Baurecht

Beseitigung baurechtswidriger Photovoltaikanlage im Wohngebiet wegen der Größe

Aktenzeichen  M 9 S 21.1824

Datum:
6.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 19924
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Bay BO § 76 S. 1
BayBO Art. 6
BauNVO § 14
VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Anordnung, Photovoltaikanlagen auf ihrem Grundstück zu entfernen.
Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks FlNr. … (…). Es handelt sich um ein Hinterliegergrundstück, dass über einen 50 bis 60 Meter langen Zufahrtsweg erschlossen ist. Das Grundstück liegt in einem allgemeinen Wohngebiet.
Der Sohn der Antragstellerin, Antragsteller im Verfahren M 9 S 21.1818, wurde bereits aufgrund rechtskräftiger Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 29. April 2015 (M 9 K 14.5052) und vom 6.Juni 2018 (M 9 K 16.1872) verpflichtet, die von ihm aufgestellte Photovoltaikanlage in Teilen zu entfernen. Ebenfalls bestandskräftig wurde die Antragstellerin verpflichtet, diese Maßnahmen zu dulden. Es handelte sich im Wesentlichen um die Beseitigung der hier verfahrensgegenständlichen Module entlang der Zufahrt beidseitig der Grundstücksgrenze, in Teilen montiert auf fahrbaren Ständerkonstruktionen, die oberste der beiden Modulreihen der auf dem Dach der Garage aufgeständerten Photovoltaikanlage, die über den First des Haupthauses herausragenden Module, neun von 17 an der südöstlichen Fassade angebrachten Module sowie die am Balkongeländer befestigten Module an der Südwestfassade des Hauptgebäudes, vebunden mit der Verpflichtung, alle Solar- und Photovoltaikmodule nach dem Abbau vom Grundstück zu entfernen. Der Sohn der Antragstellerin ist dieser Verpflichtung zunächst teilweise nachgekommen. Im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens wurde mit Schreiben vom 3. Januar 2019 und 25. Januar 2019 vom Bevollmächtigten des Sohnes mitgeteilt, dass dieser die Anlage zwar abgebaut habe, seine Mutter, die Antragstellerin in diesem Verfahren, jedoch den Wiederaufbau veranlasst habe.
Nach Anhörung der Antragstellerin hat das Landratsamt sie mit Bescheid vom 10. März 2021 in Gestalt des Bescheids vom 19. März 2021 und 25. Mai 2021 verpflichtet, die freistehenden, zum Teil an fest auf dem Boden verankerten Tragkonstruktionen und zum Teil auf fahrbaren Ständerkonstruktionen montierten Solarmodule entlang der Zufahrt an der Grundstücksgrenze zur R. H2.straße … und zur R. H2.straße … bis … binnen zwei Monate nach Zustellung zu beseitigen (im beiliegenden Lageplan blau sowie Foto Nr. 1); diese Verpflichtung gelte auch bei Vornahme eines Standortwechsels etwaig fahrbarer Ständerkonstruktionen auf dem Grundstück FlNr. … (Ziff. 1). Die Antragstellerin wurde in Ziff.2 verpflichtet, neun der insgesamt 17 an der südöstlichen Fassade des Hauptgebäudes angebrachten Solarmodule bis spätestens zwei Monate nach Zustellung des Bescheids zu beseitigen (beiliegender Lageplan orange). 2). Die Antragstellerin wurde in Ziff 3 zur Beseitigung der an der Südwestfassade des Hauptgebäudes am Balkongeländer befestigten Solarmodule bis spätestens zwei Monate nach Zustellung des Bescheids verpflichtet (beiliegender Lageplan orange). Sie wurde in Ziff. 4 verpflichtet, den im vorderen Zufahrtsbereich errichteten Carport bzw. die Überdachung mit Solarmodulen inklusive Rahmenkonstruktion bis spätestens zwei Monate nach Zustellung des Bescheids zu beseitigen (beiliegender Lageplan rot und Foto 2). Gem. Ziff 5. wurde die Antragstellerin verpflichtet, die im nordwestlichen Bereich des Grundstücks aufgeständerten Solarmodule inklusive Rahmenkonstruktion sowie sämtliche auf den im nordwestlichen Grundstücksbereich befindlichen Gebäude angebrachten Solarmodule bis spätestens zwei Monate nach Zustellung des Bescheids zu beseitigen (auf dem beiliegenden Luftbild grün und blau). In Ziff 6. wurde die Antragstellerin verpflichtet, die im Anschluss an die Garage errichtete Überdachung bis spätestens zwei Monate nach Zustellung des Bescheids zu beseitigen (im Lageplan lila und Foto Nr. 3). Die Antragstellerin wurde außerdem verpflichtet, sämtliche durch den Rückbau in Ziff. 1 bis 6 anfallenden Materialien (Solarmodule, Konstruktionsteile etc.) vollständig bis spätestens drei Monate nach Zustellung des Bescheids vom Grundstück zu entfernen (Ziff. 7) und zwei Monate ab Zustellung des Bescheids sämtliche Gegenstände/Materialien aus dem Zufahrtsbereich zur südöstlich des Hauptgebäudes gelegenen Garage zu entfernen und den Bereich von jeglicher Lagerung frei zu halten (Ziff. 8). Weiter wurde sie gem. Ziff. 9 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 25. Mai 2021 verpflichtet, es zu unterlassen, Solarmodule auf Gebäuden oder gebäudeunabhängig mit entsprechenden Tragekonstruktionen über das Maß einer baulich untergeordneten Nebenanlage hinaus auf dem Grundstück FlNr. … erneut zu errichten oder durch Dritte errichten zu lassen; hiervon ausgenommen bleibe der ggf. technisch gebotene Austausch oder das Wechseln schadhafter Bauteile der nach Nr. 2 des Bescheids nicht zu entfernenden acht Solarmodule an der südöstlichen Fassade, der bestehenden Module auf der Dachfläche des Hauptgebäudes und der Garage. Die Antragstellerin wurde in Ziff.10. verpflichtet, dem Landratsamt die Erledigung der Anordnungen unter Ziff. 1 bis 8 bis spätestens einer Woche nach Ausführung schriftlich anzuzeigen. Ziff. 11 regelt die Duldungspflicht des Sohnes (M 9 K 21.1815 und M 9 S 21.1818). Der Sofortvollzug wurde angeordnet (Ziff. 12) und für den Fall der nicht vollständigen bzw. nicht fristgerechten Ausführung der Anordnungen Ziff. 1 bis 10 Zwangsgelder für jede Tenorziffer angedroht (Ziff. 13). Ziff. 14 in Gestalt von Ziff. 1.2 des Klarstellungs-, Ergänzungs- und Änderungsbescheids vom 25. Mai 2021 enthält eine entsprechende Zwangsgeldandrohung gegenüber dem Sohn (M 9 S 21.1818 und M 9 K 21.1815). Der Bescheid vom 10. März 2021, geändert durch Bescheid vom 19. März 2021, wurde damit begründet, dass die Solaranlage auf dem Grundstück teilweise formell und umfassend materiell rechtswidrig sei, Artikel 76 Abs. 1 BayBO. Die ursprünglich vom Sohn der Antragstellerin errichtete umfangreiche Photovoltaikanlage habe sich auf dem Dach des Hauptgebäudes, an dessen Südost- und Südwestfassade sowie auf dem Dach der Garage befunden. Entlang der Zufahrt zum Anwesen sei eine gebäudeunabhängige Photovoltaikanlage entlang der Grundstücksgrenzen zu den Nachbarn teilweise auf zwei fahrbaren Ständern zwei- bzw. dreireihig übereinander mit einer Höhe von ca. 3 Metern errichtet worden. Weitere Photovoltaikmodule zu beiden Seiten der Zufahrt seien an fest im Boden verankerten Ständern montiert worden. Der Sohn der Antragstellerin habe diese nach eigenen Angaben entsprechend seiner verwaltungsgerichtlich bestätigten Verpflichtung aus dem Bescheid vom 27. Oktober 2014 nach eigenen Angaben entfernt und die Antragstellerin habe einen nahezu identischen Wiederaufbau veranlasst. Das Vorhabensgrundstück liege in einem durch Bebauungsplan Nr. 69 der Gemeinde festgesetzten allgemeinen Wohngebiet, der für das Grundstück der Antragstellerin Baugrenzen festsetze und außerhalb der Baugrenzen nur untergeordnete Bauteile zulasse (Festsetzungen A 3.4, B 1.2) und ausdrücklich eine Liste der zulässigen Nebenanlagen nach § 14 BauNVO enthalte (Festsetzung B 1.1). Freistehende Photovoltaikanlagen seien danach ausgeschlossen. Die Photovoltaikanlage sei ein Gewerbebetrieb im Sinne des § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO. Bauordnungsrechtlich läge ein Abstandsflächenverstoß vor, Art 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BayBO da die zulässige Grenzbebauung überschritten sei. Im Verfahren M 9 K 14.5052 habe das Verwaltungsgericht bereits festgestellt, dass die Solarmodule am Hauptgebäude keine Nebenanlage im Sinne des § 14 Abs. 1 BauNVO seien, da die erforderliche Unterordnung nicht gegeben sei. Der Bescheid enthält Ausführungen zum Ermessen und zur Antragstellerin als Störerin. Zur Begründung des Änderungsbescheids vom 25. Mai 2021 ist ausgeführt, dass die Änderungen im Hinblick auf mögliche Unbestimmtheit der Anordnungen im Bescheid vom 10. März 2021 erfolgt seien. Damit sei klargestellt, dass sich die vorbeugende Unterlassungsanordnung lediglich auf Solarmodule und Anlagenteile beziehe, die das zulässige, untergeordnete Maß überstiegen und dass eine Reparatur der verbleibenden Module weiterhin möglich bleibe. Ebenfalls korrigiert worden seien Schreibfehler und das in Ziff. 14 ursprünglich angedrohte einheitliche Zwangsgeld gegenüber dem Sohn der Antragstellerin. Anzuordnen war die Androhung eines Zwangsgelds für jede der vom Sohn der Antragstellerin zu duldenden Maßnahme und die Höhe in Relation zum Zwangsgeld der Antragstellerin anzupassen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Bescheide sowie die Anlagen dazu Bezug genommen.
Der Bevollmächtigte der Antragstellerin erhob mit Schriftsatz vom 6. April 2021 Klage (M 9 K 21.1823) und beantragte gemäß § 80 Abs. 5 VwGO zuletzt:
Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 10. März 2021 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 19. März 2021 und 25. Mai 2021.
Zur Begründung wurde vorgetragen, dass es seit vielen Jahren Zwistigkeiten mit dem Landratsamt gäbe, das gegenüber der Familie einen extremen Verfolgungseifer an den Tag lege. Die einzelnen Anordnungen seien teilweise zu unbestimmt. Es bestehe Bestandsschutz. Es sei unerheblich, wo sich die nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 3a, aa BayBO zulässigen Sonnenkollektoren und Solarenergieanlagen genehmigungsfrei befänden. Dies gelte auch für die genehmigungsfreien Gartenhäuser und deren Eindeckung mit Solarmodulen. Die Garage sei ebenfalls eine zulässige Grenzbebauung nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1b BayBO und im Hinblick auf die Größe des Grundstücks spräche nichts gegen das verlängerte Dach. Die Verpflichtung, sämtliches Material zu entfernen sei rechtswidrig, da solche Dinge auf einem Privatgrundstück zur späteren Verwendung gelagert werden dürften, so lang dies kein eigenständiger Lagerplatz sei. Für die Unterlassungsverpflichtungen fehle die Rechtsgrundlage. Auf § 14 Abs. 3 BauNVO werde verwiesen und sämtliche Solaranlagen müssten nach dieser Norm im Hinblick auf die allgemeinen Klimaschutzziele als zulässig erachtet werden. Im Vergleich zu früheren verwaltungsgerichtlichen Verfahren habe sich die Sachlage auch wegen den Zielen der Energiewende geändert. Das Ermessen sei fehlerhaft, da auch die Nachbarn R. H2.straße … … und … Abstandsflächen nicht einhielten und eine illegale Gabionenwand errichtet worden sei; ein Gutachten im Verfahren vor dem Landgericht München I (Az. 29 O 8655/17) habe zu dem eindeutigen Ergebnis geführt, dass auf dem Nachbargrundstück der Antragstellerin nahezu keinerlei Abstandsflächen eingehalten würden. In der gesamten Umgebung seien nahezu alle Grenzen zugebaut und auf dem Grundstück der Antragstellerin gäbe es nach dem Bebauungsplan für die Errichtung eines weiteren Gebäudes ein Baufenster im nordwestlichen Bereich; dort sei als Platzhalter für ein zukünftiges Gebäude ein Solardach angebracht worden. Abstandsflächen seien nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO nicht einzuhalten, da auch in der Umgebung eine entsprechende Grenzbebauung als planungsrechtlicher Regelfall vorläge. Auf die beigefügten Fotos und sämtliche Luftbilder und die beigefügten Anlagen 1 und 3, Abstandsflächen aus dem zivilrechtlichen Gutachten werde verwiesen. Generell werde Bezug genommen auf Solaranlagen auf den Gebäuden in der weiteren Umgebung. Ein Gebäude stehe im Bereich desselben Bebauungsplans. Bei dem anderen Gebäude handle es sich um die Zulassungsstelle des Landratsamts.
Der Antragsgegner beantragte,
Antragsablehnung.
Die Voraussetzungen des Art. 76 Satz 1 BayBO lägen vor. Die Beseitigungsverpflichtungen insbesondere Ziff. 1, 2 und 3 des Bescheids seien eindeutig bestimmt und die textlichen Formulierungen durch Skizzen in mehreren Farben ergänzt. Die baulichen Anlagen in Ziff. 1 und Ziff. 6, die Verlängerung der bestehenden Grenzgarage und die Überdachung im vorderen Bereich des Grundstücks seien baugenehmigungspflichtig, da eine Gesamtlänge von 9 Metern erheblich überschritten werde. Die verfahrensgegenständlichen Anlagen seien bauplanungsrechtlich unzulässig. Die Anlagen in Ziff. 1, 4, 5 und 6 hielten die Baugrenzen des Bebauungsplans nicht ein. Der in Ziff. 2 und 3 für das Hauptgebäude angeordnete Rückbau folge aus der fehlenden Unterordnung der Nebenanlage zum Hauptgebäude. Der Verweis auf ein anderes Gebäude im Bebauungsplangebiet und auf die Kfz-Zulassungsstelle führte zu keiner anderen Beurteilung, da es sich bei den beiden Gebäuden nicht um Wohnnutzung handle und andere bauplanungsrechtliche Regelungen gelten. Abstandsflächenrecht sei verletzt. Bereits die Grenzgarage mit Anbau an der südöstlichen Grundstücksgrenze schöpfe mit 8,75 Metern das zulässige Längenmaß fast aus. Alle hinzukommenden Anlagen, wie die der Garage vorgebaute Überdachung, die Überdachung im vorderen Grundstücksbereich, die Photovoltaikanlagen im Zufahrtsbereich und die im Nordwesten gelegenen baulichen Anlagen führten zu einer Überschreitung der zulässigen Grenzbebauung. Es läge keine zulässige Grenzbebauung nach Bauplanungsrecht vor, da das Grundstück durch die offene Bauweise in der Umgebung geprägt sei. Die Verbringung der demontierten Solarmodule und Bauteile sei von Art. 76 Satz 1 BayBO erfasst. Die Unterbindung einer künftigen Errichtung von Solarmodulen werde auf Art. 54 Abs. 2 Satz 2 BayBO gestützt und sei aufgrund der Entwicklung auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück und den Erfahrungen aus den letzten Jahren als vorbeugendes Unterlassungsgebot zulässig. Es gäbe kein zweites Baufenster auf dem Grundstück der Antragstellerin, lediglich der Bauraum sei bisher nicht vollständig ausgeschöpft worden. Eine Ungleichbehandlung mit den Nachbarn FlNr. … bis … läge nicht vor, da sich die Sachverhalte wesentlich unterscheiden würden. Über die Gabionenwand sei bereits mit Urteil vom 6. Juni 2018 (M 9 K 18.1526) entschieden worden; eine qualifizierte Beeinträchtigung der Rechte der Antragstellerin sei danach nicht ansatzweise erkennbar. Hinsichtlich einer Verletzung von Abstandsflächen durch die Nachbarn durch Gauben und Hauptgebäude sei eine Klage beim Verwaltungsgericht München anhängig (M 9 K 19.227). Aktuell sei bauaufsichtliches Einschreiten bei den Nachbargebäuden nicht veranlasst, da eine abschließende gerichtliche Klärung abgewartet werde und es sich hinsichtlich der nordwestlichen Außenwand der Wohngebäude der Nachbarn nur um wenige Zentimeter handle. Außerdem solle ausweislich eines weiteren Verfahrens beim Verwaltungsgericht München (M 9 K 19.2297) auch die Garage der Antragstellerin bis zu 5 cm auf dem Nachbargrundstück stehen. Außerdem sei baurechtlich fraglich, ob hinsichtlich der nordwestlichen Gauben auf den Nachbargrundstücken Abstandsflächenrecht verletzt sei, da der Bebauungsplan eine Regelung vorsehe, wonach Abstandsflächen mit einer geringeren Tiefe, als dies nach Art. 6 BayBO erforderlich sei, ausdrücklich für zulässig erklärt werden. Insgesamt fehle hier bereits die Vergleichbarkeit. Das Ermessen sei umfangreich ausgeübt und begründet worden. Ergänzend werde zur Anordnung der sofortigen Vollziehung auf die rechtskräftigen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts über die Solaranlagen auf dem Grundstück der Antragstellerin hingewiesen. Berücksichtigt sei auch, dass nur Arbeiten verlangt würden, die keinen übermäßigen Arbeitsaufwand hervorriefen. Auch die lagernden Gegenstände könnten ohne großen Aufwand verbracht werden.
Der Bevollmächtigte der Beigeladenen beantragte,
Antragsablehnung.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Behördenakte, die Gerichtsakten im Verfahren des Sohnes der Antragstellerin M 9 K 21.1815 und M 9 S 21.1818 sowie auf die Akten in den Verfahren der Antragstellerin wegen bauaufsichtlichem Einschreiten gegen die Nachbarn M 9 K 20.3468 und M 9 K 19.2297 Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.
Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung hat der Antrag auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage keinen Erfolg, da keine rechtlichen Bedenken gegen den angefochtenen Bescheid bestehen.
Bereits in früheren Gerichtsverfahren des Sohnes der Antragstellerin hat die Kammer zwei Augenscheintermine durchgeführt und ist mit der Situation vor Ort auch in Bezug auf die Nachbarschaftsstreitigkeiten vertraut. Auf die Feststellungen im Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 29. April 2015 (M 9 K 14.5052) wird Bezug genommen. Der Sohn der Antragstellerin wurde zur Beseitigung der im zugrundeliegenden Bescheid des Landratsamts vom 27. Oktober 2014 genau bezeichneten Solarmodule verpflichtet. Im Rahmen des Augenscheins hat sich das Gericht davon überzeugt, dass insbesondere an den Grenzen zu den Nachbarn und im Einfahrtsbereich eine mehrere Meter hohe Solar- bzw. Photovoltaikanlagenwand errichtet worden war. Ein Augenschein im Zusammenhang mit einer Nachbarklage der Antragstellerin, gerichtet auf Beseitigung der Gabionenwand der Nachbarn, ergab die Feststellung, dass auf dem Grundstück der Antragstellerin eine Vielzahl von Nebenanlagen unter Verletzung des Abstandsflächenrechts entlang der Grundstücksgrenzen stehen (U.v. 6.6.2018, M 9 K 18.1526).
Der hier verfahrensgegenständliche Bescheid betrifft im Wesentlichen wieder diese Solar- und Photovoltaikanlage, die ausweislich der Behauptung ihres Sohnes auf Veranlassung der Antragstellerin, seiner Mutter, wieder genauso wie die von ihm errichtete und beseitigte Anlage neu aufgebaut worden sei. Ungeachtet dessen, dass das Gericht nach der Vorgeschichte erhebliche Zweifel daran hat, dass die vorhandene Solaranlage im Vollzug der Beseitigungsanordnung tatsächlich durch den Sohn der Antragstellerin beseitigt wurde, steht nach dieser Einlassung und einem Vergleich der Beseitigungsanordnung unter Einbeziehung der Luftbilder zur Überzeugung des Gerichts fest, dass es sich um eine fast identische bauliche Anlage handelt, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet wurde und deren Beseitigung auf der Rechtsgrundlage des Art. 76 Satz 1 BayBO angeordnet werden darf, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die Ausführungen des angefochtenen Bescheids Bezug genommen. Ergänzend gilt:
Die Anlage ist formell baurechtswidrig, da die nach Art. 55 Abs. 1 BayBO erforderliche Baugenehmigung fehlt. Verfahrensfreiheit liegt nicht vor, da die Gesamtlänge von 9 Metern (und auch von 15 Metern) an den Grundstücksgrenzen erheblich überschritten wird. Wegen materiellrechtlicher Baurechtswidrigkeit ist die gesamte Anlage auch nicht genehmigungsfähig. Sie befindet sich insbesondere entlang der Einfahrt außerhalb der im Bebauungsplan festgesetzten Baugrenzen und verstößt damit gegen § 23 Abs. 3 Satz 1 BauNVO, der auch für sonstige bauliche Anlagen, die nicht Gebäude sind, gilt. Ein Anspruch auf eine ausnahmsweise Zulassung ist bereits vor dem Hintergrund rechtskräftiger Entscheidungen über die Verpflichtung zur Beseitigung, auf die Bezug genommen wird, nicht erkennbar. Eine außerhalb der Baugrenzen zulässige Nebenanlage, § 14 Abs. 1 BauNVO, liegt hier ebenfalls nicht vor. Die Solar-/Photovoltaikanlage ist nicht untergeordnet, sondern mit einer Länge von über 30 Metern entlang der Grundstücksgrenze und einer Höhe von stellenweise über 3 Meter, verbunden mit einer vollständigen Überdeckung des Haupthauses, baurechtswidrig errichtet. wegen dieser Nebenanlagen dort und auf Teilen der unbebauten Grundstücksfläche dominiert hier die Photovoltaiknutzung das Wohnen; auf die ausführliche Begründung im Urteil der Kammer vom 29. April 2015 (M 9 K 14.5052) im Verfahren gegen den Sohn der Antragstellerin wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
Auch das Gebot, die Nutzung zur Aufstellung oder Lagerung von Solaranlagen in Zukunft zu unterlassen und das Material vom Grundstück zu entfernen ist als vorbeugendes Unterlassungsgebot als Anordnung nach Art. 54 Abs. 2 Satz 2 BayBO rechtmäßig. Ein vorbeugendes Unterlassungsgebot ist hier eine erforderliche Maßnahme zur Erfüllung der nach Art.54 Abs. 2 S.1 BayBO bestehenden Verpflichtung zur Überwachung der baurechtlich zulässigen Nutzung, da die Erfahrungen in der Vergangenheit gezeigt haben, dass die Gefahr eines rechtswidrigen Zustands auch in Zukunft konkret und sehr wahrscheinlich ist. Die angeordnete Beseitigung der Materialien ist nach Art. 76 Satz 1 BayBO von der Beseitigungsanordnung mit umfasst. Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten ist die Lagerung der zahlreichen zu beseitigenden Materialien und Module auf dem Grundstück in einem allgemeinen Wohngebiet baurechtswidrig.
Soweit der Bevollmächtigte die Auffassung vertritt, die entsprechenden detaillierten Anordnungen seien unbestimmt trifft dies nicht zu. Ungeachtet vorhandener Ortskenntnisse ergibt sich aus den Formulierungen der einzelnen Ziffern des Bescheids in Verbindung mit den Einzeichnungen in den Übersichtsaufnahmen und der farblichen Kennzeichnung im Lageplan eindeutig und zweifelsfrei im Sinne des Art. 37 BayVwVfG, welche Module und wo zu beseitigen sind. Die Anordnungen sind ohne weiteres vollstreckbar. Gegen die Zwangsgeldandrohung und die Fristsetzung von zwei Monaten bestehen keine rechtlichen Bedenken. Eine Frist von zwei Monaten ist ausreichend, da keine grundlegenden aufwendigen baulichen Rückbaumaßnahmen notwendig sind, um Solaranlagen zu entfernen. Die Zwangsgeldandrohung ist der Höhe nach angemessen und auf die jeweilige Anordnung konkret bezogen. Der Bescheid enthält umfangreiche Ermessenserwägungen und Ermessensfehler sind nicht erkennbar.
Die Antragstellerin wird auch zu Recht als Störerin in Anspruch genommen. Sie ist bereits rechtskräftig zur Duldung verpflichtet. Ihr ebenfalls dort wohnender Sohn hat im Zusammenhang mit seiner eigenen Verpflichtung zur Beseitigung der von ihm errichteten Solaranlage angegeben, es handle sich jetzt um seine Mutter als Handlungsstörerin, da sie den Wiederaufbau der Solaranlage veranlasst habe. Zumindest ist die Antragstellerin als Grundstückseigentümerin Zustandsstörerin.
Gegen die Anordnung des Sofortvollzugs bestehen keine rechtlichen Bedenken. Die Anlage ist formell- und materiellrechtlich baurechtswidrig. Vor dem Hintergrund, dass die Baurechtswidrigkeit der hier vorhandenen Solar- und Photovoltaikanlage bereits rechtskräftig festgestellt wurde hat der Antragsgegner zutreffend angenommen, dass das öffentliche Interesse an der Beseitigung Vorrang vor dem privaten Interesse der Antragstellerin an einem weiteren Verbleib hat. Es entspricht dem öffentlichen Interesse, dass rechtskräftige Urteile vollzogen und durchgesetzt werden.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 VwGO abzulehnen. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr.2 GKG.


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