Baurecht

Bekanntmachung eines Bauvorhabens in amtlichem Veröffentlichungsblatt und örtlichen Tageszeitungen

Aktenzeichen  9 ZB 13.2053

Datum:
2.5.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 46023
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 66 IV 1, 2

 

Leitsatz

1. Die Bekanntmachung eines Vorhabens in einem amtlichen Veröffentlichungsblatt muss nicht am selben Tag erfolgen wie in einer örtlichen Tageszeitung. (redaktioneller Leitsatz)
2. Maßgebend für die Bestimmung der Tageszeitungen, in denen eine Veröffentlichung zu erfolgen hat, ist deren örtliche Verbreitung in einem Umgriff, in dem es zu rechtserheblichen Einwirkungen der Anlage kommen kann. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 9 K 12.272 2013-06-12 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt der Kläger.
III.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 10.000,– Euro festgesetzt.

Gründe

I. Der Kläger wendet sich gegen die Erteilung einer Baugenehmigung durch das Landratsamt A. an die Beigeladene zur Erweiterung ihres kunststoffverarbeitenden Betriebs.
Die Beigeladene stellt Pflanzgefäße aus Kunststoff (Marke „L.“) und Kinderspielzeug aus Kunststoff (Marke „p.“) her. Das Werk „L. I“ befindet sich auf den im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 11 b des Marktes D. gelegenen Grundstücken FlNr. 594 und 594/8 Gemarkung D.; festgesetzt ist hier ein eingeschränktes Gewerbegebiet. Das Werk „L. II“ befindet sich auf dem hieran nördlich unmittelbar an die I.-straße angrenzenden Grundstück FlNr. 596 Gemarkung D. im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 14 a, der ein Gewerbegebiet festsetzt. Das „p.“-Werk liegt östlich der „L.“-Werke, getrennt durch die N. Straße, ebenfalls in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Gewerbegebiet. In den beiden „L.“-Werken stellt die Beigeladene bisher jährlich etwa 2,5 Millionen zum Teil lackierte Pflanzgefäße und Zubehörteile aus thermoplastischen, polyolefinen Kunststoffen her.
Der Kläger ist Eigentümer eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks (FlNr. 612/36 Gemarkung D.). Sein Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 11 a, der ein allgemeines Wohngebiet festsetzt. Das Wohngebiet wird im Westen und Norden durch einen begrünten Erdwall umschlossen und liegt südlich des Geltungsbereichs des Bebauungsplans Nr. 11 b.
Unter dem 5. September 2011 beantragte die Beigeladene die Erteilung einer Baugenehmigung für die „Errichtung der Spritzerei 10 mit drei Kommissionierungsebenen“ und die „Errichtung des Hochregallagers 7“ jeweils auf dem Grundstück FlNr. 596 Gemarkung D., die „Errichtung einer Förderbrücke“ vom Grundstück FlNr. 596 über die I.-straße zu einem auf dem Grundstück FlNr. 594 vorhandenen Betriebsgebäude sowie die Errichtung von Kfz-Stellplätzen für das Bauvorhaben und für Nachtschichtbeschäftigte des bestehenden Betriebs auf den nordöstlich der N. Straße gelegenen Grundstücken FlNr. 584 und 584/1 Gemarkung D. Beantragt wurden ferner Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 14 a sowie – im Hinblick auf die Förderbrücke – von den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 11 b zur Dachform und zur nördlichen Baugrenze. In der verfahrensgegenständlichen Erweiterung sollen jährlich aus bis zu 10.000 t Kunststoff Formteile im Spritzgießverfahren hergestellt, versandfertig verpackt und zwischengelagert werden.
Das Bauvorhaben wurde vom Landratsamt in der Fränkischen Landeszeitung vom 1./2. November 2011, die zugleich amtliches Veröffentlichungsblatt des Landkreises A. ist, sowie im Amtsblatt des Marktes D. vom 14. November 2011 bekannt gemacht. Mit Bescheid vom 19. Januar 2012 erteilte das Landratsamt der Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung sowie die beantragten Befreiungen von den Festsetzungen der Bebauungspläne. Die Baugenehmigung enthält zahlreiche Nebenbestimmungen zum „Schallimmissionsschutz“ und „Geruchsimmissionsschutz“. Die öffentliche Bekanntmachung der Baugenehmigung erfolgte in der Fränkischen Landeszeitung vom 25. Januar 2012.
Gegen die Baugenehmigung vom 19. Januar 2012 erhob der Kläger Klage (Az. AN 9 K 12.00272) und stellte einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz (Az. AN 9 S 12.00271), jeweils vom 22. Februar 2012. Sein Antrag im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wurde vom Verwaltungsgericht Ansbach mit Beschluss vom 24. Mai 2012 abgelehnt. Mit Urteil vom 12. Juni 2013 wies das Verwaltungsgericht Ansbach die Klage ab, weil der Kläger materiell präkludiert sei. Er habe innerhalb der gesetzlichen Frist keine Einwendungen gegen das Bauvorhaben erhoben. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung.
Wegen der weiteren Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge, einschließlich der Verfahren 9 ZB 13.2048, 9 ZB 13.2051 und 9 ZB 13.2052, sowie die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. An der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestehen keine ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und die Berufung ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) zuzulassen.
1. Der Kläger beruft sich auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob solche Zweifel bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was der Kläger innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel nicht.
Der Kläger hat sich unstreitig erstmals mit seiner Klage und seinem Eilantrag vom 22. Februar 2012 an das Verwaltungsgericht gegen das Bauvorhaben der Beigeladenen gewandt und damit innerhalb der Monatsfrist des Art. 66 Abs. 4 Satz 2 BayBO keine Einwendungen erhoben. Er ist damit – wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat – materiell präkludiert (vgl. Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, Stand Sept. 2015, Art. 66 Rn. 51; Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 66 Rn. 29; Molodovsky in Molodovsky/Famers/Kraus, BayBO, Stand 12/2015, Art. 66 Rn. 209). Das Zulassungsvorbringen zeigt keine Mängel der Bekanntmachung nach Art. 66 Abs. 4 Satz 1 BayBO auf, die geeignet wären, diese Präklusionswirkung entfallen zu lassen.
Nach Art. 66 Abs. 4 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde auf Antrag des Bauherrn bei baulichen Anlagen, die aufgrund ihrer Beschaffenheit oder ihres Betriebs geeignet sind, die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft zu gefährden, zu benachteiligen oder zu belästigen, das Bauvorhaben in ihrem amtlichen Veröffentlichungsblatt und außerdem in örtlichen Tageszeitungen, die im Bereich des Standorts der Anlage verbreitet sind, öffentlich bekannt machen. Entgegen dem Zulassungsvorbringen ist die Bekanntmachung nicht bereits deshalb rechtswidrig, weil die Veröffentlichung in der Fränkischen Landeszeitung und dem Amtsblatt des Marktes D. – unabhängig davon, ob in Letzterem eine Bekanntmachung nach Art. 66 Abs. 4 Satz 1 BayBO überhaupt erforderlich gewesen wäre – nicht am selben Tag erfolgte. Weder aus dem Wortlaut der Norm, noch aus Sinn und Zweck der Regelung lässt sich eine Verpflichtung zum Erscheinen der Veröffentlichung am selben Tag ableiten (vgl. zum insoweit gleichlautenden § 10 Abs. 3 Satz 1 BImSchG: Czajka in Feldhaus, Bundes-Immissionsschutzrecht, Stand Okt. 2015, § 10 Rn. 37). Maßgebend für die Berechnung des Ablaufs der Einwendungsfrist ist vielmehr der Tag der letzten Veröffentlichung (Dirnberger in Simon/Busse, a. a. O., Art. 66 Rn. 49; vgl. Czajka in Feldhaus, a. a. O., § 10 Rn. 43 und Roßnagel in GK-BImSchG, Stand Juni 2014, § 10 Rn. 305).
Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Bekanntmachung nach Art. 66 Abs. 4 Satz 1 BayBO ist neben der Bekanntmachung im amtlichen Veröffentlichungsblatt, dass das Bauvorhaben außerdem in örtlichen Tageszeitungen, die im Bereich des Standorts der Anlage verbreitet sind, öffentlich bekannt gemacht wird. Der Kläger ist insoweit der Ansicht, dass die Bekanntmachung in der Fränkischen Landeszeitung nicht ausreichend gewesen sei und vielmehr eine Bekanntmachung auch in den Nürnberger Nachrichten oder der Nürnberger Zeitung hätte erfolgen müssen. Dieser Vortrag kann jedoch keine ernstlichen Zweifel am Urteil des Verwaltungsgerichts begründen.
Bei dem „Bereich des Standorts der Anlage“ handelt es sich um den Umgriff, in welchem es zu rechtserheblichen Einwirkungen der Anlage kommen kann (vgl. Jäde in Jäde/Dirnberger/Bauer/Eisenreich, Die neue BayBO, Stand Mai 2014, Art. 66 Rn. 76; Jarass, BImSchG, 11. Aufl. 2015, § 10 Rn. 60a; Czajka in Feldhaus, a. a. O., § 10 Rn. 37). Im Zulassungsvorbringen wird aber nicht dargelegt, dass der Einwirkungsbereich des Bauvorhabens über den Ortsbereich des Marktes D. oder gar über den Bereich des Landkreises A. hinaus reicht. Dass im Markt D. viele Pendler wohnen, wie im Zulassungsantrag vorgetragen wird, ändert nichts am Einwirkungsbereich des Vorhabens. Maßgebend für die Bestimmung der Tageszeitungen, in denen die Veröffentlichung zu erfolgen hat, ist dementsprechend deren örtliche Verbreitung im Bereich des Marktes D. Dies setzt voraus, dass sie dort durch einen besonderen Orts- oder Regionalteil regelmäßig über die Ereignisse der betreffenden Region berichten (vgl. Jarass, a. a. O., § 10 Rn. 60; Dietlein in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand August 2015, § 10 BImSchG Rn. 73; Jäde in Jäde/Dirnberger/Bauer/Eisenreich, a. a. O., Art. 66 Rn. 75; Dirnbeger in Simon/Busse, a. a. O., Art. 66 Rn. 45). Das Verwaltungsgericht hat insoweit darauf abgestellt, dass im Einwirkungsbereich die Fränkische Landeszeitung die allein verbreitete regionale Tageszeitung ist; in diesem Fall kann auch die Veröffentlichung in nur einer Tageszeitung dem Art. 66 Abs. 4 Satz 1 BayBO gerecht werden (vgl. Czajka in Feldhaus, a. a. O., § 10 Rn. 37). Dem Zulassungsvorbringen lässt sich demgegenüber weder entnehmen, dass die Nürnberger Nachrichten oder die Nürnberger Zeitung einen Regionalteil für den Bereich des Marktes D. oder den Landkreis A. beinhalten, noch dass diese beiden Zeitungen im Einwirkbereich des Bauvorhabens verbreitet sind (vgl. zu den Anforderungen: OVG NW, U. v. 9.12.2009 – 8 D 12/08.AK – juris Rn. 70). Auch insoweit genügt eine bloße Berufung auf eine Vielzahl von Pendlern im Hinblick auf das vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegte Verbreitungsgebiet der Online-Veröffentlichung der Mediengruppe, der diese Zeitungen angehören, nicht. Dem Zulassungsvorbringen lässt sich darüber hinaus noch nicht einmal entnehmen, dass der Kläger selbst Abonnent der Nürnberger Nachrichten oder der Nürnberger Zeitung ist (vgl. OVG NW, U. v. 9.12.2009 – 8 D 12/08.AK – juris Rn. 75).
2. Es liegt auch kein Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
Da das Verwaltungsgericht die Klage des Klägers als unzulässig abgewiesen hat, kann der Kläger nicht damit durchdringen, sein in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht bedingt gestellter Beweisantrag, dass die zulässigen Geruchsgrenzwerte durch den Betrieb der Beigeladenen an seinem Grundstück überschritten werden, sei fehlerhaft abgelehnt worden. Insoweit kann die Entscheidung gegenüber dem Kläger nicht hierauf beruhen, da der Beweisantrag nach der materiell-rechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts für die Beurteilung der (Un-) Zulässigkeit der Klage irrelevant ist (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 51; BVerwG, B. v. 21.2.1973 – IV CB 68.72 – juris Rn. 22).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Da die Beigeladene einen eigenen Antrag gestellt hat, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten erstattet erhält (§162 Abs. 3, § 154 Abs. 3 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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