Baurecht

Einhaltung der beauflagten Immissionsrichtwerte im Regelbetrieb

Aktenzeichen  M 9 K 16.5742

Datum:
4.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 13751
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauNVO § 15 Abs. 1 S. 2
BImSchG § 3 Abs. 1
BauGB § 34 Abs. 1 S. 1
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, § 124, § 124 a Abs. 4, § 154 Abs. 1, 162 Abs. 3, § 167
RDGEG § 3, § 5

 

Leitsatz

1. Das Gebot der Rücksichtnahme soll einen angemessenen Interessenausgleich gewährleisten und vermittelt insoweit Drittschutz, als die Genehmigungsbehörde in qualifizierter und individualisierter Weise auf schutzwürdige Belange eines erkennbar abgrenzbaren Kreises Dritter zu achten hat. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. In der TA-Lärm ist keine Reduzierung der Richtwerte für eine Vorbelastung vorgesehen. Die Richtwerte gelten für die Gesamtbelastung, welche sich aus Zusatz- und Vorbelastung zusammensetzt. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
3. Im Rahmen der Prognose ist auf den Regelbetrieb abzustellen. Ist nach der gaststättenrechtlichen Erlaubnis ein Betrieb zur Nachtzeit nicht erlaubt, bestehen keine Bedenken, im Rahmen der Prognose die gaststättenrechtlich erlaubte Betriebsweise zugrunde zu legen. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein Zuschlag für Informationshaltigkeit erfolgt in Fällen eines auffälligen Geräuschgeschehens und soll eine besondere Auffälligkeit und Lästigkeit des Geräuschs widerspiegeln. Bei technisch verstärkten Geräuschen kann ein Zuschlag für Impulshaltigkeit angewendet werden. (Rn. 44 – 45) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1 zu tragen. Die Beigeladene zu 2 trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Es konnte nach § 101 Abs. 2 VwGO ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden, da alle Beteiligten ausdrücklich auf eine weitere mündliche Verhandlung verzichtet haben.
1. Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet und hat deswegen keinen Erfolg.
Die Baugenehmigung in der Gestalt nach der zu Protokoll erklärten Änderung vom 15. Mai 2017 verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Anfechtungsklage eines Dritten gegen eine Baugenehmigung kann nur dann Erfolg haben, wenn die Baugenehmigung Vorschriften verletzt, die dem Schutz des Dritten zu dienen bestimmt sind. Dementsprechend findet im vorliegenden Verfahren keine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle statt. Die Prüfung beschränkt sich vielmehr darauf, ob durch die angefochtene Baugenehmigung drittschützende Vorschriften, die den Nachbarn einen Abwehranspruch gegen das Vorhaben vermitteln, verletzt sind (BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris).
Eine Verletzung von den Kläger schützenden Vorschriften liegt nicht vor. Insbesondere ist er nicht wegen eines Verstoßes gegen das Gebot der Rücksichtnahme aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO in eigenen Rechten verletzt.
Das Gebot der Rücksichtnahme soll einen angemessenen Interessenausgleich gewährleisten und vermittelt insofern Drittschutz, als die Genehmigungsbehörde in qualifizierter und individualisierter Weise auf schutzwürdige Belange eines erkennbar abgrenzbaren Kreises Dritter zu achten hat. Die Interessenabwägung hat sich daran zu orientieren, was dem Rücksichtnahmebegünstigten und was dem Rücksichtnahmeverpflichteten jeweils nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung des Begünstigten ist, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die Interessen des Bauherrn sind, desto weniger muss er Rücksicht nehmen (BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris).
Vorliegend ergibt sich das Gebot der Rücksichtnahme aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO. Danach sind bauliche und sonstige Anlagen unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden. Solche unzumutbaren Belästigungen, Störungen oder schädliche Umwelteinwirkungen sind insbesondere solche nach § 3 BImSchG. Nach § 3 Abs. 1 BImSchG sind schädliche Umwelteinwirkungen Immissionen, die geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Nachbarschaft herbeizuführen. Das Vorliegen von schädlichen Umwelteinwirkungen durch Lärmimmissionen bestimmt sich für das Vorhaben nach der Sechsten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz vom 26.8.1998 (TA Lärm).
a) Die vom geplanten Gästehaus ausgehenden Lärmemissionen sind dem Kläger zumutbar, da am maßgeblichen Immissionsort auf dem klägerischen Grundstück die Werte für ein Dorfgebiet nach Nr. 6.1 Buchst. d) TA Lärm in Höhe von 60 db(A) tags und 45 db(A) eingehalten werden. Die in der Baugenehmigung klägergünstig beauflagte zielorientierte Festlegung der Immissionsgrenzwerte für ein allgemeines Wohngebiet sind somit jedenfalls ausreichend, um eine unzumutbare Beeinträchtigung auszuschließen. Nach dem Gutachten des vom Kläger beauftragen Büros S. & P. und unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Technischen Umweltschutzes vom 23. Juni 2017 werden im Regelbetrieb selbst die Werte für ein allgemeines Wohngebiet eingehalten.
Die nach Änderung des Bescheides in der mündlichen Verhandlung vom 17. Mai 2017 festgelegten Immissionsrichtwerte für das klägerische Grundstück von 55 db(A) tagsüber und 40 db(A) nachts verletzen der Kläger deswegen nicht in seinen Rechten. Eine noch weitergehende Reduzierung wegen einer gewerblichen Vorbelastung hat nicht zu erfolgen.
aa) Im Rahmen der Immissionsrichtwerte ist der maßgebliche Immissionsort auf dem klägerischen Grundstück nach Nr. 6.6 und Nr. 6.1 TA Lärm entsprechend seiner Schutzbedürftigkeit einem Dorfgebiet zuzuordnen. Eine Festsetzung durch Bebauungsplan besteht für das klägerische Grundstück nicht. Dorfgebiete dienen nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BauNVO der Unterbringung der Wirtschaftsstellen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, dem Wohnen und der Unterbringung von nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben sowie der Versorgung der Bewohner des Gebiets dienenden Handwerksbetrieben. Das klägerische Grundstück liegt einem Umgriff bzw. in einer näheren Umgebung, welcher bzw. welche durch die Berggaststätte auf dem Vorhabengrundstück, die Landwirtschaft auf FlNr. 940 und die Wohngebäude auf den FlNr. 945/4, 946, 945/5 und 944/2 geprägt wird. Die südlich vom Klägergrundstück gelegenen Grundstücke werden landwirtschaftlich genutzt; ebenso das Grundstück mit der FlNr. 959.
Die nördlich des klägerischen und des Vorhabengrundstück gelegene N.-Str. hat trennende Wirkung. Die N.-Str. hat vorliegenden Einzelfall den Charakter ein Haupterschließungsstraße am Berg und eine gegenseitige Prägung der Bebauung auf beiden Seiten der Straße liegt nicht vor. Während nördlich der N.-Str. eine einheitliche Bebauung mit Wohngebäuden vorliegt, befinden sich südlich Wohngebäude, die Gaststätte auf dem Vorhabengrundstück und eine Landwirtschaft mit Gästezimmer auf dem Grundstück FlNr. 940. Des Weiteren sind die Hanglage bzw. der Höhenunterschied zwischen der nördlich und der südlichen Bebauung zu berücksichtigen. Zuletzt sind die Wohngebäude auf dem klägerischen Grundstück und der FlNr. 945/5 deutlich weiter von der N.-Str. entfernt, da sie dem Verlauf des L.-Weg folgen. Gerade nördlich der Grundstücke mit der FlNr. 946 und FlNr. 945/4 ergibt sich durch den dort von der N.-Str. abzweigenden L.-Weg und die W.-Str. im Zusammenspiel der Straßen auch eine erhebliche Breite der öffentlichen Verkehrsflächen. Hinzu kommt, dass das Wohngebäude auf der FlNr. 946 stark von der nördlichen Grundstücksgrenze abgerückt ist.
Abweichend von der Ansicht des Klägers hat der zwischen dem Vorhabengrundstück und dem klägerischen Grundstück liegendein Nord-Süd-Richtung verlaufende L.- Weg auch zusammen mit der im Rahmen der Baugenehmigung noch zu bebauenden Fläche auf dem Vorhabengrundstück keine trennende Wirkung. Zwar liegen insoweit unterschiedliche Nutzungen auf beiden Seiten vor, sodass es an einer einheitlichen Prägung fehlen könnte. Die geringe Breite und die geringe Verkehrsbedeutung führen aber zum Fehlen einer trennenden Wirkung.
Letztlich hätte eine trennende Wirkung des L.-Wegs keine Auswirkung auf die Immissionsrichtwerte für das klägerische Grundstück nach Nr. 6.1 TA Lärm. Denn auch im Außenbereich kann in der Regel nur die Einhaltung der Immissionsrichtwerte für Dorf- bzw. Mischgebiete gefordert werden (Hansmann in: Landmann/Rohmer UmweltR, 91. EL September 2019, TA Lärm Nr. 6 6. Rn. 15 m.w.N.). Hätte der L.-Weg trennende Wirkung lege das klägerische Gebäude im Außenbereich. Die vier Wohngebäude südwestlich von N.-Str. und L.-Weg hätten nicht das erforderliche Gewicht um einen Ortsteil i. S. d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB anzunehmen. Eine Ansammlung von nur vier Wohngebäuden besitzt regelmäßig nicht das für eine eigenständige Siedlungseinheit erforderliche Gewicht. (BVerwG, B.v. 19. April 1994 – 4 B 77/94 – juris Rn. 2). Eine besondere organische Struktur der vier Wohngebäude ist nicht erkennbar, sodass von einem Außenbereichsvorhaben und von einer grundsätzlich unerwünschten Splittersiedlung auszugehen wäre.
bb) Eine Reduzierung der Immissionsrichtwerte wegen einer Vorbelastung hat nicht zu erfolgen, da schon keine Anhaltspunkte für eine zu berücksichtigende Vorbelastung bestehen.
Im ursprünglichen Bescheid vom 17. November 2016 erfolgte die Reduzierung der Werte für ein allgemeines Wohngebiet um 3 db(A) tagsüber und 2 db(A) nachts aufgrund einer Summenwirkung mit den sonstigen gewerblichen Nutzungen im näheren Umfeld. Nach der Erklärung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 17. Mai 2017 erfolgte dies im Hinblick auf die Planung eines „Almdorfs“ auf dem Grundstück FlNr. 940 der Gemarkung T. Der dortige vorhabenbezogene Bebauungsplan (…) sieht dieses „Almdorf“ vor.
Zunächst ist festzuhalten, dass in der TA Lärm keine Reduzierung der Richtwerte für eine Vorbelastung vorgesehen ist. Die in Nr. 6.1 TA Lärm geregelten Richtwerte gelten für die Gesamtbelastung, welche sich aus der Zusatz- und Vorbelastung zusammensetzt (Nr. 2.4 TA Lärm). Nr. 4.2 Buchst. a) und c) TA Lärm regeln, dass ohne konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die zu beurteilende Anlage im Falle ihrer Inbetriebnahme zu einer relevanten Überschreitung der Immissionsrichtwerte beiträgt, nur die von der zu beurteilenden Anlage ausgehenden Geräuschimmissionen im Rahmen der Prognose zu berücksichtigen sind. Verlangt wird somit, dass konkrete Tatsachen vorliegen, aus denen auf einen entsprechenden Beitrag geschlossen werden kann (Hansmann in: Landmann/Rohmer UmweltR, 90. EL Juni 2019, TA Lärm Nr. 4 4. Rn. 17).Vorliegend fehlen Anhaltspunkte für eine relevante Vorbelastung, sodass die Beauflagung ohne Berücksichtigung der Vorbelastung rechtmäßig ist.
Konkrete Anhaltspunkte für einen möglichen relevanten Beitrag zu einer bestehenden Vorbelastung waren nach dem Ergebnis des Augenscheins und den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung nicht ansatzweise festzustellen. Auch das klägerische Gutachten beschränkt sich auf die Aussage, dass nicht auszuschließen sei, dass andere Geräuschquellen als Vorbelastung zu berücksichtigen seien. Der Kläger hat damit nicht substantiiert vorgetragen, dass und wodurch eine Berücksichtigung einer Vorbelastung erfolgen müsste. Insbesondere erfolgte hinsichtlich des „Almdorfs“ keinerlei Vortrag. Ohne substantiierten Vortrag und ohne Anhaltspunkte dafür, dass das geplante „Almdorf“ Einfluss auf die Geräuschbelastung in der Nacht hat, besteht keine Veranlassung dafür in der fehlenden Berücksichtigung der Vorbelastung im Rahmen der Prognoseberechnung eine Rechtsverletzung des Klägers zu sehen. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass der Beklagte und die Vertreterin des Technischen Immissionsschutzes im Rahmen des Augenscheins am 17. Mai 2017 vor Ort ihre Einschätzung zur Vorbelastung durch das „Almdorf“ korrigiert haben und die Auflage geändert haben. Dieser korrigierten Einschätzung der Vertreterin der Fachbehörde folgt das Gericht. Zusätzlich ist äußerst fraglich, ob das „Almdorf“ als bloße plangegebene Vorbelastung überhaupt eine Vorbelastung i. S. d. TA Lärm darstellen kann, da hierfür eine hinreichende konkrete Planung notwendig wäre (Feldhaus/Tegeder in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, 27. Update September 2019, b) Vorbelastung Rn. 49). Hier sei auch angemerkt, dass die zunächst erfolgte Reduzierung um 3 db(A) bzw. 2 db(A) der Höhe nach nie begründet wurde und nach dem Ergebnis des Augenscheins sowie der Aktenlage keine tatsächliche Grundlage hat. Es ist damit auch unklar, wie damit im Rahmen eines (tatsächlich nicht vorliegenden) Zusammentreffens von Zusatzbelastung und Vorbelastung eine Überschreitung des Immissionsrichtwerte verhindert werden sollte. Zwar hätte theoretisch eine Reduzierung der Richtwerte um 6 db(A) ohne Berechnung einer Vorbelastung, über das in der TA Lärm geregelte Irrelevanzkriterium i. S. d. Nr. 3.2.1 TA Lärm, eine relevante Zusatzbelastung verhindern können (BayVGH, B.v. 29.6.2009 – 15 CS 09.860 – juris Rn. 17). Diesen Zweck verfolgte die ursprünglich Reduzierung ausgehend von ihrer Höhe offenbar gerade nicht. Für das Gericht stellt sich deswegen die ursprüngliche Reduzierung als eine Art anlasslosen Sicherheitsabschlag dar, welcher in der TA Lärm nicht vorgesehen ist und auf den die betroffenen Nachbarn keinen Anspruch haben.
Die Terrasse der auf dem Vorhabengrundstück bestehenden Berggaststätte ist nicht zu berücksichtigen, da diese nach der gaststättenrechtlichen Erlaubnis nach 22:00 Uhr nicht mehr betrieben werden darf und damit während der Nacht keine Vorbelastung darstellen kann. Im Rahmen der Prognose ist auf den Regelbetrieb abzustellen, dabei kann natürlich berücksichtigt werden, wenn ein Betrieb zur Nachtzeit rechtlich nicht erlaubt ist (vgl. SächsOVG, B.v. 23.7.2015 – 4 B 175/15 – juris Rn. 7). Woher der Klägerbevollmächtigte den Grundsatz ableitet, dass nur eine Auflage in einer Baugenehmigung zu einer Nichtberücksichtigung führen kann, erschließt sich dem Gericht nicht. Es bestehen keine Bedenken im Rahmen der Prognose die gaststättenrechtlich erlaubte Betriebsweise zugrunde zu legen.
b) Die zielorientierte Festlegung des Lärmschutzes reicht zur Einhaltung des baurechtlichen Gebots der Rücksichtnahme aus, da im Regelbetrieb schon nicht mit einer Überschreitung beauflagten Werte, erst recht nicht der zumutbaren Werte, zu rechnen ist.
Geht es um die Lösung einer Immissionskonfliktlage, genügt es in der Regel, wenn dem Emittenten aufgegeben wird, beim Betrieb seiner Anlage näher bestimmte Richtwerte einzuhalten (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 7.2.2013 – 15 CS 12.743 – juris; B.v. 15.11.2011 – 14 AS 11.2305 – juris). Überschreiten die bei der Nutzung der Anlage entstehenden Immissionen bei regelmäßigem Betrieb die für die Nachbarschaft maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze, genügt es dagegen zur Sicherung der Nachbarrechte nicht, den maßgeblichen Immissionsrichtwert als Grenzwert festzulegen und weitere Nebenbestimmungen vorzubehalten; vielmehr muss die genehmigte Nutzung schon in der Baugenehmigung durch konkrete Regelungen eingeschränkt werden. Vorliegend können die Richtwerte aber im Regelbetrieb eingehalten werden, weswegen die sog. zielorientierte Festlegung der Immissionsrichtwerte nicht zu beanstanden ist. Eine Auflage zur Untersagung der Nutzung der Balkone und Terrassen nach 22:00 Uhr ist nicht notwendig.
Die Immissionsrichtwerte für den Tag werden unstreitig im Regelbetrieb eingehalten.
Nach der letzten Stellungnahme des Technischen Umweltschutzes des Landratsamts M. vom 23. Juni 2017 ergeben sich an den vier Immissionsorten auf dem klägerischen Grundstück von 36,6 db(A) bis 39,6 db(A) in der Nacht. Damit werden auch in der Nacht die beauflagten zielorientierten Werte im Regelbetrieb eingehalten. Diese Berechnung wurde vom Kläger grundsätzlich nicht bestritten. Der Kläger geht allein davon aus, dass die Prognose bezüglich Belegung und Sprechlautstärke für den Regelbetrieb unrealistisch ist. Dem folgt das Gericht nicht. Die Prognose des Landratsamts ist sachgerecht. Vielmehr basiert der Ansatz des Gutachtens des Klägers auf einer unrealistischen Annahme. Der Gutachter unterstellt eine worst-case-Betrachtung. Eine Berücksichtigung solcher Ausnahmeszenarien ist grundsätzlich nicht geboten, da es gerade um die Betrachtung des Regelbetriebes geht (BayVGH, U.v. 20.10.2016 – 2 N 15.1060 – juris Rn. 49; VGH BW, U.v. 3.3.2015 – 5 S 1591.13 – juris).
Die Auffassung des Technischen Umweltschutzes des Landratsamts M. zum Regelbetrieb ist für das Gericht nachvollziehbar und entspricht der Lebenswirklichkeit eines kleinen Beherbergungsbetriebs in T.
Eine hälftige Belegung der Balkone in der Stunde nach 22:00 Uhr stellt einen Regelbetrieb dar, welcher zur Einhaltung der beauflagten Grenzwerte herangezogen werden kann. Auch ohne Maßnahmen zur Verhinderung stellen Vollbelegungen, selbst wenn betriebswirtschaftlich gewünscht, eine unrealistische worst-case-Betrachtung dar (für die Vollbelegung eines Biergartens vgl. BayVGH, B.v. 13.10.2015 – 1 ZB 14.301 – juris Rn. 8). Erst recht handelt es sich nicht mehr um einen realistischen Regelbetrieb, wenn der Kläger zusätzlich annimmt, dass von den Zimmern auf der Bergseite, bei größeren Gruppenreisen, zusätzliche Personen auf die Balkone zum See ausweichen könnten.
Außerdem kann mindestens davon ausgegangen werden, dass 50% der Personen sich „normal“ sprechend verständigen. Nach der VDI-Richtlinie 3770 ist deswegen bei diesen Personen von einer Lautstärke von 65 db(A) auszugehen. Schon der mittlere Schallleistungspegel von 65 db(A) pro sprechenden Gast ist dabei relativ hoch. Nach der Studie „Geräusche aus „Biergärten“ – ein Vergleich verschiedener Prognoseansätze“ von TA Dipl.-Ing. (FH) Hainz, Bayer. Landesamt für Umweltschutz, 1999 (www.s…de/pdf/Biergaerten.pdf), ist selbst bei „leisen“ Biergärten nur von einem mittleren Schallleistungspegel pro Gast und Stunde von 63 dB(A) auszugehen. Eine nächtliche Unterhaltung auf einen Balkon eines Doppelzimmers ist leiser als die Unterhaltung in einem Biergarten. Die Fachbehörde hat auch zutreffend auf die typische Klientel eines Berggasthofes in T. hingewiesen, welche sich wohl eher im gesitteten Alter befindet. Auch muss die Situation betrachtet werden, dass es sich um Balkone und Terrassen, angrenzend an eine ruhige Wohnnutzung handelt. Es ist abwegig, dass sich Gäste hier nach 22:00 Uhr lautstark auf den Balkonen unterhalten. Üblicherweise wird die beginnende Nacht auch in lauen Sommernächten dazu führen, dass die Gäste sich nur leise unterhalten.
c) Ein Zuschlag für Informationshaltigkeit oder Impulshaltigkeit hat nicht zu erfolgen.
A.
2.5.2 der Anlage zur TA Lärm sieht für die Berechnung des Beurteilungspegels im Rahmen der Prognoseberechnung vor, dass für die Teilzeiten, in denen in den zu beurteilenden Geräuschimmissionen ein oder mehrere Töne hervortreten oder in denen das Geräusch informationshaltig ist, für den Zuschlag KT je nach Auffälligkeit der Wert 3 oder 6 db anzusetzen ist. A.2.5.3 der Anlage zur TA Lärm sieht für die Berechnung des Beurteilungspegels im Rahmen der Prognoseberechnung vor, dass für die Teilzeiten, in denen das zu beurteilende Geräusch Impulse enthält, für den Zuschlag Ki je nach Störwirkung der Wert 3 oder 6 db anzusetzen ist.
Der Zuschlag für Informationshaltigkeit erfolgt in den Fällen eines auffälligen Geräuschgeschehens etwa durch eine Außengastronomie oder einer Musikveranstaltung (OVG NW, U.v. 18.2.2013 – 2 A 2135/11 – juris). Hinsichtlich Störwirkung und Auffälligkeit sind sechs sprechende Personen auf Balkonen und Terrassen eines Gästehauses hiermit nicht vergleichbar (zur Nichtvornahme des Zuschlags für Informationshaltigkeit bei einem Wirtsgarten in 17 m Entfernung vgl. BayVGH, B.v. 5.4.2005 – 25 ZB 00.1208 – juris Rn. 7). Hierbei ist zu beachten, dass die durch die Zuschläge von 3 db(A) oder 6 db(A) die Geräusche so behandelt werden, als ob die Geräuschquelle sich verdoppelt bzw. vervierfacht. Die Zuschläge sollen eine besondere Auffälligkeit und Lästigkeit des Geräusches wiederspiegeln. Eine besondere Auffälligkeit oder Lästigkeit von sechs sprechenden Personen bei einem Abstand von ca. 35 m zum maßgeblichen Immissionsort ist keinesfalls gegeben und widerspricht der Lebenserfahrung. Auch das klägerische Gutachten nimmt diesen Zuschlag nicht vor. Es stellt lediglich fest, dass sich eine Erhöhung ergeben könnte. Bei der Beurteilung, ob ein Zuschlag erforderlich ist besteht regelmäßig ein Beurteilungsspielraum, da dieser auch von einem subjektiven Urteil abhängt (Hansmann in: Landmann/Rohmer UmweltR, 90. EL Juni 2019, TA Lärm Nr. 2 2. Rn. 47). Im Rahmen der vorliegenden Prognose ist es deswegen nicht zu beanstanden, dass kein Zuschlag berücksichtigt wird.
Ein Zuschlag für Impulshaltigkeit ist noch fernliegender. Lediglich bei technisch verstärkten Geräuschen durch menschliche Stimmen kann ein Zuschlag für Impulshaltigkeit angewendet werden (Feldhaus in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, 27. Update September 2019, 1.3.3 Zuschlag KI,i für Impulshaltigkeit und/oder auffällige Pegeländerungen). Mangels technischer Verstärkung scheidet der Zuschlag offensichtlich aus.
2. Die Kostenentscheidung fußt auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Der Beigeladene zu 1 hat sich aufgrund der Antragstellung in ein Kostenrisiko begeben, sodass es der Billigkeit entspricht, dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen. Die Beigeladene zu 2 hat keinen Antrag gestellt, sodass es mangels Kostenrisiko nicht der Billigkeit entspricht, ihre außergerichtlichen Kosten den Klägern aufzuerlegen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.


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