Baurecht

Beitritt und Anschluss von Mitgliedern des Deutschen Bundestages zum Verfahren “Berliner Mietendeckel” unzulässig

Aktenzeichen  AN 17 S 21.00130

Datum:
31.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 7208
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 6
BauNVO § 22, § 23
BauGB § 30, § 31 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
3. Der Streitwert wird auf 3.750,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich im Eilrechtsschutz gegen die Errichtung von zwei Reihenhäusern einschließlich Stellplätzen auf dem benachbarten Grundstück.
Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks FlNr. … der Gemarkung … bei … (…), das ca. 1.000 m² groß ist und mittig mit einem Zweifamilienhaus mit Keller, Erdgeschoss, Obergeschoss und Dachgeschoss bebaut ist. An der Grundstücksgrenze zum nördlich benachbarten Grundstück, dem Vorhabengrundstück, steht eine Doppelgarage. Haus und Garage wurden mit Baugenehmigungsbescheid vom 9. Februar 1968 genehmigt.
Die Beigeladene ist Eigentümerin des Grundstücks FlNr. … der Gemarkung … bei … (…). Sie ist Bauherrin des angefochtenen Vorhabens der Errichtung von zwei aneinandergebauten Reihenhäusern, die im Anschluss an ein bereits stehendes Wohngebäude ( …, FlNr. … der Gemarkung … bei …, westlich des Vorhabens) errichtet werden sollen. Das Vorhaben umfasst die Errichtung einer Doppelgarage an der Grundstücksgrenze zur Antragstellerin, östlich der Garagen auf dem Grundstück der Antragstellerin und in etwa auf der Höhe ihres Anwesens, sowie die Errichtung von zwei weiteren Stellplätzen im Südosten des Vorhabengrundstücks entlang der … Straße (Kreisstraße …*) in der Nähe der Grundstücksgrenze zur Antragstellerin. Das Vorhabengrundstück liegt nördlich des Grundstücks der Antragstellerin.
Beide Grundstücke liegen im Bebauungsplan Nr. 1 für … Im Bebauungsplan sind ein allgemeines Wohngebiet, Baugrenzen in Form von Baufenstern und Sichtdreiecke für die Einfahrt in die Kreisstraße festgelegt. In den Sichtdreiecken dürfen keine Hochbauten, Anpflanzungen, Zäune und Ähnliches errichtet werden, die eine höhere Höhe als einen Meter über der Fahrbahn erreichen. Der Bebauungsplan ist am 10. Oktober 1970 bekanntgemacht worden. Weiter ist eine offene Bauweise festgelegt, bei der eine Verbindung von Nebengebäuden mit den Hauptgebäuden zulässig ist. Durch Planzeichen (Dreieck mit Kreis in der Mitte) ist im textlichen Teil des Bebauungsplans weiter vorgegeben: „Bauweise (§ 9 Abs. 1 BBauG u. §§ 22 u. 23 Bau NVO) Nur Einzelhäuser u. Doppelhäuser zulässig“. Das entsprechende Planzeichen ist im Teilgebiet des Bebauungsplans, in dem sich das Vorhaben und das klägerische Grundstück befindet, zweimal eingezeichnet, einmal davon auf dem Grundstück der Antragstellerin, einmal auf der Grundstücksgrenze von zwei Grundstücken westlich der beiden Grundstücke.
Mit Antrag vom 15. September 2020, geändert bzw. ergänzt am 31. Oktober 2020 und 18. November 2020, beantragte die Beigeladene die Baugenehmigung für das oben genannte Bauvorhaben unter Erteilung von Befreiungen von den Baugrenzen nach Norden, Süden und Osten und wegen der nicht vollständigen Einhaltung des Sichtdreiecks für die Einmündung der Flurstraße nördlich des Vorhabens in die … Straße. Nach den eingereichten Bauplänen handelt es sich bei den beiden Reihenhäusern jeweils um Einfamilienhäuser mit Erdgeschoss, Obergeschoss und ausgebautem Dachgeschoss ohne Dachgauben. Sie haben zusammen eine Grundfläche von 12 m x 11 m und einen Abstand zur Grundstücksgrenze zur Antragstellerin von knapp 8 m. Die beiden Reihenhäuser haben eine Traufhöhe von 6,70 m und eine Firsthöhe von 11 m. Das Vorhaben ist um 43 cm höher als das bereits bestehende Gebäude, an das angebaut werden soll und ragt im Süden ca. 80 cm über dieses hinaus. Die grenzständige Doppelgarage hat eine Größe von insgesamt 6 m x 6 m und ein Flachdach mit einer Höhe von 2,30 m. Die beiden weiteren Stellplätze haben zusammen eine Grundfläche von 5 m x 5 m. Für die Überschreitung der Abstandsflächen der Häuser nach Norden liegt eine Abstandsflächenübernahme des betroffenen Grundstücksnachbarn vor. Die im Bebauungsplan festgesetzte Baugrenze überschreitet das Vorhaben im Osten um ca. 2,40 m, im Norden um ca. 80 cm und im Süden um ca. 60 cm.
Bereits im behördlichen Baugenehmigungsverfahren erhob die Antragstellerin durch ihren Bevollmächtigten mit Schreiben vom 11. Dezember 2020 Einwendungen und berief sich auf die Rechtswidrigkeit der Erteilung von Befreiungen von den Baugrenzen und der Lage des Wohnhauses im festgesetzten Sichtdreieck. Das Bauvorhaben stelle einen Fremdkörper in der nachbarlichen Bebauung dar und füge sich deshalb dort nicht ein. Die Voraussetzungen für Befreiungen lägen nicht vor; diese seien städtebaulich nicht vertretbar. Die umliegenden Grundstücke hätten alle eine Größe von weit mehr als 1.000 m² und seien lediglich mit Ein- bis Zweifamilienhäusern bebaut. Das Bauvorhaben habe auch eine erdrückende und abriegelnde Wirkung mit seiner Gebäudehöhe von 11,17 m und dem Abstand von lediglich 8 m zur Grundstücksgrenze bzw. einem Abstand zwischen den beiden Gebäuden von nur etwa 15 m. Dass die Abstandsflächen eingehalten seien, erschließe sich nicht, nachdem für die Abstandsflächen zunächst ein Abweichungsantrag gestellt worden sei.
Mit Bescheid vom 15. Dezember 2020 erteilte das Landratsamt … für das Bauvorhaben die bauaufsichtliche Genehmigung unter Erteilung von Befreiungen für die Überschreitung der Baugrenze nach Süden um 2,00 m (24 m²), die Überschreitung der Baugrenze nach Osten um 3,00 m (27 m²), die Überschreitung der Baugrenze nach Norden um 1,00 m (9 m²) sowie die Überschreitung der Baugrenzen im Nordosten um 1,00 m (2 m²) und wegen der teilweisen Lage im Sichtdreieck. In der Begründung des Bescheids ist ausgeführt, dass die Baugrenzen im Bebauungsplan aus rein städtebaulichen Gründen festgesetzt worden seien und keinen Nachbarschutz vermittelten. Die südliche (gemeint wohl nördliche) Baugrenze beruhe in erster Linie auf der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs. Die Festsetzung des Sichtdreieckes habe auf dem damaligen Fachrecht beruht. Nach heutiger Rechtslage würde das Sichtdreieck anders festgesetzt werden. Im Baugebiet seien Überschreitungen von Baugrenzen bereits vorhanden und es würde von daher kein Präzedenzfall geschaffen. Für das streitgegenständliche Grundstück sei mittels Planzeichen kein Einzel- oder Doppelhaus festgelegt (im Gegensatz zu dem Grundstück der Antragstellerin). Eine erdrückende oder abriegelnde Wirkung komme nur bei übergroßen Baukörpern in geringem Abstand zum Tragen, was hier nicht erkennbar sei. Die Abstandsfläche nach Süden sei mehr als deutlich eingehalten. Die Grenzgaragen seien nach Art. 6 Abs. 9 BayBO zulässig.
Mit beim Verwaltungsgericht Ansbach am 21. Januar 2021 eingegangenem Schriftsatz erhob die Antragstellerin durch ihren Prozessbevollmächtigten Klage gegen die am 21. Dezember 2020 zugestellte Baugenehmigung und beantragte mit weiterem Schriftsatz vom 21. Januar 2021,
1.anzuordnen, dass die erhobene Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung vom 15. Dezember 2020 aufschiebende Wirkung hat,
2.der Beizuladenden aufzugeben, die Bauarbeiten sofort einzustellen und fortan alle Maßnahmen zur Ausführung des genehmigten Vorhabens zu unterlassen,
3.der Beigeladenen einstweiligen bis zur endgültigen Entscheidung der Kammer über den Eilantrag die weitere Bauausführung zu untersagen.
Der Antragsgegner beantragte mit Schriftsatz vom 27. Januar 2021, den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen.
Die Beigeladene äußerte sich mit E-Mail-Nachricht vom 2. Februar 2021, schriftlich eingereicht am 8. Februar 2021, und beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde auf zum Teil fehlerhafte Längenangaben der Antragstellerseite verwiesen und darauf, dass den Baugrenzen vorliegend kein Nachbarschutz zukäme, die Antragstellerseite die Baugrenzen wohl mit den Abstandsflächen verwechselt habe und die Abstandsflächen deutlich eingehalten seien. Die Vorgaben zum Maß der baulichen Nutzung seien sämtlich eingehalten. Die Sichtdreiecke seien ausschließlich aus verkehrstechnischen Gründen festgelegt und vermittelten der Antragstellerin keinen Schutz als Nachbarin.
Mit Schriftsatz vom 24. Februar 2021 machte die Antragstellerseite weitere Ausführungen zur Begründung des Eilantrags. Daraus, dass die Baugrenzen auf dem Vorhabengrundstück, auf dem Grundstück der Klägerin und auf dem südlich daran anschließenden Grundstück unterschiedlich festgesetzt seien, zeige sich, dass den Baugrenzen Nachbarschutz zukommen sollte. Überdies sei das Gebot der Rücksichtnahme aus § 15 Abs. 1 BauNVO verletzt. Die Lage des Vorhabens widerspreche der Eigenart des Baugebiets. Es liege zum Teil im Sichtdreieck. Das Bauvorhaben stelle einen Fremdkörper im Quartier dar. Vom Vorhaben gingen Belästigungen und Störungen aus. Durch das Hineinreichen in das Sichtdreieck sei die Sicherheit des Verkehrs gefährdet. Aufgrund der Lage werde auch die naturnahe Erholung auf dem Grundstück der Antragstellerin unmöglich gemacht. Eine Befreiung komme nur in Betracht, wenn sie im Einklang mit dem Planungswillen der Gemeinde stehe. Hiermit habe sich die Antragsgegnerin nicht hinreichend auseinandergesetzt. Eine Anpassung an das jetzige Fachrecht stelle eine unzulässige Rechtsausübung dar, es sei der damalige Planungswille der Gemeinde zu beachten. Eine atypische Fallgestaltung liege nicht vor. Die Grundzüge der Planung seien berührt und die Abweichung städtebaulich nicht vertretbar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Behördenakten und den Bebauungsplan Nr. 1 … Bezug genommen.
II.
Der unter Nr. 1 des Schriftsatzes vom 21. Januar 2021 gestellte Antrag bleibt in der Sache erfolglos. Über die Anträge Nr. 2 und 3 war nicht zu entscheiden.
1. a) Soweit mit Schriftsatz des einstweiligen Rechtschutzes vom 21. Januar 2021 unter Nr. 1 ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage vom gleichen Tag gestellt wurde, ist dieser zulässig, aber unbegründet und deshalb abzulehnen. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 80a Abs. 3 VwGO ist statthaft, da die Anfechtungsklage auf Grund des gesetzlich angeordneten Sofortvollzugs, § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 212a BauGB, keine aufschiebende Wirkung hat.
b) Der darüber hinaus gehende Antrag Nr. 2 auf Einstellung der Bauarbeiten bzw. Unterlassung der weiteren Bauausführung ist im wohlverstandenen Interesse der Antragstellerin und unter Beachtung des weiter gestellten Antrags Nr. 3 nur als Annexantrag zum Antrag Nr. 1 anzusehen und so auslegen, dass dieser unter der Bedingung gestellt ist, dass der Antrag Nr. 1 Erfolg hat (unechter Hilfsantrag). Damit ist mangels Eintritt der Bedingung über ihn nicht zu befinden. Der Frage, ob § 80a Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO (oder § 80 Abs. 5 Satz 3 i.V.m. § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO) eine ausreichende prozessuale Rechtsgrundlage für einen derartigen Unterlassungs- oder Folgenbeseitigungsantrag darstellt oder darüber hinaus die Voraussetzungen des Art. 75 BayBO erfüllt sein müssen und ob es über den regulären Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinaus eines hinreichenden konkreten Grundes für dieses Zusatzbegehren bedarf (vgl. BayVGH, B.v. 26.10.2009 – 2 CS 09.2121 – juris), muss vorliegend deshalb nicht nachgegangen werden.
c) Mit dem Antrag Nr. 3 begehrt die Antragstellerseite über den „regulären“ Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO (Antrag Nr. 1) hinaus den Erlass einer Zwischenverfügung bzw. den Erlass eines „Hängebeschlusses“ für die Zeit der Verfahrensdauer des Antrags Nr. 1. Diese Auslegung ergibt sich aus dem Antrag selbst sowie aus der Begründung zu diesem, in der eine „Zwischenregelung“ für erforderlich gehalten wird, um die Fertigstellung des Rohbaus zu verhindern. Mit dem hier ergehenden Beschluss über den „regulären“ Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO (Antrag 1) hat sich eine Zwischenverfügung allerdings erledigt und ist über dieses Begehren deshalb nicht mehr zu entscheiden. Eine Entscheidung zu Gunsten der Antragstellerin wäre mit dem Antrag in der gestellten Form nicht möglich gewesen, weil eine Verpflichtung unmittelbar der Beigeladenen begehrt wurde, nicht aber – richtigerweise – die Verpflichtung des Antragsgegners auf Untersagung der Bauausführung gegenüber der Beigeladenen (vgl. BayVGH, B.v. 26.10.2009, a.a.O.). Der öffentlich-rechtlichen Klage bzw. dem öffentlich-rechtlichen Eilantrag ist die unmittelbare Einwirkung von einer Privatperson auf eine zweite Privatperson fremd. Mit dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist nur ein Rechtsverhältnis zwischen einer Privatperson zu einem Träger öffentlicher Gewalt oder zwischen mehreren öffentlich-rechtlichen Trägern regel- und begründbar. Eine unmittelbare Verpflichtung eines Grundstückseigentümers durch einen anderen, wie dies dem Zivilprozess eigen ist, scheidet aus. Da die begehrte (positive) Zwischenverfügung demzufolge zu keinem Zeitpunkt möglich war, stellt die fehlende Vorabbehandlung für die Antragstellerin keinen Nachteil dar.
2. Der zulässige Antrag Nr. 1 auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist unbegründet. Die in diesem Rahmen anzustellende gerichtliche Interessensabwägung ergibt ein Überwiegen der Vollzugsinteressen der Beigeladenen und des Antragsgegners gegenüber dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin.
Für die gerichtliche Abwägungsentscheidung spielen dabei vor allem die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens eine maßgebliche Rolle. Erweist sich bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage die Klage mit hoher Wahrscheinlichkeit als erfolgreich, überwiegt regelmäßig das Interesse an der Aussetzung der sofortigen Vollziehung. Umgekehrt kommt regelmäßig dem Vollzugsinteresse Vorrang zu, wenn die Klage mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben wird. Erscheinen die Erfolgsaussichten der Hauptsache bei summarischer Prüfung im Eilverfahren als offen, ist eine von der Vorausbeurteilung der Hauptsache unabhängige Folgenabwägung vorzunehmen (BayVGH, B.v. 27.2.2017 – 15 CS 16.2253 – juris). Vorliegend erweist sich die Klage voraussichtlich als erfolglos.
Eine Anfechtungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat in der Sache nur dann Erfolg, wenn der angefochtene Verwaltungsakt – hier die Baugenehmigung – rechtswidrig ist und den Kläger zugleich in seinen Rechten verletzt. Die objektive Verletzung einer Rechtsnorm alleine genügt für den Erfolg der Nachbarklage somit nicht. Vielmehr muss sich die Rechtswidrigkeit zum einen gerade aus einer solchen Norm ergeben, die dem Schutz des Nachbarn dient (Schutznormtheorie, vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris). Zum anderen ist nur eine Rechtsverletzung maßgeblich, die zum Prüfungsumfang im bauaufsichtsrechtlichen Verfahren gehört, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO. Dementsprechend findet im gerichtlichen Verfahren keine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle statt, die Prüfung hat sich vielmehr darauf zu beschränken, ob durch die angefochtene Baugenehmigung drittschützende Vorschriften, die dem Nachbarn einen Abwehranspruch gegen das Vorhaben vermitteln, verletzt sind (BayVGH a.a.O.).
Eine Verletzung solcher nachbarschützender Normen liegt zugunsten der Antragstellerin aller Voraussicht nach nicht vor.
a) Die Einhaltung von Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO zum Nachteil der Antragstellerin gehört nach Art. 59 Satz 1 Nr.1b) BayBO zwar zum Prüfungsumfang der Baugenehmigungsbehörde und unterliegt damit der gerichtlichen Überprüfung im vorliegenden Verfahren. Eine Verletzung von Abstandsflächen kann hier jedoch ausgeschlossen werden. Anzuwenden ist im vorliegenden Verfahren prinzipiell die Rechtslage des Art. 6 BayBO nach der bis zum 31. Januar 2021 geltenden Fassung (BayBO a.F.), da die angefochtene Baugenehmigung vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Vereinfachung baurechtlicher Regelungen und zur Beschleunigung sowie Förderung des Wohnungsbaus vom 2. Dezember 2020 (LT-Drs. 18/8547; GVBl. 2020, S. 663) erlassen wurde und es für die Anfechtungsklage auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung ankommt. Allenfalls können Änderungen mit positiver Auswirkung für den Bauherrn schon zu berücksichtigen sein (vgl. VGH Baden-Württemberg, U.v. 22.3.1989 – 5 S 3439/88 – juris Rn. 24 m.V.a. BVerwG, U.v. 19.9.1969 – IV C 18.67 – juris Rn. 22, 23; vgl. auch BVerwG, B.v. 11.1.1991 – 7 B 102/90 – juris Rn. 3), nicht aber solche, die sich zu Gunsten des Nachbarn auswirken würden. Aus der Neuregelung des Art. 6 BayBO kann sich damit für die Antragstellerin keine günstigere Position ergeben und eine diesbezügliche Prüfung erübrigt sich.
Das Vorhaben hält nach Süden, zur Antragstellerin hin, die Abstandsflächen nach Art. 6 Abs. 1 BayBO a.F. ein, wie der eingereichte Abstandsflächenplan nachweist. Das 16-m-Privileg nach Art. 6 Abs. 6 BayBO a.F. findet Anwendung. Die Einhaltung der gesetzlichen Abstandsflächen zu anderen als eigenen Grundstücken, also nach Norden, Osten und Westen, kann die Antragstellerin nicht verlangen. Eine Rechtsverletzung kommt insoweit von vorne herein nicht in Betracht (VG Ansbach, U.v. 11.2.2021, AN 17 K 20.00020 – juris Rn. 24)
In den Abstandsflächen und ohne Einhaltung eigener Abstandsflächen zulässig ist nach Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO a.F. das 2,30 m hohe und 6 m breite Doppelgaragengebäude an der Grundstücksgrenze. Die weiteren zwei offenen Stellplätze in der Nähe der Grundstückgrenze zur Antragstellerin stellen schon keine Gebäude dar (vgl. Art. 2 Abs. 2 BayBO) und lösen deshalb nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO keine Abstandsflächen aus. Von offenen Stellplätzen geht auch keine gebäudegleiche Wirkung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayBO aus (Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Stand Juli 2020, Art. 6 Rn. 22, 29), so dass ein Grenzabstand nicht eingehalten werden muss.
Sonstige bauordnungsrechtliche Verstöße sind weder geltend gemacht, noch erkennbar. Da es sich bei dem Vorhaben nicht um einen Sonderbau nach Art. 2 Abs. 4 BayBO handelt und somit das vereinfachte Genehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO mit seinem eingeschränkten Prüfungsumfang einschlägig ist, sind solche auch nicht zu prüfen.
b) Das Bauvorhaben hält auch die im Bebauungsplan Nr. 1 festgesetzte Art der Nutzung (allgemeines Wohngebiet) ein. Die Antragstellerin ist nicht in ihrem Gebietserhaltungsanspruch verletzt. In einem allgemeinen Wohngebiet sind nach § 4 Abs. 1 und Abs. 2 BauNVO Wohngebäude allgemein zulässig. Auf die Anzahl der Wohneinheiten kommt es dabei nicht an. Auch Reihenhäuser entsprechen der Nutzungsart allgemeines Wohngebiet.
Dem Bebauungsplan kann zwar wohl entnommen werden, dass auf dem Vorhabengrundstück grundsätzlich keine Reihenhäuser errichtet werden dürfen, indes führt dies mangels Rechtsverletzung für die Antragstellerin nicht zum Erfolg des Antrags. Nach den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans steht das Planzeichen des Dreiecks mit Kreis in der Mitte für die Festsetzung „nur Einzelhäuser und Doppelhäuser zulässig“ und schließt damit Reihenhäuser grundsätzlich aus. Die Festsetzung bezieht sich entgegen der Auffassung des Antragsgegners auch auf das Vorhabengrundstück. Das Planzeichen des Dreiecks mit Kreis taucht in den zeichnerischen Festsetzungen nämlich zweimal in dem Bereich zwischen der … Straße, der …straße, der …straße und der …gasse auf und gilt damit für das gesamte Areal dazwischen. Aufgrund der Platzierung der Planzeichen ist es nach Ansicht des Gerichts ausgeschlossen, dass sich die Festsetzung nur auf konkrete, einzelne Grundstücke bezieht. Das eine Planzeichen ist nämlich direkt auf einer Grundstücksgrenze eingetragen (westlich des Vorhabengrundstücks und des Grundstücks der Antragstellerin), die zweite Eintragung befindet sich auf dem Grundstück der Antragstellerin. Ihr Anwesen war im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bebauungsplans aber bereits genehmigt (Baugenehmigung vom 9.2.1968, Bauantrag von Mai 1964), weshalb eine Festsetzung gerade für dieses Grundstück wenig Sinn gemacht hätte. Durch die Schraffierung, die bis zu den begrenzenden Straßenflächen geht, ist zusätzlich klar zum Ausdruck gebracht, dass das gesamte Areal innerhalb dieser Straßen von dieser Festsetzung betroffen ist, so wie auch das Planzeichen für das allgemeine Wohngebiet („WA“ in einem Kreis) für dieses gesamte Gebiet gilt und nicht nur für einzelne Grundstücke darin. Auch der Vergleich mit der Festsetzung der Geschossigkeit („II“) zeigt deutlich die Festlegung für das Gesamtgebiet. Die Festsetzung „II“ ist nämlich abweichend von den Planzeichen für „nur Einzelhäuser und Doppelhäuser“ und für das allgemeine Wohngebiet direkt auf den vorgeschlagenen Baufenstern aufgetragen.
Eine Rechtsverletzung für die Antragstellerin kann wegen des objektiven Verstoßes hiergegen jedoch nicht festgestellt werden. Der Festsetzung „nur Einzelhäuser und Doppelhäuser“ ist kein unmittelbarer Drittschutz zugunsten von Nachbarn zu entnehmen. Aus dem Ausschluss von Reihenhäusern ergibt sich mittelbar zwar auch die Anzahl der maximal möglichen Wohneinheiten. Festlegungen zur Wohnungshöchstzahl sind jedoch nicht per se drittschützend, sondern nur, wenn die Auslegung des Bebauungsplans dies ergibt (Jäde/Dirnberger, Baugesetzbuch 9. Aufl. 2018, § 29 Rn. 45; BVerwG, B.v. 9.3.1993 – 4 B 38.93 – juris). Letzteres ist hier nicht der Fall. Aus dem Bebauungsplan selbst ergibt sich dies nicht. Eine (inhaltliche) Begründung zum Bebauungsplan existiert nicht. Es ist deshalb davon auszugehen, dass es sich um eine rein städtebaulich begründete Festsetzung handelt und mit der Regelung allein eine geordnete, einheitliche Bebauung bezweckt ist, zumal die Festsetzung unter der Überschrift „Bauweise“ stand und auch der Bauweise nur ausnahmsweise Nachbarschutz zuzuerkennen ist (vgl. Simon/Busse, Art. 66 Rn. 367). Eine Vermutung für eine Begrenzung der Wohneinheiten zu Gunsten der Nachbarn ergibt sich aus dem Ausschluss einer Reihenhausbebauung aber nicht.
Auch eine Verletzung des in der jüngeren Literatur und Rechtsprechung teilweise diskutierten Gebietsprägungserhaltungsanspruchs liegt nicht vor. Hierunter wird ein Anspruch des Nachbarn gegen eine schleichende Veränderung des Gebietscharakters durch Vorhaben diskutiert, die der allgemeinen Zweckbestimmung des festgelegten Baugebietstyps zuwiderlaufen bzw. die aufgrund ihrer typischen Nutzungsweise im Baugebiet störend wirken (BVerwG, B.v. 13.5.2002 – 4 B 86.01 – juris; VGH Baden-Württemberg, B.v. 27.7.2001 – 5 S 1093.00 – juris; VG Ansbach, B.v. 13.1.2016 – AN 3 S 15.02436 – juris; U.v. 11.2.2021 – AN 17 K 20.00020 – juris; Decker, JA 2007, S. 55/57). Der Gebietsprägungserhaltungsanspruch ist als eigenständiger und unmittelbar drittschützender Anspruch jedoch umstritten (vgl. BayVGH, B.v. 15.10.2019 – 15 ZB 19.1221 – juris Rn. 9 ff.; B.v. 3.2.2015 – 9 CS 13.1915 – juris Rn. 13; VG Ansbach, U.v. 29.9.2020 – AN 17 K 19.01467 – juris Rn.33 ff.; B.v. 13.1.2016 – AN 3 S 15.02436 – juris Rn. 41 ff.). Voraussetzung des Anspruchs wäre nach der überwiegenden, diesen Anspruch anerkennenden Rechtsprechung, dass ein Widerspruch zur bisherigen Prägung des Baugebiets besteht bzw. dass eine neue Nutzung in ein Baugebiet hineingetragen wird oder – in Ansehung des in § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO genannten Kriteriums „Umfang“ – eine bereits vorhandene Nutzung so intensiviert wird, dass ein Umschlagen „von Quantität in Qualität“ (vgl. VG München, B.v. 31.7.2014 – M 8 SN 14.2877 – juris Rn. 55) erfolgt und dadurch ein neuer Gebietscharakter zu entstehen droht. Dies könnte z.B. angenommen werden, wenn ein Bauvorhaben geeignet ist, den Charakter eines allgemeinen Wohngebietes nach § 4 BauNVO, in dem neben Wohnnutzung auch weitere (nicht störende) Nutzungsarten allgemein zulässig sind, in ein reines Wohngebiet nach § 3 BauNVO, in dem solche anderen Nutzungsarten nur ausnahmsweise zulässig sind, umschlagen zu lassen. Auch der Gebietsprägungserhaltungsanspruch bezieht sich damit allein auf die Art der baulichen Nutzung im Sinne der Baunutzungsverordnung (vgl. BayVGH U.v. 3.2.2014 – 9 CS 13.1915 – juris; VG Ansbach, U.v. 29.9.2020 – 17 K 19.01467 – juris Rn. 33 ff.; U.v. 11.2.2021 – AN 17 K 20.00020 – juris, B.v. 13.1.2016 – AN 3 S 15.02436 – juris), die im vorliegenden Falle der Errichtung von zwei Reihenhäusern anstatt eines Einzel- oder Doppelhauses nicht betroffen erscheint. Ein Vortrag der Antragstellerseite hierzu fehlt jedenfalls gänzlich und ist in dem sich seit Jahrzehnten entwickelnden Gebiet auch kaum vorstellbar.
Auch aus der Tatsache, dass für die Errichtung von Reihenhäusern ein Befreiungsantrag nötig gewesen wäre, an dem es hier fehlt, ergibt sich kein Abwehranspruch der Antragstellerin. Ein Verstoß gegen rein formelle Vorschriften führt regelmäßig nicht zum Erfolg der Nachbarklage. Die fehlende oder konkludente Befreiungsentscheidung im Bescheid vom 15. Dezember 2020 (versteckter Dispens), begründet eine Rechtsverletzung für den Nachbarn nicht schon als solches. Eine Rechtsverletzung für den Nachbarn liegt bei einem versteckten Dispens nur dann ohne weiteres vor, wenn eine Befreiung von einer nachbarschützenden Festsetzung nicht erteilt worden ist (BayVGH, B.v. 5.9.2016 – 15 CS 16.1536 – juris Orientierungssatz 7 und Rn. 33), was hier – siehe Ausführungen oben – nicht gegeben ist.
c) Die Antragstellerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf die Verletzung von Baugrenzen i.S.v. § 23 Abs. 1 BauNVO bzw. eine unzulässige Befreiung gem. § 31 Abs. 2 BauGB von den Baugrenzen berufen. Zum einen kommt auch der Festsetzung von Baugrenzen nach der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht grundsätzlich, sondern nur im Einzelfall Nachbarschutz zu. Baugrenzen können ebenso aus rein städtebaulichen Gründen im Bebauungsplan festgesetzt werden. Es besteht auch keine Vermutung dahingehend, dass seitliche Baugrenzen zum Schutz des Nachbarn festgelegt sind. Dies müsste sich gegebenenfalls aus dem Bebauungsplan selbst oder seiner Begründung ergeben (BayVGH, B.v. 14.8.2014 – 2 ZB 13.2011 – juris Rn. 3; B.v. 23.3.2015 – 15 CS 14.2871 – juris Rn. 22ff.; VG Ansbach, U.v. 19.9.2018 – 17 K 17.00985 – juris; U.v. 11.2.2021 – 17 K 20.00020 – juris; Jäde/Dirnberger, § 29 Rn. 51; Simon/Busse, Art. 66 Rn. 370 ff.). Vorliegend existieren indes keine Anhaltspunkte für einen intendierten Nachbarschutz. Der Sicherung der nachbarlichen Belange der ausreichenden Belichtung und Belüftung, des Brand- und Immissionsschutzes und des Wohnfriedens dienen grundsätzlich schon die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO, die klar eingehalten sind (vgl. Ausführungen oben unter 2a) und hinter denen die Baugrenzen deutlich zurückbleiben. Dass die Baufenster im Bebauungsplan entlang der … Straße unterschiedlich groß festgelegt sind, stellt keinen Hinweis auf beabsichtigten Nachbarschutz dar. Vielmehr resultiert dies mutmaßlich aus der in diesem Bereich im leichten Bogen verlaufenden … Straße, was zu unterschiedlich großen Baugrundstücken führt und damit unterschiedlich große Baufenster ermöglicht. Dass der Ausblick des Nachbarn oder eine Eingrünung des Nachbarn gesichert werden sollte bzw. eine Pufferzone zu seinen Gunsten gedacht ist, ist in keiner Weise ersichtlich.
Ebenso ist anzunehmen, dass die Einhaltung einer Mindestentfernung der Bauvorhaben von der … Straße (Baugrenze nach Osten) nicht einer Berücksichtigung nachbarlicher Belange geschuldet ist, sondern dem Bestreben nach einem einheitlichen Ortsbild, eventuell auch einer ordnungsgemäßen Zufahrt zu den Grundstücken. Eine hintere Baugrenze, der eher Nachbarschutz zukommen kann (vgl. Jäde/Dirnberger, § 29 Rn. 51 m.w.N.), steht hier nicht in Rede. Nach hinten erfolgt vielmehr der Anbau an das bestehende Gebäude.
d) Ebenso wenig vermitteln Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung dem Nachbarn grundsätzlich eine Abwehrposition (Simon/Busse, Art. 66 Rn. 356 ff.; BayVGH, B.v. 1.12.2016 – 1 ZB 15.1841 – juris; VG Ansbach, U.v. 29.9.2020 – 17 K 19.01467 – juris Rn. 29 ff.). Hieran hat auch die jüngere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 9.8.2018 – 4 C 7.17 – juris Rn. 12 ff. – „Wannseeentscheidung“) nichts geändert (VG Ansbach, U.v. 11.2.2021 – AN 17 K 20.00020 – juris). Eine Abweichung von den Festsetzungen des Bebauungsplans ist insoweit weder konkret gerügt noch erkennbar.
e) Die erteilte Befreiung von der Festsetzung eines Sichtdreiecks im Bebauungsplan Nr. 1 begegnet ebenfalls keinen Bedenken und berührt die Antragstellerin nicht in eigenen Belangen. Die Regelung dient erkennbar allein dem Schutz der Verkehrsteilnehmer, hier vor allem dem aus der Flurstraße auf die … Straße ausfahrenden Verkehr und ersichtlich nicht dem Schutz von Nachbarn (ebenso VG Würzburg, B.v. 25.9.2020 – W 5 S 20.1135 – juris Rn. 54; VG München, U.v. 3.6.2015 – B 2 K 14.564- juris Rn. 29), schon gar dem Schutz desjenigen, der von der Straßenabzweigung deutlich entfernt ist (hier: drittes Grundstück nach der Abzweigung). Der öffentlich-rechtliche Belang der Verkehrssicherheit vermittelt grundsätzlich keinen Schutz für die Anlieger, sondern (allenfalls) für die Verkehrsteilnehmer. Sichtbehinderungen für die Antragstellerin, etwa bei der Ausfahrt aus ihrem Grundstück, wurden aber auch nicht vorgetragen und sind angesichts der Entfernung und der Situierung des Vorhabens nicht zu erwarten.
f) Das Vorhaben verletzt schließlich auch nicht das bauplanungsrechtliche, in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO und § 31 Abs. 2 BauGB verankerte Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme unter baulichen Nachbarn (vgl. hierzu BVerwG, B.v. 8.7.1988 – 4 B 64.98 – juris). Das Gebot der Rücksichtnahme ist nach gefestigter Rechtsprechung anhand der besonderen Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Gegeneinander abzuwägen sind dabei die Schutzwürdigkeit des Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung, die Interessen des Bauherrn und das, was beiden Seiten billigerweise zumutbar bzw. unzumutbar ist. Feste Regeln lassen sich insoweit nicht aufstellen. Erforderlich ist eine Gesamtschau der von dem Vorhaben ausgehenden Beeinträchtigungen (BVerwG, B.v. 10.1.2013 – 4 B 48.12 – juris Rn. 7 m.w.N.). Gemessen hieran ist eine Rücksichtslosigkeit zu Lasten der Antragstellerin nicht erkennbar, und zwar weder im Hinblick auf die Anzahl von zwei zusätzlich entstehenden Wohneinheiten, noch im Hinblick auf eine erdrückende oder abriegelnde Wirkung des Gebäudes oder aufgrund sonstiger Belange bzw. in einer Gesamtschau aller Umstände.
Eine erdrückende oder abriegelnde Wirkung misst die Rechtsprechung Baukörpern dabei nur im Ausnahmefall, bei in Volumen und Höhe „übergroßen“ Baukörpern in nur geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden zu. Bejaht wurde eine solche Wirkung beispielsweise bei einem zwölfgeschossigen Gebäude in einer Entfernung von 15 m zu einem zweigeschossigen Nachbarwohnhaus (BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1.78 – juris Rn. 33 f.) oder bei einer 11,5 m hohen Siloanlage im Abstand von 6 m zu einem Wohnanwesen (BVerwG, U.v. 23.5.1986 – 4 C 34.85 – juris Rn. 2 und 15). Eine erdrückende Wirkung des Bauvorhabens scheidet dabei regelmäßig aus, wenn wie hier die bauordnungsrechtliche Abstandsfläche – vgl. Ausführungen unter 2 a) – eingehalten ist (BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 41). Bei einer Entfernung rund 15 m zwischen zwei in etwa gleich großen und gleich hohen Wohngebäuden kommt dies nicht in Betracht.
Der Anbau von zwei Reihenhäusern anstatt einer Doppelhaushälfte belastet die Nachbarin jedenfalls nicht unzumutbar. Der Baukörper erreicht kein Ausmaß, das nicht auch bei einer Doppelhaushälfte möglich gewesen wäre, ist insgesamt kaum größer als das Anwesen, an das angebaut wird und auch nicht oder kaum größer als das eigene Anwesen der Antragstellerin. Eine übermäßige Belastung geht für die Antragstellerin bei objektiver Betrachtung davon nicht aus. Eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme ergibt sich auch nicht aus der Situierung der Stellplätze auf dem Vorhabengrundstück, nachdem sämtliche Rechtsvorgaben insoweit eingehalten sind, eine andere Situierung kaum denkbar ist und auch die Antragstellerin selbst über eine grenzständige Doppelgarage verfügt. Auch aus der zusätzlichen Wohneinheit folgt keine Verletzung des Rücksichtnahmegebots. Weder sind damit unzumutbare Lärmbelastungen noch übermäßige Einsichtnahmemöglichkeiten verbunden.
Weiter ergibt sich keine Unzumutbarkeit aufgrund von verlustig gehenden Grünflächen im Umfeld bzw. aus Aussichtseinbußen vom Grundstück der Antragstellerin aus. Derartige Nachteile sind auch über das Rücksichtnahmegebot nur ausnahmsweise maßgeblich. Ein rücksichtsloses Vorgehen der Beigeladenen ist insoweit keinesfalls erkennbar. Konkrete Belastungen wurden auch nicht geschildert.
Nach alledem war der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO vollumfänglich abzulehnen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Nachdem die Beigeladene im Eilverfahren einen Antrag gestellt und sich damit dem Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten ersetzt erhält, § 162 Abs. 3 VwGO. Da mangels Eintritt der Bedingung über den Antrag 2 nicht entschieden wurde, bedarf insoweit keiner Kostenentscheidung. Für einen Hängebeschluss ist angesichts des vorläufigen Charakters eine Kostenentscheidung nicht veranlasst (BayVGH, B.v. 14.12.2018 – 14 CE 18.2578 – juris Rn. 3).
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1 und 1.5 des aktuellen Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Ein zusätzlicher Ansatz für die Anträge 2 und 3 ist nicht veranlasst (vgl. § 45 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 GKG bzw. BayVGH, B.v. 14.12.2018, a.a.O).


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