Baurecht

Einstweiligen Anordnung  gegen Aufhebung eines rechtswidrigen Bebauungsplans

Aktenzeichen  1 NE 20.259

Datum:
10.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 14557
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 47 Abs. 6
BauGB § 1 Abs. 3, § 3 Abs. 2 S. 2

 

Leitsatz

1. Die sich aus einer Versagung der Baugenehmigung und der unvermeidbaren Dauer eines anschließenden Rechtsstreits in mehreren Instanzen ergebende Verzögerung des Bauvorhabens und damit einhergehende verbundene finanzielle Nachteile sind grundsätzlich weder als schwere Nachteile noch als andere wichtige Gründe anzusehen, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung im Sinne des § 47 Abs. 6 VwGO dringend gebieten würden.  (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Grundsätzlich kann ein Bebauungsplan nur in dem für die Normsetzung geltenden Verfahren aufgehoben werden. Dies gilt aus Rechtssicherheitsgründen auch dann, wenn der Bebauungsplan an einem zur Ungültigkeit führenden Fehler leidet. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Aufhebung des Bebauungsplans Nr. 66 „…“ – 1. Änderung -, die die Antragsgegnerin am 29. Januar 2019 beschlossen und am 13. Februar 2019 bekannt gemacht hat.
Sie ist Eigentümerin des Grundstücks FlNr. …, Gemarkung H…, das im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 66 „…“ (nachfolgend Bebauungsplan Nr. 66) liegt, der am 12. Februar 2008 beschlossen und am 20. Februar 2008 bekannt gemacht wurde. Dieser sieht für das Grundstück der Antragstellerin insbesondere eine maximale Wandhöhe von 5 m an der talseitigen Traufseite des Gebäudes vor. Der Bebauungsplan war Gegenstand eines Normenkontrollantrags (Az. 1 N 09.368), den der Senat mit Urteil vom 2. Februar 2012 abgelehnt hat. Die Antragstellerin war im damaligen Verfahren beigeladen.
Die Antragsgegnerin hat am 2. August 2016 den Bebauungsplans Nr. 66 – 1. Änderung – beschlossen und am 10. August 2016 bekannt gemacht. Diese Änderung betrifft ausschließlich das Grundstück der Antragstellerin und sieht nunmehr insbesondere eine maximale Wandhöhe von 6 m an der talseitigen Traufseite, eine Erhöhung der zulässigen Dachneigung von 32 auf 35 Grad, ein Verbot von Dachaufbauten sowie weitere Anforderungen an die bauliche Gestaltung vor. Hinsichtlich der Stellplätze und der Garage wurde der Bauraum im Bebauungsplan entsprechend dem bisherigen Bestand angepasst. Zur Begründung der Änderung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das vorhandene Baurecht geordnet und hinsichtlich der zulässigen Gebäudehöhe im Sinn der Gleichbehandlung an das auf dem östlichen Nachbargrundstück zulässige Maß angepasst werde. Dabei solle den Anforderungen an die Topographie und das Landschaftsbild, insbesondere der Lage im Landschaftsschutzgebiet, nachgekommen werden.
Die Antragstellerin stellte am 10. August 2017 gegen einzelne der geänderten Festsetzungen einen Normenkontrollantrag (Az. 1 N 17.1538), über den bislang nicht entschieden wurde.
Am 28. November 2017 beschloss die Antragsgegnerin das Verfahren zur Aufhebung des Bebauungsplans Nr. 66 – 1. Änderung – einzuleiten. In der Begründung des Beschlusses wurde ausgeführt, dass die 1. Änderung des Bebauungsplans eine reine Gefälligkeitsplanung zugunsten der Antragstellerin gewesen sei. Die Gemeinde habe sich an eine am Rande des Normenkontrollverfahrens getroffene Absprache mit der Antragstellerin gebunden gefühlt, auch wenn dies letztlich nicht mit der ursprünglichen Planungskonzeption des Bebauungsplans vereinbar gewesen sei. Sie sei nun nicht mehr länger Willens, an dieser reinen Gefälligkeitsplanung festzuhalten und beabsichtige, den Bebauungsplan Nr. 66 – 1. Änderung – klarstellend aufzuheben. Im Rahmen der frühzeitigen Beteiligung der Öffentlichkeit erhob die Antragstellerin mit Schreiben vom 4. Juni 2018 Einwendungen gegen die beabsichtige Aufhebung. Die Aufhebung der Wandhöhenfestsetzung stelle einen Willkürakt dar. Der Bebauungsplan solle hinsichtlich der Wandhöhe und der Flächen für die Garage und Nebenanlagen beibehalten werden. Am 11. September 2018 beschloss die Antragsgegnerin die öffentliche Auslegung. Die Bekanntmachung der Öffentlichkeitsbeteiligung erfolgte am 17. Oktober 2018 durch Aushang an den Amtstafeln. Es wurde darauf hingewiesen, dass der Entwurf für die Aufhebung des Bebauungsplans Nr. 66 – 1. Änderung – nebst Begründung einschließlich Umweltbericht sowie den verfügbaren umweltbezogenen Stellungnahmen in der Zeit vom 29. Oktober bis einschließlich 3. Dezember 2018 eingesehen werden können.
Am 28. Februar 2019 stellte die Antragstellerin Normenkontrollantrag (Az. 1 N 19. 447) gegen die Aufhebung des Bebauungsplans Nr. 66 – 1. Änderung -, soweit hierdurch die zeichnerische und textliche Festsetzung bezüglich der Wandhöhe sowie des Garagenbauraums aufgehoben wurden. Eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag ist noch nicht ergangen.
Einen Antrag auf Erteilung eines Vorbescheids mit der Frage, ob eine Aufstockung des Bestandsgebäudes mit einer Wandhöhe von 6 m genehmigungsfähig sei, lehnte das Landratsamt mit Bescheid vom 24. Januar 2020 ab. Hiergegen erhob die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht München Klage, über die bislang nicht entschieden wurde.
Am 6. Februar 2020 beantragte die Antragstellerin beim Verwaltungsgerichtshof,
im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO die Aufhebung des Bebauungsplans Nr. 66 – 1. Änderung – außer Kraft zu setzen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Aufhebungsbebauungsplan sei offenkundig unwirksam. Effektiver Rechtsschutz gebiete unter Berücksichtigung des Eigentumsgrundrechts der Antragstellerin den Erlass der beantragten Anordnung. Die Auslegungsbekanntmachung vom 11. Oktober 2018 verstoße gegen die Anforderungen des § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB, weil die Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar gewesen seien, unvollständig gewesen seien. Insbesondere sei weder auf die Stellungnahme der Unteren Naturschutzbehörde noch auf die gutachterliche Stellungnahme des Büros Dr. S…  vom 22. Oktober 2015 hingewiesen worden. Die Aufhebung des Bebauungsplans in der Fassung der 1. Änderung führe zu einer Wertminderung des Grundstücks, die nach § 42 Abs. 2 BauGB entschädigungspflichtig sei. Die Höhe der Entschädigungspflicht hätte Bestandteil des Abwägungsvorgangs sein müssen. Eine Dringlichkeit im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO liege vor, weil der Antragstellerin durch die willkürliche Aufhebung des Bebauungsplans Nr. 66 – 1. Änderung – ein ihr zustehendes Baurecht verweigert werde. Es seien keine tatsächlichen und rechtlichen Gründe für die Aufhebung des Änderungsbebauungsplans ersichtlich. Der Aufhebungsbebauungsplan sei abwägungsfehlerhaft, weil er eine von § 1 BauGB nicht vorgesehene Bestrafungsaktion gegenüber der Antragstellerin darstelle und die betroffenen Eigentümerbelange in ihrem Gewicht fehleingeschätzt würden. Es liege zudem ein offensichtlicher Abwägungsfehler vor, da die Antragsgegnerin das Einwendungsschreiben vom 22. November 2018 innerhalb des Aufhebungsverfahrens nicht berücksichtigt habe. Der vollständige Ermessensausfall führe zu einer evidenten Unwirksamkeit der Aufhebung des Änderungsbebauungsplans. Bei evidenten Bedenken gegen die Gültigkeit eines Bebauungsplans sei ein schwerer Nachteil regelmäßig gegeben. Seit zehn Jahren versuche die Antragstellerin, das Bauvorhaben zu realisieren. Ihr Mann sei schwer erkrankt und würde gerne noch zu Lebzeiten in das neue Haus einziehen. Es bestehe daher eine erhebliche Dringlichkeit.
Die Antragsgegnerin beantragte mit Schriftsatz vom 19. Februar 2020,
den Antrag abzulehnen.
Der Normenkontrollantrag werde im Hauptsacheverfahren voraussichtlich unbegründet sein. Mit der 1. Änderung des Bebauungsplans habe die Antragsgegnerin allein den Interessen einer privaten Grundstückseigentümerin Rechnung getragen und sich vollständig – ohne dass hierfür städtebauliche Gründe existiert hätten – in Widerspruch zu ihren im Ursprungsbebauungsplan formulierten und sorgfältig abgewogenen städtebaulichen Zielen gesetzt. Nachdem ein unwirksamer Bebauungsplan den Rechtsschein seiner Gültigkeit entfalte, könne die Aufhebung eines Bebauungsplans erfolgen, um einen als fehlerhaft erkannten Bebauungsplan aufzuheben. Im Übrigen entspreche die Aufhebung des Bebauungsplans einer gerechten Abwägung. Die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags könnten aber letztlich offenbleiben, da nicht ersichtlich sei, dass der weitere Normvollzug vor einer Hauptsacheentscheidung gewichtige Nachteile befürchten lasse.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die vorgelegten Normaufstellungsakten und die Gerichtsakten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes und der Hauptsacheverfahren (1 N 17.1538 und 1 N 19.447) verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO ist unbegründet.
Der Antrag ist abzulehnen, weil der Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung weder zur Abwehr schwerer Nachteile noch aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.
Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind, jedenfalls bei Bebauungsplänen, zunächst die Erfolgsaussichten des in der Sache anhängigen Normenkontrollantrages, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug des Bebauungsplans bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn dessen (weiterer) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden: Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Antrag nach § 47 Abs. 1 VwGO aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung – trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache – dringend geboten ist (BVerwG, B.v. 30.4.2019 – 4 VR 3.19 – juris Rn. 4; B.v. 25.2.2015 – 4 VR 5.14). Wegen der weitreichenden Folgen, welche die Aussetzung des Vollzugs von Rechtsvorschriften hat, ist dabei in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu § 32 Abs. 1 BVerfGG ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BVerfG, B.v. 5.7.1995 – 1 BvR 2226/94 – BVerfGE 93, 181; BayVGH, B.v. 28.11.2019 – 1 NE 19.1502 – juris Rn. 14).
1. Gemessen hieran bedarf es vorliegend bereits keiner Entscheidung, ob der Normenkontrollantrag der Antragstellerin gegen die Aufhebung der 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 66 voraussichtlich Erfolg haben wird. Denn selbst wenn dies der Fall wäre, fehlte es an schweren Nachteilen, die unter Berücksichtigung der Belange der Antragstellerin, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit aus dem weiteren Vollzug der Aufhebung des Bebauungsplans Nr. 66 – 1. Änderung – bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren entstehen und mithin eine vorläufige Regelung unaufschiebbar machen könnten.
Der geltend gemachte Nachteil für die Antragstellerin liegt hier in der Verzögerung ihres Bauvorhabens für den Fall, dass sich im Hauptsacheverfahren die Unwirksamkeit der Aufhebung des Bebauungsplan Nr. 66 – 1. Änderung – herausstellen sollte. In der Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, dass die sich aus einer Versagung der Baugenehmigung und der unvermeidbaren Dauer eines anschließenden Rechtsstreits in mehreren Instanzen ergebende Verzögerung des Bauvorhabens und damit einhergehende verbundene finanzielle Nachteile grundsätzlich weder als schwere Nachteile noch als andere wichtige Gründe anzusehen sind, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung im Sinne des § 47 Abs. 6 VwGO dringend gebieten würden (vgl. NdsOVG, B.v. 1.2.2006 – 9 MN 40/05 – juris Rn. 5). Die Chance, dass sich die Erfolgsaussichten der anhängigen verwaltungsgerichtlichen Klage verbessern würden, bildet ebenfalls keinen wichtigen Grund, der den Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtfertigen könnte. Die Antragstellerin kann in diesem Verfahren alles -einschließlich einer inzidenten Prüfung der Wirksamkeit des Bebauungsplans erreichen, was zur Wahrung ihrer Rechte erforderlich erscheint (vgl. BayVGH, B.v. 2.3.2020 – 2 NE 19.2384 – n.v.). Gegen eine Dringlichkeit spricht, dass die Antragstellerin selbst in der Vergangenheit keine besondere Eile in Bezug auf die Verwirklichung ihres Bauvorhabens gesehen hat, denn der Normenkontrollantrag gegen einzelne Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 66 – 1. Änderung – wurde erst kurz vor Ablauf der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gestellt. Der Erlass einer Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO wurde ebenfalls erst kurz vor Ablauf eines Jahres nach Inkrafttreten der Aufhebung des Bebauungsplans Nr. 66 – 1. Änderung – beantragt. Würde hingegen die Aufhebung der 1. Änderung des Bebauungsplans außer Vollzug gesetzt, bestünde die Gefahr, dass zu Lasten der Antragsgegnerin und deren Planungshoheit vollendete Tatsachen geschaffen werden, die im Widerspruch zu ihrer Planungsabsicht stehen.
2. Im Übrigen spricht aber auch bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Prüfung viel dafür, dass der Normenkontrollantrag im Hauptsacheverfahren voraussichtlich nicht erfolgreich sein wird. Durchgreifende formelle oder materielle Fehler des streitgegenständlichen Bebauungsplans lassen sich bei überschlägiger Prüfung nicht feststellen. Die Aufhebung des Bebauungsplans Nr. 66 – 1. Änderung – dürfte daher voraussichtlich zu Recht erfolgt sein.
Grundsätzlich kann ein Bebauungsplan – abgesehen von der Erklärung als unwirksam in einem gerichtlichen Normenkontrollverfahren – nur in dem für die Normsetzung geltenden Verfahren aufgehoben werden. Dies gilt aus Rechtssicherheitsgründen auch dann, wenn der Bebauungsplan an einem zur Ungültigkeit führenden Fehler leidet (BVerwG, B.v. 12.12.1990 – 4 B 143.90 – NVwZ-RR 1991, 524; U.v. 21.11.1986 – 4 C 22.83 – BVerwGE 75, 42). Der durch die Normsetzung gesetzte Rechtsschein ist deshalb durch dessen förmliche Aufhebung zu beseitigen, wenn der Fehler nicht geheilt oder heilbar ist. Dabei gelten nach § 1 Abs. 8 BauGB für die Aufhebung bzw. Änderung eines Bebauungsplans die Vorschriften über die Aufstellung von Bauleitplänen.
In formeller Hinsicht bestehen hinsichtlich der Aufhebungssatzung voraussichtlich keine rechtlichen Bedenken. Die Auslegungsbekanntmachung vom 11. Oktober 2018 genügt den Anforderungen des § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB die Angabe der Arten der Informationen verlangt, nicht hingegen der Informationen selbst. Die Gemeinde muss – so wie hier geschehen – die in den vorhandenen Stellungnahmen und Unterlagen behandelten Umweltthemen nach Themenblöcken zusammenfassen und diese in der ortsüblichen Bekanntmachung schlagwortartig charakterisieren (BVerwG, U.v. 18.7.2013 – 4 CN 3.12 – BVerwGE 147, 206). Die Beschaffenheit der jeweiligen Information, insbesondere ein Hinweis auf den Autor, ist hingegen nicht anzugeben (BVerwG, U.v. 6.6.2019 – 4 CN 7.18 – NVwZ 2019, 1613). In der Auslegungsbekanntmachung war daher weder die Erwähnung der Stellungnahme der Unteren Naturschutzbehörde vom 11. Juni 2018 noch der gutachterlichen Stellungnahme Dr. S… vom 22. Oktober 2015 zur Situation der Niederschlagswasserbeseitigung auf dem Grundstück der Antragstellerin erforderlich.
Die Aufhebung des Bebauungsplans Nr. 66 – 1. Änderung – ist voraussichtlich auch in materieller Hinsicht zurecht erfolgt. Denn die 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 66 dürfte mangels städtebaulicher Erforderlichkeit rechtswidrig und deren Aufhebung daher geboten gewesen sein.
Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB haben die Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung erforderlich ist. Was in diesem Sinn erforderlich ist, bestimmt sich nach der planerischen Konzeption der Gemeinde. Der Gesetzgeber ermächtigt die Gemeinden, diejenige Städtebaupolitik zu betreiben, die ihren städtebaulichen Entwicklungs- und Ordnungsvorstellungen entspricht. Nicht erforderlich sind u.a. Pläne, die einer positiven städtebaulichen Planungskonzeption entbehren und ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuches nicht bestimmt sind. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist auch verletzt, wenn ein Bebauungsplan aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen auf Dauer oder auf unabsehbare Zeit der Vollzugsfähigkeit entbehrt. In dieser Auslegung wird der Bauleitplanung eine erste, wenn auch strikt bindende Schranke gesetzt, die lediglich grobe und einigermaßen offensichtliche Missgriffe ausschließt. Für die Einzelheiten einer konkreten planerischen Lösung ist demgegenüber das Abwägungsgebot maßgeblich, das gemäß § 1 Abs. 7 BauGB darauf gerichtet ist, die von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen und unverhältnismäßige oder gleichheitswidrige Belastungen zu vermeiden (ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. B.v. 25.7.2017 – 4 BN 2.17 – juris Rn. 3; U.v. 10.9.2015 – 4 CN 8.14 – BVerwGE 153, 16; U.v. 5.5.2015 – 4 CN 4.14 – NVwZ 2015, 1537). Eine Planung, die durch hinreichende städtebauliche Gründe getragen ist, darf auch privaten Interessen dienen und durch private Interessenträger angestoßen sein (vgl. BVerwG, B.v. 30.12.2009 – 4 BN 13.09 – BauR 2010, 569, BayVGH, B.v. 28.11.2019 – 1 NE 19.1502 – juris Rn. 15). Die Grenzen der unzulässigen Gefälligkeitsplanung sind erst dann überschritten, wenn die Planung ausschließlich den Zweck hat, private Interessen zu befriedigen (vgl. BayVerfGH, E.v. 18.2.2016 – Vf.5-VII-14 – BayVBl 2017, 153).
Diese Grenze zur Gefälligkeitsplanung dürfte hier bei der 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 66 überschritten sein. Aus den Aufstellungsakten lässt sich eine städtebauliche Zielsetzung für die Änderungsplanung nicht entnehmen. Die Festsetzung zur Wandhöhe steht vielmehr im deutlichen Widerspruch zu der Konzeption des ursprünglichen Bebauungsplans, ohne dass eine neue städtebauliche Zielsetzung erkennbar wäre. Die Antragstellerin hatte ihr Anliegen zur Erhöhung der Wandhöhe bereits im Zuge der frühzeitigen Beteiligung zur Aufstellung des ursprünglichen Bebauungsplans eingebracht. Der Gemeinderat hatte dort aber mit Beschluss vom 6. November 2007 eine Erhöhung der Bebauung abgelehnt mit der Begründung, dass das Grundstück der Antragstellerin den Abschluss der Bebauung bilde und eine exponierte Höhenlage einnehme, so dass es als gerechtfertigt und städtebaulich erforderlich angesehen werde, das Gebäude zur freien Landschaft hin zurückhaltend in Erscheinung treten zu lassen. Diese ablehnende Haltung wurde im Rahmen der Aufstellung des ursprünglichen Bebauungsplans in der Folge mit Beschlüssen vom 15. Januar 2008 und 12. Februar 2008 bestätigt. Die Anhebung der Wandhöhe auf 6 m war auch nicht aus Gründen der Gleichbehandlung geboten. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 2. Februar 2012 (Az. 1 N 09.368) vielmehr ausgeführt, dass die Festsetzung der Wandhöhe auf 5 m im Hinblick auf die exponierte Lage des Grundstücks der Antragstellerin gerechtfertigt ist. Es ist auch nicht erkennbar, dass die damalige Entscheidung in entscheidungserheblicher Weise unzutreffend von einer Lage des gesamten Baugrundstücks im Landschaftsschutzgebiet ausgegangen ist. Vielmehr ist in der damaligen Entscheidung zutreffend ausgeführt, dass das Grundstück der Antragstellerin teilweise im Landschaftsschutzgebiet liegt bzw. von diesem umschlossen wird. Dies deckt sich mit dem durch Verordnung des Landkreises Starnberg über das Landschaftsschutzgebiet „Starnberger See-Ost“ bestimmten Umgriff der Landschaftsschutzgebietsverordnung (§ 1 Abs. 4 sowie Buchstabe B Ziffer 3.7.1 der Anlage zur Landschaftsschutzgebietsverordnung). Die Änderung der Wandhöhe erfolgte nicht, weil die Antragsgegnerin ihre städtebaulichen Ziele für das Wohngebäude geändert hätte, sondern weil sie sich an ein gegebenes „Versprechen“ gebunden fühlte (vgl. die Gemeinderatssitzung vom 2.8.2016).
Dieser Mangel dürfte zur Gesamtunwirksamkeit der 1. Änderung des Bebauungsplans geführt haben. Zwar führen Mängel, die einzelnen Festsetzungen eines Bebauungsplans anhaften, nicht zu dessen Gesamtnichtigkeit, wenn – erstens – die übrigen Regelungen, Maßnahmen oder Festsetzungen für sich betrachtet noch eine sinnvolle städtebauliche Ordnung im Sinn des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB bewirken können und – zweitens – die Gemeinde nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel auch eine Satzung dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte (BVerwG, U.v. 11.9.2014 – 4 CN 3.14 – NVwZ 2015, 301; BayVGH, B.v. 22.1.2018 – 1 ZB 16.1635 – juris Rn. 7). Hier dürfte es jedoch zumindest an letzterer Voraussetzung gefehlt haben, da nichts dafür erkennbar ist, dass die Gemeinde die weiteren Festsetzungen isoliert getroffen hätte.
Die 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 66 dürfte daher rechtswidrig und damit insgesamt unwirksam sein. Die Gemeinde ist daher voraussichtlich nicht nur befugt, sondern aus Gründen der Rechtssicherheit auch gehalten gewesen, den als nichtig erkannten Bebauungsplan nach den Vorschriften über die Aufstellung von Bauleitplänen (§ 1 Abs. 8 BauGB) aufzuheben (BVerwG, U.v. 21.11.1986 – 4 C 2.83 – BVerwGE 75, 142; OVG NW, U.v. 7.8.2006 – 7 D 67/05.NE – juris Rn 54).
Es sind auch keine Abwägungsfehler nach § 2 Abs. 3, § 1 Abs. 7 i.V.m § 1 Abs. 8 BauGB erkennbar. Der von der Antragstellerin geltend gemachte Abwägungsfehler in Gestalt der fehlenden Berücksichtigung ihres Einwendungsschreibens vom 22. November 2018 im Zuge der Aufhebung der 1. Änderung des Bebauungsplans dürfte nicht vorliegen. Dieses Schreiben enthält gegenüber dem im Rahmen der frühzeitigen Bürgerbeteiligung erfolgten Einwendungen der Antragstellerin vom 4. Juni 2018 keine neuen Gesichtspunkte. Die dort vorgetragenen Einwendungen, insbesondere auch der Gesichtspunkt einer Wertminderung des Grundstücks der Antragstellerin, waren ausweislich der Aufstellungsunterlagen Gegenstand der Gesamtabwägung bei der abschließenden Beschlussfassung.
Der Antrag war daher abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 8 GKG. Sie orientiert sich an Nummern 1.5 und 9.8.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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