Baurecht

Erfolgloser Antrag auf Zulassung der Berufung – Besitzeinweisungsverfahren

Aktenzeichen  22 ZB 20.1428

Datum:
27.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 28466
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AEG § 21 Abs. 3, § 22 Abs. 4
BayEG Art. 23, Art. 24, Art. 42
KG Art. 10 Abs. 1 Nr. 1
BayVwVfG Art. 24 ff

 

Leitsatz

1. Bei der Beweissicherung nach § 21 Abs. 3 AEG handelt es sich um keine materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für das Besitzeinweisungsverfahren. Die in § 21 Abs. 3 S. 1 AEG vorgesehene Beweissicherung  dient nicht unmittelbar der Entscheidung über den Besitzeinweisungsantrag, sondern soll gewährleisten, dass in einem von der vorzeitigen Besitzeinweisung unabhängigen Entschädigungsverfahren die maßgeblichen Verkehrswerte für die Berechnung der Enteignungsentschädigung bestimmt werden können. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. § 21 Abs. 5 AEG regelt nur die Entschädigung für die durch die vorzeitige Besitzeinweisung entstehenden Vermögensnachteile, nicht aber den Ausgleich für den Entzug der Nutzung. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der “Zustand” iSv § 21 Abs. 3 S. 1 AEG betrifft nur die tatsächlichen Verhältnisse auf dem Grundstück, soweit sie für die Entschädigung relevant sind (Bebauung, Bewuchs etc). (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 24 K 18.1825 2020-04-30 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 2.069,78 € festgesetzt.

Gründe

I.
Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung wendet sich die Beklagte gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 30. April 2020, soweit darin die Kostenentscheidung über die Erstattung von Auslagen im Einstellungsbescheid der Beklagten vom 9. März 2018 aufgehoben worden ist.
Mit diesem Bescheid hat die Beklagte das Antragsverfahren der Klägerinnen auf vorzeitige Besitzeinweisung eingestellt und u.a. den zu erstattenden Auslagenbetrag auf 2.545,78 € festgesetzt. Hierbei handelt es sich um die Kosten des Gutachterausschusses für die von der Beklagten am 1. Dezember 2017 beauftragte und am 15. Dezember 2017 vom Gutachterausschuss ausgefertigte Zustandsfeststellung für die Grundstücke, die durch die vorzeitige Besitzeinweisung in Anspruch genommen werden sollten, und die Auslagen für 12 Postzustellungsurkunden. Der Gutachterausschuss hat mit Schreiben vom 1. Dezember 2018 gegenüber der Enteignungsbehörde der Beklagten die Kosten für die „Wertermittlung für Nähe R. straße“ auf 2.515,90 € festgesetzt.
Die Klägerinnen erhoben Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragten, die Kostenfestsetzung im Einstellungsbescheid aufzuheben, soweit ein Auslagenbetrag von 476 € überschritten wird. Mit Urteil vom 30. April 2020 gab das Verwaltungsgericht der Klage statt.
Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass Rechtsgrundlage für die Einhebung des Kostenaufwands §§ 21, 22 Abs. 4 AEG i.V.m. Art. 42 BayEG i.V.m. Art. 10 Abs. 1 Nr. 1 KG sei. Die in § 21 Abs. 3 AEG vorgesehene Beweissicherung betreffe bereits nicht die materiell-rechtlichen Anforderungen einer vorzeitigen Besitzeinweisung, sondern das Enteignungsentschädigungsverfahren. Der Zustand des Grundstücks umfasse nur das Tatsächliche, nicht jedoch auch rechtliche Aspekte. Im vorliegenden Fall läge kein Anhaltspunkt dafür vor, inwieweit der Zustand des Grundstücks für die Entschädigung über die beantragte Besitzeinweisung von Bedeutung gewesen sei. Bei richtiger Sachbehandlung durch die Beklagte wären die streitgegenständlichen Auslagen im Besitzeinweisungsverfahren nicht entstanden.
Das Urteil wurde der Beklagten am 19. Mai 2020 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 17. Juni 2020, beim Verwaltungsgericht am selben Tag eingegangen, beantragte die Beklagte, die Berufung gegen das Urteil vom 30. April 2020 zuzulassen. Die Begründung des Zulassungsantrags erfolgte mit Schriftsatz vom 7. Juli 2020, der am selben Tag beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof einging. Die Beklagte macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils vom 30. April 2020 und eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtsache geltend.
Die Klägerinnen beantragen, den Antrag auf Zulassung der Berufung abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten verwiesen.
II.
Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist bereits nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen dann, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen die Richtigkeit des Urteils gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (BVerfG, B.v. 7.10.2020 – 2 BvR 2426.17 – juris Rn. 34; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – juris Rn. 9). Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 62 f.). Diesen Anforderungen genügt das Zulassungsvorbringen nicht.
Das Verwaltungsgericht führt zur Begründung seiner Entscheidung zunächst aus, dass das durchzuführende Besitzeinweisungsverfahren als Amtshandlung von der Amtshandlung der Durchführung des Enteignungsentschädigungsverfahrens – jedenfalls im Hinblick auf die Zuordnung der Kosten – getrennt zu betrachten sei. Die in § 21 Abs. 3 Satz 1 AEG vorgesehene Beweissicherung unter der tatbestandlichen Voraussetzung „Soweit der Zustand des Grundstücks von Bedeutung ist, …“ betreffe bereits nicht die Feststellung der materiell-rechtlichen Anforderungen der vorzeitigen Besitzeinweisung nach § 21 Abs. 1 AEG, sondern – soweit der Zustand von Bedeutung sein könnte – gegebenenfalls das Enteignungsentschädigungsverfahren.
Demgegenüber bringt die Beklagte vor, § 21 Abs. 3 AEG sei Bestandteil des Besitzeinweisungsverfahrens insgesamt und nicht eines besonderen Enteignungsentschädigungsverfahrens. Eine Enteignung sei nicht beantragt worden. Nach § 21 Abs. 5 AEG habe die Enteignungsbehörde im Besitzeinweisungsverfahren eine Entschädigung festzusetzen. Der Beschluss über die Entschädigungshöhe für die Besitzeinweisung sei Teil des einheitlichen Besitzeinweisungsverfahrens und nicht etwa eines isolierten Enteignungsentschädigungsverfahrens. Die Bezugnahme auf die Entscheidung des VGH BW vom 19. Januar 2017 (5 S 301/15) führe zu keinem anderen Ergebnis, weil dieses Urteil keine Aussage dazu enthalte, dass eine Zustandsermittlung durch die Enteignungsbehörde nicht oder nur unter besonderen Voraussetzungen zulässig sei. Im Übrigen sei der vorliegende Sachverhalt mit dem Sachverhalt, der Entscheidung des VGH BW zugrunde liegt, nicht vergleichbar, weil es dort nur um die vorzeitige Besitzeinweisung in unterirdische Grundstücksteile ging.
Mit diesem Vorbringen zieht die Beklagte die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nicht ernsthaft in Zweifel. Mit der Feststellung, bei der Beweissicherung nach § 21 Abs. 3 AEG handle es sich um keine materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für das Besitzeinweisungsverfahren, sie betreffe nur das Enteignungsentschädigungsverfahren, folgt das Verwaltungsgericht der in der Literatur (Schoen in Kühling/Otte, AEG, 1. Aufl. 2020, § 21 Rn. 20; Schütz in Hermes/Sellner, Beck´scher AEG-Kommentar, 2. Aufl. 2014, § 21 Rn. 31) und Rechtsprechung (OVG NW, B.v. 16.9.2010 – 11 B 1179/10 – juris Rn. 28 zum wortgleichen § 18f FStrG) vertretenen Auffassung, dass die in § 21 Abs. 3 Satz 1 AEG vorgesehene Beweissicherung nicht unmittelbar der Entscheidung über den Besitzeinweisungsantrag diene, sondern gewährleisten soll, dass in einem von der vorzeitigen Besitzeinweisung unabhängigen Entschädigungsverfahren die maßgeblichen Verkehrswerte für die Berechnung der Enteignungsentschädigung bestimmt werden können (vgl. auch Scheidler in UPR 2009, 125 zu § 18f Abs. 3 FStrG). Das von den Parteien angeführte Urteil des VGH BW vom 19. Januar 2017 verhält sich zu dieser Problematik nicht.
Soweit die Beklagte auf § 21 Abs. 5 AEG und die Einheitlichkeit des Verfahrens verweist, übersieht sie, dass § 21 Abs. 5 AEG die Entschädigung für die durch die vorzeitige Besitzeinweisung entstehenden Vermögensnachteile regelt. Es geht hier nur um einen Ausgleich für den Entzug der Nutzung (Schoen in Kühling/Otte, AEG, 1. Aufl. 2020, § 21 Rn. 31). Aus dem Zulassungsvorbringen ergibt sich zudem nicht, inwieweit vorliegend eine Beweissicherung nach § 21 Abs. 3 AEG über den Zustand des Grundstücks für die Festsetzung einer Besitzeinweisungsentschädigung nach § 21 Abs. 5 AEG für den Nutzungsausfall von Bedeutung hätte sein können. Wird ein Grundstück – wie hier – nur vorübergehend für eine Baustelleneinrichtung in Anspruch genommen, ist der Ausgleich in Form der ortsüblichen Miete oder Pacht durch Erstattung des Nutzungsausfalls zu leisten (Schütz in Hermes/Sellner, Beck´scher AEG-Kommentar, 2. Aufl. 2014, § 21 Rn. 42).
Weiter führt das Verwaltungsgericht aus, dass der Zustand des Grundstücks nur das Tatsächliche in der Natur erfasse, denn nur dieser Zustand sei der Beweissicherung zugänglich. Im vorliegenden Fall läge kein Anhaltspunkt dafür vor, dass der Zustand des Grundstücks für die beantragte Besitzeinweisung von Bedeutung gewesen wäre. Weder habe die Beklagte hierzu etwas in der Behördenakte vermerkt noch hätten die Verfahrensbeteiligten die Vornahme einer Beweissicherung beantragt. Der Zustand des Grundstücks sei im Übrigen zwischen den Beteiligten des Besitzeinweisungsverfahrens unstreitig gewesen.
Die Beklagte beruft sich demgegenüber auf den Amtsermittlungsgrundsatz nach §§ 21, 22 Abs. 4 AEG i.V.m. Art. 39 Abs. 7, 23 und 24 BayEG i.V.m. Art. 26 BayVwVfG. Danach bediene sich die Behörde der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Bestimmung des Sachverhalts für erforderlich halte. Es sei sachgerecht gewesen, die Zustandsfeststellung durchzuführen. Oftmals ergäben sich vor Ort Besonderheiten. Vorliegend sei festgestellt worden, dass sich der Zugang (Treppe) zu einem Gebäude auf dem Nachbargrundstück auf der verfahrensgegenständlichen Teilfläche befunden habe. Dies hätte ohne die Sachverständigenkenntnis des Gutachterausschusses nicht festgestellt werden können. Der Zustand des Grundstücks sei im Übrigen nicht unstreitig gewesen, da die Grundstückseigentümer erst mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung vom Besitzeinweisungsverfahren erfahren hätten und sehr aufgebracht gewesen seien.
Auch dieses Vorbringen begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Das Verwaltungsgericht ist unter Bezugnahme auf die Entscheidung des VGH BW vom 19. Januar 2017 zu Recht davon ausgegangen, dass die Enteignungsbehörde den Zustand des Grundstücks bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung nur zu ermitteln hat, soweit der Zustand gerade für das vor ihr durchzuführende Besitzeinweisungs- und Enteignungsverfahren und für die in diesen Verfahren zu gewährende Entschädigung von Bedeutung ist. Die Entscheidung des VGH BW trifft eine allgemeingültige Aussage zur Erforderlichkeit der Durchführung eines Verfahrens nach § 21 Abs. 3 AEG, unabhängig davon, ob die Besitzeinweisung in den oberirdischen oder unterirdischen Besitz von Grundstücken erfolgen soll und hat daher auch Bedeutung für die streitgegenständliche Konstellation. Diese Unterscheidung zwischen oberirdischen und unterirdischem Besitz ist erst bedeutsam, wenn im Einzelfall geklärt ist, für welchen Teil des Grundstücks ggf. eine Zustandsfeststellung zu erfolgen hat.
Ferner hat das Verwaltungsgericht zutreffend darauf abgestellt, dass der „Zustand“ im Sinne von § 21 Abs. 3 Satz 1 AEG nur die tatsächlichen Verhältnisse auf dem Grundstück betrifft, soweit sie für die Entschädigung relevant sind (Bebauung, Bewuchs etc., vgl. hierzu auch Schoen in Kühling/Otte, AEG, 1. Aufl. 2020, § 21 Rn. 20 m.w.N.; Molodovsky/Bernstorff, Enteignungsrecht in Bayern, Art. 24 Nr. 4.2). Weiter müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich der Zustand nach Beginn der Arbeiten auf dem Grundstück nicht mehr feststellen lässt (VGH BW, U.v. 19.1.2017 – 5 S 301/15 – juris Rn. 34; Schoen in Kühling/Otte, AEG,1. Aufl. 2020, § 21 Rn. 20). Auf die von der Beklagten angeführte, erst im Rahmen des Ortstermins festgestellte Einschränkung des Zugangs zu einem Gebäude auf dem nicht von der Besitzeinweisung betroffenen Nachbargrundstück kommt es folglich nicht an, weil dies allenfalls den Umfang der vorzunehmenden Besitzeinweisung bzw. die rechtlichen Beziehungen der Nutzer bzw. Eigentümer der benachbarten Grundstücke betrifft. Es handelt sich hierbei nicht um tatsächliche Verhältnisse, die Auswirkungen auf die von den Klägerinnen zu leistende Nutzungs- bzw. Enteignungsentschädigung haben. Anhaltspunkte dafür, dass sich der Zustand des Grundstücks nach der erfolgten Besitzeinweisung, die hier nur für die Bauphase erfolgen soll, nicht mehr feststellen lässt, so dass eine Zustandsfeststellung zur Bestimmung der Höhe der Entschädigung erforderlich ist, hat die Beklagte auch im Zulassungsverfahren nicht vorgetragen. Ob die Grundstückseigentümer nichts von dem Besitzeinweisungsantrag der Klägerinnen wussten, hat für die Frage, ob der Zustand des Grundstücks „unstreitig“ war, keine Bedeutung.
Auch der Verweis der Beklagten auf ihre Amtsermittlungspflicht (Art. 23 BayEG i.V.m. Art. 26 BayVwVfG) führt nicht weiter. Denn das Verfahren nach § 21 Abs. 3 AEG dient nicht unmittelbar der Entscheidung über den Besitzeinweisungsantrag. Es handelt sich hierbei um ein Beweissicherungsverfahren zur Bestimmung des Verkehrswerts für die Berechnung der Enteignungsentschädigung. Die materiell-rechtlichen Anforderungen für die Besitzeinweisung ergeben sich aus § 21 Abs. 1 AEG, deren Vorliegen die Behörde, die über den Besitzeinweisungsantrag entscheidet, im Wege der Amtsermittlung feststellt. Im Übrigen sieht auch Art. 24 Abs. 2 BayEG ein gesondertes Verfahren zur Feststellung des Zustands des Grundstücks für die zu leistende Enteignungsentschädigung vor, das dem Zweck der Beweissicherung und nicht der verfahrensrechtlichen Verpflichtung der Beklagten zur umfassenden Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts nach Art. 39 Abs. 7, Art. 23 BayEG i.V.m. Art. 24, 26 BayVwVfG für die eigentliche Besitzeinweisungsentscheidung dient. Nur in diesem Rahmen kann sich die Beklagte auf das ihr zustehende Ermessen bei der Auswahl der Beweismittel berufen. § 21 Abs. 3 AEG räumt der Behörde bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzung „soweit der Zustand des Grundstücks von Bedeutung ist“ lediglich ein „Ermessen“ dahingehend ein, ob sie den Zustand selbst feststellen will oder einen Sachverständigen beauftragt.
Im Zulassungsvorbringen vertritt die Beklagte „im Übrigen“ die Ansicht, bei der von ihr beauftragten Zustandsfeststellung habe es sich um keine solche nach § 21 Abs. 3 AEG gehandelt, sondern um die Einnahme eines Augenscheins im Rahmen der Amtsermittlung nach § 22 Abs. 4 AEG, Art. 39 Abs. 7, Art. 23 BayEG, Art. 26 Abs. 1 Nr. 4 BayVwVfG, zu dem der Gutachterausschuss als Sachverständiger herangezogen worden sei, so dass sie unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 Abs. 3 AEG die entstandenen Kosten als Auslagen gegenüber den Klägerinnen festsetzen könne. Zu dieser Rechtsansicht verhält sich das erstinstanzliche Urteil nicht, zumal die Beklagte sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ausdrücklich darauf berufen hat, dass der Gutachterausschuss für eine Zustandsermittlung nach § 21 Abs. 3 AEG beauftragt wurde. Folglich ist nicht entscheidungserheblich, ob der Gutachterausschuss als Sachverständiger für einen Augenscheintermin nach Art. 26 Abs. 1 Nr. 4 BayVwVfG eingeschaltet kann (vgl. hierzu Moldosvsky/Bernstorff, Enteignungsrecht in Bayern, Stand 2021, Art. 24 2.2.7 unter Verweis auf § 193 Abs. 2 Nr. 1 BauGB: „für die Feststellung der Entschädigung für ein Grundstück oder ein Recht an Grundstücken“).
Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.
Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat eine Rechtssache dann, wenn sie eine grundsätzliche, fallübergreifende Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, die im allgemeinen Interesse der Klärung bedarf. Um die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO darzulegen, hat der Rechtsmittelführer die für fallübergreifend gehaltene Frage zu formulieren sowie näher zu begründen, weshalb sie eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat und ein allgemeines Interesse an ihrer Klärung besteht. Darzustellen ist weiter, dass sie entscheidungserheblich ist und ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten steht (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 72). Diesen Anforderungen genügt das Zulassungsvorbringen nicht.
Die Beklagte formuliert die Frage, ob und inwieweit die Enteignungsbehörde befugt ist, im Rahmen von Besitzeinweisungsverfahren Sachverständige mit der Zustandsfeststellung selbständig zu beauftragen. Diese Frage stellt sich aber im vorliegenden Rechtsstreit nicht und ist damit nicht entscheidungserheblich. Zwischen den Beteiligten ist strittig, ob die Beklagte die Kosten für die von ihr beauftragte Zustandsfeststellung als Auslagen gegenüber den Klägerinnen festsetzen kann oder ob die gegenüber den Klägerinnen geltend gemachten Auslagen bei richtiger Sachbehandlung durch die Beklagte nicht entstanden wären und deshalb nicht hätten erhoben werden dürfen (UA Rn. 55). Ob eine Zustandsfeststellung in einem Besitzeinweisungsverfahren sachgerecht ist, ist einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich, weil dies eine Frage des jeweiligen Einzelfalls ist. Die Behörde hat den Zustand zu ermitteln, „soweit“ dieser von Bedeutung ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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