Baurecht

Erfolgreicher Nachbar-Eilrechtsbehelf gegen eine Baugenehmigung, keine Anordnung von Sicherungsmaßnahmen

Aktenzeichen  AN 17 S 20.00707

Datum:
11.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 38996
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5, § 80a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3
BauGB § 212a Abs. 1

 

Leitsatz

1. Einem gerichtlichen Aussetzungsbeschluss brauchen nicht vorbeugend Sicherungsmaßnahmen beigefügt zu werden. (Rn. 4) (red. LS Andreas Decker)
2. Für die Bemessung der Höhe des Streitwertes bei einem Antrag des Nachbarn im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes ist wie bei einer Nachbarklage gegen eine dem Bauherrn erteilte Baugenehmigung regelmäßig auf den vom Nachbarn geltend gemachten wirtschaftlichen Schaden abzustellen. (Rn. 6) (red. LS Andreas Decker)

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 16. April 2020 gegen die Baugenehmigung des Landratsamtes … vom 18. März 2020 wird angeordnet.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
2. Die Antragsteller, der Antragsgegner und die Beigeladene tragen die Gerichtskosten zu je 1/3. Die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller tragen der Antragsgegner sowie die Beigeladene zu je 1/3. Im Übrigen tragen die Antragsteller ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Von den jeweiligen außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners und der Beigeladenen tragen die Antragsteller 1/3. Im Übrigen tragen der Antragsgegner und die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
3. Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Dem mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigen vom 16. April 2020 am selben Tag per Fax bei dem Verwaltungsgericht Ansbach eingegangenen Antrag der Antragsteller mit dem Inhalt
1. Die aufschiebende Wirkung der vor dem Verwaltungsgericht Ansbach anhängigen Klage gegen die Baugenehmigung des Landratsamtes … vom 18. März 2020 wird angeordnet.
2. Der Antragsgegner wird verpflichtet, der Beigeladenen aufzugeben, die Bauarbeiten sofort einzustellen und alle Maßnahmen zum Ausführen des Bauvorhabens zu unterlassen.
wird bezüglich Ziffer 1 stattgegeben. Hinsichtlich Ziffer 2 bleibt der Antrag allerdings ohne Erfolg.
Der Antrag ist in seiner Ziffer 1 erfolgreich. Die im Rahmen der Entscheidung nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO anzustellende gerichtliche Interessensabwägung ergibt ein Überwiegen des Aussetzungsinteresses der Antragsteller gegenüber dem Vollzugsinteresse des Antragsgegners bzw. ein Überwiegen des Interesses der Antragsteller gegenüber dem Interesse der Beigeladenen. Für die gerichtliche Abwägungsentscheidung spielen vor allem die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens eine maßgebliche Rolle. Erweist sich bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage die Klage mit hoher Wahrscheinlichkeit als erfolgreich, überwiegt regelmäßig das Interesse an der Aussetzung der sofortigen Vollziehung. Umgekehrt kommt regelmäßig dem Vollzugsinteresse Vorrang zu, wenn die Klage mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben wird. Erscheinen die Erfolgsaussichten der Hauptsache bei summarischer Prüfung im Eilverfahren als offen, ist eine von der Vorausbeurteilung der Hauptsache unabhängige Folgenabwägung vorzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 27.2.2017 – 15 CS 16.2253 – juris). Vorliegend erweist sich die Klage (AN 17 K 20.00708) als erfolgreich. Der angegriffene Baugenehmigungsbescheid vom 18. März 2020 ist rechtswidrig und verletzt die Antragsteller in ihren Rechten. Im Übrigen wird auf die Ausführungen im Klageverfahren verwiesen (AN 17 K 20.00708).
Bezüglich des in Ziffer 2 formulierten Antrages bleibt das Begehren jedoch ohne Erfolg. Das Gericht wertet den Antrag als einen Antrag auf Anordnung von Sicherungsmaßnahmen i.S.d. § 80a Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO wie sich letztlich aus dem Schriftsatz der Bevollmächtigten der Antragsteller vom 19. Juni 2020 ergibt, wo es heißt, dass im Hinblick auf vorläufigen Rechtsschutz die Möglichkeit eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen die kraft Gesetzes sofort vollziehbare Baugenehmigung anerkanntermaßen bestehe, der nach Maßgabe von § 80a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2 VwGO auch mit einstweiligen Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Dritten verbunden werden könne und bei einem bereits errichteten Vorhaben unter den Voraussetzungen eines Folgenbeseitigungsanspruchs und eines bauaufsichtlichen Einschreitens auch die Sicherstellung von Maßnahmen zur Vollzugsfolgenbeseitigung umfassen könne.
Der Antrag bleibt indes ohne Erfolg, denn für die Anordnung derartiger Sicherungsmaßnahmen bedarf es eines hinreichenden konkreten Grundes. Der vorgetragene Baubeginn ist kein solcher Grund. Einem gerichtlichen Aussetzungsbeschluss brauchen nicht vorbeugend Sicherungsmaßnahmen beigefügt werden. Andernfalls würde man der Beigeladenen, die aufgrund der ergangenen Baugenehmigung vom 18. März 2020 mit den Bauarbeiten bereits begonnen hat, letztlich vorhalten, dass sie von der durch § 212a BauGB gesetzlich legitimierten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, mit der Verwirklichung eines baurechtlich genehmigten Bauvorhabens trotz eines anhängigen Nachbarrechtsbehelfs zu beginnen. Dies allein reicht aber für den Erlass gerichtlicher Sicherungsmaßnahmen auf der Grundlage des § 80a Abs. 3 Satz 1 i.V. mit § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO keinesfalls aus. Weiter gibt es keinerlei Anlass davon auszugehen, dass die Beigeladene und auch der Antragsgegner als Bauaufsichtsbehörde der in Ziffer 1 dieses Beschlusses erfolgten Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Nachbarklage nicht in der gebotenen Weise Folge leisten werden. Hierzu wurde weder substantiiert vorgetragen noch ist dies sonst ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO und richtet sich nach dem Maß des Obsiegens bzw. Unterliegens. Es entspricht der Billigkeit, dem Antragsteller anteilig auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese durch Stellung eines Antrages ein Kostenrisiko eingegangen ist.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Ziffer 9.7.1, 1.1.1, 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Für die Bemessung der Höhe des Streitwertes zu Ziffer 1 des Antrages (Antrages des Nachbarn im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes) ist wie bei einer Nachbarklage gegen eine dem Bauherrn erteilte Baugenehmigung regelmäßig auf den vom Nachbarn geltend gemachten wirtschaftlichen Schaden abzustellen. Mit der Befugnis, den Streitwert nach Ermessen zu bestimmen, ist dem Gericht die Möglichkeit eingeräumt, den Wert des Streitgegenstands zu schätzen und sich hierbei auch einer gewissen Schematisierung und Typisierung zu bedienen. Bei Nachbarklagen schlägt der Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit einen Streitwert zwischen 7.500,00 EUR bis 15.000,00 EUR vor, soweit nicht ein höherer wirtschaftlicher Schaden feststellbar ist (vgl. BayVGH, B.v. 5.12.2014 – 15 C 14.1293 – juris Rn. 6). Das Gericht orientiert sich an diesem Rahmen und berücksichtigt, dass der wirtschaftliche Schaden des Nachbarn bei einem (auch) gewerblich, oder hier zu freiberuflichen Zwecken genutztem Bau in der Regel höher sein wird als bei einer reinen Wohnnutzung. Angaben zur konkreten wirtschaftlichen Beeinträchtigung wurden nicht vorgetragen. Im hier vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist die Hälfte des Wertes anzusetzen. Hinsichtlich des Antrages in Ziffer 2 ist im Verfahren auf einstweiligen Rechtschutz als Streitwert die Hälfte von einem anzusetzenden Wert von 5.000,00 EUR festzusetzen, wobei entsprechend Ziffer 1.1.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit eine Addition erfolgt.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben