Baurecht

Eilantrag gegen die Genehmigung einer Heizzentrale

Aktenzeichen  1 CS 20.2787

Datum:
22.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 6081
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1
1.BImSchV § 3 Abs. 1, Abs. 3, § 4 Abs. 1
BImSchG § 3 Abs. 1, § 22 Abs. 1
BauNVO § 15 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

1. Eine Rechtsverletzung des Nachbarn infolge einer fehlenden Bestimmtheit der Baugenehmigung kommt in Betracht, wenn die Bauvorlagen hinsichtlich nachbarrechtsrelevanter Merkmale nicht hinreichend bestimmt sind und damit nicht geprüft werden kann, ob das Vorhaben nachbarschützenden Vorschriften entspricht. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Behörde ist befugt, einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot im gerichtlichen Verfahren durch eine nachträgliche klarstellende Änderung zu heilen. Die Änderung ist im anhängigen Verfahren zu berücksichtigen. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3. Auch bei Außenbereichsvorhaben ist das nachbarschützende Rücksichtnahmegebot zu beachten. Gegen ein objektiv unzulässiges Bauvorhaben können sich die Nachbarn nicht wenden. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
4. Im Regelfall ist eine den Anforderungen der 1. BImSchV entsprechende Feuerungsanlage grundsätzlich nicht mit schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen verbunden und mit dem baurechtlichen Rücksichtnahmegebot vereinbar. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
5. Ergibt die Prüfung, dass die Belastungen an dem Standort für den Nachbarn zumutbar sind, so muss er die bauliche Anlage auch dann hinnehmen, wenn es einen besser geeigneten Alternativstandort gibt. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 11 SN 20.4302 2020-10-29 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen als Gesamtschuldner.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller begehren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Anfechtungsklage gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zum Neubau einer Heizzentrale für das Wärmenetz des Neubaugebiets „A.“ auf dem Grundstück FlNr. …, Gemarkung S.
Das Vorhabengrundstück befindet sich im südöstlichen Bereich des Bebauungsplans Nr. … „A.“, 1. Änderung, der Stadt S., der am 14. Oktober 2019 beschlossen und am 27. November 2019 bekanntgemacht wurde. Das bislang unbebaute Plangebiet umfasst eine Fläche von 3,68 ha und liegt am südwestlichen Ortsrand der Stadt S. Der Bebauungsplan weist in seinem Geltungsbereich ein reines Wohngebiet aus. Es sollen dort insgesamt ca. 120 Wohneinheiten (Reihen- und Mehrfamilienhäuser) sowie eine Kindertageseinrichtung entstehen. Am Vorhabenstandort ist im Bebauungsplan eine Fläche für Versorgungsanlagen (Nahwärmeversorgung) vorgesehen. Die genehmigte Heizzentrale soll der Versorgung des Planungsgebiets mit Nahwärme dienen.
Die Antragsteller sind Eigentümer des mit einem Wohnhaus und einem Nebengebäude bebauten Grundstücks FlNr. …, Gemarkung S., das sich im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. … der Stadt S. befindet, der ein reines Wohngebiet ausweist. Das Anwesen liegt getrennt durch eine Straße und eine Grünfläche südöstlich des Vorhabengrundstücks.
Das Landratsamt ergänzte mit Bescheid vom 9. Oktober 2020 die Baugenehmigung vom 6. Juli 2020 dahingehend, dass die mit Genehmigungsvermerk vom 9. Oktober 2020 versehene Baubeschreibung zum Vorhaben „Neubau einer Heizzentrale für das Wärmenetz des Neubaugebietes,A.´ S.“ mit einer Feuerungswärmeleistung von 238 kW je Hackschnitzelkessel (2 Stück) und einer Feuerungswärmeleistung von 440 kW des Erdgas-Spitzenlastkessels sowie die ergänzende schalltechnische Untersuchung der M. . … AG vom 9. Oktober 2020 zum Bestandteil der Baugenehmigung erklärt wurden.
Mit Beschluss vom 29. Oktober 2020 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung ab. Der Baugenehmigungsbescheid in Gestalt des Änderungsbescheids sei hinsichtlich der Feuerungswärmeleistung hinreichend bestimmt. In Bezug auf die Bestimmtheit bestünden auch keine Bedenken gegen die festgesetzten Auflagen. Es könne offenbleiben, ob der Bebauungsplan wirksam sei, da die Antragstellerin durch die Baugenehmigung voraussichtlich nicht in drittschützenden Rechten verletzt werde. Insbesondere würde das Anwesen der Antragstellerin keinen unzumutbaren Lärm-, Geruchs- und Staubimmissionen ausgesetzt. Im Hinblick auf die immissionsschutzrechtliche „Auflage 84“ Ziffer 1 der Baugenehmigung bestünden zwar Bedenken, da dort auf Immissionsrichtwertanteile abgestellt werde und dies nahelege, dass es der Beigeladenen unabhängig von einer etwaigen Vorbelastung gestattet wäre, die maßgeblichen Immissionsrichtwerte alleine auszuschöpfen. Diese Auflage könne aber im Hauptsacheverfahren noch so angepasst werden, dass sie die Rechte der Antragstellerin vollständig wahre. Der nach der 1. BImSchV erforderliche Abstand der Schornsteine zu den Gebäuden auf dem Grundstück der Antragsteller werde eingehalten. Es bestünden keine Anhaltspunkte für eine unzumutbare Beeinträchtigung durch Geruchs- und Staubimmissionen. Das Gebot der Rücksichtnahme verlange vom Bauherrn keine Standortalternativprüfung.
Mit der hiergegen gerichteten Beschwerde machen die Antragsteller geltend, dass der ursprüngliche Baugenehmigungsbescheid nicht hinreichend bestimmt sei. Die im Bescheid vom 9. Oktober 2020 vorgenommene Ergänzung in Bezug auf die Feuerungswärmeleistung sei irrelevant, da es auf den Zeitpunkt des Erlasses der ursprünglichen Baugenehmigung ankomme. Der Genehmigungsbescheid sei sowohl hinsichtlich der Feuerungsleistung als auch in Bezug auf mehrere Auflagen nicht hinreichend bestimmt. Der Bebauungsplan sei insbesondere abwägungsfehlerhaft und unwirksam. Die Antragsteller würden durch die unwirksamen Festsetzungen im Bebauungsplan in ihren Rechten verletzt. Die Baugenehmigung stehe auch nicht im Einklang mit den Festsetzungen des Bebauungsplans. Das Vorhaben verstoße gegen das drittschützende Gebot der Rücksichtnahme, weil das Vorhaben zu unzumutbaren Lärm-, Luft- und Staubimmissionen am Anwesen der Antragsteller führe. Hinsichtlich der Lärmimmissionen würden mehrere Geräuschimmissionen, Vorgänge und Schallquellen nicht berücksichtigt, die zu einer Überschreitung der Immissionswerte am Grundstück der Antragsteller führen würden. Die Festsetzung eines Immissionsrichtwertanteils in der Baugenehmigung sei zu unbestimmt. Die der Baugenehmigung zugrunde gelegten schalltechnischen Untersuchungen seien unzureichend. Die Antragsteller würden auch im Hinblick auf Geruchs- und Staubimmissionen unzumutbar beeinträchtigt. Die Heizanlage bedürfe einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung und unterfalle den Bestimmungen der 44. BImSchV. Jedenfalls aber werde der erforderliche Abstand nach der 1. BImSchV nicht eingehalten, da die Feuerungsanlage weniger als 40 m vom Garagengebäude der Antragsteller entfernt sei. Die Entfernungsangaben in der 1. BImSchV gingen davon aus, dass sich die Grundstücke der Feuerungsanlage und der Wohngebäude auf gleicher Höhe befänden. Das Vorhabengrundstück liege jedoch 5 m tiefer als das Grundstück der Antragsteller. Das Wohngebäude liege zwar außerhalb der Entfernung von 40 m, insoweit seien aber die Vorgaben der 1. BImSchV entsprechend anzuwenden. Die Baugenehmigung verstoße zudem aufgrund der Standortwahl gegen das Rücksichtnahmegebot.
Die Beigeladene verweist darauf, dass etwaige Bestimmtheitsmängel jedenfalls durch den Ergänzungsbescheid geheilt worden seien. Im Hinblick auf Lärmimmissionen sei durch den Ergänzungsbescheid vom 9. Oktober 2020 die schalltechnische Untersuchung vom 9. Oktober 2020 zum Gegenstand der Genehmigung erklärt worden. Damit sei den Einwendungen der Antragsteller gegen die ursprüngliche Baugenehmigung ausreichend Rechnung getragen. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot bestehe nicht. Die Richtwerte der TA Lärm würden unterschritten und der nach der 1. BImSchV erforderliche Abstand gewahrt. In Bezug auf Geruchs- bzw. Staubimmissionen lägen Anhaltspunkte für eine immissionsrechtliche Atypik nicht vor. Im Übrigen folge aus dem Gebot der Rücksichtnahme keine Pflicht zur Prüfung eines alternativen Standorts.
Mit Bescheid vom 22. Dezember 2020 änderte das Landratsamt die Baugenehmigung vom 6. Juli 2020 in Gestalt des Ergänzungsbescheids vom 9. Oktober 2020 dahingehend ab, dass an dem Immissionsort des Grundstücks der Antragsteller durch den gesamten Betrieb des genehmigten Vorhabens die Immissionsrichtwertanteile von 49 dB(A) tags und 34 dB(A) nachts nicht überschritten werden dürfen. Weiter stellte es klar, dass es sich bei den Leistungsangaben in der mit Genehmigungsvermerk vom 9. Oktober 2020 versehenen Baubeschreibung zur Baugenehmigung jeweils um die Feuerungswärmeleistung handelt.
Der Antragsgegner verweist darauf, dass jedenfalls durch den Ergänzungs- bzw. Änderungsbescheid eine etwaige Unbestimmtheit geheilt worden sei.
Ergänzend wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) rechtfertigen keine Abänderung oder Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Nachbarklage der Antragsteller im Hauptsacheverfahren nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung voraussichtlich erfolglos bleiben wird, so dass das Interesse an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegenüber dem Vollzugsinteresse der Beigeladenen nachrangig ist. Das Vorhaben verstößt voraussichtlich nicht gegen nachbarschützende Vorschriften.
1. Die dargelegten Gründe zeigen weder eine fehlende Bestimmtheit der Baugenehmigung im Hinblick auf die Feuerungswärmeleistung noch im Hinblick auf einzelne Nebenbestimmungen auf.
1.1 Die Baugenehmigung ist jedenfalls in Gestalt des Änderungsbescheids vom 22. Dezember 2020 im Hinblick auf die genehmigte Feuerungswärmeleistung hinreichend bestimmt im Sinn des Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG. Eine Rechtsverletzung des Nachbarn infolge einer fehlenden Bestimmtheit einer Baugenehmigung kommt in Betracht, wenn die Bauvorlagen hinsichtlich nachbarrechtsrelevanter Merkmale nicht hinreichend bestimmt sind und damit nicht geprüft werden kann, ob das Vorhaben nachbarschützenden Vorschriften entspricht (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2020 – 1 CS 20.1595 – juris Rn. 3). Nach diesen Maßstäben zeigt das Beschwerdevorbringen jedenfalls nach Erlass des Änderungsbescheids vom 22. Dezember 2020 keinen Verstoß gegen das Bestimmtheitserfordernis der angegriffenen Genehmigung auf. Aus Nr. 2 des Änderungsbescheids ergibt sich unzweifelhaft, dass sich die Leistungsangaben in der Baubeschreibung, die mit Ergänzungsbescheid vom 9. Oktober 2020 zum Bestandteil der Baugenehmigung erklärt wurden, auf die Feuerungswärmeleistung beziehen. Da eine etwaige Unbestimmtheit der ursprünglichen Baugenehmigung hier nur die Rechtswidrigkeit (Anfechtbarkeit) des Verwaltungsakts zur Folge hat, war die Behörde befugt, den Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot im gerichtlichen Verfahren durch eine nachträgliche klarstellende Änderung zu heilen (vgl. BVerwG, U.v. 2.7.2008 – 7 C 38.07 – BVerwGE 131, 259, 52; B. v. 21.6.2006 – 4 B 32.06 – NVwZ-RR 2006, 589; BayVGH, U.v. 27.3.2012 – 8 B 12.112 – BayVBl 2013, 342). Diese Änderung ist auch im anhängigen Verfahren zu berücksichtigen, da es sich um eine für den Bauherrn günstige nachträgliche Änderung handelt (vgl. BVerwG, B.v. 23.4.1998 – 4 B 40.98 – BauR 1998, 995). Durch den Ergänzungs- bzw. Änderungsbescheid wurde der vom Verwaltungsgericht gerügten inhaltlichen Unbestimmtheit der ursprünglichen Baugenehmigung Rechnung getragen, so dass sich diese Änderung im Ergebnis für die Beigeladene als günstig erweist, zumal sie mit dieser Änderung auch einverstanden war.
1.2 Soweit die Antragsteller eine fehlende Bestimmtheit der Genehmigung infolge von Defiziten der zum Bestandteil der Baugenehmigung erklärten schalltechnischen Untersuchung sehen, wird eine Unbestimmtheit im Sinn von Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG nicht dargelegt. Die Verpflichtung, die Feuerungsanlage nur in ordnungsgemäßen technischen Zustand und mit geeigneten Brennstoffen zu betreiben, folgt unmittelbar aus § 4 Abs. 1 1. BImSchV, so dass eine entsprechende Auflage im Bescheid entbehrlich ist und aus deren Fehlen entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht auf eine fehlende Bestimmtheit geschlossen werden kann. Die im Beschwerdevorbringen im Wesentlichen unter Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens aufgeworfenen Bedenken im Hinblick auf die Bestimmtheit der Nebenbestimmungen „84“ Ziffern 11, 13, 15 und 31 der Baugenehmigung lassen eine Auseinandersetzung mit der Begründung des Verwaltungsgerichts vermissen. Der Senat teilt diese Bedenken auch nicht. Die Nebenbestimmung „84“ Ziff. 11 schreibt vor, dass die Verbrennung in den Biomassekesseln sich auf ausschließlich naturbelassenes Holz gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 und 5 1. BImSchV beschränkt und nur trockene und von der jeweiligen Herstellerfirma der Feuerungsanlage als geeignet angesehene Brennstoffe verfeuert werden dürfen. Der Begriff naturbelassenes Holz ist anhand der in § 3 Abs. 1 Nr. 4 und 5 1. BImSchV enthaltenen Regelbeispiele hinreichend bestimmt. Der Bedeutungsgehalt des Begriffs „trocken“ ergibt sich aus § 3 Abs. 3 Satz 1 1. BImSchV. Hiernach darf naturbelassenes Holz als Brennstoff nur eingesetzt werden, wenn der Feuchtegehalt unter 25 Prozent bezogen auf das Trocken- oder Darrgewicht des Brennstoffs liegt. Gegen die Bestimmtheit der Auflage „84“ Ziff. 13 bestehen ebenfalls keine Bedenken. Hiernach ist jede Brennstofflieferung durch Sichtkontrolle auf unzulässige Fremdstoffe zu kontrollieren. Adressat dieser Prüfpflicht ist die Beigeladene als Betreiberin der Anlage, die ohnehin nur Brennstoffe verfeuern darf, die den Anforderungen in der Auflage „84“ Ziff.11 entsprechen. Wie die Prüfung konkret zu erfolgen hat, obliegt grundsätzlich der Verantwortlichkeit der Betreiberin, die hierzu geeignete Maßnahmen zu ergreifen hat. Im Hinblick auf die Bedenken der Antragsteller auf eine mangelnde Möglichkeit der Überprüfung der Einhaltung der Auflagen wird auf die Überprüfung durch den Schornsteigerfeger innerhalb von vier Wochen nach Inbetriebnahme der Anlage (vgl. § 14 1. BImSchV) sowie turnusmäßig alle zwei Jahre (§ 15 1. BImSchV) hingewiesen. Anlassbezogen können auch weitere Überprüfungen durch das Landratsamt stattfinden. Die Auflage „84“ Ziff.15, wonach zur Sicherstellung der Staub-Emissionswerte die Abgasstrecken der Biomassekessel mit geeigneten Filtersystemen (z.B. Abgaszyklon sowie einem Elektrofilter) auszustatten und Betriebsstörungen an den Abgasreinigungseinrichtungen umgehend zu beheben sind, ist ebenfalls hinreichend bestimmt. Geeignete Filtersysteme sind diejenigen, die sicherstellen, dass die maximal zulässigen Abgas-Emissionswerte der 1. BImSchV eingehalten werden. Eine Überprüfung der Abgas-Emissionswerte erfolgt nach Inbetriebnahme sowie turnusmäßig alle zwei Jahre durch den Schornsteinfeger. Soweit das Beschwerdevorbringen Bedenken im Hinblick auf die Bestimmtheit der Auflage „84“ Ziff. 1 äußert, lässt es unberücksichtigt, dass mit Änderungsbescheid vom 22. Dezember 2020 diese Auflage neu gefasst wurde. Bedenken gegen diese geänderte Fassung zeigt das Beschwerdevorbringen nicht auf. Ob der Auflagenvorbehalt in „84“ Ziff. 31 rechtmäßig ist, kann offenbleiben, da die Antragsteller hierdurch jedenfalls nicht in ihren Rechten verletzt werden.
2. Das Beschwerdevorbringen legt nicht dar, dass durch die Baugenehmigung von einer nachbarschützenden Vorschrift des Bebauungsplans abgewichen wird. In Bezug auf die aufgezeigten Bedenken der Antragsteller gegen die Wirksamkeit der 1. Änderung des Bebauungsplans hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass sich die Antragsteller auch im Fall der Unwirksamkeit des Bebauungsplans nicht gegen einen objektiv-rechtlichen Verstoß eines dann nach § 35 BauGB zu beurteilenden Vorhabens wenden könnten, sondern allein maßgeblich sei, dass das Vorhaben nicht gegen das auch bei einem Außenbereichsvorhaben zu beachtende Rücksichtnahmegebot verstößt. Dem Beschwerdevorbringen fehlt es hierzu an einer nachvollziehbaren Auseinandersetzung mit der Begründung des Verwaltungsgerichts. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass im Fall der Unwirksamkeit des Bebauungsplans das Vorhaben bauplanungsrechtlich nach § 35 BauGB zu bewerten wäre, entspricht der Systematik des § 29 ff. BauGB. Dass sich die Nachbarn nicht gegen ein objektivrechtlich unzulässiges Bauvorhaben im Außenbereich wenden können, steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung (BVerwG, B.v. U.v. 28.10.1993 – 4 C 5.93 – BauR 1994, 354; BayVGH, B.v. 25.10.2010 – 2 CS 10.2137 – BauR 2011, 256).
3. Die dargelegten Gründe zeigen nicht auf, dass die Baugenehmigung gegen das Rücksichtnahmegebot verstößt. Soweit – wie vorliegend – ein Rücksichtnahmeverstoß aufgrund von Immissionsbelastungen geltend gemacht wird, wird zur Konturierung der Zumutbarkeitsschwelle des Rücksichtnahmegebots auf die materiell-rechtlichen Maßstäbe des Immissionsschutzrechts, also auf die Schwelle schädlicher Umwelteinwirkungen im Sinn von § 3 Abs. 1, § 22 Abs. 1 BImSchG zurückgegriffen (vgl. BayVGH, B.v. 16.7.2019 – 15 ZB 17.2529 – juris Rn. 15).
3.1 Bei der Beurteilung einer Lärmbelastung kommt der TA Lärm als normkonkretisierender Verwaltungsvorschrift eine im gerichtlichen Verfahren grundsätzlich zu beachtende Bindungswirkung zu, soweit diese für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert (vgl. BVerwG, Uv. 29.11.2012 – 4 C 8.11 – BVerwGE 145, 145). Für die Einhaltung der aus §§ 3, 22 BImSchG folgenden Verpflichtung, das Vorhaben so zu errichten und zu betreiben, dass von ihm keine das zulässige Maß überschreitenden schädlichen Umwelteinwirkungen ausgehen, hat die Baugenehmigungsbehörde im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens zu sorgen. Dabei können auch Auflagen in einer Baugenehmigung, die für den Betrieb der genehmigten Anlage die Einhaltung bestimmter Immissionsrichtwerte anordnen, ausreichend sicherstellen, dass die zugelassene Nutzung keine für die Nachbarschaft unzumutbaren und damit gegen das Rücksichtnahmegebot verstoßenden Lärmimmissionen hervorruft (BayVGH, B.v. 22.1.2020 – 15 ZB 18.2547 – juris Rn. 11; VGH BW, U.v. 28.11.2019 – 5 S 1790/17 – BauR, 2020, 799).
Hiervon ausgehend hat der Antragsgegner durch die Nebenbestimmungen „84“ Ziff.1 des Baugenehmigungsbescheids in der Fassung des Änderungsbescheids vom 22. Dezember 2020 im Hinblick auf Schallimmissionen dem Rücksichtnahmegebot voraussichtlich in ausreichender Weise Rechnung getragen. Denn diese Auflage regelt verbindlich und in einer selbständig vollstreckbaren Weise, dass durch den gesamten genehmigten Betrieb einschließlich des Fahrverkehrs die Immissionsrichtwertanteile von 49 dB(A) tags und 34 dB(A) nachts am maßgeblichen Immissionsort des Anwesens der Antragstellerin nicht überschritten werden dürfen. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Lärmschutz in dieser Weise durch zielorientierte Festlegungen in zulässiger Weise geregelt werden kann (BayVGH, B.v. 18.10.2017 – 9 CS 16.883 – juris Rn. 26). Dabei muss jedoch gewährleistet sein, dass die festgesetzten Werte im regelmäßigen Betrieb auch eingehalten werden können. Dies ist hier voraussichtlich der Fall. Es bestehen im Rahmen der summarischen Prüfung unter Berücksichtigung der dargelegten Gründe keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass den Auflagen eine fehlerhafte oder von vornherein unrealistische Prognose zu den Lärmimmissionen zugrunde liegt. Die Einschätzung des Antragsgegners zur Lärmsituation basiert auf dem eingeholten und überarbeiteten Schallgutachten M. AG, das seitens des fachlichen Immissionsschutzes des Landratsamts überprüft und in die Beauflagung der Lärmschutzmaßnahmen eingeflossen ist. Aus diesem ergibt sich, dass bei einem realitätsgerechten Betrieb der genehmigten Anlage die Immissionsrichtwertanteile am Immissionsort des Grundstücks der Antragstellerin eingehalten werden können. Etwas anderes folgt auch nicht aus der von den Antragstellern vorgelegten Plausibilitätsprüfung der I. … vom 9. September 2020. Den dort genannten Bedenken wurde voraussichtlich durch die ergänzende schalltechnische Untersuchung vom 9. Oktober 2020, die durch den Ergänzungsbescheid vom 9. Oktober 2020 zum Bestandteil der Baugenehmigung erklärt wurde, ausreichend Rechnung getragen. Soweit sich die Antragsteller auf die im Parallelverfahren vorgelegte Stellungnahme des Gutachterbüros S. … … GmbH beziehen, erfolgte dieser Vortrag weder innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist noch wurden Bedenken hier substantiiert vorgetragen. Ohne Erfolg machen die Antragsteller geltend, dass der Antragsgegner tieffrequenten Schall nicht ausreichend berücksichtigt habe. Unabhängig davon, dass der Vortrag erst nach Ablauf der Beschwerdefrist erfolgte, gibt die Nebenbestimmung „84“ Ziff. 3 vor, dass tieffrequente Geräusche in benachbarten Aufenthaltsräumen, die Wohnzwecken dienen und in benachbarten Räumen mit vergleichbarer Schutzwürdigkeit die in DIN 45680, Beiblatt 1 (Stand 03-1997) genannten Anhaltswerte nicht überschreiten dürfen. Diese zielorientierte Festsetzung ist auch bei tieffrequentem Schall grundsätzlich nicht zu beanstanden (BayVGH, B.v. 29.6.2009 – 15 CS 09.860 – juris Rn. 19). Dass diese Auflage unzureichend wäre, wird von Antragstellerseite nicht dargelegt, insbesondere ergeben sich hierzu auch keine Anhaltspunkte aus der Plausibilitätsprüfung der I. …
Da hier bereits die Immissionsrichtwerte eines reinen Wohngebiets voraussichtlich eingehalten werden können und dies entsprechend beauflagt wurde, kann es offenbleiben, ob die Antragsteller aufgrund der Randlage ihres Grundstücks zum Außenbereich überhaupt das Schutzniveau eines reinen Wohngebiets beanspruchen können (vgl. BVerwG, B.v. 7.7.2004 – 4 BN 16.04 – juris Rn. 7; BayVGH, B.v. 25.10.2010 – 2 CS 10.2137 – juris Rn. 14)
3.2 Das Beschwerdevorbringen zeigt im Hinblick auf Geruchs- und Staubimmissionen ebenfalls keinen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot auf.
Die Feuerungswärmeleistung der Anlage wurde jedenfalls im Änderungsbescheid vom 22. Dezember 2020 für die beiden Holzhackschnitzelkessel auf jeweils 238 kW und für den Erdgas-Spitzenlastkessel auf 440 kW beschränkt, so dass die Anlage nicht nach § 1 i.V. Anhang 1 Nr. 1.2.1, 1.2.3 4. BImSchV als genehmigungsbedürftige Anlage im Sinn von § 4 BImSchG einzustufen ist. Sie unterfällt aufgrund ihrer Feuerungswärmeleistung unter 1 Megawatt auch nicht dem Anwendungsbereich der 44. BImSchV. Die Anforderungen richten sich daher nach der 1. BImSchV.
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die nach § 23 BImSchG erlassenen Rechtsverordnungen der Konkretisierung der immissionsschutzrechtlichen Betreiberpflichten gemäß § 22 BImSchG dienen. Eine den Anforderungen der 1. BImSchV entsprechende Feuerungsanlage ist demgemäß grundsätzlich nicht mit schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen verbunden und mit dem baurechtlichen Rücksichtnahmegebot vereinbar (VGH BW, U.v. 5.9.1989 – 10 S 1712/88 – NJW 1990, 1930). Das gilt jedoch nur für den Regelfall. Da die Verordnung die von Feuerungsanlagen ausgehenden Emissionen begrenzt, die Zumutbarkeit von Immissionen jedoch davon abhängt, in welcher Konzentration sie beim Schutzobjekt in der Nachbarschaft ankommen, sind Fallgestaltungen denkbar, in denen auf einem Nachbargrundstück trotz Einhaltung der Grenzwerte der 1. BImSchV schädliche Umwelteinwirkungen im Sinn von § 3 Abs. 1 BImSchG auftreten können (BVerwG, B.v. 28.7.1999 – 4 B 38.99 – BauR 1999,1439).
Für eine solche Atypik sind hier jedoch keine ausreichenden Anhaltspunkte dargelegt. Der Einwirkungsbereich der beiden Hackschnitzelheizkessel mit einer Gesamtfeuerungswärmeleistung von 476 kW beträgt nach § 19 Nr. 2 1. BImSchV bzw. nach Tabelle 3 der VDI RL 3781 Blatt 4 „Ableitbedingungen für Abgase – Kleine und mittlere Feuerungsanlagen sowie andere als Feuerungsanlagen“ 33 m. Der Einwirkungsbereich des § 19 Nr. 2 1. BImSchV ist nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift entgegen dem Beschwerdevorbringen nur auf feste Brennstoffe anwendbar. Selbiges gilt für die Tabelle 3 der VDI RL 3781 Blatt 4. Für den Gaskessel bestimmt sich der Einwirkungsbereich in Anlehnung an § 9 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Feuerungsverordnung (FeuV) auf 15 m. Maßgeblicher Bezugspunkt für die Bestimmung des Einwirkungsbereichs ist nach dem Wortlaut des § 19 Nr. 2 1. BImSchV bzw. nach Nr. 6.3.2 der VDI RL 3781 Blatt 4 die Austrittsöffnung bzw. Mündungsöffnung. Das Wohnhaus der Antragsteller als maßgeblicher Immissionsort befindet sich von den drei Kaminmündungen in einer Entfernung von ca. 63 bis 66 m (vgl. immissionsschutzfachliche Stellungnahme des Landratsamts vom 2. November 2020) und liegt damit deutlich außerhalb des Einwirkungsbereichs. Ob die Garage der Antragsteller überhaupt als maßgeblicher Immissionsort in Frage kommt, kann offenbleiben, da die Entfernung der Garage zu den Kaminmündungen jedenfalls mehr als 46 m beträgt, so dass sie ebenfalls deutlich außerhalb des Einwirkungsbereichs liegt. Die von Antragstellerseite bereits im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens angedachte analoge Anwendung des § 19 Nr. 2 1. BImSchV auf Lüftungsöffnungen außerhalb des Einwirkungsbereichs bei topografischen Besonderheiten hat das Verwaltungsgericht mit der Begründung abgelehnt, dass eine planwidrige Regelungslücke nicht bestehe, da zunächst maßgebend sei, welchen horizontalen Abstand diese Lüftungsöffnungen, Fenster und Türen zum jeweiligen Kamin aufweisen. Eine Auseinandersetzung mit dieser Begründung des Verwaltungsgerichts ist im Beschwerdevorbringen nicht erfolgt. Nach der immissionsschutzfachlichen Stellungnahme des Landratsamts vom 27. Mai 2020 ist ein ungestörter Abtransport der Abgase in die freie Luftströmung gegeben und es wird mit der geplanten Kaminhöhe eine ausreichende Verdünnung der Abgase erreicht. Vor diesem Hintergrund und angesichts der deutlichen Überschreitung der Abstände des Einwirkungsbereichs des Vorhabens bestehen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass es zu unzumutbaren Beeinträchtigungen durch die Abgase der genehmigten Anlage kommen wird.
3.3 Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots aufgrund der Standortwahl kommt nicht in Betracht. Die Annahme des Beschwerdevorbringens, das nachbarschützende Rücksichtnahmegebot könne deshalb verletzt sein, weil es einen aus der Sicht des Nachbarn günstigeren Standort für die emittierende Anlage gebe, geht fehl. Maßgeblich ist allein die Intensität der Belastungen der Nachbarschaft im konkreten Fall; ergibt die Prüfung, dass die Belastungen an dem Standort für den Nachbarn im Sinn von § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO zumutbar sind, so muss er die bauliche Anlage auch dann hinnehmen, wenn es einen besser geeigneten Alternativstandort gibt (vgl. BVerwG, B.v. 13.10.1998 – 4 B 93.98 – BauR 1999, 145; BayVGH, B.v. 18.2.2020 – 9 ZB 16.2236 – juris Rn. 9). Da nach den vorstehenden Ausführungen von der Anlage keine unzumutbaren Beeinträchtigungen ausgehen, kann die Beigeladene nicht auf alternative – nach Meinung der Antragsteller besser geeignete – Standorte verwiesen werden.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1‚ § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG,
§ 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5, 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag.


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