandlung vom 3. Dezember 2019 entsprechend umgesetzt, weshalb die Entwässerungseinrichtung aus Sicht der erkennenden Kammer nicht als überdimensioniert angesehen werden kann, auch wenn dem Kläger zuzugestehen ist, dass die Kläranlage aktuell nur noch mit einer Leistung von 40 EW betrieben wird. Mit Blick auf die fachliche Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamtes . bestehen seitens der erkennenden Kammer keine Bedenken gegen die grundsätzliche Entscheidung des Beklagten, eine zentrale Abwasserentsorgung für den Ortsteil . zu errichten.
Zudem sind die den Beitragssätzen zugrunde gelegten Aufwendungen als erforderlich anzusehen, weshalb die in § 6 BGS/EWS normierten Beitragssätze von 3,69 EUR/m² Grundstücksfläche und 15,52 EUR/m² Geschossfläche nicht zu beanstanden sind. Der Kläger hat den der Kalkulation zugrunde liegenden Herstellungsaufwand, gekürzt um die staatlichen Zuwendungen, sowie die Verteilung des Aufwands auf Grundstücks- und Geschossflächen, orientiert am Aufwand für die Schmutzwasser- und Oberflächenentwässerung, und die der Kalkulation zugrunde gelegten gesamten Grundstücks- und Geschossflächen im Abrechnungsgebiet nicht substantiiert in Frage gestellt (BayVGH, U.v. 23.4.1998 – 23 B 96.3585 – juris).
Die erkennende Kammer hat bezüglich der Kalkulation auch keine Anhaltspunkte für eventuelle Fehler, so dass sie keine Veranlassung hat, diese von Amts wegen einer näheren Überprüfung zu unterziehen (BVerwG, U.v. 17.4.2002 – 9 CN 1/01 – juris Rn. 43).
Vorab ist klarzustellen, dass sich der Kläger insbesondere nicht darauf berufen kann, dass ihm gegenüber in einer Bürgerversammlung gesagt worden sei, dass die dort vorgestellten Beitragssätze verbindlich seien. Eine derartige Verbindlichkeit könnte allenfalls vorliegen, wenn dem Kläger gegenüber eine Zusicherung nach Art. 38 BayVwVfG abgegeben worden wäre. Allerdings hätte eine Zusage zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form bedurft, an der es vorliegend fehlt, Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG. Insbesondere wurden die beiden Kostenschätzungen aus den Jahren 2007 (Bl. 131 der Gerichtsakte) und 2009 (Bl. 132 der Gerichtsakte) nicht unterschrieben und enthielten jeweils den Hinweis, dass alle Zahlen Schätzungen seien und eine Bandbreite hätten, was zusätzlich gegen eine von dem Beklagten gewollte Verbindlichkeit spricht.
Zudem existiert kein allgemeiner Rechtssatz, dass die gegenüber einer Kostenschätzung tatsächlich angefallenen Mehrkosten nicht beitragsfähig sind. Vielmehr verdeutlicht bereits Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG, dass stets die tatsächlich angefallenen Kosten für die Kalkulation der Beiträge zugrunde gelegt werden müssen.
Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (B.v. 17.1.2019 – 20 ZB 17.436 – juris Rn. 12; U.v. 29.4.2010 – 20 BV 09.2024 – juris Rn. 61) genügt es nicht, wenn eine Klagepartei ohne jegliche konkrete Belegung lediglich behauptet, die bestimmten Beitragssätze seien nicht ordnungsgemäß ermittelt worden. Zwar verlangt der Grundsatz der Amtsermittlung des § 86 VwGO, dass das Gericht alle vernünftigerweise zu Gebote stehenden Möglichkeiten zur Aufklärung des für seine Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts ausschöpft, die geeignet erscheinen, die dafür erforderliche Überzeugung zu gewinnen. Diese Pflicht findet aber in der Mitwirkungspflicht der Beteiligten eine Grenze. Diese besteht nicht nur darin, dass das Gericht die Beteiligten zur Erforschung des Sachverhalts mit heranziehen kann, sondern auch und gerade darin, dass die Klägerseite die zur Begründung ihrer Rechtsbehelfe oder ihrer Einwendungen dienenden Tatsachen und Beweismittel nach § 82 Abs. 1 Satz 3 VwGO angeben soll. Solange sie dieser Pflicht nicht nachkommt, überprüfbare und einem Beweis zugängliche Tatsachen vorzutragen, braucht das Gericht der bloßen Möglichkeit fehlerhaft bestimmter Beitragssätze nicht nachzugehen (BVerwG, U.v. 17.4.2002 – 9 CN 1/01 – juris Rn. 43; BayVGH, B.v. 2.8.2006 – 23 ZB 06.643 – juris Rn. 13). Dass es für den Kläger nicht ganz einfach ist, die von dem Beklagten ermittelten Beitragssätze auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, entbindet ihn nicht davon, sich im Rahmen der ihm obliegenden Mitwirkungspflicht selbst durch Akteneinsicht sachkundig zu machen, notfalls mit Hilfe eines von ihm beauftragten Sachverständigen. Um dieser Mitwirkungspflicht nachkommen zu können, ist der Kläger ein umfangreiches Akteneinsichtsrecht in die Kalkulationsunterlagen eingeräumt (BayVGH, B.v. 10.8.2005 – 23 ZB 05.1236 – juris Rn. 6 ff.).
Diesen Anforderungen an eine substantiierte Rüge genügen die pauschalen Einwendungen des Klägers nicht, da insbesondere keine konkreten Fehler in der Globalkalkulation aufgezeigt wurden.
Der Kläger behauptete zwar, dass der Beklagte aufgrund der Insolvenz der . Bauunternehmen GmbH in finanzielle Vorleistung habe gehen müssen und zudem eine ausreichende Bauüberwachung unterblieben sei, jedoch hat der Kläger weder diesbezüglich, noch hinsichtlich der Erneuerung einer Ortsverbindungsstraße dargelegt, welche konkreten Mehrkosten hierdurch entstanden sein sollen.
Des Weiteren kann dahinstehen, ob, aus welchen Gründen und in welchem Umfang Baumaterialien von der Baustelle abtransportiert wurden, da nach Vortrag des Beklagten eine Abrechnung nach tatsächlichen Mengen und Massen erfolgte und der Kläger nicht substantiiert dargelegt hat, inwieweit die diesbezüglichen Abrechnungen fehlerhaft seien.
Ferner hat der Kläger nicht dargelegt, welche konkreten Mehrkosten im Zusammenhang mit dem Antreffen von massiven Fels entstanden seien, die nicht beitragsfähig sind. Es fehlen detaillierte Angaben dazu, inwieweit die tatsächlich entstandenen Kosten nicht erforderlich sein sollen. Auch der Umstand, dass die tatsächlichen Kosten gegenüber einer vorhergehenden Schätzung höher ausgefallen sein mögen, vermag der Klage nicht zum Erfolg verhelfen, da den Beiträgen die tatsächlich angefallenen Kosten zugrunde gelegt werden können und eine Kostenschätzung keine Bindungswirkung dahingehend entfaltet, dass die die Kostenschätzung überschreitenden Kosten nicht beitragsfähig wären.
Letztendlich vermag auch die Änderung der Innenbereichssatzung nicht zum Erfolg der Klage führen. Bei der Innenbereichssatzung handelt es sich um eine Klarstellungs- und Einbeziehungssatzung, § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 3 BauGB. Da die bebauten Flächen des klägerischen Grundstückes dem Innenbereich zuzurechnen sind, ist es nicht zu beanstanden, diese dementsprechend in der Klarstellungssatzung darzustellen und der Anregung des Klägers, jedenfalls eine Scheune aus dem Geltungsbereich herauszunehmen, nicht nachzukommen.
Aus Sicht der erkennenden Kammer ist ferner nicht zu beanstanden, dass bezüglich des Grundstückes Fl.-Nr. . der Gemarkung . die ursprünglich als “Teilfläche 1” vorgesehene Fläche aus dem Geltungsbereich der Einbeziehungssatzung durch die 1. Änderungssatzung der Innenbereichssatzung herausgenommen wurde. Nachdem der Grundstückseigentümer gegenüber dem Beklagten mitteilte, dass er von einer Bebauung auf absehbare Zeit absehen werde und dem Beklagten zudem die Kosten des Änderungsverfahrens erstatten werde, erfolgte die Änderung der Innenbereichssatzung jedenfalls nicht willkürlich, zumal die Fläche rechtlich dem Außenbereich nach § 35 BauGB zuzuordnen ist.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vor-läufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 124a Abs. 1 VwGO nicht vorliegen.


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